Betreff
Sachstandsmitteilung Soziale Dienste, Fachstelle unbegleitete minderjährige Ausländer
Vorlage
WP 20-25 SV 51/219
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Integrationsrat nimmt den Bericht der Verwaltung zum aktuellen Stand der Fachstelle „unbegleitete minderjährige Ausländer“ zur Kenntnis.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Sachstandsmitteilung Soziale Dienste, Fachstelle unbegleitete minderjährige Ausländer

 

Mit dem vorliegenden Sachstandsbericht gibt die Verwaltung dem Integrationsrat einen Einblick über die aktuelle Situation innerhalb der Sozialen Dienste.

 

 

Mit der Sitzungsvorlagen WP 20-25 SV 51/211 informierte das Fachamt bereits den Jugendhilfeausschuss über die aktuelle Situation der unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen in Hilden. Aufgrund der Zusammenarbeit der Fachämter 51.2 Asyl und Obdach und 51.3 Soziale Dienste in diesem Bereich, erfolgt ergänzend auch eine Information des Integrationsrates.

 

Im März 2022 nahm das Jugendamt Hilden zunächst neun unbegleitete junge Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Acht der teils noch sehr jungen Kinder (7-10 Jahre) konnten bereits nach wenigen Tagen in stationäre Jugendhilfemaßnahmen von langjährigen Kooperationspartnern eingebunden werden. Ein Jugendlicher hat die Maßnahme nach einigen Wochen abgebrochen und ist unseres Wissens nach zurück in die Ukraine gekehrt.

 

Binnen der ersten sechs Monaten hatten die verbleibenden acht Kinder Zeit sich in der jeweiligen Wohngruppe einzufinden und anzukommen. Nachdem die ersten Testungen und Diagnostiken angestoßen und begonnen worden sind war zu erkennen, dass alle acht Kinder unter einer, teils schwer ausgeprägten Fetalen Alkohol-Spektrum-Störung leiden (FAS wird durch akuten oder chronischen Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft verursacht). Häufige Symptome einer FAS sind körperliche und geistige Retardierung („Zurückgebliebenheit“).

Um mögliche geistige Schädigungen der Kinder, welche ggf. einen Wechsel des Kostenträgers von der Jugendhilfe in den Behindertenbereich bedingen würden, zu erfassen, durchliefen bzw. durchlaufen aktuell noch alle acht Kinder eine entsprechende Diagnostik sowie eine Testung der individuellen Intelligenz.

Viele Kinder, die ein Fetales Alkoholsyndrom haben, neigen zu aggressivem Verhalten und weisen ein gestörtes Sozialverhalten auf. Sie sind zum Beispiel mitunter außergewöhnlich aufsässig. Diese sogenannten Impulskontrollstörungen treten in sehr ausgeprägtem Maß aktuell bei drei Kindern auf.

Das dissoziale Verhalten hat zur Auswirkung, dass inzwischen zwei Kinder ohne eine zusätzliche individuelle 1:1 Betreuung in den Wohngruppen nicht haltbar wären. Die Kosten dieser intensiven Maßnahmen schlagen mit 20.500 € monatlich zu Buche.  

 

 

Von den acht Kindern sind inzwischen drei in stationäre Jugendhilfeeinrichtungen übergeleitet worden, die den individuellen, teils extrem auffälligen Verhaltensweisen konzeptionell geeigneter begegnen können. So ist beispielsweise der Personalschlüssel an die Bedarfe der Kinder angepasst, so dass die Partizipation in den „normalen“ Gruppenalltag möglich ist.

Die Betreuung der ukrainischen Kinder mit all ihren Besonderheiten hat die hiesige Fachstelle „unbegleitete minderjährige Ausländer“, die seit dem 1. Juli 2022 wieder als eigeneständige Fachstelle organisiert und mit einer Vollzeitkraft besetzt ist, extrem gefordert. Jedes ukrainische Kind benötigt eine individuelle Hilfeplanung- und Steuerung sowie einen engen Austausch mit den Vormündern und Einrichtungen.

Neben dieser Herausforderung verzeichnet die Fachstelle seit Herbst 2022 eine konstante Zunahme von unbegleiteten Minderjährigen an sich.

Alleine seit Oktober 2022 hat sich Fallzahl um über 30% auf 24 Jugendliche erhöht.

Die rasant ansteigende Fallzahl hatte zur Folge, dass die Fachstelle personell verstärkt werden musste. Um dem Arbeitsaufkommen sowie den pädagogischen Anforderungen gerecht zu werden, wurde eine erfahrene ASD-Kraft anteilig in die Betreuung der umAs integriert.  

Die Entwicklung, mit der sich Hilden in diesem Kontext konfrontiert sieht, ist bundesweit zu verzeichnen. Nach Angaben der Jugendsenatsverwaltung in Berlin kamen im Januar 2023 pro Tag acht bis zehn Geflüchtete unter 18 in Berlin an. 2022 suchten bereits insgesamt 3209 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schutz in der Stadt, so viele wie seit 2015 nicht mehr (vergl. https://www.tagesspiegel.de/berlin/acht-bis-zehn-unbegleitete-pro-tag-berlin-kommt-mit-unterbringung-minderjahriger-gefluchteter-kaum-hinterher-9209031.html ).  

 

In Hilden bildete das Jahr 2016 mit der Betreuung von 45 umAs die bisherige „Spitze“. Zu diesem Zeitpunkt war die Fachstelle mit 2 VZÄ besetzt. Die Stellenanteile konnten sukzessive reduziert werden, da der Großteil der jungen Menschen volljährig geworden und in ein eigenständiges Leben überführt werden konnte.

Sollte die Zahl der zu betreuenden umAs weiter ansteigen, wovon Politik, Jugendverbände und Fachkräfte gegenwärtig ausgehen, wird die Situation auch in Hilden bezogen auf personelle Ressourcen und Unterbringungsmöglichkeiten betrachtet werden müssen.

 

 

Parallel zu dem Anstieg der Fallzahlen im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen kommen auch vermehrt Familien in den städtischen Flüchtlingsunterkünften an, die einen pädagogisch/erzieherischen Bedarf aufweisen.

In Kooperation zwischen den Sozialarbeiter*innen der Ämter 51.2 und 51.3 wurden Verfahrensabläufe und Aufgabenzuordnungen bestimmt, die die Betreuung der Familien bedarfsgerecht und zielorientiert garantiert.

Um Synergieeffekte zu nutzen und für alle Protagonisten im Kontext von geflüchteten Familien feste Ansprechpartner*innen anzubieten, fungiert die Fachstelle „umA“ parallel auch als Ansprechpartner für alle Familienunterkünfte im Stadtgebiet. Diese Maßnahme hat sich bereits als erfolgreich dargestellt, da konstante Arbeitsbündnisse geschaffen und Fachwissen gebündelt werden konnte.

Auch hier gilt es Entwicklungen und Bedarfe zu beobachten und darauf adäquat zu reagieren.

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer

Bürgermeister