Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt
Hilden stimmt dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH und somit der
vorgelegten Ordnungsbehördlichen Verordnung über die zusätzliche Öffnung von
Verkaufsstellen mit Anlassbezug, die unter Vorbehalt gestellt ist, zu.
Der Rat der Stadt
Hilden lehnt den Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zur Durchführung von
verkaufsoffenen Sonntagen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen) ab.
Erläuterungen und Begründungen:
Die Stadtmarketing Hilden GmbH hat mit Schreiben vom 31. Januar 2022
vier sonntägliche Verkaufsöffnungen jeweils in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00
Uhr in der Innenstadt (räumliche Begrenzung) für das Jahr 2022 beantragt.
Faktisch handelt es sich hierbei, wie auch im Vorjahr (siehe SV 32/003), um
zwei Anträge:
Antrag I
Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt die Durchführung der
Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit nachfolgenden Veranstaltungen in der
Hildener Innenstadt:
- Frühlingsfest und Modenschau am 8. Mai 2022
- Autoschau am 18. September 2022
- Bücher- und Trödelmarkt am 30. Oktober 2022
- Weihnachtsmarkt am 27. November 2022
Antrag II
Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt „hilfsweise“ die o.a.
Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen), für den Fall, dass
das zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegende SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen
und/oder bundes- bzw. landesrechtliche Bestimmungen
(Bundesinfektionsschutzgesetz, Coronaschutzverordnung NRW) die Durchführung der
Veranstaltungen nicht ermöglichen oder die jeweiligen VeranstalterInnen die
Veranstaltungen nicht durchführen.
Die Durchführung der Verkaufsöffnungen ob mit oder ohne Veranstaltungsbezug soll dabei dem Erhalt und der Stärkung der örtlichen Einzelhandelsstruktur sowie der zentralen Versorgungsbereiche dienen und zur Belebung der Innenstadt beitragen.
Die Verwaltung hat
gem. § 6 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung der
Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW) nach Eingang des
Antrags unmittelbar die anderen Interessensgruppenvertreter (Gewerkschaft,
Handelsverband, die IHK und die Handwerkskammer sowie die Kirchen) beteiligt
und um Stellungnahme gebeten.
Aufgrund der
Besonderheit der Antragslage nimmt die Verwaltung nachfolgend gesondert zu
Antrag I und Antrag II Stellung.
Bewertung des vorliegenden Antrags I und abschließende
Beschlussempfehlung
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1
LÖG NRW in der aktuellen Fassung ist die Durchführung der Verkaufsöffnungen im
Zusammenhang mit stattfindenden örtlichen Festen,
Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bei Vorliegen eines öffentlichen
Interesses möglich.
Die geplanten Veranstaltungen sind nach den Bestimmungen der
Gewerbeordnung (GewO) wie folgt einzustufen:
- Autoschau als Messe (festsetzende Behörde ist hier der Kreis Mettmann)
nach § 64 GewO
- Frühlingsfest und Modenschau, Bücher- und Trödelmarkt sowie
Weihnachtsmarkt als Jahrmarkt nach § 68 GewO (festsetzende Behörde Stadt
Hilden).
Es handelt sich somit um Veranstaltungen im Sinne der Vorschrift. Mit
der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes im Jahr 2018 ist es bei Ladenöffnungen
im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu zwei wesentlichen Vereinfachungen bzw.
Konkretisierungen im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren gekommen:
Der zuvor streng auszulegende Anlassbezug ist insofern entfallen, als
dass die frühere Prognose und der Vergleich der Besucherströme von
Veranstaltungen und Ladenöffnung nicht mehr erforderlich sind. Vielmehr reicht
zur Annahme des öffentlichen Interesses die räumliche Nähe und zeitliche
Übereinstimmung. Insbesondere bei der räumlichen Nähe ist es beispielsweise
entscheidend, dass eine auf die Innenstadt begrenzte Veranstaltung nicht zu
Ladenöffnungen aller Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet führt, sondern ein
räumlicher Bezug besteht. Nach der Anwendungshilfe des Ministeriums für
Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes
Nordrhein-Westfalen (Stand: Februar 2020) ist die sog. Ausstrahlungswirkung
einer Veranstaltung dann regelmäßig nicht gegeben, wenn sich die geöffneten
Verkaufsstellen in einer Entfernung von 800 bis 1.000 m oder mehr zur
jeweiligen Veranstaltung befinden. Dies ist vorliegend im Zusammenhang mit der
Größe der beabsichtigten Veranstaltungen nicht der Fall. Die Veranstaltungen
sollen großflächig in der Hildener Fußgängerzone stattfinden. Daher ist die
Begrenzung der Ladenöffnungen auf die im Bereich der beigefügten Karte
befindlichen Verkaufsstellen angemessen.
Während die IHK, der Handelsverband auch die Handwerkskammer die
anlassbezogenen Verkaufsöffnungen unterstützen, sieht die Gewerkschaft ver.di
dies, wie auch in den Vorjahren, kritisch und fordert eine nachvollziehbare
Prognose der Besucherströme, um zu überprüfen, ob die Ladenöffnungen lediglich
als Annex zu den Veranstaltungen zu werten sind, d.h. die Besucherinnen und
Besucher in erster Linie wegen der zeitgleich stattfindenden Veranstaltungen
die Hildener Innenstadt aufsuchen.
Dies ist aber nach den Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes NRW und
der hierzu erlassenen Anwendungshilfe eben in dieser konkreten Ausprägung nicht
mehr erforderlich, soweit, wie oben dargestellt, der räumliche Bezug und die
damit verbundene Ausstrahlungswirkung gegeben ist.
Auch mahnt ver.di an, dass anlassbezogene Verkaufsöffnungen in der Regel
auf das räumliche Umfeld der Anlassveranstaltung beschränkt werden müssen. Dies
hat die Verwaltung bereits vorstehend als gegeben bejaht.
Die Evangelische Kirchengemeinde lehnt die Durchführung der
sonntäglichen Verkaufsöffnungen wie auch in den Vorjahren ab und verweist
hierzu auf den besonderen Schutz und Ruhegehalt des Sonntags.
Nach rechtlicher Bewertung des
vorliegenden Antrags I kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass die
Durchführung der sonntäglichen Ladenöffnungen im Zusammenhang mit den o.a.
Veranstaltungen rechtlich zulässig wären und empfiehlt daher auch dem Rat der
Stadt Hilden dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zuzustimmen.
Allerdings ist die hierzu zu
erlassene Ordnungsbehördliche Verordnung unter dem Vorbehalt der
Durchführbarkeit der Veranstaltungen zu stellen, da die weitere Entwicklung im
Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus nach den Erfahrungen in den letzten
beiden Jahren keine seriöse Prognose des weiteren Infektionsgeschehens ab Mai
(erste beantragte Verkaufsöffnung) zulässt. So sind auch im letzten Jahr die
beantragten Veranstaltungen und somit auch die beabsichtigen Verkaufsöffnungen
an der infektiologischen Entwicklung gescheitert.
Sollte dies in diesem Jahr
neuerlich so eintreten und dadurch die anlassgebenden Veranstaltungen nicht
durchführbar sein bzw. von den jeweiligen Veranstalterinnen und Veranstaltern
aus z.B. wirtschaftlichen Erwägungen nicht durchgeführt werden, ist auch die
sonntägliche Öffnung der Verkaufsstellen nicht möglich und rechtlich nicht
zulässig (siehe hierzu auch die Ausführungen zu Antrag II).
Bewertung des vorliegenden Antrags II und abschließende
Beschlussempfehlung
Die Antragstellerin hat wie auch im letzten Jahr alternativ den Antrag
gestellt, die sonntäglichen Verkaufsöffnungen auch ohne Anlassbezug (zeitgleich
stattfindende Veranstaltungen) durchzuführen und bezieht sich zur Begründung
des öffentlichen Interesses dabei auf den § 6 Abs. 1 LÖG NRW
Ziffer 2:
…dem Erhalt, der Stärkung oder der
Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandels-angebot,
Ziffer 3:
…dem Erhalt,
der Stärkung oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
und Ziffer 4:
…der Belebung
der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren
und begründet dies wie im Vorjahr gleichlautend wie folgt:
„Durch die Corona-Pandemie und die damit
verbundenen Maßnahmen befinden sich, trotz wirtschaftlicher Beihilfen, weite
Teile des stationären Einzelhandels in einer existenziellen wirtschaftlichen
Krise, deren Folgen z. Zt. noch nicht absehbar sind. Neben der Gefahr für die
Arbeitsplätze sind auch städtebauliche Probleme (z.B. durch langfristige
Leerstände) erkennbar. Insofern sehen wir ein öffentliches Interesse an der
Durchführung der von uns beantragten verkaufsoffenen Sonntage.“
Die Verwaltung hat sich hierzu bereits im
letzten Jahr umfassend geäußert und hält auch weiterhin an Ihrer rechtlichen
Bewertung fest.
Während der Gesetzgeber die Durchführung
verkaufsoffener Sonntage mit Anlassbezug im Jahr 2018 aus nachvollziehbaren
Gründen im Bewertungsverfahren vereinfacht hat, um hierdurch frühere
Rechtsstreitigkeiten mit ver.di im Zusammenhang mit erstellen Besucherprognosen
zu verhindern, sind an die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Sachgründen zu den
Ziffern 2 bis 5 hohe rechtliche Anforderungen und Bedingungen zum Schutze der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geknüpft.
Die Anwendungshilfe führt hierzu exemplarisch
aus:
► Die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen
angesichts ihrer weiten Fassung einschränkend ausgelegt und angewendet werden,
um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn-
und Feiertagen gerecht zu werden.
► Für die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen besondere
örtliche Problemlagen, wie ein
hoher Leerstand oder Trading-down-Effekte belegbar
vorhanden sein, die eine Sonn-
öffnung auch unter Berücksichtigung der gebotenen Wettbewerbsneutralität
recht-
fertigen können. Außerdem bedarf es eines schlüssig verfolgten gemeindlichen
Gesamtkonzepts, in dessen Rahmen die Sonntagsöffnung als Maßnahme enthalten
ist, die geeignet ist, die von der Gemeinde mit der Sonntagsöffnung verfolgten
Ziele nach den Sachgründen Nrn. 2 – 5 jenseits des Umsatzinteresses zu
verwirklichen. Das kann in einem Einzelhandelskonzept, aber auch auf andere
Weise dokumentiert werden.
► Nachweis besonderer örtlicher Problemlagen
(z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen
oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige
Wettbewerbsbedingungen).
► Maßnahmen zur Erhaltung, Stärkung oder Entwicklung
eines vielfältigen stationären
Einzelhandelsangebotes müssen regelmäßig während der normalen
Geschäftszeiten
(von Montag bis Samstag) erfolgen.
Es wird somit schon anhand dieser
Voraussetzungen deutlich, dass der vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig
ist. Ein schlüssiges Gesamtkonzept liegt nicht vor, die Stadtmarketing Hilden
GmbH führt zu Begründung ihres Antrags keinen Nachweis über hohe
Laden-Leerstände und Trading-Down-Effekte an. Der Grund hierfür ist aus Sicht
der Verwaltung glücklicherweise der, dass entsprechende „Verödungen“ wie in
anderen Innenstädten in Nordrhein-Westfalen in Hilden noch nicht und dies trotz
Corona zu verzeichnen sind.
Als Begründung für den Antrag reicht es auch
nicht aus, auf die pandemiebedingten Folgen für Wirtschaft und Handel zu
verweisen. Dies trifft alle Branchen in allen Städten NRW’s mehr oder weniger
in gleichem Maße und das OVG Münster hat dies im Jahr 2020 aufgrund
eingereichter Klagen durch ver.di als nicht ausreichenden Sachgrund
festgestellt.
Es in diesem Fall auch nicht abschließend
entscheidend, ob ver.di im vorliegenden Fall gegen die Zulassung der
Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug klagen würde (die Verwaltung geht aber davon
aus).
Nach Prüfung durch die Verwaltung kann nach
dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Ergebnis dem Rat der
Stadt Hilden nur die Ablehnung des alternativen Antrags II vorgeschlagen
werden.
gez.
Dr. Claus Pommer
Bürgermeister