Beschlussvorschlag:
Beschlussvorschlag
I:
Der Rat der Stadt
Hilden stimmt dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH und somit der
vorgelegten Ordnungsbehördlichen Verordnung über die zusätzliche Öffnung von
Verkaufsstellen, die unter Vorbehalt gestellt ist, zu.
Beschlussvorschlag
II:
Der Rat der Stadt
Hilden lehnt den Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zur Durchführung von
verkaufsoffenen Sonntagen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen) ab.
Erläuterungen und Begründungen:
Die Stadtmarketing Hilden GmbH hat mit Schreiben vom 5. Mai 2021 drei
sonntägliche Verkaufsöffnungen jeweils in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr
in der Innenstadt (räumliche Begrenzung) am 19. September, 31. Oktober und 28.
November für das Jahr 2021 beantragt. Faktisch handelt es sich hierbei um zwei
Anträge:
Antrag I
Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt die Durchführung der
Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit nachfolgenden Veranstaltungen in der
Hildener Innenstadt:
- Autoschau am 19. September 2021
- Bücher- und Trödelmarkt am 31. Oktober 2021
- Weihnachtsmarkt am 28. November 2021
Antrag II
Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt „hilfsweise“ die o.a.
Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen), für den Fall, dass
das zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegende SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen
und/oder bundes- bzw. landesrechtliche Bestimmungen
(Bundesinfektionsschutzgesetz, Coronaschutzverordnung NRW) die Durchführung der
Veranstaltungen nicht ermöglichen oder die jeweiligen VeranstalterInnen die
Veranstaltungen nicht durchführen.
Die Durchführung der Verkaufsöffnungen ob mit oder ohne
Veranstaltungsbezug soll dabei dem Erhalt und der Stärkung der örtlichen
Einzelhandelsstruktur sowie der zentralen Versorgungsbereiche dienen und zur
Belebung der Innenstadt beitragen.
Die Verwaltung hat
gem. § 6 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung der
Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW) nach Eingang des
Antrags unmittelbar die anderen Interessensgruppenvertreter (Gewerkschaft,
Handelsverband, die IHK und die Handwerkskammer sowie die Kirchen) beteiligt
und um Stellungnahme gebeten. Soweit vorliegend sind diese der Sitzungsvorlage
beigefügt und werden bei den folgenden Bewertungen auch herangezogen.
Aufgrund der
Besonderheit der Antragslage nimmt die Verwaltung nachfolgend gesondert zu
Antrag I und Antrag II Stellung.
Bewertung des vorliegenden Antrags I und abschließende
Beschlussempfehlung
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 LÖG
NRW in der aktuellen Fassung ist die Durchführung der Verkaufsöffnungen im
Zusammenhang mit stattfindenden örtlichen Festen,
Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bei Vorliegen eines öffentlichen
Interesses möglich.
Die geplanten Veranstaltungen sind nach den Bestimmungen der
Gewerbeordnung (GewO) wie folgt einzustufen:
- Autoschau als Messe (festsetzende Behörde ist hier der Kreis Mettmann)
nach § 64 GewO
- Bücher- und Trödelmarkt (festsetzende Behörde Stadt Hilden) als Jahrmarkt nach § 68 GewO
- Weihnachtsmarkt wie zuvor Bücher- und Trödelmarkt
Es handelt sich somit um Veranstaltungen im Sinne der Vorschrift. Mit
der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes im Jahr 2018 ist es bei Ladenöffnungen
im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu zwei wesentlichen Vereinfachungen bzw.
Konkretisierungen im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren gekommen:
Der sog. Anlassbezug ist insofern entfallen, als dass die frühere
Prognose und der Vergleich der Besucherströme von Veranstaltungen und
Ladenöffnung nicht mehr erforderlich sind. Vielmehr reicht zur Annahme des
öffentlichen Interesses die räumliche Nähe und zeitliche Übereinstimmung.
Insbesondere bei der räumlichen Nähe ist es beispielsweise entscheidend, dass
eine auf die Innenstadt begrenzte Veranstaltung nicht zu Ladenöffnungen aller
Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet führt, sondern ein räumlicher Bezug
besteht. Nach der Anwendungshilfe des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation,
Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (Stand: Februar
2020) ist die sog. Ausstrahlungswirkung einer Veranstaltung dann regelmäßig
nicht gegeben, wenn sich die geöffneten Verkaufsstellen in einer Entfernung von
800 bis 1.000 m oder mehr zur jeweiligen Veranstaltung befinden. Dies ist
vorliegend im Zusammenhang mit der Größe der beabsichtigten Veranstaltungen
nicht der Fall. Die Veranstaltungen sollen großflächig in der Hildener
Fußgängerzone stattfinden. Daher ist die Begrenzung der Ladenöffnungen auf die
im Bereich der beigefügten Karte befindlichen Verkaufsstellen angemessen.
Während die IHK und der Handelsverband die anlassbezogenen
Verkaufsöffnungen unterstützen, sieht die Gewerkschaft ver.di dies, wie auch in
den Vorjahren, kritisch und fordert eine nachvollziehbare Prognose der
Besucherströme, um zu überprüfen, ob die Ladenöffnungen lediglich als Annex zu
den Veranstaltungen zu werten sind, d.h. die Besucherinnen und Besucher in
erster Linie wegen der zeitgleich stattfindenden Veranstaltungen die Hildener
Innenstadt aufsuchen.
Dies ist aber nach den Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes NRW und
der hierzu erlassenen Anwendungshilfe eben in dieser konkreten Ausprägung nicht
mehr erforderlich, soweit, wie oben dargestellt, der räumliche Bezug und die
damit verbundene Ausstrahlungswirkung gegeben ist.
Aber selbst wenn eine verlässliche
Besucherprognose zur Feststellung des eigentlichen Besucherinteresses noch
erforderlich wäre, würde diese aufgrund der Besucherbefragung der Stadtmarketing
Hilden GmbH aus dem Jahr 2017 für die Zulässigkeit der beantragten
Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit der Durchführung der benannten
Veranstaltungen aus Sicht der Verwaltung sprechen. Nach den Erfahrungen der
letzten Jahre sprechen ist festzustellen, dass die Veranstaltungen in
allererster Linie das eigentliche Besucherinteresse auslösen und die Verkaufsöffnungen
lediglich als Annex zu verstehen sind.
Die Verwaltung kommt daher
abschließend zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der sonntäglichen Ladenöffnungen
im Zusammenhang mit den o.a. Veranstaltungen rechtlich zulässig wären und
empfiehlt daher auch dem Rat der Stadt Hilden dem Antrag der Stadtmarketing
Hilden GmbH zuzustimmen.
Allerdings ist die hierzu zu
erlassene Ordnungsbehördliche Verordnung unter dem Vorbehalt der
Durchführbarkeit der Veranstaltungen zu stellen. Zum Zeitpunkt der Erstellung
dieser Sitzungsvorlage stellte sich ein erfreulicher Rückgang der sog.
7-Tages-Inzidenz im Landkreis Mettmann wie auch in ganz Nordrhein-Westfalen
dar. Mit Erlass der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 26.05.2021 hat das
Land Nordrhein-Westfalen hierauf reagiert und inzidenzabhängige
Öffnungsschritte festgelegt (Inzidenzstufen 1 bis 3). Danach sind erst ab dem
1. September 2021 bei Vorliegen einer stabilen und dabei landesweiten Inzidenz
unter 35 „Stadtfeste“ ohne Besucherbegrenzung möglich, bei Werten oberhalb von
35 je nach Veranstaltungstyp nur mit Personenbegrenzung oder gar nicht.
Eine seriöse Prognose des weiteren
Infektionsgeschehens ab September ist heute nicht möglich. Es ist daher auch
nicht auszuschließen, dass sich die pandemische Lage wieder verschlechtert und
dies zu neuerlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens führen könnte.
Sollte dies eintreten und dadurch
die anlassgebenden Veranstaltungen nicht durchführbar sein bzw. von den
jeweiligen Veranstalterinnen und Veranstaltern aus z.B. wirtschaftlichen
Erwägungen nicht durchgeführt werden, ist auch die sonntägliche Öffnung der
Verkaufsstellen nicht möglich und rechtlich nicht zulässig (siehe hierzu auch
die Ausführungen zu Antrag II).
Bewertung des vorliegenden Antrags II und abschließende
Beschlussempfehlung
Die Antragstellerin hat alternativ den Antrag gestellt, die
sonntäglichen Verkaufsöffnungen auch ohne Anlassbezug durchzuführen und bezieht
sich zur Begründung des öffentlichen Interesses dabei auf den § 6 Abs. 1 LÖG
NRW
Ziffer 2:
…dem Erhalt, der Stärkung oder der
Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandels-angebot,
Ziffer 3:
…dem Erhalt,
der Stärkung oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
und Ziffer 4:
…der Belebung
der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren
und begründet dies wie folgt:
„Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen
Maßnahmen befinden sich, trotz wirtschaftlicher Beihilfen, weite Teile des
stationären Einzelhandels in einer existenziellen wirtschaftlichen Krise, deren
Folgen z. Zt. noch nicht absehbar sind. Neben der Gefahr für die Arbeitsplätze
sind auch städtebauliche Probleme (z.B. durch langfristige Leerstände)
erkennbar. Insofern sehen wir ein öffentliches Interesse an der Durchführung
der von uns beantragten verkaufsoffenen Sonntage.“
Während der Handelsverband in seiner Stellungnahme auf diese besondere
Antragslage gar nicht eingeht, unterstützt die IHK dies in ihrer Stellungnahme
ausdrücklich und kommt dabei zu dem Ergebnis:
„Darüber
hinaus sind die bisher beantragten verkaufsoffenen Sonntage aufgrund der
Rahmen-bedingungen, die die Coronaschutzverordnung vorsieht, entfallen, da
diese im Zusammenhang mit Veranstaltungen beantragt wurden. Eine Bekämpfung der
Auswirkungen der Corona-Pandemie ist laut Runderlass umso mehr geboten, wenn
aufgrund der Pandemie bereits festgesetzte verkaufsoffene Sonntage ausfallen.
Die Neufestsetzung verkaufsoffener Sonntage ist als unmittelbare Maßnahme zur
Bekämpfung der Pandemiefolgen einzuordnen.“
Die Gewerkschaft ver.di bezieht hierzu keine
Stellung, was aber aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahren eben nicht
mit einer stillschweigenden Zustimmung gleichzusetzen ist. Wenn ver.di schon
die Durchführung der Verkaufsöffnungen mit Anlassbezug kritisch hinterfragt,
dann gilt dies erst recht für die Öffnung ohne zeitgleich stattfindende
Veranstaltungen, zumal die rechtlichen „Hürden“ hier deutlich höher gesetzt
sind.
Verantwortlich für die Überprüfung und
Bewertung des vorliegenden Antrags sind nicht die Antragstellerin und auch
nicht die institutionellen Bewertungen, z.B. der IHK oder von ver.di, sondern
ausschließlich die Verwaltung.
Während der Gesetzgeber die Durchführung
verkaufsoffener Sonntage mit Anlassbezug im Jahr 2018 aus nachvollziehbaren
Gründen im Bewertungsverfahren vereinfacht hat, um hierdurch frühere
Rechtsstreitigkeiten mit ver.di im Zusammenhang mit erstellen Besucherprognosen
zu verhindern, sind an die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Sachgründen zu den
Ziffern 2 bis 5 hohe rechtliche Anforderungen und Bedingungen zum Schutze der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geknüpft.
Die ebenfalls in Anlage beigefügte Anwendungshilfe
führt hierzu exemplarisch aus:
► Die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen
angesichts ihrer weiten Fassung einschränkend ausgelegt und angewendet werden,
um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn-
und Feiertagen gerecht zu werden.
► Für die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen besondere
örtliche Problemlagen, wie ein
hoher Leerstand oder Trading-down-Effekte belegbar
vorhanden sein, die eine Sonn-
öffnung auch unter Berücksichtigung der gebotenen Wettbewerbsneutralität
recht-
fertigen können. Außerdem bedarf es eines schlüssig verfolgten gemeindlichen
Gesamtkonzepts, in dessen Rahmen die Sonntagsöffnung als Maßnahme enthalten
ist, die geeignet ist, die von der Gemeinde mit der Sonntagsöffnung verfolgten
Ziele nach den Sachgründen Nrn. 2 – 5 jenseits des Umsatzinteresses zu
verwirklichen. Das kann in einem Einzelhandelskonzept, aber auch auf andere
Weise dokumentiert werden.
► Nachweis besonderer örtlicher Problemlagen
(z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen
oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige
Wettbewerbsbedingungen).
► Maßnahmen zur Erhaltung, Stärkung oder Entwicklung
eines vielfältigen stationären
Einzelhandelsangebotes müssen regelmäßig während der normalen
Geschäftszeiten
(von Montag bis Samstag) erfolgen.
Es wird somit schon anhand dieser
Voraussetzungen deutlich, dass der vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig
ist. Ein schlüssiges Gesamtkonzept liegt nicht vor, die Stadtmarketing Hilden
GmbH führt zu Begründung ihres Antrags keinen Nachweis über hohe
Laden-Leerstände und Trading-Down-Effekte an. Der Grund hierfür ist aus Sicht
der Verwaltung glücklicherweise der, dass entsprechende „Verödungen“ wie in
anderen Innenstädten in Nordrhein-Westfalen in Hilden nicht zu verzeichnen
sind.
Als Begründung für den Antrag reicht es auch
nicht aus, auf die pandemiebedingten Folgen für Wirtschaft und Handel zu
verweisen. Dies trifft alle Branchen in allen Städten NRW’s mehr oder weniger
in gleichem Maße und das OVG Münster hat dies im letzten Jahr aufgrund
eingereichter Klagen durch ver.di als nicht ausreichenden Sachgrund
festgestellt.
Es in diesem Fall auch nicht abschließend
entscheidend, ob ver.di im vorliegenden Fall gegen die Zulassung der
Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug klagen würde (die Verwaltung geht aber davon
aus).
Nach Prüfung durch die Verwaltung kann nach
dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Ergebnis dem Rat der
Stadt Hilden nur die Ablehnung des alternativen Antrags II vorgeschlagen
werden.
gez. Dr. Claus Pommer
Bürgermeister