Betreff
Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH auf sonntägliche Verkaufsöffnungen im Jahr 2021
Vorlage
WP 20-25 SV 32/003
Aktenzeichen
II/32-MS
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Beschlussvorschlag I:

 

Der Rat der Stadt Hilden stimmt dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH und somit der vorgelegten Ordnungsbehördlichen Verordnung über die zusätzliche Öffnung von Verkaufsstellen, die unter Vorbehalt gestellt ist, zu.

 

 

Beschlussvorschlag II:

 

Der Rat der Stadt Hilden lehnt den Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zur Durchführung von verkaufsoffenen Sonntagen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen) ab.       


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH hat mit Schreiben vom 5. Mai 2021 drei sonntägliche Verkaufsöffnungen jeweils in der Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr in der Innenstadt (räumliche Begrenzung) am 19. September, 31. Oktober und 28. November für das Jahr 2021 beantragt. Faktisch handelt es sich hierbei um zwei Anträge:

 

Antrag I

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt die Durchführung der Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit nachfolgenden Veranstaltungen in der Hildener Innenstadt:

 

-      Autoschau am 19. September 2021

-      Bücher- und Trödelmarkt am 31. Oktober 2021

-      Weihnachtsmarkt am 28. November 2021

 

Antrag II

 

Die Stadtmarketing Hilden GmbH beantragt „hilfsweise“ die o.a. Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug (Veranstaltungen), für den Fall, dass das zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegende SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen und/oder bundes- bzw. landesrechtliche Bestimmungen (Bundesinfektionsschutzgesetz, Coronaschutzverordnung NRW) die Durchführung der Veranstaltungen nicht ermöglichen oder die jeweiligen VeranstalterInnen die Veranstaltungen nicht durchführen.

 

Die Durchführung der Verkaufsöffnungen ob mit oder ohne Veranstaltungsbezug soll dabei dem Erhalt und der Stärkung der örtlichen Einzelhandelsstruktur sowie der zentralen Versorgungsbereiche dienen und zur Belebung der Innenstadt beitragen.

 

 

Die Verwaltung hat gem. § 6 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG NRW) nach Eingang des Antrags unmittelbar die anderen Interessensgruppenvertreter (Gewerkschaft, Handelsverband, die IHK und die Handwerkskammer sowie die Kirchen) beteiligt und um Stellungnahme gebeten. Soweit vorliegend sind diese der Sitzungsvorlage beigefügt und werden bei den folgenden Bewertungen auch herangezogen. 

 

Aufgrund der Besonderheit der Antragslage nimmt die Verwaltung nachfolgend gesondert zu Antrag I und Antrag II Stellung. 

       

 

Bewertung des vorliegenden Antrags I und abschließende Beschlussempfehlung

 

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 LÖG NRW in der aktuellen Fassung ist die Durchführung der Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit stattfindenden örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses möglich.

 

Die geplanten Veranstaltungen sind nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung (GewO) wie folgt einzustufen:

 

-      Autoschau als Messe (festsetzende Behörde ist hier der Kreis Mettmann) nach § 64 GewO

-      Bücher- und Trödelmarkt (festsetzende Behörde Stadt Hilden) als Jahrmarkt nach § 68   GewO

-      Weihnachtsmarkt wie zuvor Bücher- und Trödelmarkt

 

Es handelt sich somit um Veranstaltungen im Sinne der Vorschrift. Mit der Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes im Jahr 2018 ist es bei Ladenöffnungen im Zusammenhang mit Veranstaltungen zu zwei wesentlichen Vereinfachungen bzw. Konkretisierungen im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren gekommen:  

 

Der sog. Anlassbezug ist insofern entfallen, als dass die frühere Prognose und der Vergleich der Besucherströme von Veranstaltungen und Ladenöffnung nicht mehr erforderlich sind. Vielmehr reicht zur Annahme des öffentlichen Interesses die räumliche Nähe und zeitliche Übereinstimmung. Insbesondere bei der räumlichen Nähe ist es beispielsweise entscheidend, dass eine auf die Innenstadt begrenzte Veranstaltung nicht zu Ladenöffnungen aller Verkaufsstellen im gesamten Stadtgebiet führt, sondern ein räumlicher Bezug besteht. Nach der Anwendungshilfe des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (Stand: Februar 2020) ist die sog. Ausstrahlungswirkung einer Veranstaltung dann regelmäßig nicht gegeben, wenn sich die geöffneten Verkaufsstellen in einer Entfernung von 800 bis 1.000 m oder mehr zur jeweiligen Veranstaltung befinden. Dies ist vorliegend im Zusammenhang mit der Größe der beabsichtigten Veranstaltungen nicht der Fall. Die Veranstaltungen sollen großflächig in der Hildener Fußgängerzone stattfinden. Daher ist die Begrenzung der Ladenöffnungen auf die im Bereich der beigefügten Karte befindlichen Verkaufsstellen angemessen.

 

Während die IHK und der Handelsverband die anlassbezogenen Verkaufsöffnungen unterstützen, sieht die Gewerkschaft ver.di dies, wie auch in den Vorjahren, kritisch und fordert eine nachvollziehbare Prognose der Besucherströme, um zu überprüfen, ob die Ladenöffnungen lediglich als Annex zu den Veranstaltungen zu werten sind, d.h. die Besucherinnen und Besucher in erster Linie wegen der zeitgleich stattfindenden Veranstaltungen die Hildener Innenstadt aufsuchen.

Dies ist aber nach den Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes NRW und der hierzu erlassenen Anwendungshilfe eben in dieser konkreten Ausprägung nicht mehr erforderlich, soweit, wie oben dargestellt, der räumliche Bezug und die damit verbundene Ausstrahlungswirkung gegeben ist.

 

Aber selbst wenn eine verlässliche Besucherprognose zur Feststellung des eigentlichen Besucherinteresses noch erforderlich wäre, würde diese aufgrund der Besucherbefragung der Stadtmarketing Hilden GmbH aus dem Jahr 2017 für die Zulässigkeit der beantragten Verkaufsöffnungen im Zusammenhang mit der Durchführung der benannten Veranstaltungen aus Sicht der Verwaltung sprechen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sprechen ist festzustellen, dass die Veranstaltungen in allererster Linie das eigentliche Besucherinteresse auslösen und die Verkaufsöffnungen lediglich als Annex zu verstehen sind.

 

Die Verwaltung kommt daher abschließend zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der sonntäglichen Ladenöffnungen im Zusammenhang mit den o.a. Veranstaltungen rechtlich zulässig wären und empfiehlt daher auch dem Rat der Stadt Hilden dem Antrag der Stadtmarketing Hilden GmbH zuzustimmen.

 

Allerdings ist die hierzu zu erlassene Ordnungsbehördliche Verordnung unter dem Vorbehalt der Durchführbarkeit der Veranstaltungen zu stellen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Sitzungsvorlage stellte sich ein erfreulicher Rückgang der sog. 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Mettmann wie auch in ganz Nordrhein-Westfalen dar. Mit Erlass der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 26.05.2021 hat das Land Nordrhein-Westfalen hierauf reagiert und inzidenzabhängige Öffnungsschritte festgelegt (Inzidenzstufen 1 bis 3). Danach sind erst ab dem 1. September 2021 bei Vorliegen einer stabilen und dabei landesweiten Inzidenz unter 35 „Stadtfeste“ ohne Besucherbegrenzung möglich, bei Werten oberhalb von 35 je nach Veranstaltungstyp nur mit Personenbegrenzung oder gar nicht.

Eine seriöse Prognose des weiteren Infektionsgeschehens ab September ist heute nicht möglich. Es ist daher auch nicht auszuschließen, dass sich die pandemische Lage wieder verschlechtert und dies zu neuerlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens führen könnte.

 

Sollte dies eintreten und dadurch die anlassgebenden Veranstaltungen nicht durchführbar sein bzw. von den jeweiligen Veranstalterinnen und Veranstaltern aus z.B. wirtschaftlichen Erwägungen nicht durchgeführt werden, ist auch die sonntägliche Öffnung der Verkaufsstellen nicht möglich und rechtlich nicht zulässig (siehe hierzu auch die Ausführungen zu Antrag II).       

 

 

Bewertung des vorliegenden Antrags II und abschließende Beschlussempfehlung

 

Die Antragstellerin hat alternativ den Antrag gestellt, die sonntäglichen Verkaufsöffnungen auch ohne Anlassbezug durchzuführen und bezieht sich zur Begründung des öffentlichen Interesses dabei auf den § 6 Abs. 1 LÖG NRW

 

Ziffer 2:

 

dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandels-angebot,

 

Ziffer 3:

 

…dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,

 

und Ziffer 4:

 

…der Belebung der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren   

 

und begründet dies wie folgt:

 

„Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen befinden sich, trotz wirtschaftlicher Beihilfen, weite Teile des stationären Einzelhandels in einer existenziellen wirtschaftlichen Krise, deren Folgen z. Zt. noch nicht absehbar sind. Neben der Gefahr für die Arbeitsplätze sind auch städtebauliche Probleme (z.B. durch langfristige Leerstände) erkennbar. Insofern sehen wir ein öffentliches Interesse an der Durchführung der von uns beantragten verkaufsoffenen Sonntage.“

 

Während der Handelsverband in seiner Stellungnahme auf diese besondere Antragslage gar nicht eingeht, unterstützt die IHK dies in ihrer Stellungnahme ausdrücklich und kommt dabei zu dem Ergebnis:

 

„Darüber hinaus sind die bisher beantragten verkaufsoffenen Sonntage aufgrund der Rahmen-bedingungen, die die Coronaschutzverordnung vorsieht, entfallen, da diese im Zusammenhang mit Veranstaltungen beantragt wurden. Eine Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist laut Runderlass umso mehr geboten, wenn aufgrund der Pandemie bereits festgesetzte verkaufsoffene Sonntage ausfallen. Die Neufestsetzung verkaufsoffener Sonntage ist als unmittelbare Maßnahme zur Bekämpfung der Pandemiefolgen einzuordnen.“

 

Die Gewerkschaft ver.di bezieht hierzu keine Stellung, was aber aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahren eben nicht mit einer stillschweigenden Zustimmung gleichzusetzen ist. Wenn ver.di schon die Durchführung der Verkaufsöffnungen mit Anlassbezug kritisch hinterfragt, dann gilt dies erst recht für die Öffnung ohne zeitgleich stattfindende Veranstaltungen, zumal die rechtlichen „Hürden“ hier deutlich höher gesetzt sind.

 

Verantwortlich für die Überprüfung und Bewertung des vorliegenden Antrags sind nicht die Antragstellerin und auch nicht die institutionellen Bewertungen, z.B. der IHK oder von ver.di, sondern ausschließlich die Verwaltung.

Während der Gesetzgeber die Durchführung verkaufsoffener Sonntage mit Anlassbezug im Jahr 2018 aus nachvollziehbaren Gründen im Bewertungsverfahren vereinfacht hat, um hierdurch frühere Rechtsstreitigkeiten mit ver.di im Zusammenhang mit erstellen Besucherprognosen zu verhindern, sind an die in § 6 Abs. 1 aufgeführten Sachgründen zu den Ziffern 2 bis 5 hohe rechtliche Anforderungen und Bedingungen zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geknüpft.

 

Die ebenfalls in Anlage beigefügte Anwendungshilfe führt hierzu exemplarisch aus:

 

        Die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen angesichts ihrer weiten Fassung einschränkend ausgelegt und angewendet werden, um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen gerecht zu werden.

        Für die Sachgründe der Nrn. 2 – 5 müssen besondere örtliche Problemlagen, wie ein

hoher Leerstand oder Trading-down-Effekte belegbar vorhanden sein, die eine Sonn-

öffnung auch unter Berücksichtigung der gebotenen Wettbewerbsneutralität recht-

fertigen können. Außerdem bedarf es eines schlüssig verfolgten gemeindlichen Gesamtkonzepts, in dessen Rahmen die Sonntagsöffnung als Maßnahme enthalten ist, die geeignet ist, die von der Gemeinde mit der Sonntagsöffnung verfolgten Ziele nach den Sachgründen Nrn. 2 – 5 jenseits des Umsatzinteresses zu verwirklichen. Das kann in einem Einzelhandelskonzept, aber auch auf andere Weise dokumentiert werden. 

        Nachweis besonderer örtlicher Problemlagen (z. B. regional begrenzte Fehlentwicklungen

oder standortbedingte außergewöhnlich ungünstige Wettbewerbsbedingungen).

        Maßnahmen zur Erhaltung, Stärkung oder Entwicklung eines vielfältigen stationären

Einzelhandelsangebotes müssen regelmäßig während der normalen Geschäftszeiten

(von Montag bis Samstag) erfolgen.

 

Es wird somit schon anhand dieser Voraussetzungen deutlich, dass der vorliegende Antrag nicht zustimmungsfähig ist. Ein schlüssiges Gesamtkonzept liegt nicht vor, die Stadtmarketing Hilden GmbH führt zu Begründung ihres Antrags keinen Nachweis über hohe Laden-Leerstände und Trading-Down-Effekte an. Der Grund hierfür ist aus Sicht der Verwaltung glücklicherweise der, dass entsprechende „Verödungen“ wie in anderen Innenstädten in Nordrhein-Westfalen in Hilden nicht zu verzeichnen sind.

 

Als Begründung für den Antrag reicht es auch nicht aus, auf die pandemiebedingten Folgen für Wirtschaft und Handel zu verweisen. Dies trifft alle Branchen in allen Städten NRW’s mehr oder weniger in gleichem Maße und das OVG Münster hat dies im letzten Jahr aufgrund eingereichter Klagen durch ver.di als nicht ausreichenden Sachgrund festgestellt.

 

Es in diesem Fall auch nicht abschließend entscheidend, ob ver.di im vorliegenden Fall gegen die Zulassung der Verkaufsöffnungen ohne Anlassbezug klagen würde (die Verwaltung geht aber davon aus).

 

Nach Prüfung durch die Verwaltung kann nach dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns im Ergebnis dem Rat der Stadt Hilden nur die Ablehnung des alternativen Antrags II vorgeschlagen werden.

 

 

gez. Dr. Claus Pommer

Bürgermeister