Betreff
Verurteilung des Systems der Zwangsarbeiterlager ( Laogai-Lager) in der Provinz Guizhou (VR China), hier: Antrag der Franktion Bürgeraktion Hilden 21.11.2006
Vorlage
WP 04-09 SV 01/071
Aktenzeichen
01 lw
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

 

1.         Der Rat der Stadt Hilden verurteilt die Zustände in den Laogai-Lagern in der Volksrepublik China.

2.         Der Bürgermeister wird gebeten, sich in geeigneter Form bei der Provinzregierung
            Guizhou dafür einzusetzen, dass die Provinzregierung Guizhou
            a)         Informationen über die in den Laogai-Lagern auf ihrem Territorium herge-
                        stellten Produkte, die zugehörigen Produktbezeichnungen und nach
                        Deutschland exportierte Waren veröffentlicht,

            b)        uneingeschränkt Besuche von internationalen Menschenrechtsinspektoren
                        in allen Laogai-Lagern zulässt,

            c)         Informationen über die genaue Zahl der Laogai-Lager und Häftlinge in der
                        Provinz Guizhou, die Zahl der Todesfälle in diesen Lagern und die genaue
                        geographische Lage der Camps bekannt gibt

d)        die Schließung der Laogai-Lager in der Provinz Guizhou veranlasst.

 

Solange dies noch nicht geschehen ist, wird der Bürgermeister gebeten,

e)        sich bei der Europäischen Kommission, der Bundesregierung und im Bun
                        desrat für ein effektives Importverbot von Waren aus Laogai-Produktion ein
                        zusetzen,

f)         die Ausschreibungsunterlagen der Stadt Hilden um eine Selbsterklärung
zum Themenkreis „Produkte aus Laogai-Lagern“ zu ergänzen.

 

 

 

 

 

Günter Scheib

 

 

 


 

Erläuterungen und Begründungen:

Mit Telefax vom 21. November 2006 hat der stellv. Fraktionsvorsitzende der Bürgeraktion Hilden, Herr Peter Dahm-Korte beantragt, in die Tagesordnung der Ratssitzung am 13. Dezember 2006 einen Tagesordnungspunkt

Verurteilung des Systems der Zwangsarbeitslager (Laogai-Lager) in der Provinz Guizhou (VR China)

aufzunehmen.
Der dazugehörige Antrag ist als Anlage 1 beigefügt.
In Absprache mit dem Fraktionsvorsitzenden der Bürgeraktion ist vereinbart worden, einen entsprechenden Tagesordnungspunkt nicht für die Ratssitzung am 13. Dezember 2006 sondern für die Sitzung des Rates am 31. Januar 2007 vorzusehen.

 

 

Bekanntermaßen unterstützt die InWEnt Weiterbildung und Entwicklung gGmbH, Bonn, (InWEnt ist 2002 entstanden aus dem Zusammenschluss der Carl Duisberg Gesellschaft e.V. (CDG) und der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE)) die Stadt Hilden in der Umsetzung der mit der Provinzregierung Guizhou abgeschlossenen Vereinbarung über Personalaustausch im Bereich öffentlicher Verwaltung und der lokalen Wirtschaft.
Mit Schreiben vom 29.11.2006 habe ich InWEnt den Sachverhalt vorgetragen und um eine Stellungnahme und gegebenenfalls Empfehlung zu Vorgehensweise zukommen lassen.

Gleichzeitig habe ich am 29.11.2006 das Auswärtige Amt der Bundesregierung eingebunden.
Die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 13.12.2006 ist hier am 18.12.2006 eingegangen und als Anlage 2 beigefügt.

Im Hinblick auf den verfassungsmäßigen Vorbehalt der außenpolitischen Beziehungen zugunsten des Bundes (Artikel 32 Grundgesetz) hat es zum letzten Satz im vorletzten Absatz des Antwortschreibens noch eine telefonische Rücksprache gegeben. Der hierzu gefertigte Vermerk ist als Anlage 3 beigefügt.
Kopien des  Antwortschreibens wie auch des Vermerks hat nachgängig auch InWEnt –in Ergänzung der Anfrage- erhalten.
Eine Antwort von InWEnt liegt noch nicht vor. Sollte sie noch vor der Sitzung eingehen, wird sie als Ergänzung zur SV nachgereicht werden.

 

 

Das Thema Laogai-Lager wird auch auf anderen politischen Ebenen diskutiert.
So hat es im Deutschen Bundestag, in der 16. Wahlperiode am 8.3.2006 mit der Drucksachen-Nr.16/855 einen Antrag von mehreren Abgeordneten und der Fraktion der FDP

„Für die Verurteilung des Systems der Laogai-Lager in China“

gegeben.

Die im Antrag zur Debatte gestellten Beschlussforderungen (des Bundestages an die Bundesregierung) sind inhaltlich den Beschlussempfehlungen des BA-Antrages an den Rat der Stadt Hilden sehr ähnlich.
Der Antrag ist in der 36. Sitzung des Bundestages am 19.05.2006 überwiesen worden an
        den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (federführend),

        den Auswärtigen Ausschuss und

        den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.

Diese Ausschüsse tagen nichtöffentlich.

Ein Ergebnis der Beratungen ist bisher nicht bekannt.

Ebenso hat es zu diesem Themenkomplex einen Antrag mehrerer Abgeordneter und der GAL-Fraktion in der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Drucksachen-Nr.18/4755 am 16.08.2006

„Verurteilung des Systems der Zwangsarbeitslager (Laogai-Lager) in der Volksrepublik China“ gegeben.

Mit dem Antrag sollte die Bürgerschaft veranlasst werden, die Verurteilung der Zustände in den Laogai-Lagern in der Volksrepublik China zu beschließen und der Senat durch die Bürgerschaft aufgefordert werden, sich in Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China für bestimmte, genau benannte Maßnahmen ein zu setzen.

Diese Forderungen sind inhaltlich praktisch deckungsgleich mit denen im Antrag der BA-Fraktion.

Der Antrag der GAL-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft wurde am 24.08.2006 an den Europaausschuss überwiesen. Hier ist er am 07.09.2006 beraten und einstimmig beschlossen worden, eine Anhörung durchzuführen. Weiter heißt es im Protokoll dieser Sitzung, dass den Obleuten (der Fraktionen) angeboten worden ist, sie in einem vertraulichen und nichtöffentlichen Gespräch über konkrete Aktivitäten des Senats in Bezug auf China zu informieren. Die beschlossene Anhörung fand in der Sitzung des Europaausschusses am 28.11.2006 statt.

Vorgesehen ist weiter eine Senatsbefragung am 22.01.2007.

Weiterhin hat es in der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages am 21.09.2006 eine Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion der FDP zum Themenkreis Menschenrechte und Globalisierung (Drucksache 16/2667) gegeben. Darin sind auch explizit die Laogai-Lager angesprochen. Einige Fragestellungen aus dieser Kleinen Anfrage berühren den gleichen Themenkreis wie die auf Seite 2 des Antrages der BA genannten Forderungen. Aus diesem Grund sind die betreffenden Fragen und dazugehörigen Fragen teilweise nachstehend abgedruckt:

 

1. Sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 Fälle bekannt geworden, in denen Produkte oder Dienstleistungen, die unter Missachtung von Menschenrechten hergestellt wurden, wie beispielsweise durch Kinder- oder Zwangsarbeit etwa in den chinesischen Laogai-Lagern, nach Deutschland gelangt sind bzw. in Deutschland verwertet wurden?

Die Bundesregierung hat hierüber keine sicheren Erkenntnisse. Behauptungen hierzu gibt es seit Jahren, indes keine belastbaren Beweise.

 

3. Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten gibt es für die Bundesrepublik Deutschland, um zu verhindern, dass Produkte oder Dienstleistungen, die unter Verletzung von Menschenrechten hergestellt bzw. erbracht werden, nach Deutschland gelangen bzw. in Deutschland verwertet werden?

Auf derzeitiger WTO-rechtlicher Grundlage können unilaterale Handelsbeschränkungen zum Schutz von Menschenrechten auf europäischer Ebene nur nach den Voraussetzungen der Ausnahmeklauseln des GATT Artikel XX gerechtfertigt werden. Insgesamt gilt jedoch, dass ein Einfuhrverbot nur dann durchsetzbar ist, wenn die betreffenden Waren von den Zollbehörden bei der Einfuhr identifizierbar sind und der Nachweis der Herstellung in den Lagern geführt werden kann. Dies ist regelmäßig nicht ohne Weiteres der Fall. Die Bundesregierung prüft daher Möglichkeiten zur Lösung des Problems und hat hierzu auch Kontakt mit der für die gemeinsame Handelspolitik federführenden Europäischen Kommission aufgenommen. Eventuelle Einfuhrbeschränkungen müssen letztlich von den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossen werden.

 

9. Inwieweit werden Menschenrechtskriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt?

Wie werden diese Kriterien überprüft?

Nach § 97 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden öffentliche Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung, nach der bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom Auftraggeber auch gesondert im Einzelfall geprüft werden müsste, ob bei potentiellen Auftragnehmern Menschenrechtsverstöße nachweisbar sind, besteht nicht.

 

10. Wie beurteilt die Bundesregierung generell die Möglichkeiten von Einzelstaaten, die Beteiligung von Unternehmen an im Ausland begangenen Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden?

Eine Möglichkeit, durch die Einzelstaaten aktiv dazu beitragen können, die Beteiligung von Unternehmen an im Ausland begangenen Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, ist die Förderung der freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen im Rahmen des Konzepts der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR), welches sich u. a. auch auf Menschenrechtsstandards bezieht.

 

11. Hält die Bundesregierung die verschiedenen freiwilligen Initiativen zur Förderung der Menschenrechte für ausreichend, um die Verantwortung der deutschen Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit im Inland und Ausland sicherzustellen?

Im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen im Inland stellt das deutsche Rechtssystem die Beachtung der Menschenrechte sicher.

Die Bundesregierung begrüßt, dass immer mehr Firmen dem Leitbild des „gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmertums („Corporate Social Responsibility“, CSR) folgen und bei ihrer weltweiten Geschäftstätigkeit freiwillig – über die in Deutschland und der Europäischen Union für sie geltenden gesetzlichen und tariflichen Standards hinaus – Selbstverpflichtungen eingehen, um die Einhaltung von menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Standards im Wirtschaftsleben sicherzustellen. Solche freiwilligen Selbstverpflichtungen gibt es in mittlerweile kaum noch zu überblickender Vielfalt als firmen- oder brancheninterne Verhaltenskodizes, Leitlinien, Standards, Gütesiegel und in anderen Formen, mit unterschiedlicher Reichweite und den verschiedensten Beteiligten.

 

 

Die Anwendung des Artikel XX Buchstabe e des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens im Sinne eines Einfuhrverbotes kann nur durch die Bundesregierung oder die Europäische Union verfügt werden. Eine Anwendung im Rahmen einer Vergabe ist für den öffentlichen Auftraggeber nicht zulässig.

Hinsichtlich der Forderungen
„in den Ausschreibungsverfahren und Beschaffungsverträgen für den öffentlichen Einkauf zukünftig die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Labour Organisation (ILO) zu verlangen“ und
„zu prüfen, inwieweit in den Ausschreibungsverfahren und Beschaffungsverträgen für den öffentlichen Einkauf auch die darüber hinausgehenden ILO-Mindeststandards vorausgesetzt werden können“

ist zunächst an die Diskussion und Beschlussfassung im Rat am 10.05.2006 zum Thema „Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit“
zu erinnern. Der damalige Beschluss ist als Anlage 5 beigefügt.

Die diversen Standards und Normen der ILO sind keine Bestimmungen, die durch Gesetz als verbindlich erklärt wurden. Die öffentlichen Auftraggeber müssen diese Kriterien bei der Wertung außer Acht lassen. Eine Berücksichtigung würde zu einem rechtswidrigen Verfahren führen, dass durch jeden Teilnehmer oder Betroffenen angefochten werden kann

 

Eine Änderung der maßgeblichern Gesetze und Verordnungen ist nach aktuellem Stand weder auf EU-, Bundes- oder Landesebene zu erwarten.

Die Aufnahme einer Selbsterklärung oder Selbstverpflichtung analog zu der Erklärung „Gegen Produkte aus Kinderarbeit“ ist nicht schädlich und hat eine deutliche Signalwirkung nach Außen.

Aus der bisherigen Erfahrung lässt sich berichten, dass alle Bieter seit der Einführung diese Erklärung ausgefüllt und unterschrieben haben.

 

Vor diesem Hintergrund kann verwaltungsseitig nur ein Beschlussvorschlag empfohlen werden, vergleichbar dem Beschluss vom 10.05.2006 „Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit“.

 

 

 

 

 

Günter Scheib