Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss der Stadt Hilden
empfiehlt dem Kreistag, von der Optionsbewerbung Abstand zu nehmen und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der
Bundesagentur für Arbeit in einer Gemeinsamen Einrichtung fortzuführen.
Erläuterungen und Begründungen:
Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seiner Entscheidung vom 20.12.2007
festgestellt, dass die mit dem „4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt“ im Rahmen des Sozialgesetzbuches II (SGB II) neu eingeführten
Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) verfassungswidrig sind. Die im Grundgesetz
normierte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung von Bund, Ländern und Kommunen
widerspreche den Mischverwaltungen aus Bund und Kommunen. Da der Kreis Mettmann
nicht zu den bundesweit 69
„zugelassenen kommunalen Trägern“ zählte, die seinerzeit die Optionslösung
favorisierten, sondern sich bewusst für eine Zusammenarbeit von Kommune und
Bundesagentur entschieden hatte, war und ist auch der Kreis Mettmann von diesem
Urteil und seinen Konsequenzen betroffen.
Der
Bundesgesetzgeber wurde in dem o. a. Urteil aufgefordert, bis zum 31.12.2010
eine verfassungskonforme Lösung vorzulegen. Im Zuge der Beratungen hatte die
Bundesregierung am 25. Januar 2010 zur Neuordnung der SGB
II-Aufgabenträgerschaft einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Fortführung
der bisher 69 zugelassenen Optionslösungen ermöglichen sollte, daneben aber für
alle anderen Kommunen nur eine getrennte Aufgabenwahrnehmung vorsah. Dies hätte
zur Folge gehabt, dass die bisherige Zusammenarbeit von Kommunen und
Arbeitsagenturen nicht mehr hätte fortgesetzt werden können. Die Leistungen für
die Langzeitarbeitslosen wären nicht mehr „aus einer Hand“, sondern im Wege von
je eigenen Anträgen und Bescheiden (einschließlich Widerspruchsverfahren) in
zwei verschiedenen Behörden abzuhandeln gewesen. Auch unter der Maßgabe, diese
Leistungen nach Möglichkeit organisatorisch unter einem Dach und – soweit vor
dem Urteil des Verfassungsgerichtes möglich – in enger Zusammenarbeit
anzubieten, hätte aus fachlicher Perspektive unvertretbare Nachteile für die
betroffene Klientel bedeutet. Der Referentenentwurf geriet deshalb insbesondere
in Fachkreisen zu Recht in die Kritik; angesichts der Nachteile der getrennten
Aufgabenwahrnehmung wurde deshalb gefordert, alternativ mehr Optionsmöglichkeiten
für die kommunalen Träger zuzulassen.
Die fachliche
Kritik an der „getrennten Aufgabenwahrnehmung“ führte auf Bundesebene zu einem
Überdenken der bisherigen Haltung. Im Ergebnis konnte ein Kompromiss erzielt werden,
der den Weg zu einer Verfassungsänderung mit einem neuen Artikel 91 (e)
Grundgesetz ebnete, der – anknüpfend an die bisherige Arbeitsgemeinschaft
(ARGE) – zukünftig eine gemeinsame Einrichtung (g.E.) als Mischbehörde aus
Bundes- und Landesbehörde erlaubt, in der die Agentur für Arbeit und der
kommunale Träger ihre Aufgaben wahrnehmen und damit auch zukünftig Leistungen
aus einer Hand für die Langzeitarbeitslosen erbracht werden können. Daneben
wurde die Zahl der zugelassenen kommunalen Träger (Optionslösung) von bisher
bundesweit 69 auf 110 erhöht. Das Land Nordrhein-Westfalen ist daran
voraussichtlich mit 7 weiteren Optionsmöglichkeiten beteiligt.
Der Bundesrat hat in seiner
Plenarsitzung vom 9. Juli 2010 das vom Bundestag vorgelegte Gesetz über die
gemeinsame Aufgabenwahrnehmung der örtlichen Agenturen für Arbeit und der
jeweils zuständigen kommunalen Träger im Bereich der Grundsicherung für
Arbeitsuchende zugestimmt.
Ab dem 01.01.2011 wird es bundesweit
nur noch zwei unterschiedliche Formen der Aufgabenwahrnehmung der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II geben:
1.
Der
Regelfall der Wahrnehmung der Aufgaben durch eine gemeinsame Einrichtung der beiden
Träger ("optimiertes" ARGE-Nachfolgemodell).
2.
Die
Ausnahme der selbständigen Wahrnehmung aller Aufgaben nach dem SGB II durch die
kommunalen Träger im Rahmen der Option.
Die getrennte Aufgabenwahrnehmung
ist nicht mehr zulässig. Mit Änderung des Grundgesetzes durch Einführung des
Art. 91e ist die Möglichkeit geschaffen
worden, dass bei der Aufgabenwahr-nehmung nach dem SGB II auch zukünftig Bund
und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Kommunen zusammenwirken
können. Die Aufgabenwahrnehmung in diesen Fällen erfolgt in gemeinsamen
Einrichtungen und stellt den Regelfall dar.
Der Kreis Mettmann
hat am 25.6.2010 ein Eckpunktepapier (Anlage)[1]
vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass er die Möglichkeit einer Option nutzen
möchte.
Da es ist für den
Kreis Mettmann selbstverständlich ist , die zehn kreisangehörigen Städte in die
Entscheidungsbindung einzubinden, hat
der Landrat die Bürgermeister der kreisangehörigen Städte gebeten, bis Mitte
Juli dazu eine Stellungnahme[2] abzugeben.
Am 30.6.2010 haben
sich die Sozialdezernenten und Sozialdezernentinnen mit diesem Eckpunktepapier
beschäftigt. Aus deren Sicht war das vorliegende Papier der Kreisverwaltung
nicht ausreichend, um in dieser wichtigen Frage eine qualifizierte Entscheidung
treffen zu können.
Daraufhin haben
die Sozialdezernenten und Sozialdezernentinnen einen Fragekatalog (s. Anlage zur Kreisvorlage)
erarbeitet. Die Stellungnahme des Kreises ist so dann in einer Sondersitzung am
26.7.2010 beraten worden. Das
Ergebnisprotokoll dieser Sondersitzung vom 26.7.2010 ist als Anlage
beigefügt.
Die Beratung im
Kreissozialausschuss am 2.9.2010 wird ohne Beschlussempfehlung erfolgen; erst
in der geplanten gemeinsamen Sitzung des Sozial- und des Kreissausschusses am
30.9.2010 wird eine solche Beschlussempfehlung für den Kreistag (Sitzung am
7.10.2010) abgegeben. Die Antragstellung auf Zulassung als Optionskommune
bedarf nach § 6 b SGB II einer 2/3 Mehrheit des Kreistages.
Spätestens zur
Sitzung des Kreistages sollen die Stellungnahmen der kreisangehörigen Städte vorliegen.
Daneben ist von
der Stadt Hilden die Stellungnahme des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Düsseldorf, Herr Jäger,
eingeholt worden (s. Anlage zur
Kreisvorlage)
Am 21.7.2010 wurde Ihnen in dieser Sache umfangreiches
Informationsmaterial zur Vorberatung zugesandt.
Am 25.8.2010 wurde
die Sitzungsvorlage des Kreises „Neuorganisation des SGB II im Kreis Mettmann“
Vorlagen Nr. 50/021/2010 (als Anlage
beigefügt) den kreisangehörigen Städten zur Information zur Verfügung gestellt.
Darin werden die Vorteile einer Option ausführlich dargestellt.
Sicherlich sind
die Chancen eines Optionsmodells nicht zu verkennen, gleichwohl überwiegen aber
aus Sicht der Verwaltung die erheblichen Risiken einer solchen Alternative.
- Risiko Umstellungskosten, Umstellungsaufwand
Durch die
Umstellung auf das Optionsmodell entstehen erhebliche Kosten für den einmaligen
Umstellungsaufwand und für die anschließenden höheren laufenden Folgekosten.
Eine zentrale Anschubfinanzierung oder Kostenerstattung durch den Bund erfolgt
nicht.
Die
Bundestagsauschüsse für Arbeit und Soziales, Finanzen sowie Innere
Angelegenheiten gehen von einmaligen Kosten in Höhe von 150 € pro Bedarfsgemeinschaft
(BGs) aus. Im Rahmen der SGB II-Einführung 2004 wurden Implementierungskosten
in Höhe von 180 € pro Bedarfsgemeinschaft gerechnet. Bei 19.000
Bedarfsgemeinschaften (Stand 3/2010) liegen diese Kosten zwischen 2,8 Mio. €
und 3,4 Mio. €.
Der Kreis
Unna hat aktuelle Umstellungskosten von 5 Mio. € ermittelt.
Nach
Auskunft der Agentur für Arbeit werden sämtliche Datensätze über einen elektronischen
Transfer zur Verfügung gestellt. Der Kreis Mettmann prüft zurzeit, ob ein
Softwareanbieter in der Lage ist, eine automatische Datenmigration tatsächlich
herzustellen, ansonsten droht eine sehr kostenintensive manuelle Dateneingabe.
Der Kreis Unna rechnet mit einem
(befristeten zusätzlichen) Personalbedarf von 43 Vollzeitstellen, weil das
vorhandenen Personal diese Arbeiten nicht leisten kann.
Des
weiteren ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer Option die Einrichtung
weitere Fachbereiche, bzw. Neustrukturierung von Aufgabenbereichen, die bislang
in Kooperation mit der lokalen Arbeitsagentur oder als Dienstleistung durch die
Bundesagentur abgedeckt wurden, zu einer kostenintensiven
Organisationserweiterung führt.
Es
bestehen große Zweifel, ob der künftig wegfallende Betrag in Höhe von 1,24 Mio.
€, wie von der Kreisverwaltung dargestellt, ausreichend ist, um diese
vielfältigen Leistungen finanzieren zu können.
- Risiko zusätzliche laufende Kosten
Die
Wahrnehmung der Option führt zu einer erheblichen und dauerhaften Erweiterung
der Personalausstattung und der damit verbundenen Sachkosten. Der Kreis hat
eine „besondere Einrichtung“ zu schaffen. Er muss eigenständige Strukturen
entwickeln, da eine Inanspruchnahme bzw. Unterstützung durch die BA nicht mehr
möglich ist. Auch hier sind Zweifel angebracht, ob die Personalmehrung
lediglich die wenigen zusätzlichen Stellen beinhaltet, die der Kreis in seiner
Sitzungsvorlage angibt.
Das
Gesetz verpflichtet bei einer Optionslösung den Kreis, die Beschäftigten der
Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens 24 Monate bei der
ARGE tätig waren, dauerhaft zu übernehmen. Ein Rückkehranspruch soll sich auf
10 % beschränken, so dass mindestens 90 % der Beschäftigten (125 Personen,
Personalkosten 10.000.000 € pro Jahr) übernommen werden sollen.
Die
bisherige Kostenverteilung nach der der Bund 87,4 % der Personal- und
Verwaltungskosten übernimmt, bleibt im Rahmen der zugeteilten Haushaltsmittel
bestehen. Weitere Kostensteigerungen, durch z.B. Personalmehrung, würden somit
nicht abgedeckt.
Hinzukommt,
dass die Frage der Übernahme der Versorgungsanwartschaften und Versorgungsrückstellungen
der Beschäftigten des Bundes völlig ungeklärt ist.
- Risiko Eingliederungsmittel
Bei der Option hat der Kreis die alleinige Verantwortung für den Erfolg
des Einsatzes des Eingliederungstitels und damit für die Vermittlung in Arbeit.
Diese
zunächst positiv zu sehenden Gestaltungsmöglichkeiten werden allerdings durch die Vorgaben des BMAS
und durch Zielvereinbarungen eingeschränkt werden.
Die
bereits jetzt durch die Bundesregierung angekündigten Kürzungen sowohl im
Eingliederungstitel (EGT) als auch im Verwaltungskostenbudget können dazu
führen, dass immer mehr Verwaltungskosten aus EGT finanziert werden (müssen).
Durch diese Reduzierung ist somit zu
beachten, dass weitere Kostensteigerungen der Verwaltungskosten durch
Personalmehrbedarfe noch weitergehende Umschichtungen aus dem grundsätzlich
deckungsfähigen Eingliederungstitel erforderlich machen können. Im Jahr
2008 wurden Umschichtungen aus dem EGT
in das Verwaltungskostenbudget in Höhe von ca. 2,5 Mio. €
vorgenommen.
Bei einer
ungünstigen Arbeitsmarktentwicklung könnte der Kreis zur Einhaltung der Zielvereinbarungen
gezwungen sein, den Eingliederungstitel
durch eigene und durch Kreisumlage
finanzierte Mittel aufzustocken.
Geht
andererseits die Zahl der Bedarfsgemeinschaften aufgrund einer günstigen Arbeitsmarktentwicklung
zurück, so kann das Personal nicht mehr in seiner Gesamtheit finanziert werden.
Eine schnelle Anpassung des Personalkörpers würde eine hohe Zahl von befristeten
Arbeitsverhältnissen erfordern. Es besteht das Risiko einer langfristigen
Bindung an zusätzliches Personal, das nicht schnell genug vermindert werden
könnte.
- Risiko Arbeitsmarktintegration
Eine erfolgreiche
Arbeitsmarktintegration ist nicht nur eine lokale Herausforderung, sondern erfordert die Betreuung eines
überregionalen Arbeitsmarktes. Dabei handelt es sich um
eine Kernkompetenz der
Bundesagentur für Arbeit, deren Unterstützung bei den Gemeinsamen Einrichtungen auch weiterhin uneingeschränkt
zur Verfügung stehen würde.
Schon jetzt wird durch den
gemeinsamen Arbeitgeberservice von ARGE und Arbeitsagen- tur eine erfolgreiche Arbeit geleistet. Es bestehen Zweifel,
ob die kommunalen Wirtschafts-
förderungsämter die erwähnte
Kernkompetenz der Bundesagentur für Arbeit schnell
ersetzen
können.
Bereits jetzt
leistet die ARGE ME-aktiv, und dies kann im Rahmen einer Gemeinsamen
Einrichtung partnerschaftlich und in geteilter Verantwortung weitergeführt
werden, eine lokal und sozialraum-orientierte Arbeit. Die Kompetenzen der BA
und der Kommunen ergänzen sich hierbei in gewachsenen Strukturen.
Die Option enthält
aus Sicht der Verwaltung erhebliche finanzielle Risiken für den Kreis Mettmann
und seine kreisangehörigen Gemeinden. Die Auswirkung auf die Kreisumlage heute
und in der Zukunft ist bislang nicht bekannt.
Die nunmehr
geschaffene gesetzliche Möglichkeit der Leistungserbringung aus einer Hand ermöglicht
die Fortführung der bisherigen erfolgreichen
Arbeit der ARGE ME-aktiv. Hier teilen sich zwei Träger Erfolge und Risiken.
Es wird daher
empfohlen, gemeinsam mit der Agentur für Arbeit die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit
fortzuführen und keinen Optionsantrag zu stellen.
Gez. Horst Thiele
Anlagen:
- Eckpunktepapier
des Kreises vom 25.6.2010
- Ergebnisprotokoll
der Sonder-Konferenz der Sozialdezernenten/Fachbereichsleiter/innen vom
26.7.2010
- Vorlage
Rheinisch-Bergischer Kreis
- Sitzungsvorlage
des Kreises vom 19.8.2010 Vorlagen Nr. 50/021/2010 nebst folgenden Anlagen: - Fragenkatalog der
kreisangehörigen Städte nebst Antworten der Verwaltung des Kreises Mettmann und der Antworten der
Agentur für Arbeit
Finanzielle
Auswirkungen
Produktnummer |
|
Bezeichnung |
|
Investitions-Nr.: |
|
|
|
Mittel
stehen zur Verfügung: |
|
|
|
Haushaltsjahr: |
|
|
|
Der Mehrbedarf
besteht für folgendes Produkt:
Kostenstelle |
Kostenträger |
Konto |
Betrag € |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Deckung
ist durch folgendes Produkt gewährleistet: |
||||
Kostenstelle |
Kostenträger |
Konto |
Betrag € |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Finanzierung: |
||||
Vermerk Kämmerer: Es entstehen
finanzielle Auswirkungen (insbesondere über die Kreisumlage), die zum
jetzigen Zeitpunkt nicht beziffert werden können. Vor dem Hintergrund der dargestellten
Risiken sollte dem Beschlussvorschlag der Verwaltung gefolgt werden. Gesehen Klausgrete |
Personelle Auswirkungen
Die personellen Auswirkungen sind zum jetzigen
Zeitpunkt nicht absehbar.
Im Stellenplan enthalten: |
|
|
|
Planstelle(n): |
|||
Vermerk Personaldezernent gesehen Danscheidt |