Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Informationen zur SGB VIII - Reform (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz) zur Kenntnis.
Erläuterungen und Begründungen:
Das achte Sozialgesetzbuch
- Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) wurde durch das Kinder- und
Jugendstärkungsgesetz (KJSG) erneut reformiert. Nach dem Beschluss des
Bundestages am 23.04.2021 trat das Gesetz zum 10.06.2021 in Kraft. Inzwischen
liegen einige fachliche Einschätzungen zu den Auswirkungen der gesetzlichen
Änderungen auf die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe vor.
Die gesetzlichen
Änderungen wurden im Amt für Jugend, Schule und Sport im vergangenen Jahr
gemeinsam analysiert und diskutiert. Eine erste Inhouse-Fortbildung fand in den
Sozialen Diensten statt. Eine weitere Fortbildung auf Leitungsebene ist in
Vorbereitung.
Durch das KJSG
werden eine Vielzahl von gesetzlichen Regelung präzisiert und z.T. neu
eingeführt. Zur ersten Übersicht werden nachfolgend Schwerpunktthemen der
gesetzlichen Änderungen skizziert. Zur weiteren Vertiefung liegen der
Sitzungsvorlage die Synopse des Deutschen Institutes für Jugendhilfe und
Familienrecht (DIJuF) zum KJSG und ein Übersichts-Artikel zu den wesentlichen
gesetzlichen Änderungen, ebenfalls vom DIJuF, bei.
Nachfolgend
werden zentrale Änderungen dargestellt:
Hilfen aus einer Hand für Kinder mit und
ohne Behinderung
Ziel der
gesetzlichen Reform ist u.a. die Umsetzung der sogenannten großen Lösung, d.h.
die Zusammenführung der Zuständigkeiten für alle Kinder und Jugendlichen mit
und ohne Behinderung in der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Zusammenführung soll
in drei Stufen erfolgen:
1. Stufe ab 2021 bis 2028
Der inklusive
Leitgedanke soll in allen Leistungsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe
umgesetzt werden u.a.
·
Berücksichtigung
der besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung in
Kindeswohlgefährdungsverfahren
·
Gemeinsame
Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung in der Jugendarbeit und der
Kindertagesbetreuung
·
Sicherstellung
der Zugänglichkeit aller Angebote der Jugendhilfe auch für Kinder mit
Behinderung
·
Sicherstellung
des inklusiven Leitbildes in der Qualitätsentwicklung und Jugendhilfeplanung
·
Teilnahme
der Jugendämter an dem Gesamtplanverfahren
·
Enge
Abstimmung der Übergänge zwischen Leistungsträgern und fallbezogene
Zusammenarbeit
·
Beratungsverpflichtung
des Jugendamtes in Hinblick Leistungen der Jugendhilfe und anderer
Leistungsträger
2.
Stufe
2024 bis 2028
Das Jugendamt ist
verpflichtet Verfahrenslotsen bereitzustellen, die unabhängig jungen Menschen
und deren Sorgeberechtigten bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung
von Leistungen der Eingliederungshilfe begleiten und unterstützen.
3.
Stufe
ab 01.01. 2028
Das Jugendamt
soll der vorrangige Träger auch für Kinder mit körperlicher und/oder geistiger
Behinderung werden. Dies ist aber zunächst nur eine Absichtserklärung. Die
Umsetzung bedarf eines erneuten politischen Beschlusses.
Besserer Kinder - und Jugendschutz
·
Erweiterter
Schutz in Einrichtungen, u.a. mehr Kompetenzen der Heimaufsicht
·
Besserer
Schutz in Pflegefamilien, u.a. Aufstellung eines Schutzkonzeptes und
Beschwerdemöglichkeiten
·
Verstärkter
Schutz bei Auslandsmaßnahmen durch verschärfte Anforderungen an die Genehmigung
·
Erweiterte
Zusammenarbeit mit der Gesundheitshilfe, u.a. Rückmeldung an die meldenden
Personen
·
Erweiterte
Zusammenarbeit mit der Justiz, u.a. Vorlage von Hilfeplänen bei
Familiengerichtsverfahren bei Kindeswohlgefährdung
Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern
und Familien
·
Erweiterter
eigenständiger Beratungsanspruch junger Menschen ohne Kenntnis der
Erziehungsberechtigten
·
Umfangreichere
Informations- und Beteiligungspflichten des Jugendamtes gegenüber Kindern,
Jugendlichen und Sorgeberechtigten bei der Antragstellung, der Hilfeplanung und
Inobhutnahmen
·
Einbeziehung
nicht sorgeberechtigter Eltern in die Hilfeplanung
·
Stärkung
der Selbstvertretungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
·
Verpflichtung
des überörtlichen Jugendträgers zur Einrichtung zentraler Ombudsstellen/ Ausbau
der Beschwerdemöglichkeiten für Pflegekinder
Stärkung von jungen Menschen in stationärer
Jugendhilfe
·
Verbesserung
für junge Volljährige im Hilfebezug und für Care-Leaver*innen u.a. durch
verbindliche Übergangsplanung und nachgehende Begleitung
·
Verbesserung
der Bedingungen von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien und stationären
Einrichtungen, u.a. durch Rechtsanspruch der Sorgeberechtigte auf Unterstützung
parallel zur stationären Unterbringung eines Kindes, Schutz von
Geschwisterbeziehung und Ausweitung der Möglichkeiten der
Dauerverbleibensanordnung für Pflegekinder
Mehr Prävention vor Ort / Stärkung der niederschwelligen
und sozialraumorientierten Hilfen
·
Ausbau
von niederschwelligen Hilfen und Netzwerkstrukturen als gesetzliches Ziel
·
Sozialräumliche
Bedarfserhebung und Maßnahmenplanung zu den niederschwelligen Hilfen wird
Bestandteil der Jugendhilfeplanung
Inwieweit die
gesetzlichen Veränderungen zu einem veränderten Stellenbedarf und Aufwand
führen werden, ist zurzeit nicht abzusehen. Der Ausschuss wird hierüber
unaufgefordert unterrichtet.
Soweit
weitgehende Informationen zu den gesetzlichen Änderungen gewünscht werden, wird
von Seiten der Verwaltung angeboten, eine entsprechende
Informationsveranstaltung für Ausschussmitglieder zu organisieren.
gez.
Dr. Claus Pommer
Bürgermeister