Begründung:
Für einige Straßen wurde diese Lärmschutzmaßnahme schon umgesetzt, nicht jedoch für die Baustraße im Bereich der Einmündung Grünstraße.
(…)
Antragstext:
Es wird der Antrag gestellt, zur Herbeiführung eines dringend erforderlichen Lärmschutzes ab 22.00 Uhr den Straßenverkehr auf der Baustraße in Höhe der Grünstraße 27 dadurch zu beruhigen, dass in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr in dem genannten Bereich nur noch ein Tempo von 30 km/h zulässig ist.
Zusätzliche Stellungnahme
der Verwaltung:
In der Stellungnahme der Verwaltung zur SV 66/130 wurde erläutert, dass das Tiefbau- und Grünflächenamt als Straßenverkehrsbehörde bei der derzeitigen Faktenlage nicht befugt ist, die angeregte Geschwindigkeitsbegrenzung zu realisieren.
Der Stadtentwicklungsausschuss hat mehrheitlich aber der Anregung stattgegeben. Um hier zu einer rechtskonformen Entscheidung zu kommen, wird die Sitzungsvorlage um zusätzliche Erläuterungen ergänzt.
1. Kurzdarstellung der Erläuterung
Das Tiefbau- und Grünflächenamt als Straßenverkehrsbehörde ist auf der Basis von §45 Straßenverkehrsordnung unter bestimmten Randbedingungen befugt, Geschwindigkeitsbeschränkungen zum Lärmschutz vorzunehmen. Dabei handelt es sich um einen rechtsgebundenen Verwaltungsakt, welcher einer freien (mehrheitlichen) politischen Entscheidung nicht zugänglich ist.
Voraussetzung für eine (positive) Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde ist die Überschreitung von Lärmwerten nach der Lärmschutzrichtlinie-StV. Die dazu notwendige Lärmberechnung muss nach einem bestimmten Verfahren (RLS-90) erfolgen. Solche Berechnungen liegen nicht vor.
Hilfsweise wurden die Ergebnisse der Berechnungen aus der Lärmaktionsplanung herangezogen. Da diese keine Hinweise auf eine Überschreitung der Lärmgrenzwerte geben, kann die Straßenverkehrsbehörde keine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnen. Die Anregung nach §24 GO wäre abzulehnen.
Wenn der Sachverhalt weiter geprüft werden soll, müsste die vorgenannte Berechnung nach RLS-90 durchgeführt werden. Die Kosten werden auf 3.000€ geschätzt. Die Mittel wären im Budget des Tiefbau- und Grünflächenamtes verfügbar.
Es ist eine Zurückverweisung an den Stadtentwicklungsausschuss angezeigt, um zu einer rechtlich tragfähigen Entscheidung zu gelangen.
2. Ausführliche
Sachdarstellung
-Die
Stadt Hilden ist als Straßenverkehrsbehörde für die Anordnung von
Verkehrszeichen auf den kommunalen Straßen zuständig.
-Rechtsgrundlage
für die Anordnung von Verkehrszeichen ist die Straßenverkehrsordnung (STVO)
-
Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 STVO können die Straßenverkehrsbehörden
Nutzungsbeschränkungen zum Schutz vor Lärm vornehmen:
Die
Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder
Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs
beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben
sie
1. zur Durchführung von Arbeiten im
Straßenraum,
2. zur Verhütung außerordentlicher Schäden
an der Straße,
3. zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm
und Abgasen
-Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO
hinsichtlich Beschränkungen des fließenden Verkehrs dahin modifiziert, dass
Voraussetzung hier eine besondere örtliche Gefahrenlage ist, die das allgemeine
Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich
übersteigt.
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur
dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend
erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es
für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer
Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und
auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des
fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen
örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko
einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter
erheblich übersteigt.
Diese Voraussetzung ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (seit Urteil vom 4. Juni 1986 - 7
C 76.84 - BVerwGE 74, 234) dann erfüllt, wenn Lärm oder Abgase
Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter
Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich
hingenommen und damit zugemutet werden muss.
Für die Beurteilung der Frage, wann die
Zumutbarkeit einer Lärmbelastung im Zusammenhang mit dem Eingreifen der
Ermächtigungsgrundlage nach § 45 Abs. 9 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
StVO überschritten wird, können die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der
Verkehrslärmschutzverordnung (16. Verordnung zum Bundes-Immissions-schutzgesetz
- 16. BImSchV -) als Orientierungspunkte herangezogen werden (BVerwG, Urteil
vom 22. Dezember 1993, a. a. O.; Bay. VGH, Urteil vom 21. März 2012, a. a. O.,
Rn. 28). Wenn diese Schwelle der Lärmbelastung erreicht ist, sind die
tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde
erfüllt und die Behörde hat dann unter Gebrauch ihres Ermessens über
Beschränkungen des fließenden Verkehrs zu entscheiden bzw. ist auf
entsprechenden Antrag hin dann zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet.
Weitere Entscheidungsgrundlagen sind die
Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung
vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV (s. Anlage)) sowie die Richtlinien für
Lärmschutz an Straßen (RLS 90).
Die
vorgenannten Voraussetzungen für eine Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde
im Sinne der Antragstellung sind jedoch nicht gegeben.
Die 16. BImSchV gilt nur für Straßenneubauten.
Insofern können die dortigen Grenzwerte nur als Orientierungspunkt herangezogen
werden. Sie liegen in allgemeinen und
reinen Wohngebieten (wie die Lage des Hauses des Antragstellers) 59 dB(A) am
Tage und 49 dB(A) in der Nacht. Werden diese Werte nicht überschritten, so gibt
es nach derzeitiger Rechtsprechung keinerlei Anspruch gegen die
Straßenverkehrsbehörde auf Tätigwerden (s. z.B. VG Oldenburg (Oldenburg) 7.
Kammer, Urteil vom 13.06.2014, 7 A 7110/13).
Die Lärmschutz-Richtlinie-StV gilt dagegen für
Bestandsstraßen. Dabei gelten dort
folgende Richtwerte: In reinen und allgemeinen Wohngebieten, 70 dB(A) zwischen 06.00und 22.00Uhr (tags),
60 dB(A) zwischen 22.00 und 06.00Uhr (nachts)".
Für
den „Lärmaktionsplan Stufe II gemäß § 47 BImSchV für die Stadt Hilden“ wurden
Lärmberechnungen für diverse Straßen erstellt. Dazu gehört auch der
Straßenbereich, in dem das Haus des Antragstellers steht.
Grundlage der Berechnung zur Ermittlung der
Lärmbelästigungen an Straßen ist gemäß §5Abs.1 der 34. Verordnung zum
Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchV) die „Vorläufige Berechnungsmethode für
den Umgebungslärm an Straßen“ (VBUS). Zudem erfolgt die Ermittlung der
Belastungszahlen auf Grundlage der „Vorläufigen Berechnungsmethode zur
Ermittlung der Belastungszahlen durch Umgebungslärm“ (VBEB).
Die Berechnungen liefern Lärmwerte von 50-55 dB (A)
nachts und 60-65 dB (a) tags.
Auch wenn für die Lärmaktionsplanung ein anderes
Lärmberechnungsverfahren eingesetzt werden muss als bei der
Lärmschutz-Richtlinie-StV, so sind nach hiesigem Kenntnisstand die Ergebnisse
vergleichbar.
Dies
vorausschickend liegen die Berechnungswerte unterhalb der Orientierungswerte
aus den Lärmschutz-Richtlinien-StV. Da diese Orientierungswerte von 70 dB(A)
tags sowie 60 dB(A) nachts nicht überschritten werden, kommt hier ein
gebundener Anspruch des Antragstellers auf straßenverkehrsbehördliches
Einschreiten i. S. v. § 45 StVO nicht in Betracht.
Die geringfügige rechnerische Überschreitung der
Orientierungswerte aus der 16. BImSchV führt nicht dazu, dass ein unterhalb
dieser Werte grundsätzlich nicht gegebener Anspruch auf Überprüfung und
Ermessensbetätigung der Straßenverkehrsbehörde hier etwa in einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde umschlagen könnte.
Denn nach o.g. Nr. 3 der Lärmschutz-Richtlinien-StV soll durch etwaige
straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen der Beurteilungspegel unter den Richtwert
abgesenkt, mindestens jedoch eine Pegelminderung von 3 dBA bewirkt werden.
Die Ergebnisse von RLS-90 Berechnungen im Rahmen
der Lärmaktionsplanung an anderen Straßen in Hilden lassen jedoch den Schluss
zu, dass eine solche Absenkung mit der beantragten Geschwindigkeitsbeschränkung
nicht zu erreichen ist.
Zusammenfassend ist also derzeit davon auszugehen,
dass die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von
geschwindigkeitsbeschränkenden Maßnahmen nicht vorliegen. Insofern wäre eine
Umsetzung des Beschlusses aus hiesiger Sicht nach derzeitiger Datenlage rechtsfehlerhaft.
Eine andere Sichtweise wäre nur dann denkbar, wenn RLS-90 Berechnungen zu einem
deutlich anderen Ergebnis führen würden.
Vor diesem Hintergrund sollte eine
Zurückverweisung an den Stadtentwicklungsausschuss erfolgen. Dort könnte dann
entschieden werden, ob eine Berechnung nach RLS-90 durchgeführt werden soll. Die Kosten werden auf 3.000€ geschätzt. Die
Mittel wären im Budget des Tiefbau- und Grünflächenamtes verfügbar.
Birgit Alkenings