Beschlussvorschlag:
1. Der
Rat der Stadt Hilden verurteilt die Zustände in den Laogai-Lagern in der Volksrepublik
China.
2. Der
Bürgermeister wird gebeten, sich in geeigneter Form bei der Provinzregierung
Guizhou dafür einzusetzen,
dass die Provinzregierung Guizhou
a) Informationen über die in den Laogai-Lagern auf ihrem
Territorium herge-
stellten Produkte,
die zugehörigen Produktbezeichnungen und nach
Deutschland
exportierte Waren veröffentlicht,
b) uneingeschränkt
Besuche von internationalen Menschenrechtsinspektoren
in allen
Laogai-Lagern zulässt,
c) Informationen
über die genaue Zahl der Laogai-Lager und Häftlinge in der
Provinz Guizhou,
die Zahl der Todesfälle in diesen Lagern und die genaue
geographische Lage
der Camps bekannt gibt
d) die Schließung der Laogai-Lager in der
Provinz Guizhou veranlasst.
Solange dies noch
nicht geschehen ist, wird der Bürgermeister gebeten,
e) sich bei der Europäischen Kommission,
der Bundesregierung und im Bun
desrat für ein
effektives Importverbot von Waren aus Laogai-Produktion ein
zusetzen,
f) die
Ausschreibungsunterlagen der Stadt Hilden um eine Selbsterklärung
zum Themenkreis „Produkte aus Laogai-Lagern“ zu ergänzen.
Günter Scheib
Erläuterungen und Begründungen:
Mit Telefax vom 21. November 2006 hat der stellv. Fraktionsvorsitzende
der Bürgeraktion Hilden, Herr Peter Dahm-Korte beantragt, in die Tagesordnung
der Ratssitzung am 13. Dezember 2006 einen Tagesordnungspunkt
Verurteilung des Systems der Zwangsarbeitslager (Laogai-Lager) in der
Provinz Guizhou (VR China)
aufzunehmen.
Der dazugehörige Antrag ist als Anlage 1 beigefügt.
In Absprache mit dem Fraktionsvorsitzenden der Bürgeraktion ist vereinbart
worden, einen entsprechenden Tagesordnungspunkt nicht für die Ratssitzung am
13. Dezember 2006 sondern für die Sitzung des Rates am 31. Januar 2007
vorzusehen.
Bekanntermaßen unterstützt die InWEnt Weiterbildung und Entwicklung
gGmbH, Bonn, (InWEnt ist 2002 entstanden aus dem
Zusammenschluss der Carl Duisberg Gesellschaft e.V. (CDG) und der Deutschen
Stiftung für internationale Entwicklung (DSE)) die Stadt Hilden in der
Umsetzung der mit der Provinzregierung Guizhou abgeschlossenen Vereinbarung
über Personalaustausch im Bereich öffentlicher Verwaltung und der lokalen
Wirtschaft.
Mit Schreiben vom 29.11.2006 habe ich InWEnt den Sachverhalt vorgetragen und um
eine Stellungnahme und gegebenenfalls Empfehlung zu Vorgehensweise zukommen
lassen.
Gleichzeitig habe ich am 29.11.2006 das Auswärtige Amt der
Bundesregierung eingebunden.
Die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 13.12.2006 ist hier am 18.12.2006
eingegangen und als Anlage 2 beigefügt.
Im Hinblick auf den verfassungsmäßigen Vorbehalt der außenpolitischen
Beziehungen zugunsten des Bundes (Artikel 32 Grundgesetz) hat es zum letzten
Satz im vorletzten Absatz des Antwortschreibens noch eine telefonische
Rücksprache gegeben. Der hierzu gefertigte Vermerk ist als Anlage 3 beigefügt.
Kopien des Antwortschreibens wie auch
des Vermerks hat nachgängig auch InWEnt –in Ergänzung der Anfrage- erhalten.
Eine Antwort von InWEnt liegt noch nicht vor. Sollte sie noch vor der Sitzung
eingehen, wird sie als Ergänzung zur SV nachgereicht werden.
Das Thema Laogai-Lager wird auch auf anderen politischen Ebenen
diskutiert.
So hat es im Deutschen Bundestag, in der 16. Wahlperiode am 8.3.2006 mit der
Drucksachen-Nr.16/855 einen Antrag von mehreren Abgeordneten und der Fraktion
der FDP
„Für die Verurteilung des Systems der Laogai-Lager in China“
gegeben.
Die im Antrag zur Debatte gestellten Beschlussforderungen (des
Bundestages an die Bundesregierung) sind inhaltlich den Beschlussempfehlungen
des BA-Antrages an den Rat der Stadt Hilden sehr ähnlich.
Der Antrag ist in der 36. Sitzung des Bundestages am 19.05.2006 überwiesen
worden an
► den Ausschuss für
Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (federführend),
► den Auswärtigen
Ausschuss und
► den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie.
Diese Ausschüsse tagen nichtöffentlich.
Ein Ergebnis der Beratungen ist bisher nicht bekannt.
Ebenso hat es zu diesem Themenkomplex einen Antrag mehrerer Abgeordneter
und der GAL-Fraktion in der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg mit
der Drucksachen-Nr.18/4755 am 16.08.2006
„Verurteilung des Systems der Zwangsarbeitslager (Laogai-Lager) in der
Volksrepublik China“ gegeben.
Mit dem Antrag sollte die Bürgerschaft veranlasst werden, die
Verurteilung der Zustände in den Laogai-Lagern in der Volksrepublik China zu beschließen
und der Senat durch die Bürgerschaft aufgefordert werden, sich in
Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China für bestimmte, genau benannte
Maßnahmen ein zu setzen.
Diese Forderungen sind inhaltlich praktisch deckungsgleich mit denen im
Antrag der BA-Fraktion.
Der Antrag der GAL-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft wurde am
24.08.2006 an den Europaausschuss überwiesen. Hier ist er am 07.09.2006 beraten
und einstimmig beschlossen worden, eine Anhörung durchzuführen. Weiter heißt es
im Protokoll dieser Sitzung, dass den Obleuten (der Fraktionen) angeboten
worden ist, sie in einem vertraulichen und nichtöffentlichen Gespräch über
konkrete Aktivitäten des Senats in Bezug auf China zu informieren. Die
beschlossene Anhörung fand in der Sitzung des Europaausschusses am 28.11.2006
statt.
Vorgesehen ist weiter eine Senatsbefragung am 22.01.2007.
Weiterhin hat es in der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am
21.09.2006 eine Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion der
FDP zum Themenkreis Menschenrechte und Globalisierung (Drucksache 16/2667)
gegeben. Darin sind auch explizit die Laogai-Lager angesprochen. Einige
Fragestellungen aus dieser Kleinen Anfrage berühren den gleichen Themenkreis
wie die auf Seite 2 des Antrages der BA genannten Forderungen. Aus diesem Grund
sind die betreffenden Fragen und dazugehörigen Fragen teilweise nachstehend abgedruckt:
1. Sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 Fälle bekannt geworden, in
denen Produkte oder Dienstleistungen, die unter Missachtung von Menschenrechten
hergestellt wurden, wie beispielsweise durch Kinder- oder Zwangsarbeit etwa in
den chinesischen Laogai-Lagern, nach Deutschland gelangt sind bzw. in Deutschland
verwertet wurden?
Die Bundesregierung hat hierüber keine sicheren
Erkenntnisse. Behauptungen hierzu gibt es seit Jahren, indes keine belastbaren
Beweise.
3. Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten gibt es für die
Bundesrepublik Deutschland, um zu verhindern, dass Produkte oder
Dienstleistungen, die unter Verletzung von Menschenrechten hergestellt bzw.
erbracht werden, nach Deutschland gelangen bzw. in Deutschland verwertet
werden?
Auf derzeitiger WTO-rechtlicher Grundlage können unilaterale
Handelsbeschränkungen zum Schutz von Menschenrechten auf europäischer Ebene nur
nach den Voraussetzungen der Ausnahmeklauseln des GATT Artikel XX
gerechtfertigt werden. Insgesamt gilt
jedoch, dass ein Einfuhrverbot nur dann durchsetzbar ist, wenn die betreffenden
Waren von den Zollbehörden bei der Einfuhr identifizierbar sind und der
Nachweis der Herstellung in den Lagern geführt werden kann. Dies ist
regelmäßig nicht ohne Weiteres der Fall. Die Bundesregierung prüft daher
Möglichkeiten zur Lösung des Problems und hat hierzu auch Kontakt mit der für
die gemeinsame Handelspolitik federführenden Europäischen Kommission
aufgenommen. Eventuelle Einfuhrbeschränkungen
müssen letztlich von den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossen werden.
9. Inwieweit werden Menschenrechtskriterien bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge berücksichtigt?
Wie werden diese Kriterien überprüft?
Nach § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen werden öffentliche Aufträge an fachkundige,
leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weitergehende
Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes-
oder Landesgesetz vorgesehen ist. Eine
besondere gesetzliche Verpflichtung, nach der bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge vom Auftraggeber auch gesondert im Einzelfall geprüft werden müsste,
ob bei potentiellen Auftragnehmern Menschenrechtsverstöße nachweisbar sind,
besteht nicht.
10. Wie beurteilt die Bundesregierung generell die Möglichkeiten von Einzelstaaten,
die Beteiligung von Unternehmen an im Ausland begangenen
Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden?
Eine Möglichkeit, durch die Einzelstaaten aktiv dazu
beitragen können, die Beteiligung von Unternehmen an im Ausland begangenen
Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, ist die Förderung der freiwilligen
Selbstverpflichtungen von Unternehmen im Rahmen des Konzepts der gesellschaftlichen
Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR), welches
sich u. a. auch auf Menschenrechtsstandards bezieht.
11. Hält die Bundesregierung die verschiedenen freiwilligen Initiativen
zur Förderung der Menschenrechte für ausreichend, um die Verantwortung der
deutschen Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte im Rahmen ihrer
Geschäftstätigkeit im Inland und Ausland sicherzustellen?
Im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit deutscher
Unternehmen im Inland stellt das deutsche Rechtssystem die Beachtung der
Menschenrechte sicher.
Die Bundesregierung begrüßt, dass immer mehr Firmen
dem Leitbild des „gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmertums („Corporate
Social Responsibility“, CSR) folgen und bei ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit
freiwillig – über die in Deutschland und der Europäischen Union für sie geltenden
gesetzlichen und tariflichen Standards hinaus – Selbstverpflichtungen eingehen,
um die Einhaltung von menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Standards
im Wirtschaftsleben sicherzustellen. Solche freiwilligen Selbstverpflichtungen
gibt es in mittlerweile kaum noch zu überblickender Vielfalt als firmen- oder
brancheninterne Verhaltenskodizes, Leitlinien, Standards, Gütesiegel und in
anderen Formen, mit unterschiedlicher Reichweite und den verschiedensten
Beteiligten.
Die Anwendung des Artikel XX Buchstabe e des Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommens im Sinne eines Einfuhrverbotes kann nur durch die
Bundesregierung oder die Europäische Union verfügt werden. Eine Anwendung im Rahmen
einer Vergabe ist für den öffentlichen Auftraggeber nicht zulässig.
Hinsichtlich der Forderungen
„in den Ausschreibungsverfahren und Beschaffungsverträgen für den öffentlichen
Einkauf zukünftig die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Labour
Organisation (ILO) zu verlangen“ und
„zu prüfen, inwieweit in den Ausschreibungsverfahren und Beschaffungsverträgen
für den öffentlichen Einkauf auch die darüber hinausgehenden
ILO-Mindeststandards vorausgesetzt werden können“
ist zunächst an die Diskussion und Beschlussfassung im Rat am 10.05.2006
zum Thema „Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit“
zu erinnern. Der damalige Beschluss ist als Anlage 5 beigefügt.
Die diversen Standards und Normen der ILO sind keine Bestimmungen, die
durch Gesetz als verbindlich erklärt wurden. Die öffentlichen Auftraggeber
müssen diese Kriterien bei der Wertung außer Acht lassen. Eine Berücksichtigung
würde zu einem rechtswidrigen Verfahren führen, dass durch jeden Teilnehmer
oder Betroffenen angefochten werden kann
Eine Änderung der maßgeblichern Gesetze und Verordnungen ist nach
aktuellem Stand weder auf EU-, Bundes- oder Landesebene zu erwarten.
Die Aufnahme einer Selbsterklärung oder Selbstverpflichtung analog zu
der Erklärung „Gegen Produkte aus Kinderarbeit“ ist nicht schädlich und hat
eine deutliche Signalwirkung nach Außen.
Aus der bisherigen Erfahrung lässt sich berichten, dass alle Bieter seit
der Einführung diese Erklärung ausgefüllt und unterschrieben haben.
Vor diesem Hintergrund kann verwaltungsseitig nur ein Beschlussvorschlag
empfohlen werden, vergleichbar dem Beschluss vom 10.05.2006 „Keine Produkte aus
ausbeuterischer Kinderarbeit“.
Günter Scheib