Beschlussvorschlag:
„Der Rat der Stadt Hilden beschließt nach Vorberatungen im Haupt- und Finanzausschuss auf Grund der neuen Rechtslage es bei der bisherigen Organisationsstruktur der Stadtentwässerung zu belassen. Die Verwaltung wird beauftragt die steuerrechtlichen Angelegenheiten weiter zu beobachten und den Rat zu informieren, wenn sich Rahmenbedingungen ändern.“
Erläuterungen und Begründungen:
Nach sehr kontroversen Diskussionen in den vergangenen Jahren zu diesem Themenbereich und nach der Erstellung etlicher Sitzungsvorlagen wurde letztendlich im März entschieden, dass dieses Thema erneut nach den Sommerferien auf die Tagesordnung des Haupt- und Finanzausschusses bzw. des Rates gesetzt werden sollte.
Dieser Verpflichtung kommt die Verwaltung hiermit nach.
Als seinerzeit das Thema diskutiert wurde, war die Angst groß, dass das Mehrwertsteuerprivileg auf Ebene der EU fallen würde und es somit zu einer deutlichen Verteuerung der Abwassergebühren kommen würde.
Weil die Stadt Hilden gezahlte Mehrwertsteuer nicht vom Finanzamt wieder bekommt und im Gegenzuge natürlich auch keine Umsatzsteuer weiterleitet, hätte es dazu geführt, dass insbesondere auf die Abschreibungsbeträge, die Brutto (incl. Mehrwertsteuer) im System gebucht sind zusätzlich nochmals Mehrwertsteuer erhoben worden wäre. So gesehen wäre auf die Mehrwertsteuer nochmals die Mehrwertsteuer berechnet worden.
Aus diesem Grunde hat es umfangreiche Untersuchungen gegeben, die auch im Haupt- und Finanzausschuss und im Rat vorgestellt wurden.
Betont werden muss an dieser Stelle, dass es zu keiner Zeit Absicht der Verwaltung war, das Kanalnetz an einen strategischen Partner zu veräußern, sondern es sollte im Eigentum der Stadt Hilden verbleiben. Das städtische Kanalnetz sollte aus dem städtischen Haushalt separiert und in eine Anstalt öffentlichen Rechtes überführt werden (100 % im Besitz der Stadt Hilden).
Die Neuinvestitionen und die Kanalunterhaltung sollten dann mit einem Strategischen Partner (Beteiligungsquote max. 49,9 %) in einer „Abwasser GmbH“ betrieben werden.
In der Zwischenzeit konnte aus einer Mitteilung des Städte- und Gemeindebundes vom 16.3.2009 folgendes entnommen werden:
„Steuerliche Behandlung der Abwasserbeseitigung
Die EU-Kommission geht davon aus, dass es im Bereich der Abwasserbeseitigung
in Deutschland keine Wettbewerbsverzerrung gebe; vielmehr gebe es angesichts
der rechtlichen Ausgestaltung in Deutschland „keinerlei Wettbewerb zwischen
identischen Leistungen seitens öffentlicher Einrichtungen und seitens anderer
privater Einrichtungen“. Dies hat der für Steuern und Zollpolitik zuständige
EU-Kommissar László Kovácz in einem Schreiben an den Europaabgeordneten
Karl-Heinz Florenz mitgeteilt. Damit dürfte die Beschwerde des BDE
zurückgewiesen werden.
In einer Parlamentarischen Anfrage hatte sich der
EVP-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz nach dem Stand der Bearbeitung der vom BDE
eingereichten Beschwerden zur steuerlichen Gleichstellung erkundigt. Die
Anfrage hat folgenden Wortlaut:
„Ausgangspunkt der Anfrage ist das EuGH-Urteil vom
16.09.2008 (Rechtssache C-288/07) betreffend eine Vorabentscheidung zur
Mehrwertsteuerpflicht von Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die
Bewirtschaftung von abgeschlossenen Parkeinrichtungen für Autos. In dieser
Rechtssache stellte der Gerichtshof fest, dass zwei Voraussetzungen erfüllt
sein müssen, damit ein öffentlich-rechtliches Unternehmen steuerfrei gestellt
werden kann. Zum einen muss es sich um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts
handeln, zum anderen muss diese Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt
ausgeübt werden. Selbst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen darf das
öffentlich-rechtliche Unternehmen nicht steuerfrei gestellt werden, wenn dies
zu größeren (potenziellen) Wettbewerbsverzerrungen führt (führen kann).
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft hat
bei der Europäischen Kommission am 13. Juli 2006 eine Beschwerde wegen der
steuerlichen Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlich
organisierten Unternehmen im Abwasserbereich sowie am 6. Juni 2007 eine
entsprechende Beschwerde über die Ungleichbehandlung im Entsorgungsbereich
eingelegt. In Bezug auf diese Beschwerden kann die oben genannte
EuGH-Entscheidung richtungweisend sein
Vor diesem Hintergrund werden folgende Fragen an die
Europäische Kommission gestellt:
·
Welche
Schlussfolgerungen zieht die Kommission aus dem Urteil in Bezug auf die vom BDE
eingereichten Beschwerden zur steuerlichen Gleichstellung? Kann das Urteil auf
andere Fälle, in denen die steuerliche Gleichstellung strittig ist, übertragen
werden?
·
Welche Auswirkungen
ergeben sich für die Kommission aus dem Urteil in Bezug auf die vom BDE
eingereichten Beschwerden?
·
Wie bewertet die
Kommission die Vorgabe des EuGH, dass das Kriterium „größere
Wettbewerbsverzerrungen" nicht eng ausgelegt werden dürfe?
·
Wie ist der
aktuelle Bearbeitungsstand der vom BDE bereits vor zwei Jahren eingereichten
Beschwerden? Wann rechnet die Kommission mit Fortschritten, wann wird eine
Entscheidung gefällt werden?“
Antwort von Herrn Kommissar László Kovácz namens der
Kommission:
„Angesichts der verfügbaren Informationen zur rechtlichen
Lage in Deutschland ist die Kommission der Auffassung, dass die
Schlussfolgerungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-288/07
nicht auf die vom BDE eingereichten Beschwerden anzuwenden sind.
Es ist richtig, dass die in der Vorabentscheidung in der
Rechtssache C-288/07 aufgeworfenen Fragen die Auslegung von Artikel 4 Absatz 5
Unterabsatz 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie betreffen. In der genannten
Rechtssache geht es um die Bewirtschaftung abgeschlossener Parkeinrichtungen
für Autos durch lokale Behörden. Auch der Privatsektor stellt in jedem der
Gebiete solche Leistungen zur Verfügung. Nach dem Urteil des Gerichtshofes sind
für die Beurteilung der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen die Art der
Tätigkeit und nicht die lokalen Wettbewerbsbedingungen heranzuziehen.
Zu berücksichtigen ist, dass die mehrwertsteuerliche
Behandlung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen wiederholt Gegenstand von
Streitfällen war. In diesem Kontext ist auf das Urteil des Gerichtshofes vom
13. Dezember 2007 in der Rechtssache C-408/06 Götz hinzuweisen.
Zur Frage, ob die Behandlung einer öffentlichen Einrichtung zu
Mehrwertsteuerzwecken als nicht steuerbar zu wesentlichen
Wettbewerbsverzerrungen führt, ist zu bemerken, dass es - sofern die
öffentliche Einrichtung die betreffende Tätigkeit in einem Land allein ausübt -
keinerlei Wettbewerb zwischen identischen Leistungen seitens öffentlicher Einrichtungen
und seitens anderer privater Einrichtungen gibt. Dies ist in Deutschland bei
Leistungen im Bereich der Abwasserentsorgung offenbar der Fall.
Der Beschwerdeführer wird über die Ergebnisse der Analyse
seiner Beschwerde im Zusammenhang mit den Leistungen im Bereich der
Abwasserentsorgung in Kürze unterrichtet werden. Die komplexe Frage der
Abfallentsorgung wird zurzeit noch geprüft. Die Kommission wird die Ergebnisse
dieser Prüfung bei der Weiterbehandlung dieses Falls zugrunde legen.
Die Haltung der EU-Kommission zur steuerlichen Behandlung
der Abwasserbeseitigung deckt sich mit der Position der Hauptgeschäftsstelle
und entspricht der Argumentation, die seitens des DStGB in Gesprächen mit dem
BMF und der zuständigen Generaldirektion durchgängig vertreten wurde.“
Damit ist festgelegt, dass aus
heutiger Sicht in der Zukunft keine Mehrwertsteuer auf die öffentliche
Abwasserentsorgung erhoben werden wird.
gez. Günter Scheib