Betreff
CO-Pipeline der Firma Covestro - Planänderungsbeschluss vom 10.08.2018
Vorlage
WP 14-20 SV 10/059
Aktenzeichen
I/10.5-27097
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Es wird beschlossen, dass die Stadt Hilden das politische Interesse, gegen die CO-Pipeline vorzugehen, weiterhin durch finanzielle Unterstützung des Privatklägers verfolgt. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel werden außerplanmäßig zur Verfügung gestellt.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Sachstand:

 

Die Ferntransportleitung der Covestro Deutschland AG verbindet die beiden Chemieparks in Krefeld-Uerdingen und Köln-Worringen/Dormagen. In der Leitung soll gasförmiges Kohlenmonoxid (CO) transportiert werden.
Die Leitung ist ca. 67 km lang, quert zweimal den Rhein und verläuft insgesamt überwiegend auf

rechtsrheinischem Gebiet. Südlich von Hilden stößt die Trasse auf die A3 und folgt ihr grundsätzlich nach Norden in Richtung Duisburg. Sie quert die A3 an mehreren Stellen.

 

Am 29.08.2005 hat die Bayer Industry Services GmbH & Co OHG die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb dieser Rohrfernleitungsanlage beantragt. Anstelle der Bayer Industry Services GmbH & Co OHG trat im April 2006 die Bayer MaterialScience AG als Antragstellerin und Vorhabenträgerin in das Planfeststellungsverfahren ein.
Am 21.03.2006 hat der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen für das geplante Vorhaben das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen (Rohrleitungsgesetz – RohrlG) beschlossen.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 wurde das Vorhaben unter Nebenbestimmungen durch die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Planfeststellungsbehörde festgestellt und seine sofortige Vollziehung angeordnet.
Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss wurde in der Folgezeit mehrfach aufgrund von Planänderungen und Planergänzungen angepasst. Nach Einschätzung der Planfeststellungsbehörde konnte über sämtliche Planänderungen und -ergänzungen ohne neues Planfeststellungsverfahren bzw. im vereinfachten Planänderungsverfahren – d. h. ohne erneutes Anhörungsverfahren – entschieden werden.

 

Der Bau der Pipeline wurde im Dezember 2009 abgeschlossen; 2010 und 2011 gab es an einzelnen Stellen Nachbesserungsarbeiten. Sie ist aber aufgrund von Klagen gegen das Projekt noch nicht im Betrieb.

 

Mit Schreiben vom 21.06.2012 hat die Bayer MaterialScience AG bei der Bezirksregierung Düsseldorf einen auf den 19.04.2012 datierten „Antrag zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zur CO-Leitung“ gestellt, um nachträglich im Zuge der Bauausführung durchgeführte Änderungen prüfen und genehmigen zu lassen.

Die Planänderung umfasst im Wesentlichen:

·      Erweiterung des bestehenden Geo-Grid-Systems – ein Warn- und Sicherungsband aus Kunststoff oberhalb der eigentlichen Leitung

·      Änderung der Stahlsorte an einzelnen Stellen im Leitungsverlauf

·      Änderung an den in bestimmten Kreuzungsbereichen vorgesehenen Mantelrohren bzw. Entfall von Mantelrohren an zwei Stellen

·      kleinräumige Abweichungen von der genehmigten Lage

·      Änderungen an der Konfiguration der Druckregel- und Absperreinrichtungen an den Einspeisungs- und Ausspeisungseinrichtungen in Dormagen und in Krefeld-Uerdingen

·      Änderung am Kompensationsflächenkonzept

Die Änderungen an der Leitung rund um die Stadt Hilden sind in der beigefügten Übersichtskarte dargestellt.

 

Seit dem 01.09.2015 firmiert die Bayer MaterialScience AG unter dem Namen Covestro Deutschland AG.

 

Mit Bescheid vom 10.08.2018 hat die Bezirksregierung Düsseldorf nun den durch die Planänderungen und Planergänzungen angepassten Planfeststellungsbeschluss entsprechend den Änderungsunterlagen geändert.

 

 

Sachstand zu den gerichtlichen Streitverfahren:

 

Ab April 2007 wurden durch verschiedene Betroffene Klagen gegen das Vorhaben erhoben. Die Stadt Hilden unterstützt hierbei – zusammen mit anderen Städten aus dem Kreis Mettmann – den Privatkläger Herrn S. finanziell.

 

Hintergrund der Unterstützung eines Privatklägers war, dass der politische Wille bestand, gegen das Vorhaben vorzugehen. Hierbei hatte die Stadt Hilden selbst nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Einwendungen. Faktisch waren die Erfolgschancen bei einem Privatkläger, der von einer Enteignung wegen der CO-Pipeline betroffen ist und einen sog. Vollüberprüfungsanspruch hat, als am höchsten einzuschätzen.

 

Die Klagen richten sich teilweise bereits gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss (in Gestalt der Änderungen oder Ergänzungen) sowie zum Teil gegen die nachfolgend ergangenen Planänderungen und/oder Planergänzungen. Vereinzelt wurde zudem um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht, worauf Eilrechtsbeschlüsse ergangen sind. Zwei Klageverfahren wurden am 26.01.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sämtliche anderen Klagen wurden zunächst ruhend gestellt bzw. ausgesetzt.

 

Am 25.05.2011 erging das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf zu dem Az. 3 K 1599/07, das den Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 in seiner – damals – aktuellen Fassung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt hat.
Laut VG Düsseldorf wies der Planfeststellungsbeschluss relevante Mängel zum Nachteil der Kläger hinsichtlich der Erdbebensicherheit bezogen auf eine mögliche Bodenverflüssigung in Teilen der Trasse und auf oberirdische Sonderbauwerke der Rohrfernleitungsanlage sowie hinsichtlich der Baugrunduntersuchung auf Hohlräume in verkarstungsfähigen Kalksteinzügen auf. Hierbei handele es sich um durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behebbare Mängel. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen.
Zur Ausräumung der vom VG Düsseldorf genannten Mängel hat die Planfeststellungsbehörde ein ergänzendes Verfahren durchgeführt und mit Planergänzungsbeschluss vom 27.08.2012 abgeschlossen.

 

In der Rechtsmittelinstanz setzte das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW das Verfahren aus und legte dem BVerfG mit Beschluss vom 28.08.2014 die Frage der Vereinbarkeit des RohrlG mit den Grundrechten der Kläger zur Entscheidung vor. Der Vorlage war zu entnehmen, dass das OVG im Hinblick auf die Sicherheit der technischen Ausführungen keine Bedenken hatte. Den Vorlagebeschluss wies das BVerfG mit Beschluss vom 21.12.2016 als unzulässig zurück. Hierbei gab das BVerfG aber in der Begründung zu verstehen, dass es das RohrlG als verfassungsgemäß ansah.

 

Das Rechtsmittelverfahren ist derzeit weiterhin vor dem OVG NRW anhängig. Die Unterlagen zum aktuellen Planänderungsbeschluss 2018 liegen dem Gericht vor. In dem Verfahren des von der Stadt Hilden unterstützten Privatklägers wird derzeit Akteneinsicht in diese Unterlagen genommen und sodann nach Prüfung der Möglichkeiten zu Einwendungen entsprechend zum Planänderungsbeschluss vorgetragen. Dieser ist also in das Verfahren des Privatklägers einbezogen.

 

Die Inbetriebnahme der CO-Pipeline wurde in den oben erwähnten Verfahren zum vorläufigen Rechtschutz (Eilrechtsbeschlüsse) durch das OVG Münster untersagt.

 

 

Ablauf des Planänderungsverfahrens:

 

Mit Schreiben vom 24.07.2012 hat die Bezirksregierung Düsseldorf der von der Bayer MaterialScience AG am 21.06.2012 beantragten Planänderung betroffenen Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Änderungsvorhaben gegeben.

Zudem wurde die Planänderung nach ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 22.08.2012 bis zum 21.09.2012 (einschließlich) zeitgleich in den betroffenen Kommunen – u.a. bei der Stadt Hilden – zu jedermanns Einsicht öffentlich ausgelegt.

Aufgrund der Auslegung der Planunterlagen haben laut Bezirksregierung Düsseldorf mehr als 20.000 Personen Einwendungen wegen der Betroffenheit eigener Belange geltend gemacht.

 

Die Stadt Hilden hat mit Schreiben vom 27.09.2012 als betroffene Trägerin öffentlicher Belange ihre Stellungnahme abgegeben und als private Grundstückseigentümerin Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben. Dieses Schreiben wurde noch einmal mit Schreiben vom 24.10.2012 auf Grundlage einer rechtlichen Würdigung des Vorhabens durch den Kreis Mettmann ergänzt.

 

Alle eingereichten Einwendungen und Stellungnahmen wurden im Erörterungstermin in der Gruga-Halle in Essen vom 05.11.2013 bis zum 07.11.2013 durch die Bezirksregierung erörtert.

 

Die abgegebenen Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange werden im Planänderungsbeschluss vom 10.08.2018 unter B.8.1, die vorgetragenen Einwendungen unter B.8.2 behandelt.

 

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die wesentlichen technischen Anregungen der Stadt Hilden, die Fragestellungen zur Neuverlegung des zusätzlichen Geo-Grid-Systems im Bereich von Kreuzungen der CO-Pipeline mit Straßen, Kanälen und Ausgleichsflächen betrafen, in Nebenbestimmungen zum Planänderungsbeschluss aufgenommen wurden.

Die inhaltlichen Einwendungen gegen die CO-Pipeline wurden aber sämtlich zurückgewiesen.

 

Die Bezirksregierung Düsseldorf hat der Stadt Hilden den Planänderungsbeschluss vom 10.08.2018 am 03.09.2018 zugestellt.

Gegen den Planänderungsbeschluss kann innerhalb eines Monats nach Zustellung – also bis zum 04.10.2018 – durch die Stadt Hilden beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben werden.

 

Da aufgrund der Vielzahl der Einwendungen mehr als 50 Zustellungen erforderlich wären, machte die Bezirksregierung Düsseldorf von der Möglichkeit Gebrauch, die Zustellungen des Planänderungsbeschlusses durch öffentliche Bekanntmachung zu ersetzen.
Deshalb wurde jeweils eine Ausfertigung des Planänderungsbeschlusses mit einer Rechtsbehelfsbelehrung und einer Ausfertigung der festgestellten Planunterlagen in der Zeit vom 05.09.2018 bis zum 18.09.2018 (einschließlich) bei der Stadt Hilden und bei den anderen betroffenen Gemeinden ausgelegt.

Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss auch gegenüber den Betroffenen, gegenüber denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, und gegenüber denjenigen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, als zugestellt.

Somit endet die Rechtsmittelfrist aufgrund der öffentlichen Zustellung am 18.10.2018.

 

Rechtsmittel:

 

Die Stadt Hilden hat nunmehr die Möglichkeit, gegen die Inhalte des Planänderungsbeschlusses Klage zu erheben, nicht gegen die CO-Pipeline als solches, d.h. nicht gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschloss und den dazu vor dem 10.08.2018 ergangenen Planänderungen und/oder Planergänzungen.

 

Dabei sind die Einwendungsmöglichkeiten der Stadt Hilden nach wie vor als gering zu beurteilen. Die Stadt Hilden hat rechtlich nur einen sehr eingeschränkten Prüfungsanspruch, der hinter dem eines Drittbetroffenen (Bürger) deutlich zurücksteht. Eine Kommune kann in einem gerichtlichen Verfahren lediglich geltend machen, in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt zu sein. Beispielhaft wäre grundsätzlich denkbar, dass die kommunale Selbstverwaltung im Hinblick auf die Planungshoheit betroffen wäre (Bereiche können nicht überplant werden) oder die Existenz städtischer Einrichtungen konkret bedroht wäre. Die Anforderungen an entsprechende Einwände im Hinblick auf die Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsrechte sind hierbei sehr hoch. Bezüglich der aktuellen Planänderung – und nur diese wäre jetzt zu prüfen – sind mögliche Einwände der Stadt Hilden, die eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts darstellen könnten, nicht ersichtlich.

 

Im Gegensatz zu den eingeschränkten Rechten einer Kommune hat ein von einer Enteignung betroffener Bürger wie der von der Stadt Hilden finanziell unterstützte Privatkläger einen sog. Vollüberprüfungsanspruch. Dieser betrifft auch das Sicherheitskonzept insgesamt, also unabhängig davon, ob etwa sein Grundstück konkret von einer Planänderung betroffen ist.

 

Über Informationen, die sich möglicherweise nach der Zustellung der Sitzungsvorlage ergeben, wird im Haupt- und Finanzausschuss berichtet.

 

 

Gez. B. Alkenings