Betreff
Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH auf zusätzliche Verkaufsöffnungen an Sonntagen im Jahr 2022
Vorlage
WP 20-25 SV 32/009
Aktenzeichen
II/32-MS
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Hilden stimmt dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH und somit der vorgelegten Ordnungsbehördlichen Verordnung über die zusätzliche Öffnung von Verkaufsstellen mit Anlassbezug, die unter Vorbehalt gestellt ist, zu.

 

Der Rat der Stadt Hilden lehnt den Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zur Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen) ab.        

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH hat mit Schreiben vom 31. Januar 2022 vier sonntägliche Verkaufsöffnungen jeweils in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr in der Innenstadt (räumliche Begrenzung) für das Jahr 2022 beantragt. Faktisch handelt es sich hierbei, wie auch im Vorjahr (siehe SV 32/003), um zwei Anträge:

 

Antrag I

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt die Durchführung der Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit nachfolgenden Veranstaltungen in der Hildener Innenstadt:

 

-      Frühlingsfest und Modenschau am 8. Mai 2022

-      Autoschau am 18. September 2022

-      Bücher- und Trödelmarkt am 30. Oktober 2022

-      Weihnachtsmarkt am 27. November 2022

 

Antrag II

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt „hilfsweise“ die o.a. Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen), für den Fall, dass das zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegende SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen und/oder bundes- bzw. landesrechtliche Bestimmungen (Bundesinfektionsschutzgesetz, Coronaschutzverordnung NRW) die Durchführung der Veranstaltungen nicht ermöglichen oder die jeweiligen VeranstalterInnen die Veranstaltungen nicht durchführen.

 

Die Durchführung der Verkaufsöffnungen ob mit oder ohne Veranstaltungsbezug soll dabei dem Erhalt und der Stärkung der örtlichen Einzelhandelsstruktur sowie der zentralen Versorgungsbereiche dienen und zur Belebung der Innenstadt beitragen.

 

Die Verwaltung hat gem. § 6 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW) nach Eingang des Antrags unmittelbar die anderen Interessensgruppenvertreter (Gewerkschaft, Handelsverband, die IHK und die Handwerkskammer sowie die Kirchen) beteiligt und um Stellungnahme gebeten.

 

Aufgrund der Besonderheit der Antragslage nimmt die Verwaltung nachfolgend gesondert zu Antrag I und Antrag II Stellung. 

       

 

Bewertung des vorliegenden Antrags I und abschließende Beschlussempfehlung

 

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 LÖG NRW in der aktuellen Fassung ist die Durchführung der Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit stattfindenden örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses möglich.

 

Die geplanten Veranstaltungen sind nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung (GewO) wie folgt einzustufen:

 

-      Autoschau als Messe (festsetzende Behörde ist hier der Kreis Mettmann) nach § 64 GewO

-      Frühlingsfest und Modenschau, Bücher- und Trödelmarkt sowie Weihnachtsmarkt als Jahrmarkt nach § 68 GewO (festsetzende Behörde Stadt Hilden).

 

Es handelt sich somit um Veranstaltungen im Sinne der Vorschrift. Mit der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes im Jahr 2018 ist es bei Ladenöffnungen im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu zwei wesentlichen Vereinfachungen bzw. Konkretisierungen im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren gekommen: 

 

Der zuvor streng auszulegende Anlassbezug ist insofern entfallen, als dass die frühere Prognose und der Vergleich der Besucherströme von Veranstaltungen und Ladenöffnung nicht mehr erforderlich sind. Vielmehr reicht zur Annahme des öffentlichen Interesses die räumliche Nähe und zeitliche Übereinstimmung. Insbesondere bei der räumlichen Nähe ist es beispielsweise entscheidend, dass eine auf die Innenstadt begrenzte Veranstaltung nicht zu Ladenöffnungen aller Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet führt, sondern ein räumlicher Bezug besteht. Nach der Anwendungshilfe des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (Stand: Februar 2020) ist die sog. Ausstrahlungswirkung einer Veranstaltung dann regelmäßig nicht gegeben, wenn sich die geöffneten Verkaufsstellen in einer Entfernung von 800 bis 1.000 m oder mehr zur jeweiligen Veranstaltung befinden. Dies ist vorliegend im Zusammenhang mit der Größe der beabsichtigten Veranstaltungen nicht der Fall. Die Veranstaltungen sollen großflächig in der Hildener Fußgängerzone stattfinden. Daher ist die Begrenzung der Ladenöffnungen auf die im Bereich der beigefügten Karte befindlichen Verkaufsstellen angemessen.

 

Während die IHK, der Handelsverband auch die Handwerkskammer die anlassbezogenen Verkaufsöffnungen unterstützen, sieht die Gewerkschaft ver.di dies, wie auch in den Vorjahren, kritisch und fordert eine nachvollziehbare Prognose der Besucherströme, um zu überprüfen, ob die Ladenöffnungen lediglich als Annex zu den Veranstaltungen zu werten sind, d.h. die Besucherinnen und Besucher in erster Linie wegen der zeitgleich stattfindenden Veranstaltungen die Hildener Innenstadt aufsuchen.

Dies ist aber nach den Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes NRW und der hierzu erlassenen Anwendungshilfe eben in dieser konkreten Ausprägung nicht mehr erforderlich, soweit, wie oben dargestellt, der räumliche Bezug und die damit verbundene Ausstrahlungswirkung gegeben ist.

Auch mahnt ver.di an, dass anlassbezogene Verkaufsöffnungen in der Regel auf das räumliche Umfeld der Anlassveranstaltung beschränkt werden müssen. Dies hat die Verwaltung bereits vorstehend als gegeben bejaht.

 

Die Evangelische Kirchengemeinde lehnt die Durchführung der sonntäglichen Verkaufsöffnungen wie auch in den Vorjahren ab und verweist hierzu auf den besonderen Schutz und Ruhegehalt des Sonntags.

 

Nach rechtlicher Bewertung des vorliegenden Antrags I kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der sonntäglichen Ladenöffnungen im Zusammenhang mit den o.a. Veranstaltungen rechtlich zulässig wären und empfiehlt daher auch dem Rat der Stadt Hilden dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zuzustimmen.

 

Allerdings ist die hierzu zu erlassene Ordnungsbehördliche Verordnung unter dem Vorbehalt der Durchführbarkeit der Veranstaltungen zu stellen, da die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus nach den Erfahrungen in den letzten beiden Jahren keine seriöse Prognose des weiteren Infektionsgeschehens ab Mai (erste beantragte Verkaufsöffnung) zulässt. So sind auch im letzten Jahr die beantragten Veranstaltungen und somit auch die beabsichtigen Verkaufsöffnungen an der infektiologischen Entwicklung gescheitert.

 

Sollte dies in diesem Jahr neuerlich so eintreten und dadurch die anlassgebenden Veranstaltungen nicht durchführbar sein bzw. von den jeweiligen Veranstalterinnen und Veranstaltern aus z.B. wirtschaftlichen Erwägungen nicht durchgeführt werden, ist auch die sonntägliche Öffnung der Verkaufsstellen nicht möglich und rechtlich nicht zulässig (siehe hierzu auch die Ausführungen zu Antrag II).

 

 

 

 

Bewertung des vorliegenden Antrags II und abschließende Beschlussempfehlung

 

Die Antragstellerin hat wie auch im letzten Jahr alternativ den Antrag gestellt, die sonntäglichen Verkaufsöffnungen auch ohne Anlassbezug (zeitgleich stattfindende Veranstaltungen) durchzuführen und bezieht sich zur Begründung des öffentlichen Interesses dabei auf den § 6 Abs. 1 LÖG NRW

 

Ziffer 2:

 

dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandels-angebot,

 

Ziffer 3:

 

…dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,

 

und Ziffer 4:

 

…der Belebung der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren   

 

und begründet dies wie im Vorjahr gleichlautend wie folgt:

 

„Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen befinden sich, trotz wirtschaftlicher Beihilfen, weite Teile des stationären Einzelhandels in einer existenziellen wirtschaftlichen Krise, deren Folgen z. Zt. noch nicht absehbar sind. Neben der Gefahr für die Arbeitsplätze sind auch städtebauliche Probleme (z.B. durch langfristige Leerstände) erkennbar. Insofern sehen wir ein öffentliches Interesse an der Durchführung der von uns beantragten verkaufsoffenen Sonntage.“

 

Die Verwaltung hat sich hierzu bereits im letzten Jahr umfassend geäußert und hält auch weiterhin an Ihrer rechtlichen Bewertung fest.

 

Während der Gesetzgeber die Durchführung verkaufsoffener Sonntage mit Anlassbezug im Jahr 2018 aus nachvollziehbaren Gründen im Bewertungsverfahren vereinfacht hat, um hierdurch frühere Rechtsstreitigkeiten mit ver.di im Zusammenhang mit erstellen Besucherprognosen zu verhindern, sind an die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Sachgründen zu den Ziffern 2 bis 5 hohe rechtliche Anforderungen und Bedingungen zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geknüpft.

 

Die Anwendungshilfe führt hierzu exemplarisch aus:

 

        Die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen angesichts ihrer weiten Fassung einschränkend ausgelegt und angewendet werden, um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen gerecht zu werden.

        Für die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen besondere örtliche Problemlagen, wie ein

hoher Leerstand oder Trading-down-Effekte belegbar vorhanden sein, die eine Sonn-

öffnung auch unter Berücksichtigung der gebotenen Wettbewerbsneutralität recht-

fertigen können. Außerdem bedarf es eines schlüssig verfolgten gemeindlichen Gesamtkonzepts, in dessen Rahmen die Sonntagsöffnung als Maßnahme enthalten ist, die geeignet ist, die von der Gemeinde mit der Sonntagsöffnung verfolgten Ziele nach den Sachgründen Nrn. 2 – 5 jenseits des Umsatzinteresses zu verwirklichen. Das kann in einem Einzelhandelskonzept, aber auch auf andere Weise dokumentiert werden. 

        Nachweis besonderer örtlicher Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen

oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen).

        Maßnahmen zur Erhaltung, Stärkung oder Entwicklung eines vielfältigen stationären

Einzelhandelsangebotes müssen regelmäßig während der normalen Geschäftszeiten

(von Montag bis Samstag) erfolgen.

 

Es wird somit schon anhand dieser Voraussetzungen deutlich, dass der vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig ist. Ein schlüssiges Gesamtkonzept liegt nicht vor, die Stadtmarketing Hilden GmbH führt zu Begründung ihres Antrags keinen Nachweis über hohe Laden-Leerstände und Trading-Down-Effekte an. Der Grund hierfür ist aus Sicht der Verwaltung glücklicherweise der, dass entsprechende „Verödungen“ wie in anderen Innenstädten in Nordrhein-Westfalen in Hilden noch nicht und dies trotz Corona zu verzeichnen sind.

 

Als Begründung für den Antrag reicht es auch nicht aus, auf die pandemiebedingten Folgen für Wirtschaft und Handel zu verweisen. Dies trifft alle Branchen in allen Städten NRW’s mehr oder weniger in gleichem Maße und das OVG Münster hat dies im Jahr 2020 aufgrund eingereichter Klagen durch ver.di als nicht ausreichenden Sachgrund festgestellt.

 

Es in diesem Fall auch nicht abschließend entscheidend, ob ver.di im vorliegenden Fall gegen die Zulassung der Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug klagen würde (die Verwaltung geht aber davon aus).

 

Nach Prüfung durch die Verwaltung kann nach dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Ergebnis dem Rat der Stadt Hilden nur die Ablehnung des alternativen Antrags II vorgeschlagen werden.

 

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer

Bürgermeister