Betreff
Anregung nach § 24 GO NRW:
Erhebung einer örtlichen Verbrauchssteuer auf Einweg-Takeaway-Verpackungen
Vorlage
WP 20-25 SV 20/133
Aktenzeichen
IV/20 - Steuer
Art
Anregung/Beschwerde nach § 24 GO NRW

Begründung:

Seit Jahren steigt die Menge an Verpackungsmüll kontinuierlich an. Allein in Deutschland werden jährlich 5,8 Milliarden Einweg-Getränkebecher und 4,3 Milliarden Einweg-Essensboxen verbraucht. Die damit einhergehenden Umwelt- und Klimabelastungen sowie übervollen Mülleimer in meiner Stadt betrachte ich mit Sorge. Mit dem richtungsweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 24.5.2023 ist nun klar: Städte und Gemeinden dürfen eine örtliche Verbrauchssteuer auf Einweg-Takeaway-Verpackungen erheben. Mit dieser besonders wirksamen Maßnahme können sie Mehrweg gezielt fördern und so zu sauberen Städten und Gemeinden sowie Klima- und Ressourcenschutz beitragen. Dies stellt die bereits seit dem 1. Januar 2022 in Tübingen geltende Verpackungssteuer eindrücklich unter Beweis.

 

Bundesweite Maßnahmen wie die seit dem 3. Juli 2021 geltende Einwegkunststoffverbotsverordnung sowie die seit dem 1. Januar 2023 geltende Mehrwegangebotspflicht haben bisher nicht zu spürbar weniger Einwegmüll geführt. Zum einen liegt dies daran, dass viele Gastronomiebetriebe diese Pflichten ignorieren und weiterhin auf Einweg setzen. Zum anderen werden scheunentorgroße Regelungslücken ausgenutzt, indem Einweg-Alternativen aus Holz oder Papier verwendet werden. Der Ersatz von Einweggeschirr aus Plastik durch solches aus anderem Material führt jedoch zu keinem Gramm weniger Müll und wird das Problem unnötiger Abfallberge nicht lösen.

 

Eine örtliche Verbrauchssteuer auf Takeaway-Verpackungen setzt hingegen direkte finanzielle Anreize bei der Gastronomie sowie bei den Bürgerinnen und Bürgern, abfallarme und umweltfreundliche Mehrwegalternativen zu nutzen. Dass dieser Weg funktioniert, zeigt die Stadt Tübingen mit ihrer Verbrauchssteuer: weniger Müll auf den Straßen und eine rege Nutzung angebotener Mehrwegalternativen.


Beschlussvorschlag für den Hauptausschuss:

Die Bürgeranträge werden zur fachlichen Bewertung sowie Vorberatung an den Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen sowie zur Entscheidung an den Rat verwiesen.

Eine Empfehlung hierzu spricht der Hauptausschuss nicht aus.

 

 

Antragstext für den Rat nach Vorberatung im Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen:

Deshalb beantrage ich hiermit die schnelle Einführung einer örtlichen Verbrauchssteuer auf die Ausgabe von Speisen und Getränken in Einwegverpackungen in meiner und Ihrer Stadt.

 


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Seit Januar 2022 gilt in Tübingen eine Steuer auf Einwegverpackungen. Rechtsgrundlage ist die Satzung über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung) gegen die durch eine ortsansässige Inhaberin eines Schnellrestaurants ein Normenkontrollantrag gestellt wurde. Im Revisionsverfahren wurde durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig mit Urteil vom 24.05.2023 (Az: 9 CN 1.22) die kommunale Verpackungssteuer der Stadt Tübingen im Wesentlichen als rechtmäßig angesehen. Demnach können Städte und Gemeinden grundsätzlich eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen erheben, um hierdurch u. a. einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen zu setzen. Laut dem beigefügten Schnellbrief des Städte- und Gemeindebriefs erfolgte vor kurzem die Veröffentlichung der Urteilsbegründung.

 

Mit Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vom 01.06.2023 rief diese Bürgerinnen und Bürger zu einer Mitmachaktion auf und stellt seitdem unter www.duh.de/antrag-verpackungssteuer den Antrag für eine Einwegsteuer in der eigenen Kommune zur Verfügung, um ihn schnell und unkompliziert an die Verwaltung schicken zu können. „Jeder gestellte Antrag für eine Einweg-Verpackungssteuer auf kommunaler Ebene erhöht den Druck auf Bundesumweltministerin Steffi Lemke“, so der DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer. Auf die als Anlage beigefügten Unterlagen wird verwiesen.

 

Mit der Steuer auf Einwegverpackungen sollen die Verunreinigungen des Stadtbildes durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz für die Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Darüber hinaus sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck, sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr vor Ort oder als mitnehmbares „Take-Away-Gericht“ oder „Take-Away-Getränk“ verkauft werden.

Bei der Verpackungssteuer handelt es sich um eine örtliche Verbrauchssteuer gemäß Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz. Aufgrund des Regelungs- bzw. Lenkungszwecks, hier die Vermeidung von Verpackungsmüll, stehe die Lenkungssteuer auch nicht im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes, so der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (StGB NRW) in seiner Mitteilung 346/2023 vom 25.05.2023.

 

Dennoch empfiehlt der StGB NRW in seiner Mitteilung vom 11.08.2023 erneut zurzeit keine Einwegverpackungssteuer einzuführen. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass mit in Krafttreten des Einwegkunststofffondgesetzes (EWKFondsG) des Bundes am 16.05.2023 (BGBl. 2023 Nr. 124 vom 15.05.2023) die Hersteller von bestimmten Kunststoff-Einwegprodukten ebenfalls erstmals ab dem Jahr 2025 rückwirkend ab dem 01.01.2024 mit der Zahlung der Einwegkunststoffabgabe an den Entsorgungskosten beteiligt werden sollen. Die Abgabe soll nach Entwurfsgrundlage insbesondere für Lebensmittelbehälter, Tüten- und Folienverpackungen nicht bepfandeter Getränkebehälter, bepfandete Getränkebehälter, Getränkebecher, leichte Kunststoff-Tragetaschen etc. gelten. Der StGB NRW geht daher davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen wird.

 

In seinem Schnellbrief vom 25.05.2023 weist der StGB NRW auf § 2 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) hin. Demnach bedarf eine Satzung, mit der eine im Lande nicht erhobene Steuer erstmalig oder erneut eingeführt werden soll, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Kommunal- und des Finanzministeriums.

 

Unter Zugrundelegung der v. g. Ausführungen wird verwaltungsseitig empfohlen, derzeit von der Einführung einer Verpackungssteuer abzusehen. Es sollten zunächst die rechtlichen Entwicklungen abgewartet und anschließend die praktische Umsetzung der Erhebung der Verpackungssteuer der Stadt Tübingen und ggf. weiterer Städte erfasst und im Kontext der Hildener Gegebenheiten analysiert werden.

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer

Bürgermeister

 

 

Klimarelevanz:

Eine Klimarelevanz durch die Beschlussfassung über die vorliegende Anregung nach § 24 GO kann zum aktuellen Zeitpunkt weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

 

 

Verfahrensablauf:

Gemäß § 6 Abs. 4 der Hauptsatzung sind zunächst dem Hauptausschuss die Bürgeranregungen vorzulegen, der diese gemäß Abs. 5 inhaltlich zu prüfen und an die zur Entscheidung berechtigte Stelle zu überweisen hat. Bei der Überweisung kann der Hauptausschuss eine Empfehlung aussprechen, an die die zur Entscheidung berechtigte Stelle nicht gebunden ist.

 

Gemäß § 7 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) kann die Gemeinde ihre Angelegenheit durch Satzung regeln, soweit Gesetze nichts Anderes bestimmen.

Nach § 5 Nr. 9 Zuständigkeitsordnung ist der Hauptausschuss grundsätzlich für Vorberatungen von Satzungen und anderen ortsrechtlichen Bestimmungen, Benutzungsordnungen mit Ausnahme Gebührensatzungen, Entgeltordnungen, Bebauungsplänen sowie sonstigen Satzungen auf Grundlage des Baugesetzbuches und der Bauordnung NRW zuständig.

Die Vorberatungen von u. a. Gebührensatzungen obliegt nach § 5a Nr. 13 Zuständigkeitsordnung dem Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen.

Da es sich um eine Steuersatzung handelt soll die Vorberatung ebenfalls im Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen und der Beschluss im Rat erfolgen.