Betreff
Investitionsmanagement
Vorlage
WP 20-25 SV 20/021
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen nimmt den Bericht zur Kenntnis und beauftragt die Verwaltung, ein mittelfristiges Investitionsprogramm aufzulegen und alle wesentlichen Investitions- und Unterhaltungsmaßnahmen in digitalen Projektblättern aufzubereiten und fortzuschreiben. Diese Maßnahmen sind laufend zu überwachen und fortzuschreiben. Über die Entwicklung ist halbjahresweise zu berichten. Möglichst zum Stand 30.06.2021 ist anhand von einzelnen Beispielprojekten diese Berichterstattung zu testen. Der Stellenbedarf für die Erstellung und Pflege der zusätzlichen Investitionsberichte soll ermittelt und entsprechend der weiteren Entwicklungen fortgeschrieben werden. Entsprechende Stellen(anteile) sind im Stellenplan vorzuschlagen.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Der Investitionsprozess in Kommunen unterscheidet sich nicht grundsätzlich von dem privatrechtlicher Unternehmen. Allerdings sieht das kommunale Haushaltsrecht für die Planungsphase einige Spezialvorschriften vor, die bei kommunalen Anschaffungs- und Herstellungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind. Zudem bergen viele kommunale Vermögensgegenstände Besonderheiten in der Planungs-, Beauftragungs-, Umsetzungs- und Unterhaltungsphase (insbesondere bei Baumaßnahmen). Hier seien die Straßenunterhaltung und Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge exemplarisch genannt.

 

Die Stadt Hilden weist seit Jahren eine gegenüber den Haushaltsansätzen niedrige Ausschöpfungsquote aus, die bei den Anschaffungs- und Herstellungskosten bei rund 50 % der fortgeschriebenen Auszahlungsermächtigungen für Investitionen liegt. In den letzten fünf Jahren hat ein ungeplanter Vermögensverzehr stattgefunden, da die Abschreibungen auf die Vermögensgegenstände höher waren als der Umfang der Neuinvestitionen. Zudem konnten auch geplante Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nicht wie zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung geplant ausgeführt werden. Daraus wiederum resultieren Abwertungsrisiken sowie bei weiterer Verzögerung der Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen im schlimmsten Fall auch Nutzungseinschränkungen. Das Abwertungsrisiko ist zudem bereits latent gegeben, da eine Folgebewertung seit dem Eröffnungsbilanzstichtag (31.12.2007) nicht durchgeführt wurde.

Die „Bugwelle“ der nachzuholenden Investitions- und Instandhaltungsmaßnahmen aus Vorjahren zum 31.12.2020 beträgt überschlägig 25 Mio. € und konzentriert sich auf Baumaßnahmen. Das geplante Investitionsvolumen 2020 betrug 33,4 Mio. €, das Unterhaltungsbudget 2020 betrug darüber hinaus rund 10 Mio. €. Mögliche Bewertungslasten aus dem Zeitraum 2007 - 2019 sind darin noch nicht enthalten. Genauere Informationen werden mit dem Entwurf des Jahresabschlusses zum 31.12.2020 vorgelegt.

 

Ursachen für die niedrige Ausschöpfungsquote sind vor allem:

 

·        Fehlende Personalkapazitäten

·        Lange Vakanzen bei freien Stellen (u.a. aufgrund von Marktknappheit im Bereich Architekten und Ingenieure)

·        Eintritt ungeplanter Ereignisse / Entwicklungen

·        Konzentration auf Finanzmittelbereitstellung im Haushalt

·        Zeit- und Personalressourcenplanung wird im Wesentlichen bei der Aufstellung des Haushalts erstellt, aber in der Regel nicht dokumentiert und unterjährige Verschiebungen werden nicht dynamisch zu den ungeplanten Ereignissen transparent gemacht

·        Fehlende / suboptimale Zuständigkeiten zwischen Verwaltung und Rat im Investitionssteuerungsprozess

·        Vorläufige Haushaltsführung

·        Haushaltsrechtliche Veranschlagungslogik

·        Komplexität/Trägheit Vergabeverfahren

·        Suboptimaler Vergabeprozess (keine Vergabesoftware im Einsatz, Vergabegrenzen)

 

 

 

Der Investitionsprozess gliedert sich in folgende Phasen:

 

 

Mit dem Ziel der Erhöhung der Planungssicherheit und einer gesteuerten, verlässlichen Anlagenvermögensentwicklung (Asset Management) sollte der Investitionsprozess optimiert werden. Eine Systematisierung und Prozessüberwachung ist auch zur Begegnung zukünftiger Risiken aus möglichen Finanzierungsmittelengpässen und daraus abzuleitenden Priorisierungen (z.B. bei genehmigungspflichtigen Haushalten) und damit verbundener Verzögerung bei Maßnahmenbeauftragung angezeigt (s. mittelfristige Finanzplanung).

Ein weiterer Anlass besteht zur Verbesserung der Planungssicherheit der Ausschüsse und der Öffentlichkeit einschließlich der Erwartungshaltung an den Realisierungszeitpunkt von Investitionsmaßnahmen. Für die Beauftragungsphase - bei wesentlichen Investitions- und Instandhaltungsmaßnahmen meist über ein öffentliches Vergabeverfahren - müssen zunächst Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Dies setzt bei neuen Maßnahmen eine Veröffentlichung der Haushaltssatzung voraus, die frühestens 4 Wochen nach Haushaltsbeschluss erfolgen kann. Erfolgt der Haushaltsbeschluss erst im Januar, kann frühestens im Februar mit der Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen (z.B. Leistungsverzeichnis) und anschließender Veröffentlichung von Aufträgen begonnen werden. Je nach Verlauf der Vergabe und der sich an die Beauftragung anschließende Vorbereitungsphase (Rüstzeiten, Abstimmungen, Baustelleneinrichtung) vergeben bis zur Umsetzung im engeren Sinne (Spatenstich) mehrere Monate. Daraus ergibt sich wiederum je nach vorhandenen Projektsteuerungskapazitäten, dass gar nicht alle geplanten Maßnahmen im Veranschlagungsjahr in eine Umsetzungsphase überführt werden können. Gelingt es, die Projektpläne unter Berücksichtigung der Verfahrenshemmnisse und von benötigten Projektsteuerungskapazitäten laufend - untereinander vernetzt - darzustellen, kann aus der gewonnen Transparenz zwischen Veranschlagung im Haushalt (Mittelbereitstellung) und tatsächlichem Liquiditätsabfluss auch die Erwartungshaltung des Rates und ggfs. der Öffentlichkeit besser gesteuert werden.

 

 

In den einzelnen Phasen werden grob folgende Aufgaben (Sollzustand) aufgerufen:

 

1.)  Planung

 

Bedarfsplanung (bei Baumaßnahmen HOAI-Leistungsphase 0);

z.B. Ableitung aus Schulentwicklungsplan, Bedarfsplanung für soziale und kulturelle Einrichtungen, Straßenkataster, Generalentwässerungsplan / Abwasserbeseitigungskonzept, Ersatzbeschaffung nach Ablauf Nutzungsdauer, Strategie, Ersatzbeschaffung nach technischer Nutzung oder wirtschaftlicher Nachteilhaftigkeit der Weiternutzung, Umbaubedarfe aufgrund Nutzungsänderungen etc.

 

Grundlagenermittlung und Vorplanung (bei Baumaßnahmen: Leistungsphase 1 bis 2 HOAI);

Standortprüfungen, Machbarkeitsstudien, Marktanalysen, Grobplanungen (Geld / Zeit / Ressourcen), Klimaschutz, Nutzungskonzepte, städtebauliche Anforderungen, Ausstattungsmerkmale, Wirtschaftlichkeitsanalysen, Bauzeitenplan.

 

Veranschlagung (bei Baumaßnahmen Entwurfs- und Genehmigungsplanung mit Kostenberechnung (Leistungsphase 3 und 4 HOAI));

Für die Veranschlagung im Haushalt muss bei Erwerbsvorgängen - meist für bewegliche Anlagengüter wie Fahrzeuge, Maschinen, IT- und Kommunikationsanlagen mindestens ein Wirtschaftlichkeitsvergleich unter Einbeziehung der Folgekosten und der Bevölkerungs-entwicklung vorliegen. Baumaßnahmen dürfen erst in den Haushalt aufgenommen werden, wenn Baupläne, Kostenberechnungen und Erläuterungen vorliegen, aus denen die Art der Ausführung, die Gesamtkosten der Maßnahme, getrennt nach Grunderwerb und Herstellungskosten, einschließlich der Einrichtungskosten sowie der Folgekosten ersichtlich sind und denen ein Bauzeitenplan beigefügt ist. Die Unterlagen müssen auch die voraussichtlichen Jahresauszahlungen unter Angabe der Kostenbeteiligung Dritter, und die für die Dauer der Nutzung entstehenden jährlichen Haushaltsbelastungen ausweisen. Die Abgrenzung zwischen Unterhaltungsaufwand und Investition unter Berücksichtigung der lokalen Bewertungsmethoden zum Komponentenansatz ist vorzunehmen und zu dokumentieren.

 

 

 

2.)  Vergabe ( Bei Baumaßnahmen Leistungsphasen 5-7 HOAI)

 

·         Erstellung Leistungsverzeichnis

·         Veröffentlichung Ausschreibung

·         Bewertung Angebote

·         Ggf. zusätzliche Mittelbereitstellung

·         Auftragsvergabe mit Festlegung Auftragsbedingungen und Fristen

 

 

3.)  Umsetzungsphase

 

·         Abstimmungen Auftragnehmer / Auftraggeber

·         Produktion / Beschaffungen aus Seiten des Auftragnehmers

·         Baustelleneinrichtung bei Baumaßnahmen

·         Baubeginn, Bauüberwachung und Dokumentation (Leistungsphase 8 HOAI)

·         Maßnahmencontrolling / Nachtragsmanagement

·         Abrechnung und Bewertung von Teilleistungen

 

 

4.)  Inbetriebnahme

 

·         Abnahme bei Werkverträgen / Übernahme von Kaufgegenständen

·         Schlussrechnungskontrolle

·         Gewährleistungsmanagement

·         Inbetriebnahme / Aktivierung (Beginn der Abschreibungen)

 

 

5.)  Nutzung / Unterhaltung

 

·         Kleine Bauunterhaltung (Schönheitsreparaturen)

·         Wahrnehmung Betreiberverantwortung (Prüfung, Wartung)

·         Große Bauunterhaltung (Instandhaltung) einschließlich Instandhaltungsmanagement (Dach, Fassade, Heizung); Ausweis der wesentlichen Unterhaltungsmaßnahmen im Haushaltsplan

·         Erneuerung, um die Objekte auf den neuesten baurechtlichen, technischen und nutzungsorientierten Stand zu bringen / zu halten

·         Abgrenzung zu Investitionen (nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten, Erweiterung von Komponenten, Erweiterung und wesentliche Verbesserungen des vollständigen Vermögensgegenstandes)

·         Bereitstellung von Unterhaltungsmitteln nach geeigneten Richtwerten

·         Begehungen / Funktionskontrolle

·         Folgebewertungen

 

 

6.)  Niederlegung

 

·         Feststellung des Ersatzbeschaffungsbedarfes nach Kriterien je Anlagenklasse (danach weiter bei Phase 1).

·         Desinvestition bei nicht mehr benötigten Vermögensgegenständen (Verkauf, Verschrottung, Abriss)

 

 

 

Als erster Schritt zur Umsteuerung des Investitionsmanagements und Erhöhung der Transparenz sollte die Maßnahmenplanung unter Einbeziehung der Verfahrenshemmnisse und Personalkapazitäten über einheitliche Maßnahmenblätter erfolgen. In diesen Maßnahmen- und Projektblättern sollte je nach Investitionsphase der Zeit-, Geldmittel- und Personal-Ressourcenplan dargestellt und mit den tatsächlichen Entwicklungen abgeglichen werden. Der Plan sollte je Maßnahme aus den tatsächlichen Entwicklungen fortgeschrieben werden. Hierzu ist ein Vorschlag zu entwickeln und zur Beratung zu stellen, -die den Aufwand der Erstellung und Pflege in ein angemessenes Verhältnis zum Steuerungsnutzen stellt. Über einen Bericht zu den Maßnahmen sollte Transparenz über erhebliche Kostenabweichungen, Zeitverzögerungen und Nachsteuerungsoptionen hergestellt werden. Aus dem Maßnahmencontrolling sollte auch der Haushaltsplan fortgeschrieben werden. Um eine Überzeichnung der Investitionsvolumina zu vermeiden, sollte mit Blick auf Regelungen zur flexiblen Haushaltsführung gemäß Haushaltssatzung bis zum Abbau der „Bugwelle“ deutlich weniger veranschlagt werden.

 

Es sollten alle wesentlichen Investitionsmaßnahmen und Unterhaltungsmaßnahmen (Große Bauunterhaltung und Instandhaltung) berücksichtigt werden, die den örtlich festgelegten Wesentlichkeitsmaßstäben entsprechen.

 

Diese sind aktuell wie folgt festgelegt (s. Vorbericht zum Haushaltsplan):

 

Einzelveranschlagung (über alle Jahre) von Investitionsmaßnahmen im Haushaltsplan ab:

 

·        Erwerb von Grundstücken                                         200.000 €

 

·        Baumaßnahmen / Herstellungsprojekte                    200.000 €

 

·        Erwerb von beweglichem Anlagevermögen               50.000 €      

 

·        Erwerb von Finanzanlagen                                       200.000 €

 

·        Sonstige Investitionsauszahlungen                            50.000 €                  

 

·        Unterhaltungsmaßnahmen                                          100.000 €.

 

Eine Maßnahme zur Reduzierung des Berichtsaufwands wäre, diese Wertgrenzen anzupassen.

 

Abgeleitet aus dem Haushaltsplan 2020 (einschließlich Instandhaltungsrücklage) beträgt bei Beibehaltung der Einzelveranschlagungsgrenzen die Anzahl der so aufzubereitenden Maßnahmen rd. 110. Der Verwaltungsaufwand für das optimierte Investitionsmanagement liegt bezüglich der Erfassung und Pflege (inkl. Abstimmung) der Maßnahmenblätter überschlägig bei 0,5 vollzeitverrechneten Planstellen und steht in Abhängigkeit zu den Wertgrenzen.

 

Je nach Festlegung der Wertgrenzen sollte die Verwaltung beauftragt werden, eine Stellenbemessung für das Investitionsmanagement durchzuführen und gemäß der weiteren Entwicklung fortzuschreiben. Entsprechende Stellenbedarfe sollten in den Stellenplanungen berücksichtigt werden.

 

 

 

 

 

 

Folgende weitere Entwicklungsschritte zur Optimierung des Investitionsmanagements sind abgeleitet aus dem skizzierten Sollzustand sinnvoll / notwendig:

 

·        Abstimmung von Kriterien zu Bedarfsplanung (Vervollständigung)

·        Überarbeitung der Wirtschaftlichkeitsberechnungen

·        Beschluss von genehmigungsfähigen Haushaltsplänen im November des Vorjahres

·        Kontinuierliche Fortschreibung der Wertgrenze für öffentliche Vergaben

·        Einführung einer Vergabesoftware

·        Einführung Nachtragsmanagement

·        Folgebewertung des Anlagevermögens (rechtlich vorgeschrieben)

·        Fortschreibung Richtwerte Unterhaltung / Ableitung von Haushaltsmitteln

·        Aufbau eines strategischen Instandhaltungsmanagements

·        Festlegung von Bewertungskriterien Komponentenansatz

·        Festlegung von Kriterien für die Niederlegung von Vermögensgegenständen

·        Festlegung der Zuständigkeiten der Ausschüsse für die verschiedenen Phasen des Investitionsprozesses (Zuständigkeitsordnung).

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer