Betreff
Sachstandsbericht Soziale Dienste - Fachdienst unbegleitet minderjährige Ausländer
Vorlage
WP 20-25 SV 51/253
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Integrationsrat und der Jugendhilfeausschuss nehmen den Sachstandsbericht Soziale Dienste - Fachdienst unbegleitete minderjährige Ausländer zur Kenntnis.

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Mit dem vorliegenden Sachstandsbericht gibt die Verwaltung dem Integrationsrat sowie dem Jugendhilfeausschuss einen Einblick über die aktuelle Situation innerhalb der Sozialen Dienste, im Detail über die Arbeit des Fachdienstes „unbegleitete minderjährige Ausländer“.

 

Hilfen zur Erziehung, Fachstelle unbegleitete minderjährige Ausländer

 

Mit der Sitzungsvorlage WP 20-25 SV 51/164 informierte das Fachamt den Jugendhilfeausschuss bereits inhaltlich über die Arbeit der Fachstelle sowie deren personelle Ressource.

 

Vorbemerkung:

 

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher am 1.11.2015 wird auf Bundesebene entweder der Begriff „Unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche“ oder „Unbegleitete minderjährige Ausländer“ und als Abkürzung einheitlich „UmA“ verwendet.

UmA bilden eine spezifische Zielgruppe innerhalb der Jugendhilfe, für die es besonders gilt, in Kooperation mit anderen Hilfesystemen, rechtskreisübergreifend bedarfsgerechte Strukturen und Angebote sicherzustellen.

In den Jahren 2015 und 2016 hat die Jugendhilfe auf Bundesebene eine nie dagewesene Anzahl an Kindern und Jugendlichen in Obhut genommen, die im Zuge der hohen Anzahl an geflüchteten Menschen nach Deutschland kamen.

In NRW betreuten zu dieser Zeit sämtliche 186 Jugendämter insgesamt fast 13.000 UmA. Nachdem sich die Flüchtlingssituation zwischen 2018 und 2020 deutschlandweit entspannte, fielen auch die zu betreuenden UmA schrittweise auf ein stabiles Niveau von ca. 5000.

Seit Oktober 2021 nahmen die Zugänge von UmA in NRW und somit auch in Hilden wieder zu und steigen seitdem kontinuierlich an. Auch haben sich durch den Ukraine-Krieg die weltpolitischen Verhältnisse schlagartig verändert, so dass neben bereits bekannten bestehenden Krisenregionen der Welt wie Afghanistan, Syrien oder Irak, junge Menschen nun auch von dort aus ihrer Heimat fliehen mussten.

Bis heute hat sich das Fallaufkommen nahezu verdoppelt und liegt momentan wieder bei über 9.300 UmA. Eine Verlangsamung des Anstiegs deutet sich nicht an, vielmehr hat er sich zuletzt noch einmal verstärkt. Allein zwischen Juli und Oktober 2023 sind mehr als 1500 UmA in NRW hinzugekommen.

 

Rechtliche Grundlagen, Verteilverfahren und Aufgaben des Jugendamts

 

Ein „UmA“ im Sinne des Gesetzes ist jede nichtdeutsche Person, die noch nicht 18 Jahre alt ist und die ohne Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nach Deutschland einreist.

In Deutschland sind anknüpfend an internationale Rechtsvorschriften bei Einreise von

unbegleiteten Minderjährigen alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls im Rahmen des staatlichen Wächteramtes auf der Grundlage des SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe sicherzustellen. Leitgedanke dieses Gesetzes ist es, dass jeder junge Mensch in Deutschland ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat (§ 1 Abs. 1 SGB VIII).

 

Durch die Einführung des Verteilungsverfahrens für unbegleitete Minderjährige haben

Jugendämter verschiedene Aufgaben. Am Beginn des Verfahrens stehen die „Erstaufnahme Jugendämter“, die die unbegleiteten Minderjährigen gemäß § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut nehmen. Im Rahmen des Verteilungsverfahrens erfolgt sodann die Zuweisung der unbegleiteten Minderjährigen in ein „Zuweisungsjugendamt“, das die unbegleiteten nach § 42 SGB VIII in Obhut nimmt und nach Abschluss eines „Clearings“ (zur individuellen Bedarfsfeststellung) den Bedarfen des jungen Menschen durch die passgenauen Hilfen zur Erziehung gerecht wird. Das nun zuständige Jugendamt übernimmt nun die weitere Hilfeplanung bis zur Volljährigkeit des UmA und bei Bedarf darüber hinaus.

Die Entscheidung, welchem Bundesland unbegleitete Minderjährige zugewiesen werden und welche Bundesländer unbegleitete Minderjährige abgeben, trifft das Bundesverwaltungsamt auf Grundlage eines Berechnungsverfahrens, auf das sich die Jugend- und Familienministerkonferenz April 2017 verständigt hat.

 

Danach erfolgt die Verteilung der unbegleitet eingereisten Minderjährigen, ähnlich wie bei der Verteilung der erwachsenen Flüchtlinge, aufgrund der Einreisezahlen eines Monats. Dafür trifft das Bundesverwaltungsamt eine Prognose bezüglich der zu erwartenden Einreisen in einem Monat. Die Verteilstellen der Bundesländer melden dem Bundesverwaltungsamt jeweils die Anzahl der gemeldeten vorläufigen Inobhutnahmen der Vorwoche sowie die Anzahl der Minderjährigen, die von der Verteilung ausgeschlossen sind. Anhand dieser Zahlen nimmt das Bundesverwaltungsamt die bundesweite Verteilung vor und bestimmt eine Über- bzw. Unterbelegung jedes einzelnen Bundeslandes. Die Über- und Unterbelegung werden auf den nächsten Monat übertragen und im Folgemonat ausgeglichen.

 

Ausgehend von diesem Verteilverfahren muss NRW von allen bundesweit ankommenden UmA nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ aktuell ca. 21% aufnehmen. Basierend auf den vorliegenden Zahlen (Stand 04.10.2023) wären das 10.059 UmA bei einer Belegungsquote von aktuell 92,8%, eine Verteilung zwischen Bundesländern ist jedoch aktuell aufgrund der geringen Differenz nicht erfolgt.

Die Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Nordrhein-Westfalen (Landesstelle NRW) übernimmt die Aufgabe der Verteilung der Jugendlichen auf die Stadt- und Landkreise in NRW, die ihre Quote noch nicht erfüllt haben. (vergl. https://www.lvr.de/de/nav_main/jugend_2/jugendmter/landesverteilstelle/landesverteilstelle_1.jsp)

           

Neben dem allgemeinen Sozialen Dienst ist auch noch der Aufgabenbereich der Vormundschaft und Pflegschaft im Kontext von UmA zu betrachten. Hier bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 88a Abs. 4 SGB VIII nach der örtlichen Zuständigkeit für die Inobhutnahme und für die Leistung. Es ist also immer das Jugendamt für die Amtsvormundschaft bzw. Amtspflegschaft örtlich zuständig, das auch für die Inobhutnahme

bzw. die Leistung örtlich zuständig ist. Damit soll die örtliche Zuständigkeit für die Jugendhilfemaßnahme und die örtliche Zuständigkeit für Vormundschaft /Pflegschaft immer in demselben Jugendamt liegen.

Der Vormund ersetzt die Personensorgeberechtigten der unbegleiteten Minderjährigen.

Das bedeutet, er nimmt all die Aufgaben wahr, die bisher von den Personensorgeberechtigten erfüllt wurden oder hätten erfüllt werden müssen.

 

Aktuelle Situation in Hilden

 

Analog zum Bundestrend ist auch in Hilden seit Oktober 2021 eine konstante Zunahme von unbegleiteten Minderjährigen zu dokumentieren.

Untermauert wird diese Sachlage ganz aktuell durch die Meldung der Landesstelle NRW vom 04.10.2023, in dem Hilden eine Quote von 29 UmAs zugewiesen worden ist, welche die Stadt mit 28 zu betreuenden UmAs momentan zu 97% erfüllt.

 

Im September 2023 war die prozentuale Zunahme an UmAs in Hilden so hoch wie zuletzt im Oktober 2022 (+ ca. 6 %). Auf Jahresbasis war 2022 eine Zunahme der Fälle von 41% zu verzeichnen, im laufenden Jahr besteht bereits jetzt ein Zuwachs von weiteren 35 %. In Summe befindet sich Hilden damit auf dem Niveau der Zuweisungsquote von Anfang 2019.

Mit einer zeitnahen rückläufigen Entwicklung kann indes nicht gerechnet werden. Vielmehr gehen auch Experten von einer weiteren Steigerung der Fallzahlen aus.

Parallel zu den allgemein steigenden UmA Zahlen stagniert die Anzahl an stationären Unterbringungsplätzen, beziehungsweise sind diese sogar rückläufig. Die Begründung hierfür findet sich in dem besorgniserregenden Fachkräftemangel der Jugendhilfe. Aufgrund von nicht vorhandenem Personal sehen sich viele Wohngruppen gezwungen, einen Aufnahmestopp auszusprechen oder gar ganze Gruppen schließen zu müssen. Ergänzend kommt hinzu, dass nach 2017 die mit viel Kraft aufgebauten Strukturen wieder zurückgebaut wurden und nun fehlen.

 

 

 

 

Die Fachausschüsse werden über die weitere Entwicklung informiert.

 

 

gez.

In Vertretung

 

Sönke Eichner

1. Beigeordneter