Betreff
Erstellung eines Baulandkatasters;
hier: Antrag der FDP-Fraktion vom 01.09.2021
Vorlage
WP 20-25 SV 61/053
Aktenzeichen
IV/61.1 Groll_STEP
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

Durch die Erfassung oben genannter Grundstücke in einem Kataster wird der Stadt Hilden die Möglichkeit eröffnet, die vorhandenen Potenziale für Wohnbauflächen zu mobilisieren und zu nutzen und ggf. auch neue Gewerbeflächen zu erschließen.

 

Dadurch kann die Stadt im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung mit der Ressource „Boden" verantwortungsvoll und sparsam umgehen sowie vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stärker das städtebauliche Leitbild „Innenentwicklung vor Außenentwicklung" in der Stadt forcieren.

 

Durch die Bebauung von Baulücken und die Ausnutzung der bereits bebauten, ungenutzten und brachliegenden Flächen kann die Ausweisung neuer Baugebiete am Stadtrand weitestgehend reduziert werden. So kann die vorhandene Infrastruktur besser ausgenutzt und die Versiegelung von Freiflächen reduziert, bzw. verhindert werden.

 

Besonders im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse wie Starkregen und Flutkatastrophe sollte die Versiegelung weiterer Frei- und Grünflächen vermieden werden.

 

gez.
Rudolf Joseph


Antragstext:

Der Rat der Stadt Hilden wird gebeten nach Vorberatung im Stadtentwicklungsausschuss

wie folgt zu beschließen:

 

1.  Die Verwaltung erstellt ein Baulandkataster um alle unbebauten, sowie bereits versiegelten und brachliegenden Grundstücke sichtbar zu machen.
Als Baulücken werden unbebaute Grundstücke innerhalb des Siedlungskörpers erfasst, die aufgrund ihrer Größe und ihres Zuschnitts für eine neue Wohnbebauung prinzipiell geeignet sind.
Zu den bereits versiegelten und brachliegenden Flächen zählen unter anderem Grundstücke wie auf der Kirchhofstraße 65.

 

2.  lm Baulandkataster werden neben der Markierung des Baulückengrundstücks der Straßenname, die Flurstücksnummer, die Grundstücksgröße sowie ein Lageplan dargestellt.

 

3.  Die Verwaltung nimmt gegebenenfalls Kontakt zu den Eigentümern des als Baulücke oder Potenzialfläche identifizierten Grundstücks auf, um in Kaufverhandlungen zu treten oder eine Bebauung zu forcieren.

 

4.  Das Baulandkataster ist als Serviceangebot für Bauinteressenten, Architekten, Bauträger und lmmobilienmakler auf der Homepage der Stadt Hilden einzustellen.


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Rechtliche Rahmenbedingungen:

 

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erstellung eines „Baulandkatasters“ sind in § 200 Abs. 3 des Baugesetzbuches geregelt.

 

Hier heißt es:

„Die Gemeinde kann sofort oder in absehbarer Zeit bebaubare Flächen in Karten oder Listen auf der Grundlage eines Lageplans erfassen, der Flur- und Flurstücksummern, Straßennamen und Angaben zur Grundstücksgröße enthält (Baulandkataster). Sie kann die Karten oder Listen veröffentlichen, soweit der Grundstückseigentümer nicht widersprochen hat. Die Gemeinde hat ihre Absicht zur Veröffentlichung einen Monat vorher öffentlich bekannt zu geben und dabei auf das Widerspruchsrecht der Grundstückseigentümer hinzuweisen.“

 

Auf Basis dieser Regelungen haben zwischenzeitlich zahlreiche Städte und Gemeinden in NRW und in Deutschland ihre eigenen Baulandkataster aufgestellt.

 

Meist werden die in § 200 Abs. 3 BauGB genannten Mindestangaben noch ergänzt um Informationen zum Vorhandensein eines Bebauungsplanes (und dessen Festsetzungen) sowie zur Erschließungssituation.

 

Demnach beinhaltet ein Baulandkataster unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke innerhalb der bebauten bzw. bebaubaren Siedlungsflächen. Die gesetzliche Grundlage regelt den Rahmen für eine Veröffentlichung dieser Flächen, betroffene Eigentümer können einer Veröffentlichung ihrer Flächen widersprechen.

 

 

Was könnte ein Baulandkataster für Hilden bringen?

 

Was allen Baulandkatastern eigen ist: eine Rechtsgrundlage für die jeweilige Kommune, auf die Grundstückseigentümer einzuwirken, ihre Flächen zu verkaufen, besteht nicht. Ebenso darf sie keine Daten des Grundstückseigentümers an Bauinteressenten herausgeben. Und wenn Grundstückseigentümer etwas gegen die Einbeziehung ihres Grundbesitzes in ein Baulandkataster einzuwenden haben, egal aus welchen Gründen, enthält ein solches Kataster kein vollständiges Abbild der „Bauland-Situation“. Sehr wohl darf die Stadt mit einem eigenen Kaufangebot oder dem eines dritten Interessenten auf die Eigentümer zugehen.

 

Laut § 176 BauGB in Verbindung mit § 175 BauGB kann die Gemeinde den Grundstückseigentümer zwar durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist, sein Grundstück zu bebauen. Aber dieses Gebot muss aus städtebaulichen Gründen zwingend veranlasst sein. Aufgrund des mit ihnen verbundenen Eingriffs in die Verfügungsmacht des Grundstückseigentümers müssen die städtebaulichen Gründe über diejenigen hinausgehen, die den Bebauungsplan selbst und das öffentliche Interesse an seiner Verwirklichung tragen. Als derartige besondere Gründe kommen u.a. das Orts- und Landschaftsbild, die Auslastung technischer und sozialer Infrastruktur, die Befriedung eines dringenden Wohnbedarfes der Bevölkerung oder die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen in Betracht.

Andere Gründe - wie z.B. soziale Gründe oder die Förderung der Wirtschaft - bieten keine Rechtsgrundlage für den Erlass städtebaulicher Gebote.


Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum unbebaute Grundstücke auch dann nicht für eine Bebauung zur Verfügung gestellt werden, wenn sie in einem Baulandkataster dargestellt sind.

Die erhoffte Wirkung, das Grundstück dem Grundstücksmarkt zuzuführen, bleibt aus,

+          weil Baulücken und Bauwünsche oft nicht übereinstimmen,

+          weil Preisvorstellungen und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen nicht kompatibel sind

+          oder aber interessante Grundstücke aufgrund der ablehnenden Haltung der Eigentümer gar nicht Teil des Baulandkatasters werden.

Weitere Gründe können sein

+          das mangelnde Eigentümerinteresse an einer Verwertung des Grundstücks (da Kapitalanlage),

+          uneinige Eigentümer (etwa Erbengemeinschaften)

+          oder grundstücksbezogene Einschränkungen wie z.B. eine problematische Erschließung, schwieriger Baugrund, aufwändige Entwässerung oder starke Immissionseinwirkungen.

 

 

Aus Sicht der Verwaltung besteht durch den Druck auf dem freien Grundstücksmarkt in Hilden bereits eine im Vergleich zu anderen Gemeinden überdurchschnittlich hohe privatwirtschaftliche Effektivität bei der Erst-oder Nachnutzung von Wohnbaugrundstücken. Somit ist davon auszugehen, dass die meisten der nicht oder nur gering genutzten Grundstücke, die eine Aufnahme in ein Baulandkataster finden würden, von einer oder mehreren der o.g. Einschränkungen betroffen sind und daher auch mit Hilfe der Aufnahme in ein Baulandkataster nur schwer Zugang zum Grundstücksmarkt finden.

 

Weiterhin wäre vor dem Hintergrund der Siedungsdichte hinsichtlich des immer wieder geäußerten Wohnraumbedarfs zu überlegen, ob es sinnvoll wäre, nicht nur über eine Baulückenübersicht zu sprechen, sondern z.B. auch eine Übersicht über leerstehende Einfamilienhäuser in Hilden. Jedoch fehlt hierzu eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.

 

 

In der Antragsbegründung wird auch das Thema Gewerbegrundstücke erwähnt.

Der Grundstücksmarkt in diesem Segment wird durch die städtische Wirtschaftsförderung aufmerksam beobachtet. Nicht oder nicht mehr bebaute Gewerbegrundstücke sind zudem relativ selten in Hilden. Hinzu kommt die Rolle der städtischen Gesellschaft GkA, die auch aktiv im Grundstücksmarkt tätig ist. Praktisch gibt es außerhalb des Flächenbestandes der GkA derzeit keine marktgängigen Gewerbeflächen. Auch die Flächen der GkA sind zum heutigen Zeitpunkt für verschiedene Vorhaben reserviert und werden nicht vermarktet.

 

Ein öffentlich zugängliches Gewerbebauland-Kataster sollte auch aus Diskretionsgründen und zum Schutz der Unternehmen nicht eingerichtet werden. Es gibt einzelne Unternehmen, die über Flächenpotenzial verfügen und dies bewusst für den eigenen Bedarf vorhalten. Aufgrund der Flächenknappheit in der Region ist zudem zu erwarten, dass Flächensuchende (und Projektentwickler) mit Daten aus einem Baulandkataster Unternehmen gehäuft kontaktieren und deren Betriebsabläufe möglicherweise stören.

 

Die Wirtschaftsförderung wird - und wird damit wohl der Intention der Antragstellerin gerecht - im Jahr 2022 für die Thematik Gewerbeflächen eine stadtweite Potenzialflächenanalyse erstellen und darüber dem Ausschuss für Wohnungs- und Wirtschaftsförderung berichten.

 


Aus fachlicher Sicht kann mit einem Baulandkataster nur sehr begrenzt erreicht werden, dass „durch die Bebauung von Baulücken und die Ausnutzung der bereits bebauten, ungenutzten und brachliegenden Flächen…die Ausweisung neuer Baugebiete am Stadtrand weitestgehend reduziert werden…[kann]“ (Zitat aus der Begründung zum Antrag).

 

Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass es sich bei bisher nicht bebauten (oder untergenutzten) Grundstücken/Baulücken ebenfalls meist um Frei- und Grünflächen handelt.

 

 

Welche Rahmenbedingungen würde ein Baulandkataster erfüllen?

 

Ist man sich dieser Einschränkungen bewusst, wäre es grundsätzlich möglich, auch für die Stadt Hilden ein entsprechendes Baulandkataster auf der Basis der zulässigen inhaltlichen Komponenten aufzubauen.

 

Im Einzelnen bedeutet dies:

 

  • Das Baulandkataster erfasst die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 BauGB) oder im Zusammenhang der bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) gelegenen unbebauten Grundstücke, die aus öffentlich-rechtlicher/städtischer Sicht sofort oder in absehbarer Zeit mit einem Gebäude bebaubar wären. Es werden dabei auch „minder- oder fehlgenutzte oder nur geringfügig bebaute Grundstücke als „Baulücken“ erfasst.
  • Die Aufnahme eines Grundstückes in das Baulandkataster begründet keinen Rechtsanspruch auf Bebauung. D.h. aus dem Baulandkataster können keine planungs- oder bauordnungsbehördlichen Ansprüche abgeleitet werden. Denn die Aufnahme eines Grundstückes oder eines Grundstückteils ersetzt nicht die Baugenehmigung und sagt sie auch nicht zu. Die Bebaubarkeit des jeweiligen Grundstückes beziehungsweise der jeweiligen Fläche kann nur im Einzelfall im Rahmen einer Bauvoranfrage oder eines Bauantrages verbindlich geklärt werden.
  • Durch die Aufnahme in das Baulandkataster werden auch die verkehrlich und/oder entwässerungstechnische Erschließung der Grundstücke oder andere grundstücksbezogene Restriktionen nicht abschließend geprüft.
  • Aus Datenschutzgründen enthält das Baulandkataster keine Angaben über Grundstückseigentümer, Verkaufsbereitschaft oder Verkaufspreis. Es werden weder private Daten noch Namen von Eigentümern oder Eigentumsverhältnisse öffentlich gemacht oder an interessierte Bauwillige weitergeleitet.

 

Ein Beispiel für die Darstellung eines Grundstücks im Baulandkataster ist als Anlage beigefügt.

 

 

Personelle Auswirkungen:

 

Die Anlegung eines (Wohn-) Baulandkatasters bedeutet nicht nur eine erstmalige Erstellung (inkl. Bestandsaufnahme hinsichtlich der „Baulücken“ und der verschiedenen Sachinformationen), sondern auch laufende Arbeiten. Dazu gehören die Bearbeitung der Zustimmung oder Ablehnung der Grundstückseigentümer zur Veröffentlichung, die Beantwortung der Anfragen von privaten oder gewerblichen Bauinteressenten, die Fortschreibung und Aktualisierung des Baulandkatasters. Ohne eine gesicherte Betreuung des (Wohn-) Baulandkatasters kann die beabsichtigte „Anstoßwirkung“ des Katasters (nämlich Bauwillige und Eigentümer auf Baulandpotenziale im Stadtgebiet aufmerksam zu machen), nicht gewährleistet werden. Die eigentliche „Bauberatung“ ist dabei noch nicht berücksichtigt.


Im Einzelnen müsste geklärt werden, wie der Kontakt zwischen Grundstückseigentümer und Interessent zustande kommt. Inwieweit die Stadt dabei eine vermittelnde Rolle übernehmen kann, ist offen. Die Stadt kann keine „Maklertätigkeiten“ übernehmen. Sie muss auch „neutral“ bleiben, kann also keine sich bewerbende Person gegenüber anderen bevorzugen. Und je mehr Interessenten ein Grundstück findet, welches im Baulandkataster enthalten ist, desto mehr Arbeit kommen auf die Stadtverwaltung und auf den Grundstückseigentümer zu. Gerade bei Grundstücken für den Bau von Einfamilienhäusern kann es zu einer Vielzahl von Interessenten kommen.

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Bei einem Baulandkataster handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Kommune.
Für den Aufbau des Baulandkatasters, dessen Pflege, sowie die Vorhaltung des zusätzlichen Serviceangebotes für Bauinteressenten, Architekten, Bauträgern und Immobilienmaklern sind seitens der Stadt personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die derzeit noch nicht zu quantifizieren sind.

 

 

Empfehlung:

 

Vor dem Hintergrund des hohen Erstellungs- und Pflegeaufwandes gegenüber dem begrenzten Nutzen erscheint die Einführung eines Baulandkatasters nicht verhältnismäßig. Aus fachlicher Sicht ist der Antrag daher nicht zu befürworten.

 

 

gez.

in Vertretung

Sönke Eichner
1. Beigeordneter

 

 

Klimarelevanz:

Der Beschluss über den Antrag hat keine eigene Klimarelevanz.