Betreff
Zusätzliche Grundstückszufahrten für die Nutzung von Wallboxen
Vorlage
WP 20-25 SV 66/031
Aktenzeichen
IV / 66.1 / Sm. / Bu.
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Alternative 1:

Die Verwaltung erarbeitet auf Basis des Lösungsvorschlages Nr. 1 einen Handlungsleitfaden zur Bearbeitung von Anträgen auf zusätzliche Grundstückszufahrten für die Nutzung von Wallboxen.

 

oder

 

Alternative 2:

Die Verwaltung erarbeitet auf Basis des Lösungsvorschlages Nr. 2 einen Handlungsleitfaden zur Bearbeitung von Anträgen auf zusätzliche Grundstückszufahrten für die Nutzung von Wallboxen


Erläuterungen und Begründungen:

 

In jüngerer Vergangenheit häufen sich in Hilden die Anfragen zur Errichtung zusätzlicher privater Stellplätze und Grundstückszufahrten, um private Ladevorrichtungen (sog. Wallboxen) für die Aufladung von E-Fahrzeugen möglichst wohnungsnah nutzen zu können. Die zusätzliche Versiegelung durch neue Stellplätze und die Herrichtung neuer Grundstückszufahrten können im konkreten Einzelfall wiederum zu Kollisionen mit verschiedenen öffentlichen Belangen führen. Hierzu zählen neben bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen sowie versorgungstechnischen Aspekten auch straßenrechtliche, entwässerungstechnische und (klima-)ökologische Belange. Im Ergebnis entstehen in vielen Fällen Zielkonflikte mit anderen wichtigen Aspekten einer klimagerechten, nachhaltigen Stadtentwicklung, sodass sich – auch vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl an E-Autos – die Frage nach der zukünftigen verwaltungstechnischen Behandlung derartiger Anfragen stellt. Mit dieser Sitzungsvorlage sollen daher zum einen die potenziell betroffenen öffentlichen Belange näher beleuchtet werden und zum anderen zwei denkbare, alternative Steuerungsansätze zum Umgang mit der Thematik als Basis für eine strategische Grundsatzentscheidung durch den Rat der Stadt Hilden skizziert werden.

Gliederung der Sitzungsvorlage:

1.    Erläuterungen zum Sachverhalt

2.    Lösungsvorschlag der Verwaltung

3.    Fazit

 

 

1.    Erläuterungen zum Sachverhalt

 

Grundsätzlich ist die zunehmende Elektrifizierung des Fahrzeugbestandes in Hilden begrüßenswert, da hiermit ein Beitrag zur Erreichung klimaschutzpolitischer Ziele geleistet werden kann. Auch die Stadt Hilden unterstützt diese Entwicklung aktiv durch verschiedene Maßnahmenbausteine: So wurden bspw. in den letzten Jahren 13 öffentliche Ladesäulen in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Hilden (SWH) errichtet und weitere potenzielle Standorte befinden sich aktuell in der Planungs- und Umsetzungsphase.

Wie einleitend bereits erwähnt, wird der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur darüber hinaus in jüngerer Vergangenheit zunehmend durch Wallboxen für den eigenen Gebrauch auf Privatgrundstücken ergänzt. Die Nutzung dieser privaten Ladesäulen ist meist auch unproblematisch, wenn es sich bspw. um Grundstücke mit freistehenden Einfamilien- oder Doppelhäusern handelt. Denn in aller Regel sind hier bereits Stellplätze oder Garagen auf dem eigenen Grundstück für die Nutzung der Wallboxen vorhanden. Insbesondere in Gebieten mit einer überwiegenden Reihenhausbebauung sind diese Voraussetzungen jedoch regelmäßig nicht gegeben. Die privaten Stellplätze sind hier häufig konzentriert in Garagenhöfen untergebracht, so dass für eine wohnungsnahe Nutzung der Wallboxen oftmals ein zusätzlicher Stellplatz in der Vorgartenzone sowie eine neue Grundstückszufahrt angestrebt werden. Dies hat wiederum Auswirkungen auf verschiedene öffentliche Belange, deren Bindungen und Anforderungen bei der Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dieser Thematik berücksichtigt werden müssen.

 

 

Bauordnungsrechtliche Belange

 

§ 62 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) beinhaltet eine Auflistung derjenigen Bauvorhaben, für die kein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden muss. Hierzu zählen unter anderem auch der Bau von Garagen mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Brutto-Grundfläche bis zu insgesamt 30 m² sowie die Errichtung befestigter, nicht überdachter Stellplätze bis zu einer Fläche von 100 m². Für zusätzliche Stellplätze zur Nutzung von Wallboxen muss demnach kein Bauantrag gestellt werden, sofern die Schwellenwerte des § 62 BauO NRW eingehalten werden.

 

Die Verfahrensfreiheit entbindet jedoch nicht von den grundsätzlichen Anforderungen, die in der Landesbauordnung oder in anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften an Bauvorhaben gestellt werden. Nach § 52 BauO NRW sind sämtliche baulichen und anderen Anlagen und Einrichtungen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und zu unterhalten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (insbesondere Leben oder Gesundheit) oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. So können im konkreten Einzelfall – z.B. bei der Errichtung von Stellplätzen in der Vorgartenzone – brandschutztechnische Anforderungen berührt sein: § 33 BauO NRW fordert für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie in jedem Geschoss. Die Rettung kann durch die Feuerwehr mittels tragbaren Leitern sichergestellt werden, sofern die dazu benötigten Flächen für diese tragbaren Leitern (mind. 2,5 x 2,5m) außerhalb von Stellplätzen o.ä. zur Verfügung stehen. Insbesondere bei verhältnismäßig schmalen Reihenhausgrundstücken ist diese Vorgabe unter Umständen schnell verletzt, wenn durch die Errichtung eines zusätzlichen Stellplatzes die benötigte freie Fläche zum Anleitern entfällt.

 

 

Planungsrechtliche Belange

 

Im Hinblick auf die planungsrechtlichen Anforderungen an zusätzliche Stellplätze kann grundsätzlich zwischen Gebieten mit bestehendem Bebauungsplan und dem sog. unbeplanten Innenbereich nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) unterschieden werden. § 12 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) stellt zunächst klar, dass Stellplätze und Garagen für Fahrzeuge unter 3,5t Eigengewicht in allen Baugebieten grundsätzlich allgemein zulässig sind, wobei in reinen und allgemeinen Wohngebieten eine mengenmäßige Beschränkung auf den durch das Baugebiet verursachten Bedarf besteht. Mit der BauNVO 1977 wurde darüber hinaus die Möglichkeit eingeführt, durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan Stellplätze und Garagen in Baugebieten oder Teilen von Baugebieten gänzlich auszuschließen bzw. nur in beschränktem Umfang zuzulassen. Bei Bebauungsplänen mit öffentlicher Auslegung ab dem 15. September 1977 muss also zunächst geprüft werden, ob die Errichtung von Stellplätzen am gewünschten Standort zulässig oder durch entsprechende Festsetzungen ausgeschlossen ist. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit könnte in der letztgenannten Fallkonstellation nur noch über eine Befreiung erreicht werden, die bei Erfüllung der gesetzlich definierten Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ermöglicht.

 

Auch in Gemengelagen und faktischen Baugebieten nach § 34 Abs. 1 u. 2 BauGB sind Stellplätze und Garagen grundsätzlich allgemein zulässig. Entsprechend der Planersatzwirkung des § 34 BauGB setzt eine planungsrechtliche Zulässigkeit jedoch stets voraus, dass sich die hinzukommenden Stellplätze in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Im Zweifel wird diese Grundvoraussetzung in der Regel erfüllt sein, da viele Vorgartenbereiche mittlerweile zumindest teilweise durch oberirdische Stellplätze oder sonstige Versiegelungen vorgeprägt sind, die im konkreten Einzelfall als Vorbild herangezogen werden könnten. Eine planerische Steuerung kommt somit allenfalls dann in Betracht, wenn die maßgebliche nähere Umgebung eindeutig durch eine homogene, begrünte Vorgartenzone ohne Stellplätze oder sonstige Versiegelungen geprägt ist. Davon abgesehen besteht eine Handhabe in Gebieten nach § 34 BauGB lediglich in solchen Fällen, in denen der zusätzliche Stellplatz zu einer übermäßigen Versiegelung des Grundstücks und insofern zu einem gebietsuntypisch niedrigen Freiflächenanteil führen würde.

 

 

Straßenrechtliche Belange

 

Für die Errichtung zusätzlicher Stellplätze zur Nutzung von Wallboxen wird insbesondere bei Reihenhausgrundstücken in der Regel eine neue Grundstückszufahrt erforderlich mit entsprechenden Auswirkungen auf die angrenzende öffentliche Straße. Grundvoraussetzung für einen zusätzlichen Stellplatz in Hausnähe ist in jedem Fall, dass eine ausreichend bemessene Fläche auf dem eigenen Grundstück von mindestens 2,5 x 5,0m zur Verfügung steht. Ein Hineinragen von parkenden Autos in den Gehweg ist mit dem straßenrechtlichen Gemeingebrauch unvereinbar und gefährdet die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer.

Um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch neue Grundstückszufahrten nicht zu gefährden, müssen aus verkehrstechnischer Sicht darüber hinaus die erforderlichen Schleppkurven und Sichtfelder nachgewiesen werden. Da in der Regel entlang der Straßen öffentliche Parkplätze angeordnet sind, führt eine neue Grundstückszufahrt somit wiederum zum Entfall von mindestens einem, ggfs. aber auch mehreren öffentlichen Stellplätzen für Besucher oder sonstige Straßenanlieger. Eine starke Zunahme von Grundstückszufahrten könnte somit im Extremfall zu einem erhöhten Parksuchverkehr in den betroffenen Straßenzügen führen und – bedingt durch das häufigere Überfahren der Gehwege beim Ein- und Ausrangieren – neue potenzielle Konfliktpunkte mit Fußgängern und Radfahrern nach sich ziehen.

 

Aus rechtlicher Sicht besteht zunächst kein Anspruch auf die Herrichtung neuer bzw. die Erweiterung bestehender Grundstückszufahrten, sofern die wegemäßige Erschließung des Grundstücks bereits gesichert ist (VG Freiburg,18.03.2016, 4 K 2029/15). Für Zufahrten gilt im Sinne des § 14 Straßen- und Wegegesetz NRW (StrWG NRW) der Grundsatz der Vereinbarkeit mit den rechtlich geschützten Interessen anderer Straßenanlieger und den Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Eine Anlegung einer Grundstückszufahrt ist als straßenrechtliche Sondernutzung nach § 18 StrWG NRW daher genehmigungs- und gebührenpflichtig. Die Genehmigungspflicht ergibt sich aus dem entstehenden Eingriff sowohl in den fließenden Verkehr als auch in den öffentlichen Straßenkörper. Insoweit kann eine beantragte Genehmigung im Zweifel versagt werden, sofern die Errichtung der neuen Grundstückszufahrt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs unzulässig beeinträchtigen würde. Dies gilt insbesondere für solche Situationen, in denen eine Zufahrt zu dem betroffenen Grundstück bereits vorhanden und die Erschließung somit gesichert ist.

 

 

Versorgungstechnische Belange

 

Da im Zuge des Genehmigungsprozesses auch die versorgungstechnischen Anforderungen des städtischen Stromnetzes berücksichtigt werden müssen, wurden ergänzend die Stadtwerke Hilden um eine Stellungnahme zu der Thematik gebeten. Wenn eine private Wallbox an das Netz der öffentlichen Versorgung angeschlossen werden soll, sind die Stadtwerke Hilden demnach in den Genehmigungsprozess zu involvieren. Für Ladesäulen bis 11 kW besteht für den Eigentümer eine Meldeverpflichtung beim zuständigen Netzbetreiber nach § 19 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV). Bei Leistungen größer 11 kW ist der Eigentümer gar verpflichtet, die Wallbox vom zuständigen Netzbetreiber genehmigen zu lassen. Die Prozesse dazu sind laut Aussage der SWH in Hilden gut etabliert; das ansässige Elektrohandwerk ist von den Stadtwerken dahingehend geschult und nutzt die auf der Webseite der SWH veröffentlichten Formulare. Im Rahmen dieser Melde- bzw. Genehmigungspflicht prüfen die Stadtwerke Hilden, inwiefern die jeweilige Ladesäule an das Stromnetz angeschlossen werden kann oder ob ggfs. Netzausbaubedarf besteht. Eine darüber hinaus gehende Einbeziehung in Genehmigungsprozesse der Stadt Hilden bei der Beantragung zusätzlicher Stellplätze ist nach Ansicht der Stadtwerke nicht erforderlich. Die SWH regen an, den Prozess nicht zu kompliziert zu gestalten und es bei den bewährten Genehmigungsabläufen für den Anschluss von Ladeeinrichtungen zu belassen.

 

Bezüglich des ggf. notwendigen Umbaus von Bürgersteigen ist außerdem zu berücksichtigen, dass vor der Baumaßnahme eine Leitungsauskunft bei den SWH einzuholen ist. Sollte daraus ersichtlich sein, dass Strom-, Gas-, Wasser- oder Glasfaserleitungen in einer den Bau beeinträchtigenden Höhe liegen, ist im Einzelfall eine Abstimmung zwischen Stadt und Stadtwerken erforderlich.

 

 

Entwässerungstechnische und (klima-)ökologische Belange

 

Die Errichtung zusätzlicher Stellplätze geht – je nach baulicher Ausführung – mit einer vollständigen Versiegelung bisheriger Freiflächen einher und erhöht somit die abflusswirksame Grundstücksfläche. Oftmals wird das Gefälle der Stellplatzfläche dabei so angelegt, dass das anfallende Niederschlagswasser auf die angrenzende öffentliche Straße fließt und in die städtische Kanalisation gelangt. Dies ist vor allem aus zwei Gründen problematisch: Zum einen sind Straßeneinläufe im Regelfall so bemessen und angeordnet, dass sie lediglich die versiegelten Straßenflächen entwässern können. Zum anderen sind die öffentlichen Regenwasserkanäle in Hilden an vielen Stellen bereits hydraulisch so belastet, dass zusätzliches Abwasser nur bedingt abgeleitet werden kann. Eine flächenhafte Zunahme der Grundstücksversiegelung ohne Berücksichtigung der entwässerungstechnischen Anforderungen könnte somit im Extremfall die Schäden durch Starkregenereignisse weiter verschärfen, wenn zukünftig vermehrt Wassermassen von Privatgrundstücken in die öffentliche Kanalisation gelangen.

 

Grundprämisse für jede zusätzliche Versiegelung durch neue Stellplätze ist demnach der Nachweis der ordnungsgemäßen Niederschlagswasserbeseitigung durch den Grundstückseigentümer. Um dies zu gewährleisten, muss grundsätzlich beim Tiefbau- und Grünflächenamt ein Entwässerungsantrag zur Genehmigung des geänderten Grundstücksanschlusses bzw. der geänderten Grundstücksentwässerung nach § 14 der städtischen Entwässerungssatzung gestellt werden. Der Nachweis erfolgt in der Regel auf Basis eines gutachterlich erstellten Entwässerungsplanes. Grundlage für diese Regelung ist auch die Festlegung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 der „Ordnungsbehördliche Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Hilden“, wonach das Ableiten von Regenwasser auf Straßen untersagt ist.
Wird das anfallende Niederschlagswasser auf dem betreffenden Grundstück über die öffentliche Kanalisation abgeleitet, führt eine Zunahme der Versiegelung außerdem zu einer Erhöhung der Niederschlagswassergebühr.

 

Schlussendlich wirkt sich eine Flächenversiegelung zugunsten neuer Stellplätze auf die lokale ökologische sowie stadtklimatische Situation aus. Der Rückgang unbebauter Grundstücksfreiflächen führt tendenziell zu einem Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen und in der Folge zu einer Beeinträchtigung der ökologischen Vielfalt. Gleichzeitig beeinträchtigt die erhöhte Grundstücksversiegelung die lokalklimatischen Verhältnisse, da sich hoch versiegelte Flächen an Hitzetagen signifikant stärker aufheizen als gärtnerisch gestaltete Freiflächen. Beide Effekte treten bei einer räumlichen Konzentration der Flächenversiegelungen – bspw. auf mehrere benachbarte Grundstücke – umso deutlicher in Erscheinung und werden potenziell zusätzlich verstärkt, wenn durch die Herstellung neuer Grundstückszufahrten Straßenbäume gefällt werden müssen. Die konkrete bauliche Ausführung der Stellplätze kann die beschriebenen Auswirkungen im Einzelfall beeinflussen bzw. reduzieren. So ermöglicht bspw. die Verwendung von Rasengittersteinen anstelle von Betonpflaster nicht nur eine bessere Versickerung des Niederschlagwassers, sondern auch eine Abmilderung der versiegelungsbedingten Aufheizeffekte.

 

 

2.    Lösungsvorschlag der Verwaltung

Die vorstehenden Erläuterungen verdeutlichen, dass die Errichtung zusätzlicher privater Stellplätze zur Nutzung von Wallboxen im konkreten Einzelfall eine Vielzahl öffentlicher Belange berühren kann und dabei auch mit anderen gewichtigen Aspekten einer klimaangepassten Stadtentwicklung kollidieren kann. Gewiss zeichnen die beschriebenen potenziellen Auswirkungen dabei mitunter ein „Worst-Case-Szenario“, das immer wahrscheinlicher wird, je mehr zusätzliche Stellplätze angelegt werden. Nichtsdestoweniger wird angesichts der hohen Bandbreite der potenziell betroffenen öffentlichen Belange einerseits und der vorhersehbaren Zunahme an E-Autos andererseits der Bedarf nach einer abgestimmten Vorgehensweise für die zukünftige Genehmigungspraxis derartiger Anfragen deutlich. Auf Basis eines solchen „Handlungsleitfadens“ könnten zum einen die internen Abstimmungsprozesse zwischen den beteiligten Fachämtern und den SWH verstetigt und zum anderen nach außen einheitliche Anforderungen für interessierte Grundstückeigentümer kommuniziert werden. Am Anfang solcher Überlegungen steht jedoch eine grundsätzliche politische Entscheidung darüber, welche strategische Grundhaltung einem solchen Handlungsleitfaden zugrunde gelegt werden soll. Zu diesem Zweck werden nachfolgend zwei alternative Ansätze skizziert, in denen eine erste Gewichtung der betroffenen Belange vorgezeichnet wird und in denen naturgemäß noch Potenzial zur Konkretisierung liegt.

 

 

Lösungsvorschlag 1: „Fokus E-Mobilität“

 

Der erste strategische Ansatz zielt auf eine Genehmigungspraxis ab, die der Errichtung zusätzlicher privater Stellplätze bzw. der hierfür erforderlichen Zufahrten zur Nutzung von Wallboxen einen Vorrang gegenüber potenziell kollidierenden öffentlichen Belangen einräumt (siehe Abb.1, Lösungsvorschlag 1). Der Grundgedanke hierbei ist, dass – abgesehen von der Beachtung zwingender rechtlicher Vorgaben – keine weiteren Auflagen für die Genehmigung zusätzlicher Grundstückzufahrten formuliert werden. In dieser Variante wird demnach neben den verbindlichen Anforderungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ausschließlich geprüft, ob die ordnungsgemäße Niederschlagswasserbeseitigung gewährleistet ist und ob auf dem Grundstück eine ausreichend bemessene Fläche für das Abstellen des Fahrzeugs zur Verfügung steht. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann – vorbehaltlich der Erfüllung der netztechnischen Anforderungen – die straßenrechtliche Genehmigung für die beantragte Grundstückszufahrt erteilt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine dauerhafte bzw. ausschließliche Nutzung der neuen Stellplätze durch Elektrofahrzeuge nicht sichergestellt werden kann: Die rechtlichen Grundlagen für die Erteilung der erforderlichen Sondernutzungs-Genehmigung erlauben keine Koppelung der neuen Grundstückszufahrt an eine spezifische Antriebstechnologie.

 

 

Lösungsvorschlag 2: „Ausgleich der betroffenen Belange“

Der zweite Strategieansatz sieht gegenüber dem ersten Lösungsvorschlag eine differenziertere Einzelfallbetrachtung vor (siehe Abb.1, Lösungsvorschlag 2). Die Prüfung der grundlegenden rechtlichen Vorgaben aus dem ersten Ansatz wird hierzu um einige weitere Prüfschritte ergänzt mit dem Ziel, die Versiegelung bestehender Grundstücksfreiflächen und den Wegfall öffentlicher Stellplätze im Straßenraum zu begrenzen. Im Fokus steht hierbei ein stärkerer Ausgleich zwischen den Interessen der privaten Grundstückseigentümer und den potenziell betroffenen öffentlichen Belangen.

 

In einem ersten Prüfschritt wird zunächst darauf abgestellt, ob bereits an anderer Stelle als im Umfeld des Wohnhauses Stellplätze, Garagen oder Carports vorhanden sind, die für die Anbringung einer Wallbox potenziell infrage kämen. Dies können z.B. Garagenhöfe sein, in denen die bauordnungsrechtlich notwendigen Stellplätze für die jeweilige Wohneinheit untergebracht sind. Falls diese Frage bejaht werden kann, soll grundsätzlich der bestehende Stellplatz vorrangig für die Wallbox-Nutzung in Anspruch genommen werden. Nur wenn die Elektrifizierung des bestehenden Stellplatzes aus technischen oder eigentumsrechtlichen Gründen ausscheidet, wird die Möglichkeit einer zusätzlichen Grundstückszufahrt im Bereich des Wohnhauses geprüft.

 

Für die Genehmigung einer neuen Grundstückszufahrt müssen wiederum – analog zu Lösungsvorschlag 1 – die bauplanungs-, bauordnungs-, entwässerungs- sowie straßenrechtlichen Grundanforderungen zwingend erfüllt sein. Ergänzend zu diesen verbindlichen Vorgaben müsste der Antragsteller in diesem Ansatz jedoch zusätzlich nachweisen, dass mit der neuen Grundstückszufahrt maximal ein Stellplatz im öffentlichen Straßenraum entfällt. Um die negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und das lokale Klima abmildern zu können, soll die erforderliche straßenrechtliche Genehmigung darüber hinaus an Auflagen zur baulichen Ausgestaltung des zusätzlichen Stellplatzes geknüpft werden. Denkbar ist hier bspw. die Forderung zur Verwendung sickerfähiger bzw. wasserdurchlässiger Pflastersteine.

 


Abbildung 1: Prüfschritte der Lösungsvorschläge 1 und 2

 

3.    Fazit

 

Die beschriebenen Lösungsvorschläge zeigen zwei denkbare erste Ansätze für die Entwicklung einer einheitlichen Genehmigungspraxis im Umgang mit der steigenden Nachfrage nach zusätzlichen Stellplätzen respektive Grundstückszufahrten für die Nutzung privater Wallboxen auf. Unabhängig davon, ob einer der vorgestellten Ansätze oder eine alternative Variante durch die Verwaltung weiterverfolgt werden soll, bildet die Erarbeitung eines entsprechenden Handlungsleitfadens für die betroffenen Fachämter den nächsten Schritt zu einer abgestimmten Vorgehensweise. In jedem Fall sind dabei die verbindlichen rechtlichen Anforderungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, des Wasserrechts sowie des Straßen- und Wegerechts Grundvoraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit neuer Grundstückszufahrten.

 

Beschlussempfehlung:

 

Die Verwaltung empfiehlt auf Basis des Lösungsvorschlages Nr. 2 einen Handlungsleitfaden zur Bearbeitung von Anträgen auf zusätzliche Grundstückszufahrten für die Nutzung von Wallboxen zu erarbeiten.

 

 

gez.
Dr. Claus Pommer
Bürgermeister