Betreff
Antrag gemäß § 24 GO:
Kurzfristige Einrichtung von Fahrradstraßen und Tempo 30-Zonen während der Coronakrise
Vorlage
WP 14-20 SV 61/282/1
Aktenzeichen
IV/61.1 Groll_Fahrrad
Art
Anregung/Beschwerde nach § 24 GO NRW
Referenzvorlage

Begründung:

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

 

in dicht besiedelten Städten müssen viele Bürger angesichts des eingeschränkten Bus- und Bahnverkehrs mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Der stark zurückgegangene Autoverkehr ermöglicht die provisorische Umwidmung von Auto-Fahrspuren in Radwege. Die kolumbische Hauptstadt Bogotá hat innerhalb weniger Tage 117 Kilometer Fahrrad-Straßen eingerichtet. Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat innerhalb von nur zwei Wochen mehrere Maßnahmen wie die Umwandlung von bisher 7 Kilometer Autospuren in gesonderte Radwege oder die Verbreiterung von Kreuzungen umgesetzt.

 

Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, dass Fahrradfahrer*innen und Fußgänger*innen sich sicher durch unsere Städte bewegen können. Das trägt zur Verbesserung der Luftqualität bei, erlaubt Bewegung in frischer Luft mit sicherem Abstand voneinander und verhindert unnötige Unfälle. Und weniger Verkehrsunfälle entlasten gerade jetzt entscheidend unsere Krankenhäuser!

 

 

Damit auch ungeübte Radfahrende sicher und mit dem notwendigen Sicherheitsabstand unterwegs sein können, muss der neu gewonnene Platz nun schnell für Radinfrastruktur umgewidmet werden. Dabei empfehlen wir sich an den Beispielen aus Bogotá und Berlin zu orientieren, die zeigen, dass es möglich ist, innerhalb weniger Tage Fahrspuren für Autos in Radwege umzuwandeln, durch simple Markierungen auf der Straße. Radfahrstreifen können Städte und Kommunen nach StVO schnell und unkompliziert, ohne Nachweis besonderer Voraussetzungen, anordnen. Eine bauliche Trennung kann auch provisorisch durch Verkehrsbaken oder Ähnliches schnell umgesetzt werden.

 

Wir fordern Sie auf, in Anbetracht der besonderen Situation umgehend die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen.

 

Wir bitten um kurzfristige Stellungnahme zu unserem Antrag bis zum 23.04.2020.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Jürgen Resch

Bundesgeschäftsführer


 

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt gemäß § 9 Abs. 3 b) der Hauptsatzung die Entscheidung des Stadtentwicklungsausschusses zum nachstehenden Antrag / Anregung zur Kenntnis.

 

oder

 

2.    Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt gemäß § 9 Abs. 3 b) der Hauptsatzung die Entscheidung des Stadtentwicklungsausschusses zum nachstehenden Antrag/ Anregung zur Kenntnis und verweist ihn zur nochmaligen Beratung an den Stadtentwicklungsausschuss mit folgender Empfehlung zurück: __________________

 

 

 

Antragstext:

 

Wir beantragen hiermit, während der Dauer der Corona-Krise bis spätestens 23. April 2020 folgende Maßnahmen umzusetzen:

 

  1. In Hilden Straßenflächen zu Fahrradspuren nach dem Beispiel von Bogotá bzw. Berlin-Kreuzberg umzuwidmen. Dabei ist es wichtig, dass diese Fahrrad-Straßen eine ausreichende Breite aufweisen und von verbleibenden Kfz-Fahrbahnen zumindest provisorisch durch Verkehrsbaken getrennt sind.

 

  1. In Hilden die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h innerorts zu begrenzen.

 

 

Stellungnahme der Verwaltung                                                                              02.07.2020

(ergänzt nach der Entscheidung im Stadtentwicklungsausschuss):

 

Die Anregung nach § 24 GO NRW wurde mit SV 61/282 im Stadtentwicklungsausschuss am 27.05.2020 zur Beschlussfassung gestellt.

Der Stadtentwicklungsausschuss hat die Anregung mit zwei Ja-Stimmen und 15 Nein-Stimmen mehrheitlich abgelehnt. Hierzu wird auf die als Anlage beigefügte Niederschrift verwiesen.

 

Verfahrensablauf:

Gemäß § 6 der Zuständigkeitsordnung ist der Stadtentwicklungsausschuss in dieser Angelegenheit (Anlegung von Radwegen; verkehrsplanende Maßnahmen von besonderer Bedeutung) entscheidungsbefugt.

 

Die Entscheidung durch den Ausschuss ist dem Haupt- und Finanzausschuss mitzuteilen. Der

Haupt- und Finanzausschuss kann - wenn er anderer Auffassung ist - die Angelegenheit zur erneuten Beratung an den Fachausschuss zurückverweisen. Die vom Fachausschuss dann getroffene Entscheidung ist endgültig (§ 9 Hauptsatzung).

 

 

Gez.

B. Alkenings

 

 

Stellungnahme der Verwaltung:

 

Der vorliegende Antrag der „Deutschen Umwelthilfe e.V.“ (DUH) ist in ähnlicher Form in zahlreichen Städten in Deutschland gestellt worden. Der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund geht dennoch davon aus, dass der Antrag (gestellt nach § 24 GO NRW) zulässig ist und behandelt werden muss.

Dementsprechend wird der Antrag hier dem fachlich zuständigen Stadtentwicklungsausschuss zur Beratung vorgelegt. Der Antrag ist am 14.04.2020 bei der Stadt Hilden eingegangen und wird gemäß der in Hilden geltenden kommunalverfassungsrechtlichen Vorgaben in der Sitzung am 27.05.2020 zur Beratung gestellt.

 

Inhaltlich ist zunächst zu erläutern, dass die DUH in ihrem Antragstext unter Punkt 1 zwar von einer Umwidmung von Fahrbahnflächen spricht, dies jedoch offensichtlich nicht im straßenverkehrsrechtlichen Sinne versteht, sondern eigentlich eine (temporäre) Umnutzung von Fahrbahnflächen im Auge hat.

Insofern muss sich hier nicht mit straßenverkehrsrechtlichen Aspekten inhaltlich auseinandergesetzt werden.

 

Im Detail geht es hier zum einen um die Idee, auf Fahrbahnen (die aufgrund der Corona-Krise von weniger Autos befahren werden) zumindest temporär Fahrradverkehrsflächen in ausreichender Breite anzulegen, zu markieren und zur Restfahrbahn z.B. durch Baustellenbaken abzutrennen.

Als Beispiel wird u.a. die Stadt Berlin herangezogen. Diese hat in ihrem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf die im Foto dargestellte Weise zusätzliche Fahrradverkehrsflächen geschaffen.

 

 

In Kreuzberg gibt es zwei neue, improvisierte Radwege.

(Foto: Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg; in: Der Tagesspiegel, 03.04.2020)

 

 

Ob diese Vorgehensweise auch für Hilden sinnvoll ist, darf angezweifelt werden. Die einzige vierspurige Straße in Hilden ist die in Ost-West-Richtung verlaufende Berliner Straße.

Alle anderen Straßen, auch die klassifizierten Landes- und Bundesstraßen, sind in Hilden lediglich zweispurig.

Es fehlt also schlicht an den verfügbaren Flächen, um sog. „Pop up-Radwege“ (also plötzlich auftauchende Radwege) in Hilden zu realisieren.

 

Unter Punkt 2 spricht die DUH das Thema einer innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h an und fordert die Einrichtung dieser Regelung in Hilden.

 

Hierzu ist folgendes auszuführen:

Derzeit fehlt die gesetzliche Grundlage für eine solche Maßnahme. Die Straßenverkehrsordnung sieht für die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h auf den Straßen einer Stadt ganz bestimmte Voraussetzungen vor.

In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) wird hierzu folgendes ausgeführt:

 

Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen Kindergärten, -tagesstätten, -krippen, -horten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken, soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen oder im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußgänger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern) vorhanden ist. Dies gilt insbesondere auch auf klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) sowie auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306). Im Ausnahmefall kann auf die Absenkung der Geschwindigkeit verzichtet werden, soweit etwaige negative Auswirkungen auf den ÖPNV (z. B. Taktfahrplan) oder eine drohende Verkehrsverlagerung auf die Wohnnebenstraßen zu befürchten ist. In die Gesamtabwägung sind dann die Größe der Einrichtung und Sicherheitsgewinne durch Sicherheitseinrichtungen und Querungshilfen (z. B. Fußgängerüberwege, Lichtzeichenanlagen, Sperrgitter) einzubeziehen. Die streckenbezogene Anordnung ist auf den unmittelbaren Bereich der Einrichtung und insgesamt auf höchstens 300 m Länge zu begrenzen. Die beiden Fahrtrichtungen müssen dabei nicht gleich behandelt werden. Die Anordnungen sind, soweit Öffnungszeiten (einschließlich Nach- und Nebennutzungen) festgelegt wurden, auf diese zu beschränken.“

(Rand-Nummer 13 XI zu „Zeichen 274 Zulässige Höchstgeschwindigkeit“)

 

Daraus ergibt sich, dass es grundsätzlich zahlreiche Möglichkeiten für eine städtische Straßenverkehrsbehörde gibt, in Abstimmung mit der Politik Einfluss auf das Geschwindigkeitsgeschehen auf den Straßen einer Stadt zu nehmen. Die Möglichkeit, stadtweit Tempo 30 km/h als Regelgeschwindigkeit innerorts einzuführen, gehört nicht dazu.

 

Hieran hat sich auch durch die im Jahr 2020 angestrebte neuerliche Novellierung der StVO nichts geändert.

 

Aus Sicht der Stadtverwaltung wird langfristig für eine sichere und umweltfreundliche Verkehrssituation durch die Erarbeitung und anschließende Umsetzung eines zeitgemäßen Mobilitätskonzeptes mehr erreicht (siehe Sitzungsvorlage WP 14-20 SV 61/278).

Die von der DUH vorgeschlagenen Maßnahmen sind dagegen entweder nur kurzfristig oder aber nicht zulässig.

 

Sollte der Ausschuss dem Antrag - ggfs. in Teilen - zustimmen, müssen die für die Planung und Umsetzung notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen ermittelt werden.

 

 

Gez.

B. Alkenings

 

 

Klimarelevanz:

 

Vom Grundsatz her bedeutet eine quantitativ relevante Verlagerung der Mobilität auf ein umweltfreundliches Verkehrsmittel wie das Fahrrad immer auch einen Zugewinn im Bereich der Luftqualität.