Betreff
SGB VIII - Reform - Gesetzliche Änderungen
Vorlage
WP 20-25 SV 51/123
Aktenzeichen
III/ 51 Scha
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Informationen zur SGB VIII - Reform (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) zur Kenntnis.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Das achte Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) wurde durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) erneut reformiert. Nach dem Beschluss des Bundestages am 23.04.2021 trat das Gesetz zum 10.06.2021 in Kraft. Inzwischen liegen einige fachliche Einschätzungen zu den Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen auf die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe vor.

 

Die gesetzlichen Änderungen wurden im Amt für Jugend, Schule und Sport im vergangenen Jahr gemeinsam analysiert und diskutiert. Eine erste Inhouse-Fortbildung fand in den Sozialen Diensten statt. Eine weitere Fortbildung auf Leitungsebene ist in Vorbereitung.

 

Durch das KJSG werden eine Vielzahl von gesetzlichen Regelung präzisiert und z.T. neu eingeführt. Zur ersten Übersicht werden nachfolgend Schwerpunktthemen der gesetzlichen Änderungen skizziert. Zur weiteren Vertiefung liegen der Sitzungsvorlage die Synopse des Deutschen Institutes für Jugendhilfe und Familienrecht (DIJuF) zum KJSG und ein Übersichts-Artikel zu den wesentlichen gesetzlichen Änderungen, ebenfalls vom DIJuF, bei.

 

Nachfolgend werden zentrale Änderungen dargestellt:

 

Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und ohne Behinderung

 

Ziel der gesetzlichen Reform ist u.a. die Umsetzung der sogenannten großen Lösung, d.h. die Zusammenführung der Zuständigkeiten für alle Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Zusammenführung soll in drei Stufen erfolgen:

 

1.    Stufe ab 2021 bis 2028

Der inklusive Leitgedanke soll in allen Leistungsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt werden u.a.

·      Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung in Kindeswohlgefährdungsverfahren

·      Gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in der Jugendarbeit und der Kindertagesbetreuung

·      Sicherstellung der Zugänglichkeit aller Angebote der Jugendhilfe auch für Kinder mit Behinderung

·      Sicherstellung des inklusiven Leitbildes in der Qualitätsentwicklung und Jugendhilfeplanung

·      Teilnahme der Jugendämter an dem Gesamtplanverfahren

·      Enge Abstimmung der Übergänge zwischen Leistungsträgern und fallbezogene Zusammenarbeit

·      Beratungsverpflichtung des Jugendamtes in Hinblick Leistungen der Jugendhilfe und anderer Leistungsträger

 

 

2.    Stufe 2024 bis 2028

Das Jugendamt ist verpflichtet Verfahrenslotsen bereitzustellen, die unabhängig jungen Menschen und deren Sorgeberechtigten bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung von Leistungen der Eingliederungshilfe begleiten und unterstützen.

 

3.    Stufe ab 01.01. 2028

Das Jugendamt soll der vorrangige Träger auch für Kinder mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung werden. Dies ist aber zunächst nur eine Absichtserklärung. Die Umsetzung bedarf eines erneuten politischen Beschlusses.

 

Besserer Kinder - und Jugendschutz

 

·        Erweiterter Schutz in Einrichtungen, u.a. mehr Kompetenzen der Heimaufsicht

·        Besserer Schutz in Pflegefamilien, u.a. Aufstellung eines Schutzkonzeptes und Beschwerdemöglichkeiten

·        Verstärkter Schutz bei Auslandsmaßnahmen durch verschärfte Anforderungen an die Genehmigung

·        Erweiterte Zusammenarbeit mit der Gesundheitshilfe, u.a. Rückmeldung an die meldenden Personen

·        Erweiterte Zusammenarbeit mit der Justiz, u.a. Vorlage von Hilfeplänen bei Familiengerichtsverfahren bei Kindeswohlgefährdung

 

Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien

 

·        Erweiterter eigenständiger Beratungsanspruch junger Menschen ohne Kenntnis der Erziehungsberechtigten

·        Umfangreichere Informations- und Beteiligungspflichten des Jugendamtes gegenüber Kindern, Jugendlichen und Sorgeberechtigten bei der Antragstellung, der Hilfeplanung und Inobhutnahmen

·        Einbeziehung nicht sorgeberechtigter Eltern in die Hilfeplanung

·        Stärkung der Selbstvertretungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe

·        Verpflichtung des überörtlichen Jugendträgers zur Einrichtung zentraler Ombudsstellen/ Ausbau der Beschwerdemöglichkeiten für Pflegekinder

 

Stärkung von jungen Menschen in stationärer Jugendhilfe

 

·        Verbesserung für junge Volljährige im Hilfebezug und für Care-Leaver*innen u.a. durch verbindliche Übergangsplanung und nachgehende Begleitung

·        Verbesserung der Bedingungen von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien und stationären Einrichtungen, u.a. durch Rechtsanspruch der Sorgeberechtigte auf Unterstützung parallel zur stationären Unterbringung eines Kindes, Schutz von Geschwisterbeziehung und Ausweitung der Möglichkeiten der Dauerverbleibensanordnung für Pflegekinder

 

 

Mehr Prävention vor Ort / Stärkung der niederschwelligen und sozialraumorientierten Hilfen

 

·      Ausbau von niederschwelligen Hilfen und Netzwerkstrukturen als gesetzliches Ziel

·      Sozialräumliche Bedarfserhebung und Maßnahmenplanung zu den niederschwelligen Hilfen wird Bestandteil der Jugendhilfeplanung

 

Inwieweit die gesetzlichen Veränderungen zu einem veränderten Stellenbedarf und Aufwand führen werden, ist zurzeit nicht abzusehen. Der Ausschuss wird hierüber unaufgefordert unterrichtet.

 

Soweit weitgehende Informationen zu den gesetzlichen Änderungen gewünscht werden, wird von Seiten der Verwaltung angeboten, eine entsprechende Informationsveranstaltung für Ausschussmitglieder zu organisieren.

 

gez.

Dr. Claus Pommer

Bürgermeister