Betreff
Überarbeitung des Tarif-Waben-Systems des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr (VRR):
Resolution des Rates der Stadt Hilden
Vorlage
WP 20-25 SV 61/036
Aktenzeichen
IV/61.1 Groll_ÖPNV
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Hilden beschließt nach Vorberatung im Stadtentwicklungsausschuss folgende Resolution:

 

Der Rat der Stadt Hilden fordert den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR auf, das derzeitige Tarifsystem so zu reformieren, dass ÖPNV-Kund*innen aus kreisangehörigen Kommunen bei Fahrten in eine benachbarte Großstadt (und umgekehrt) gegenüber den Kund*innen bei Fahrten innerhalb einer Großstadt nicht benachteiligt werden.

Der Rat bittet den Kreis Mettmann, seine Vertreterinnen und Vertreter in den VRR-Gremien zu verpflichten, in diesem Sinn tätig zu werden.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Grundlage der Preisberechnung im Verbundraum sind Tarifgebiete, Waben und Kurzstrecken. Ein Tarifgebiet umfasst i.d.R. eine Stadt oder mehrere kleinere Städte/Gemeinden und setzt sich aus einer oder mehreren „Waben“ zusammen.

Ein einfacher einheitlicher Tarif für alle zugehörigen Kommunen gehörte zu den Grundgedanken bei der Gründung des VRR 1980 und stellt noch heute den Kern des Verkehrsverbundes dar.

Zugunsten der Nutzer des Nahverkehrs/ÖPNV sollten kommunale und regionale Grenzen tariflich aufgelöst werden.

Die Sicherstellung eines „integrierten ÖPNV (Tarif, Angebot, Qualität)“ ist oberste Prämisse des Verkehrsverbundes und ist so auch im ÖPNV-Gesetz des Landes NRW vorgegeben.

Da aber die Tarifgebiete in Großstädten räumlich wesentlich größer sind als bei Städten im Kreisgebiet, werden ÖPNV-Nutzer aus den kreisangehörigen Kommunen hinsichtlich der möglichen Fahrtlänge im Hinblick auf das zu entrichtende Entgelt benachteiligt.

Bei der Entwicklung der Tarife muss jeweils zwischen der Einfachheit des Tarifes und der „Gerechtigkeit“ des Tarifes abgewogen werden. Einfache Tarife sind oft auch „ungerecht“, „gerechtere“ Tarife dagegen sehr häufig kompliziert und/oder unübersichtlich.

Gleichzeitig gilt es, den Anforderungen der bedienenden Verkehrsunternehmen und den finanziellen Rahmenbedingungen der Kommunen gerecht zu werden.

Jede Verbindung innerhalb des VRR-Raumes ist einer Preisstufe zugeordnet. Neben der Kurzstrecke gibt es die Preisstufen A, B, C und D. Die Preisstufen bilden also in erster Linie eine Entfernungsgröße ab. Die Preisstufe D gilt dabei für den gesamten Verbundraum. -

Die Stadt Hilden liegt im Tarifgebiet 64 Erkrath/Haan/Hilden; dieses Tarifgebiet besteht aus den „Waben“ 640, 642 und 644 (Hilden).

Für Fahrten innerhalb des Tarifgebietes 64 gilt die Preisstufe A.

Daraus ergibt sich in der Tarif-Logik, dass für eine Fahrt in die Nachbarstädte (außerhalb des Tarifgebietes 64) grundsätzlich die Preisstufe B gilt; etwa für Fahrten von Hilden nach Düsseldorf, Solingen, Wuppertal, Langenfeld oder in die Kreisstadt Mettmann. Aufgrund der auf den kommunalen Gebietsgrenzen basierenden Flächenabgrenzungen von Tarifgebieten und Waben kommt es dann u.U. zu Preissprüngen.

Beispielsweise gilt innerhalb der Stadt Düsseldorf in der Regel die Preisstufe A 3 (2,90€ je Einzelfahrschein). D.h., für die Fahrt von Düsseldorf-Benrath nach Düsseldorf-Zentrum muss ein Ticket der Preisstufe A 3 gelöst werden, für die nur unwesentlich längere Strecke von Hilden-Bahnhof nach Düsseldorf-Zentrum jedoch ein Ticket der Preisstufe B (6,00€ je Einzelfahrschein).

Dies wird geringfügig dadurch gemildert, dass es noch die sog. „Zwei Waben-Beziehung“ gibt. Dabei gilt die Preisstufe A (A 2 oder A 3), wenn die beiden „Waben“ unmittelbar benachbart sind, auch wenn die „Waben“ in unterschiedlichen Tarifgebieten liegen. Das gilt beispielsweise für die Fahrtstrecke von Hilden nach Düsseldorf-Benrath.

Regelmäßige Nutzer oder Berufspendler haben im VRR eine Auswahl verschiedener Abonnement-Tickets, bei denen sich die Unterschiede der Einzelfahrt-Preise zwar stark relativieren. Aber insbesondere bei den entfernungsbezogenen Tickets für Berufspendler (Ticket 1000 oder 2000) liegen die kritisierten Preissprünge ebenfalls vor - wenn auch nicht in dem Maße wie bei Einzeltickets für Gelegenheitsnutzer.

Um die ÖPNV-Nutzung gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) zu stärken, ist das Tarifsystem von besonderer Bedeutung. Nutzer außerhalb einer Großstadt sollten Nutzern innerhalb einer Großstadt gegenüber gleichartig behandelt werden. Das gilt für Tarife wie für die Angebote des ÖPNV.

Das Tarif-System des VRR unterliegt ständiger Beobachtung und entwickelt sich auch ständig weiter.

So wurde in 2015 die Tarifstufe A 3 für die fünf Großstädte Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Essen und Wuppertal eingeführt.

Im Jahr 2016 wurde wiederum die Tarifstufe E (bis dahin die Stufe für den Verbund-Gesamtraum) abgeschafft.

Auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sucht nach Wegen, die vorhandenen „Ungerechtigkeiten“ im Tarifsystem aufzulösen.

Derzeit in der Erprobungsphase befinden sich elektronische Ticketing-Systeme.

Eines davon läuft unter der Bezeichnung „nextTicket 2.0“. Es soll die Vorstufe zu einem NRW-einheitlichen Tarif für den ÖPNV darstellen, zunächst nur für Gelegenheitsnutzer. Innerhalb dieses Systems werden die Fahrtkosten nach der Luftlinien-Entfernung abgerechnet; mit einem Grundpreis von 1,40€ und einem Preis von 0,26€ je Luftlinienkilometer. Die Testphase läuft noch mindestens bis Juni 2021.

Eine Ausweitung und Individualisierung dieses elektronischen Tarifs ist das „MyZone-Ticket“, für das derzeit eine Erprobung vorbereitet wird. In diesem Ticket können Nahverkehrskunden eine persönlich zugeschnittene „ÖPNV-Flatrate“ erwerben (MyZone), z.B. zwischen ihrer Wohnadresse und einer Zieladresse (einer typischen Pendelrelation). Hierbei spielen die bekannten Tarifstufen dann nur eine untergeordnete Rolle.  Kunden würden sich ihre „Tarif-Grenzen“ quasi selbst festlegen. Sollte zu diesem Modell tatsächlich ein konkreter Modellversuch durchgeführt werden, müsste noch eine tarifrechtliche Ausgestaltung erfolgen und auch die VRR-Gremien zustimmen. Hier könnte der Kreis Mettmann mit seinen Stimmen in den VRR-Gremien einen Beitrag leisten.

Mit Hilfe dieser neuen Tarifinstrumente sollen Preissprünge auf Grund von Flächenzonengrenzen sowohl für Gelegenheitsnutzer als auch für Berufspendler reduziert oder ganz ausgeräumt werden.

Allerdings - darüber muss man sich als Kommune im Klaren sein - führen diese Modelle bei jetziger Ausgestaltung jeweils zu Mindereinnahmen, die durch die Kommunen ausgeglichen werden müssten.

Der im Beschlussvorschlag genannte „Resolutionstext“ soll dazu beitragen, dass die sich in Erprobung befindlichen elektronischen Ticketing-Systeme oder ggfls. andere Maßnahmen, die die Preissprünge auflösen, möglichst zügig als Regelelemente in das VRR-Tarif-System aufgenommen werden.

 

Gez.
Dr. Claus Pommer
Bürgermeister