Betreff
Antrag Bündnis 90/Die Grünen vom 28.01.2022, Ergänzungsantrag zu:
WP 20-25 SV 50/050/1
"Neufassung der Benutzungs- und
Gebührensatzung für Unterkünfte für
Flüchtlinge und Obdachlose der Stadt
Hilden"
Vorlage
WP 20-25 SV 50/055
Aktenzeichen
III/50-Ba
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

 

Der Flüchtlingsrat NRW e.V. veranstaltete im Februar 2021 einen interkommunalen Austausch

über Gebührensatzungen zur Unterbringung von Geflüchteten.

 

Die unterschiedlichsten Satzungen vergleichend, hebt der Flüchtlingsrat den Ansatz der Stadt

Bochum als Positivbeispiel hervor, Ermäßigungen für erwerbstätige Geflüchtete festzulegen.

Deshalb dient die Bochumer Satzung für diesen Antrag als Vorlage.

 

Auch im Obdachlosenbereich gibt es - wenn auch in seltenen Fällen - Selbstzahlende. Deshalb

sollen die oben genannten Ergänzungen auch für diese Personengruppe gelten.

 

In Gesamtheit betrachtet, mag dies ggf. nur einen kleinen Teil der Bewohner*innen betreffen. Im

individuellen Fall kann dieser Passus jedoch vor einer Verschuldung schützen, die einen Start in

die eigene Wohnung zunehmend erschweren würde.

 

https://www.bochum.de/C125830C0042AB74/vwContentByKey/W2AMV9NQ926BOCMDE/$File/Gebuehrensatzung_ Wohnunterkuenfte.pdf

 

 


Antragstext:

 

 

Die Fraktion von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN stellt folgenden Ergänzungsantrag:

Der Rat beschließt nach Vorberatung im Sozialausschuss die vorliegende

Gebührensatzung mit folgender Ergänzung zu beschließen:

 

In § 4 Benutzungsgebühren wird ein neuer Absatz hinzugefügt.

(NN) Ausnahmen

 

Abweichend gelten auf Antrag für Personen, welche die Benutzungsgebühr vollständig aus

eigenem Einkommen aufzubringen haben (Selbstzahler), folgende Regelungen:

 

1. Wenn das Einkommen der Nutzerin/des Nutzers lediglich

 

a) bis zu 20 v.H. über dem jeweils aktuellen Regelbedarf nach dem SGB II und XII liegt, dann

beträgt die monatliche Benutzungsgebühr 70,00 Euro,

 

b) bis zu 40 v.H. über dem jeweils aktuellen Regelbedarf nach dem SGB II und XII liegt, dann

beträgt die monatliche Benutzungsgebühr 110,00 Euro,

 

c) bis zu 60 v.H. über dem jeweils aktuellen Regelbedarf nach dem SGB II und XII liegt, dann

beträgt die monatliche Benutzungsgebühr 150,00 Euro

pro Nutzerin/Nutzer.

 

2. Sollte das Einkommen mehr als 60 v.H. über dem jeweils aktuellen Regelbedarf nach dem SGB XII liegen, ist die volle Benutzungsgebühr von monatlich 195,00 Euro pro Nutzerin/Nutzer zu

zahlen.

 

3. Leben Nutzerinnen/Nutzer in einer Bedarfsgemeinschaft, dann sind die jeweiligen

Regelbedarfe aller Personen in der Bedarfsgemeinschaft zusammengerechnet dem

Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen.

 

4. Die Miete darf für Leistungsbeziehende nach SGB II und XII die Mietzahlungen des

Leistungserbringers nicht übersteigen.


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Zu berücksichtigen war bei der Abwägung, welche Gebühren erhoben werden sollten, das Kostendeckungsprinzip gemäß § 6 Abs. 1 S. 3 KAG NRW, was natürlich nicht dazu führen darf, dass die tatsächlichen Kosten in gleichgültig welcher Höhe abgerechnet werden dürfen und die Bewohner einer Unterkunft unverhältnismäßig belastet werden.

 

Um dem Äquivalenzprinzip gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 KAG NRW Rechnung zu tragen, wurde in der Grundlage für die neue Gebührensatzung die Sollbelegung für die Berechnung der Gebühren je Bewohner zugrunde gelegt, um zu vermeiden, dass Bewohner Kosten tragen, die sie nicht verursachen und verursachen können. Die Sollbelegung, ohne die Erweiterung der Kapazitäten der Beckersheide - sie wird derzeit aufgrund der Flüchtlingskrise aus der Ukraine hergerichtet- und der Nutzung der ersten Etage im Schalbruch, ergibt sich aus den Anlagen. Sie werden aber voraussichtlich keinen wesentlich kostensenkenden Ansatz pro Person mit 281,45 € je Monat ergeben. Die Nutzung des Erdgeschosses im Schalbruch hat Kosten von 490,57 Euro monatlich je Bewohner verursacht.

 

Zu beachten ist bei der Erstellung einer Gebührensatzung das Gebot der Gebührengleichheit gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 KAG NRW i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Benutzungsgebühren sind daher so zu bemessen, dass bei im Wesentlichen gleicher Inanspruchnahme der Einrichtung auch gleich hohe Gebühren festzusetzen sind. Somit verbietet sich eine willkürliche Unterscheidung nach Personengruppen. Im Asylbereich sind verschiedene Personengruppen in Unterkünften untergebracht, denen jeweils die gleiche Nutzung ermöglicht wird und eine ähnliche Wohnsituation. Daher sollte keine Unterscheidung nach dem jeweiligen Rechtskreis der Leistungsgewährung der Bewohner vorgenommen werden.

 

Allein die Unterscheidung in Erwerbstätige und Erwerbslose könnte ein Kriterium sein, dass dem Art 3 Grundgesetz nicht widerspricht. Um zusätzliche Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu schaffen, könnte eine Gebührensenkung für Erwerbstätige in Betracht kommen. Sie sollte innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft aber nicht dazu führen, dass auch Erwerbslose eine Gebührensenkung erhalten. Dann wäre die Gleichbehandlung Erwerbsloser nicht mehr gewährleistet. Zu bedenken gilt es hierbei, dass es nicht immer im Einflussbereich der Bewohner liegt, ob sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Damit würden die Erwerbslosen ohne objektive Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit wesentlich benachteiligt.

Zudem verfügen Erwerbstätige, gleichgültig, ob sie Leistungen nach dem SGB II oder Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, über einen individuellen Freibetrag aufgrund ihrer Tätigkeit, der sich innerhalb der Rechtskreise allerdings wesentlich unterscheidet. Der Freibetrag nach dem SGB II ist in der Regel höher. Im Ergebnis bedeutet das, dass der SGB II Bewohner gegenüber dem Bewohner mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wesentlich besser gestellt wäre durch die Herabsetzung der Gebühren.

 

Die Heranziehung der Regelbedarfe nach dem SGB II ist nach Auffassung der Verwaltung nicht möglich, da hier dem jeweiligen Rechtskreis der Bewohner Rechnung getragen werden müsste. Es müsste jeweils eine individuelle Berechnung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder SGB II erfolgen und aufgrund des Antrages eine Staffelung nach Einkommen in vier Fallkonstellationen berücksichtigt werden. Dieser zusätzliche Verwaltungsaufwand ist nicht gerechtfertigt, zumal auch bei höheren Gebühren, die die Bewohnerschaft selber tragen müsste, kein Mensch ohne Lebensgrundlage leben muss. Hinsichtlich des Verwaltungsaufwandes ist auch zu bedenken, dass die Einkommen der Bewohner in der Regel monatlich schwanken, so dass monatlich im Nachhinein jeweils eine neue Berechnung erfolgen müsste. Die Berechnung würde wiederum Anhörungen und Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nach sich ziehen, Nachzahlungen und die Überwachung der Zahlungseingänge bei Erstattungen einschließlich Mahnverfahren. Davon wäre auch der Personalbedarf betroffen.

 

Die Beantragung ergänzender Leistungen ist in jedem Rechtskreis möglich, wenn das Einkommen gegenüber dem Bedarf nicht ausreichend sein sollte. Gleichzeitig hat der Mensch in einer Erwerbstätigkeit gegenüber dem Erwerbslosen trotzdem den Vorteil eines Freibetrages aufgrund seiner Erwerbstätigkeit. 

 

Zudem stellt sich die Frage, ob bei Berücksichtigung der genannten Anreize, nicht die Suche oder Beibehaltung prekärer Arbeitsverhältnissen im Bereich des Mini- (bis zu 450,00 €, ab Oktober 520,00 €) oder Midijobs (mehr als 450,00 € und weniger als 1.300 €) unterstützt würde. Gegebenenfalls würde dieser Anreiz auch dazu führen, dass eine sinnvolle berufliche Entwicklung, auch in Form von Aus- und Weiterbildung, unterbleiben würde.

 

Damit es aber gegenüber den Gesamtmieten, die nach dem SGB II oder XII angemessen sind (Mietobergrenzen), nicht zu einer Überschreitung kommt, wird vorgeschlagen die Gebühren mit monatlich 195,00 € je Person und Monat festzulegen. Gleichzeitig wird die Mietobergrenze nicht hinsichtlich der zulässigen Gesamtmiete betrachtet, sondern der geringeren zulässigen Bruttokaltmiete.

 

Laut beigefügter Anlage überschreitet die zulässige Mietobergrenze hinsichtlich der Gebühren erst die Kosten einer Bedarfsgemeinschaft mit 7 Personen. Damit diese Überschreitung nicht eintritt, schlägt die Verwaltung die Deckelung im Rahmen der Bruttokaltmiete gestaffelt nach Personenzahl vor. Statt bei 7 Personen z.B. 1.395,00 € bei einer Gebühr von 195,00 € würden gerundet 1.310,00 € zugrunde gelegt, mithin 187,14 € je Person und Monat.“

 

Der Entwurf der neuen Satzung ist in der Anlage beigefügt, ebenso die jeweilige Kalkulation der Gebühren nach Personenanzahl einer Bedarfsgemeinschaft und die Gebührenkalkulation der Unterkünfte. Zur besseren Lesbarkeit wurde die in dem Link bezeichnete Gebührensatzung der Stadt Bochum beigefügt.

 

Gez.

In Vertretung

Sönke Eichner

Erster Beigeordneter

 

Klimarelevanz:

Keine.