Betreff
Konzept zur Stärkung der Umweltberatung
Vorlage
WP 20-25 SV IV/017
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat beschließt nach Vorberatung im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz:

 

Im Rahmen der städtischen Umweltberatung werden zunächst umweltbezogene Informationen und Beratungsangebote öffentlichkeitswirksam aufbereitet, sodass die Wissensvermittlung und Kompetenzerhöhung der Bürger:innen gestärkt werden kann. In einem zweiten Schritt werden für individuelle Handlungsprobleme Beratungsangebote vermittelt.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Auf Antrag der Fraktion Bündnis´90/DIE GRÜNEN die Bauberatung der Stadtverwaltung für Bürger:innen sowie Unternehmer:innen um die Themenfelder Umwelt, Energie und ökologische Bauweisen auszuweiten, hat der Rat am 14.12.2021 die Klimamanagerin beauftragt, ein Konzept zur Ausweitung des entsprechenden Beratungsangebotes zu erstellen. Mit Vorlage dieser Beschlussvorlage wird diese Aufgabe erfüllt.

 

Umweltberatungen für Verbraucher:innen gibt es in Deutschland etwa seit den 1980er Jahren. Damals entstanden die ersten Bemühungen, Beratungsangebote für Privathaushalte zu schaffen. Träger der Umweltberatungen waren Gemeindeverwaltungen, Verbände wie der BUND, Verbraucherzentralen sowie Ver- und Entsorgungsbetriebe. Die kommunale Umweltberatung, die vor 10 Jahren noch schwerpunktmäßig in Form von Haushalts- und Abfallberatung stattfand, steht ihrerseits vor neuen Anforderungen. Die letzte Bevölkerungsumfrage zum Umweltbewusstsein in Deutschland (BMUB, UBA 2017, S. 14-24) hat erneut gezeigt, dass das Umweltbewusstsein in Deutschland zwar hoch ist. Nichtsdestotrotz besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen dem Bewusstsein und tatsächlichem umweltfreundlichen Verhalten (BMUB, UBA 2017, S. 32-34). Bei der Umsetzung von Handlungsempfehlungen für Verbraucher:innen kommt der Umweltberatung daher eine besondere Bedeutung zu.

 

Auch wenn bau- und sanierungsbezogene Entscheidungen eine zentrale Bedeutung für die Umsetzung kommunaler Klimaschutzstrategien haben, kann aber eine Stadt ihren Bürger:innen nur bedingt Vorschriften für eine klimaschonende Bau- und Verhaltensweise machen. Gleichwohl können Kommunen das Entscheidungsfeld ihrer Bürger:innen beeinflussen, indem sie Informations- und Aufklärungsangebote zu energie- und klimaschonendem Verhalten bereitstellen und Angebote für klimafreundliche Produkte, Dienstleistungen und Bauweisen fördern.

 

 

Beratungsangebote in Hilden:

 

Nach der Ist-Erfassung von kooperierenden Hildener Beratungsangeboten der Stadtverwaltung stellten sich zwei Punkte heraus. Zum einen fehlt bei den Bürger:innen die Kenntnis über das Vorhandensein diverser Beratungsangebote. Zum anderen sind finanzielle Hintergründe vorherrschend für das Aufsuchen der Beratungsstellen und nicht der Wille zu einem umweltfreundlicherem Verhalten:

 

  1. Rathaus Beratung Hilden - Energieberatungsstützpunkt der Verbraucherzentrale NRW

Energieberater Herr Bertram berichtete, dass zu den monatlichen Sprechstunden, die bereits seit 2019 angeboten werden, nur vereinzelt die Beratungsstelle aufgesucht wurde. Als ersten Schritt erfolgt die Terminvergabe seit 2022 durch die Klimaschutzmanagerin, um mehr Bürgernähe zu generieren. Als zweiten Schritt erarbeitet die Klimaschutzmanagerin vor jeder Sprechstunde eine Pressemitteilung, die über alle Kommunikationsmedien veröffentlicht wird. Diese Vorgehensweise hatte inzwischen großen Erfolg; bereits 1,5 Tage nach Veröffentlichung der Pressemeldung waren alle Termine für die nächste Sprechstunde vergeben. Dieses Beratungsangebot ist kostenlos.

 

  1. Energieberatung der Stadtwerke Hilden

Herr Müller berichtete, dass Energieberatungen das Tagesgeschäft seien. Dabei handle es sich vorherrschend um Tarifberatungen, sprich die Suche nach günstigeren Tarifmöglichkeiten. Die wenigsten Fälle würden auf Umweltgedanken beruhen.

Darüber hinaus würde eine Kooperation mit dem Caritas Verband bestehen, der Beratungen für sozial schwache Haushalte anbietet (Stromspar-Check).

Auch Gewerbetreibende werden durch die Stadtwerke bspw. bei der Erstellung von Energieaudits unterstützt.

Mehr Nachfragen als bei der Energieberatung verzeichnen die Stadtwerke bei dem Angebot „hildenSolar“. Hier sind es zurzeit ca. 10-20 Anfragen pro Woche. Dabei merkt Herr Müller an, dass der irrtümliche Gedanke immer noch vorherrschend sei, dass mit PV-Anlagen Geld verdient werden könne. Heutzutage läge die Amortisationsdauer jedoch bei ca. 16-17 Jahren.

Die Angebote hildenSolar, hildenWärme und hildenStrom seien darüber hinaus auf Synergieeffekte ausgelegt, sodass auch der Themenbereich E-Mobilität abgedeckt ist. Diese Angebote sind im ersten Schritt kostenlos und basieren auf den Daten des Solarportals. Dabei wird eine Einschätzung zu den voraussichtlichen Kosten gegeben und eine CO2-Ersparnis aufgezeigt. In einem zweiten Schritt wird eine Projektpauschale für die Beratung durch einen Kooperationspartner vor Ort in Höhe von 199 € erhoben, die bei Beauftragung entfällt.

 

  1. Umwelt- und Energieberatung der IHK Düsseldorf

Frau Busch berichtete, dass sie ca. 2-3 Anfragen pro Woche erhalten würden. Diese zielen zum einen auf Befreiungen von der Ausgleichsregelegung der EEG-Umlage ab. Zum anderen erkundigen sich Unternehmen mit hohen Verbräuchen nach Klauseln, um begünstigt Energien beziehen zu können. Darüber hinaus wird sich nach Fördermöglichkeiten erkundigt. Früher habe es eine Energieeffizienzberatung vor Ort gegeben. Inzwischen wird diese nicht mehr angeboten, da Unternehmen diese Dienstleistung nicht mehr nachfragen. Dies bekräftigt, dass Unternehmen bereits aus eigener Antriebskraft Effizienzmaßnahmen ergreifen, welche zum Klimaschutz beitragen. Diese Auffassung wird ebenfalls vom Team Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung geteilt. Auch für die Teilnahme am jährlichen ÖKOPROFIT Projekt konnten in diesem Jahr nur zwei Hildener Unternehmen akquiriert werden.

 

  1. Auswertung der Bauberatungsanfragen der Stadt Hilden

Ungefähr 90% der Bauanträge werden von Architekten eingereicht und weisen Wärme- bzw. Energienachweise aus. Dies bedeutet, dass die Bauwilligen bei den Umbaumaßnahmen ihrer Bestandsgebäude bereits durch Fachkundige eine Energieberatung erhalten haben*. Die Anzahl an Umbauten/Änderungen/Erweiterungen von Bestandsgebäuden ist über die letzten drei Jahre stabil (2019 - 93 | 2020 - 90 | 2021 - 94) **.

 

Die baurechtliche Beratung der Stadt Hilden befasst sich u.a. mit allen Themen, die für Hildener Haus- und Grundbesitzer:innen relevant sind. Seit 2019 werden die Anfragen der Bauberatungen thematisch erfasst. Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht die Ergebnisse der für diese Ausarbeitung relevanten Vorhaben.

 

Vorhaben

2019

2020

2021

Versiegelung von Vorgärten bzw. Anlegen von Schottergärten zur Stellplatznutzung

9

3

7

Terrassenüberdachung

5

2

14

Teilbegrünung des Hofes

1

/

/

Errichtung eines Carports

2

/

7

Errichtung einer PV-Anlage

1

1

3

Errichtung einer Solarthermie-Anlage

1

/

1

Errichtung eines unbeheizten Wintergartens (Bodenversiegelung)

/

2

2

Errichtung einer Wasser-Wärmepumpe

/

/

1

Anlegen eines Gründaches

/

/

1

 

Auch hieraus wird deutlich, dass in Hilden die Anzahl an Fahrzeugen zunimmt, anstelle im Sinne des Klimaschutzes abzunehmen. Für das Abstellen der weiteren Fahrzeuge sollen Flächen auf den Grundstücken neu versiegelt werden. Auch die steigende Anzahl an Carports deutet auf die Zunahme mit diesem Ziel verbundener Neuversiegelung hin. Trotz zunehmender Auswirkungen von Starkregenereignissen auf die Bevölkerung werden in Hilden fortwährend Flächen von Haus- und Grundbesitzer:innen versiegelt.

 

Die wenigen Nachfragen zu den Techniken erneuerbarer Energien geben ein Indiz darauf, dass auf dem Markt ausreichend Beratungsangebote für Hildener Haus- und Grundbesitzer:innen vorliegen. Gemäß der Expertensuche von AltBauNeu (lokales Portal zur sinnvollen Umsetzung von Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung) für den Kreis Mettmann sind in Hilden selbst 5 Energieberater, davon 4 Architekten, sowie 10 Fachfirmen verifiziert gelistet. Im gesamten Kreis Mettmann sind über die Expertensuche 31 Energieberater sowie 79 Fachfirmen zu finden.

 

 

Schlussfolgerung:

 

Problembewusstsein und Handlungsbereitschaft unter den Hildener:innen sind entscheidend, damit Maßnahmen zur Klimaneutralität mitgetragen werden. Klimabildung und -information legen daher den Grundstein für alle weiteren Maßnahmen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass gerade das Ineinandergreifen der verschiedenen Informations- und Beratungsangebote, Online-Tools sowie die Arbeiten der Energieberatung vor Ort, zu einer dauerhaften Bewusstseinsschärfung und Handlungsbereitschaft beitragen.

 

Aus diesen Gründen empfiehlt die Verwaltung zunächst umweltbezogene Informationen und Beratungsangebote öffentlichkeitswirksam aufzubereiten, sodass die Wissensvermittlung und Kompetenzerhöhung der Bürger:innen gestärkt werden kann. In einem zweiten Schritt sollen für individuelle Handlungsprobleme Beratungsangebote vermittelt werden.

 

Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden in dem Bericht zu den Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen 2022 verstärkt Vorschläge für die Öffentlichkeitsarbeit erarbeitet. Ziel der Maßnahmen ist, Impulse zu setzen, dass 1. bauliche Maßnahmen an privaten und gewerblichen Gebäuden mit synergetischen Zielsetzungen systematisch umgesetzt werden, 2. energetische Einsparungs- und Effizienzpotenziale identifiziert werden und 3. Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen ergriffen werden.

 

Unter Punkt „G.neu Schaffung einer zentralen Informationsplattform zu Klimaschutz- und -anpassungsthematiken in Hilden“ soll eine digitale Informationsplattform für Bürger:innen und lokalen Akteure entstehen. Diese verschafft einen gut aufbereiteten und zielgruppengerechten Überblick über zentrale Angebote und stellt Informationsmaterialien, Karten und Links zu Portalen (bspw. Solar- und Gründachkataster des LANUVs) bereit.

Inzwischen konnte die Klimaschutzmanagerin eine neue Rubrik „Klima(-schutz)“ auf der städtischen Homepage platzieren. Hierunter wurden bereits einige Inhalte und Informationsmaterialien u.a. zu den Themen Dachbegrünung, Bepflanzung von Grundstücken, Photovoltaikanlagen sowie Gebäudesanierung bereitgestellt. Darüber hinaus wird auf Beratungsangebote aufmerksam gemacht und Links zu Portalen wie dem Solar- und Gründachkataster des LANUVs bereitgestellt.

Mit Release der neu zu erstellenden Homepage der Stadt sollen zukünftig u.a. auch Informationen zu Förderangeboten des Bundes und Landes aufbereitet werden.

 

Des Weiteren wird unter Punkt „G.neu Entwicklung und Durchführung von Veranstaltungen zu Stärkung der Wahrnehmung der Themen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in der Öffentlichkeit“ vorgeschlagen. Durch einzelne oder wiederkehrende Veranstaltungen in der Stadt Hilden soll ein verstärkter Fokus für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in die Öffentlichkeit gebracht werden und somit die Wahrnehmung gestärkt werden. Durch wechselnde Themen wird die Partizipation der Bevölkerung attraktiv gehalten und neue Impulse können gesetzt werden. Neben großen Aktionstagen sind auch bspw. Online-Schulungen möglich.

Am 16.03.2022 fand bereits eine Online-Sprechstunde für Hildener Bürger:innen zu dem Thema klimafreundliche Energien statt, welche die Klimamanagerin in Kooperation mit der VerbraucherZentrale NRW „Energieberatungsstützpunkt Rathaus Hilden“ ausgetragen hat. Die Online-Veranstaltung wurde sehr gut angenommen, nicht zuletzt, da die Bekanntmachung über verschiedene Kommunikationsmedien erfolgte.

 

Neben der Bewusstseinsbildung und Vermittlung von Beratungsangeboten verfolgt die Stadtverwaltung mit den o.g. Maßnahmen auch das Ziel der Reduktion von THG-Emissionen im Hildener Stadtgebiet. Für die Erarbeitung öffentlichkeitswirksamer Umweltinformationen und Akquirierung neuer Beratungsangebote*** wendet die Klimaschutzmanagerin min. 5 Stunden pro Woche auf. Durch stetiges Monitoring gegenwärtiger Beratungsstrukturen, sowie Akteurs- und Bedarfsanalysen wird die Förderung von umweltfreundlichen Verhaltensstrukturen für Hildener Bürger:innen durch die Stadtverwaltung gewährleistet.

 

 

Exkurs:

 

Abschließend lässt sich festhalten, dass Hilden, wie viele andere Kommunen in Deutschland, das Problem hat, kaum über Informationen zum energetischen Sanierungszustand der Gebäude zu verfügen. Auch liegen die Daten bei unterschiedlichen Akteuren und sind nicht miteinander verknüpft. Häufig müssen energetische Sanierungsmaßnahmen nicht bei der Stadt gemeldet werden und Förderanträge, die bspw. über die KfW oder die NRW.Bank laufen, stellen Eigentümerinnen und Eigentümer direkt oder über (Haus-)Banken bei den potenziellen Fördermittelgebern. Es existieren neben dem Datenbestand des Wärmeatlas zum Wärmebedarf keine weiteren gebäudescharfen Daten zum energetischen Zustand. Damit ist es quasi unmöglich, zielgerichtet Haus- und Grundstücksbesitzer:innen zu aktivieren.

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer

Bürgermeister

 

 

______________________________________________________________________________

 

* Tatsächlich wurden im Jahr 2020 im Kreis Mettmann 22 Gebäude von der KfW im Programm „Energieeffizient Sanieren – Effizienzhaus“ und 52 im Programm „Energieeffizient Sanieren – Einzelmaßnahmen“ mit Kreditzusagen von insgesamt 10 Mio. Euro gefördert. Zudem wurde in 966 Fällen der “Energieeffizient Sanieren - Zuschuss” und damit insgesamt 6,7 Mio Euro gewährt.

 

** Laut der Statistik-Datenbank der Stadt Hilden gab es 2010 insgesamt knapp 9.044 Wohngebäude. Davon sind 4.746 Einfamilienhäuser, 1.522 Zweifamilienhäusern und 2.776 Drei- und Mehrfamilienhäuser (vgl. IKS, Stadt Hilden, 2012, S. 16.).

 

***

Quelle: Bundesverband für Umweltberatung e.V., Umweltberatung für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, Verbraucherberatung Ressourcenpolitik – FKZ 3716 31 315 0, AP 2, Kurzpapier, S. 15.