Beschlussvorschlag:
Es wird beschlossen,
dass die Stadt Hilden das politische Interesse, gegen die CO-Pipeline vorzugehen,
weiterhin durch finanzielle Unterstützung des Privatklägers verfolgt. Die
dafür erforderlichen finanziellen Mittel werden außerplanmäßig zur Verfügung
gestellt.
Erläuterungen und Begründungen:
Sachstand:
Die
Ferntransportleitung der Covestro Deutschland AG verbindet die beiden
Chemieparks in Krefeld-Uerdingen und Köln-Worringen/Dormagen. In der Leitung
soll gasförmiges Kohlenmonoxid (CO) transportiert werden.
Die Leitung ist ca. 67 km lang, quert zweimal den Rhein und verläuft insgesamt
überwiegend auf
rechtsrheinischem
Gebiet. Südlich von Hilden stößt die Trasse auf die A3 und folgt ihr grundsätzlich
nach Norden in Richtung Duisburg. Sie quert die A3 an mehreren Stellen.
Am 29.08.2005 hat
die Bayer Industry Services GmbH & Co OHG die Genehmigung für die Errichtung
und den Betrieb dieser Rohrfernleitungsanlage beantragt. Anstelle der Bayer
Industry Services GmbH & Co OHG trat im April 2006 die Bayer
MaterialScience AG als Antragstellerin und Vorhabenträgerin in das
Planfeststellungsverfahren ein.
Am 21.03.2006 hat der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen für das geplante
Vorhaben das Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer
Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen (Rohrleitungsgesetz
– RohrlG) beschlossen.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 wurde das Vorhaben unter
Nebenbestimmungen durch die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige
Planfeststellungsbehörde festgestellt und seine sofortige Vollziehung
angeordnet.
Der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss wurde in der Folgezeit mehrfach
aufgrund von Planänderungen und Planergänzungen angepasst. Nach Einschätzung
der Planfeststellungsbehörde konnte über sämtliche Planänderungen und
-ergänzungen ohne neues Planfeststellungsverfahren bzw. im vereinfachten
Planänderungsverfahren – d. h. ohne erneutes Anhörungsverfahren – entschieden
werden.
Der Bau der
Pipeline wurde im Dezember 2009 abgeschlossen; 2010 und 2011 gab es an einzelnen
Stellen Nachbesserungsarbeiten. Sie ist aber aufgrund von Klagen gegen das
Projekt noch nicht im Betrieb.
Mit Schreiben vom
21.06.2012 hat die Bayer MaterialScience AG bei der Bezirksregierung Düsseldorf
einen auf den 19.04.2012 datierten „Antrag zur Änderung des
Planfeststellungsbeschlusses zur CO-Leitung“ gestellt, um nachträglich im Zuge
der Bauausführung durchgeführte Änderungen prüfen und genehmigen zu lassen.
Die Planänderung
umfasst im Wesentlichen:
·
Erweiterung
des bestehenden Geo-Grid-Systems – ein Warn- und Sicherungsband aus Kunststoff
oberhalb der eigentlichen Leitung
·
Änderung
der Stahlsorte an einzelnen Stellen im Leitungsverlauf
·
Änderung
an den in bestimmten Kreuzungsbereichen vorgesehenen Mantelrohren bzw. Entfall
von Mantelrohren an zwei Stellen
·
kleinräumige
Abweichungen von der genehmigten Lage
·
Änderungen
an der Konfiguration der Druckregel- und Absperreinrichtungen an den Einspeisungs-
und Ausspeisungseinrichtungen in Dormagen und in Krefeld-Uerdingen
·
Änderung
am Kompensationsflächenkonzept
Die Änderungen an
der Leitung rund um die Stadt Hilden sind in der beigefügten Übersichtskarte
dargestellt.
Seit dem 01.09.2015
firmiert die Bayer MaterialScience AG unter dem Namen Covestro Deutschland AG.
Mit Bescheid vom
10.08.2018 hat die Bezirksregierung Düsseldorf nun den durch die Planänderungen
und Planergänzungen angepassten Planfeststellungsbeschluss entsprechend den Änderungsunterlagen
geändert.
Sachstand zu den gerichtlichen
Streitverfahren:
Ab April 2007
wurden durch verschiedene Betroffene Klagen gegen das Vorhaben erhoben. Die
Stadt Hilden unterstützt hierbei – zusammen mit anderen Städten aus dem Kreis
Mettmann – den Privatkläger Herrn S. finanziell.
Hintergrund der
Unterstützung eines Privatklägers war, dass der politische Wille bestand, gegen
das Vorhaben vorzugehen. Hierbei hatte die Stadt Hilden selbst nur sehr
eingeschränkte Möglichkeiten der Einwendungen. Faktisch waren die
Erfolgschancen bei einem Privatkläger, der von einer Enteignung wegen der
CO-Pipeline betroffen ist und einen sog. Vollüberprüfungsanspruch hat, als am
höchsten einzuschätzen.
Die Klagen richten
sich teilweise bereits gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss (in
Gestalt der Änderungen oder Ergänzungen) sowie zum Teil gegen die nachfolgend
ergangenen Planänderungen und/oder Planergänzungen. Vereinzelt wurde zudem um
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht, worauf Eilrechtsbeschlüsse
ergangen sind. Zwei Klageverfahren wurden am 26.01.2009 zur gemeinsamen
Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sämtliche anderen Klagen wurden
zunächst ruhend gestellt bzw. ausgesetzt.
Am 25.05.2011
erging das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf zu dem Az. 3 K
1599/07, das den Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 in seiner – damals –
aktuellen Fassung für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt hat.
Laut VG Düsseldorf wies der Planfeststellungsbeschluss relevante Mängel zum
Nachteil der Kläger hinsichtlich der Erdbebensicherheit bezogen auf eine
mögliche Bodenverflüssigung in Teilen der Trasse und auf oberirdische
Sonderbauwerke der Rohrfernleitungsanlage sowie hinsichtlich der
Baugrunduntersuchung auf Hohlräume in verkarstungsfähigen Kalksteinzügen auf.
Hierbei handele es sich um durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren
behebbare Mängel. Im Übrigen wurden die Klagen abgewiesen.
Zur Ausräumung der vom VG Düsseldorf genannten Mängel hat die
Planfeststellungsbehörde ein ergänzendes Verfahren durchgeführt und mit
Planergänzungsbeschluss vom 27.08.2012 abgeschlossen.
In der
Rechtsmittelinstanz setzte das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW das Verfahren
aus und legte dem BVerfG mit Beschluss vom 28.08.2014 die Frage der
Vereinbarkeit des RohrlG mit den Grundrechten der Kläger zur Entscheidung vor. Der
Vorlage war zu entnehmen, dass das OVG im Hinblick auf die Sicherheit der
technischen Ausführungen keine Bedenken hatte. Den Vorlagebeschluss wies das
BVerfG mit Beschluss vom 21.12.2016 als unzulässig zurück. Hierbei gab das
BVerfG aber in der Begründung zu verstehen, dass es das RohrlG als
verfassungsgemäß ansah.
Das
Rechtsmittelverfahren ist derzeit weiterhin vor dem OVG NRW anhängig. Die
Unterlagen zum aktuellen Planänderungsbeschluss 2018 liegen dem Gericht vor. In
dem Verfahren des von der Stadt Hilden unterstützten Privatklägers wird derzeit
Akteneinsicht in diese Unterlagen genommen und sodann nach Prüfung der Möglichkeiten
zu Einwendungen entsprechend zum Planänderungsbeschluss vorgetragen. Dieser ist
also in das Verfahren des Privatklägers einbezogen.
Die Inbetriebnahme
der CO-Pipeline wurde in den oben erwähnten Verfahren zum vorläufigen
Rechtschutz (Eilrechtsbeschlüsse) durch das OVG Münster untersagt.
Ablauf des Planänderungsverfahrens:
Mit Schreiben vom
24.07.2012 hat die Bezirksregierung Düsseldorf der von der Bayer MaterialScience
AG am 21.06.2012 beantragten Planänderung betroffenen Behörden und sonstigen Trägern
öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Änderungsvorhaben
gegeben.
Zudem wurde die
Planänderung nach ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 22.08.2012 bis
zum 21.09.2012 (einschließlich) zeitgleich in den betroffenen Kommunen – u.a.
bei der Stadt Hilden – zu jedermanns Einsicht öffentlich ausgelegt.
Aufgrund der
Auslegung der Planunterlagen haben laut Bezirksregierung Düsseldorf mehr als
20.000 Personen Einwendungen wegen der Betroffenheit eigener Belange geltend
gemacht.
Die Stadt Hilden
hat mit Schreiben vom 27.09.2012 als betroffene Trägerin öffentlicher Belange
ihre Stellungnahme abgegeben und als private Grundstückseigentümerin
Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben. Dieses Schreiben wurde noch einmal mit
Schreiben vom 24.10.2012 auf Grundlage einer rechtlichen Würdigung des
Vorhabens durch den Kreis Mettmann ergänzt.
Alle eingereichten
Einwendungen und Stellungnahmen wurden im Erörterungstermin in der Gruga-Halle
in Essen vom 05.11.2013 bis zum 07.11.2013 durch die Bezirksregierung erörtert.
Die abgegebenen
Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange werden im
Planänderungsbeschluss vom 10.08.2018 unter B.8.1, die vorgetragenen
Einwendungen unter B.8.2 behandelt.
Zusammenfassend
kann festgestellt werden, dass die wesentlichen technischen Anregungen der
Stadt Hilden, die Fragestellungen zur Neuverlegung des zusätzlichen
Geo-Grid-Systems im Bereich von Kreuzungen der CO-Pipeline mit Straßen, Kanälen
und Ausgleichsflächen betrafen, in Nebenbestimmungen zum Planänderungsbeschluss
aufgenommen wurden.
Die inhaltlichen
Einwendungen gegen die CO-Pipeline wurden aber sämtlich zurückgewiesen.
Die
Bezirksregierung Düsseldorf hat der Stadt Hilden den Planänderungsbeschluss vom
10.08.2018 am 03.09.2018 zugestellt.
Gegen den
Planänderungsbeschluss kann innerhalb eines Monats nach Zustellung – also bis
zum 04.10.2018 – durch die Stadt Hilden beim Verwaltungsgericht Düsseldorf
Klage erhoben werden.
Da aufgrund der
Vielzahl der Einwendungen mehr als 50 Zustellungen erforderlich wären, machte
die Bezirksregierung Düsseldorf von der Möglichkeit Gebrauch, die Zustellungen des
Planänderungsbeschlusses durch öffentliche Bekanntmachung zu ersetzen.
Deshalb wurde jeweils eine Ausfertigung des Planänderungsbeschlusses mit einer
Rechtsbehelfsbelehrung und einer Ausfertigung der festgestellten Planunterlagen
in der Zeit vom 05.09.2018 bis zum 18.09.2018 (einschließlich) bei der Stadt
Hilden und bei den anderen betroffenen Gemeinden ausgelegt.
Mit dem Ende der
Auslegungsfrist gilt der Beschluss auch gegenüber den Betroffenen, gegenüber
denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, und gegenüber
denjenigen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, als zugestellt.
Somit endet die
Rechtsmittelfrist aufgrund der öffentlichen Zustellung am 18.10.2018.
Rechtsmittel:
Die Stadt Hilden
hat nunmehr die Möglichkeit, gegen die Inhalte des Planänderungsbeschlusses
Klage zu erheben, nicht gegen die CO-Pipeline als solches, d.h. nicht gegen den
ursprünglichen Planfeststellungsbeschloss und den dazu vor dem 10.08.2018
ergangenen Planänderungen und/oder Planergänzungen.
Dabei sind die
Einwendungsmöglichkeiten der Stadt Hilden nach wie vor als gering zu
beurteilen. Die Stadt Hilden hat rechtlich nur einen sehr eingeschränkten
Prüfungsanspruch, der hinter dem eines Drittbetroffenen (Bürger) deutlich
zurücksteht. Eine Kommune kann in einem gerichtlichen Verfahren lediglich
geltend machen, in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt zu sein.
Beispielhaft wäre grundsätzlich denkbar, dass die kommunale Selbstverwaltung im
Hinblick auf die Planungshoheit betroffen wäre (Bereiche können nicht überplant
werden) oder die Existenz städtischer Einrichtungen konkret bedroht wäre. Die
Anforderungen an entsprechende Einwände im Hinblick auf die Verletzung der
kommunalen Selbstverwaltungsrechte sind hierbei sehr hoch. Bezüglich der
aktuellen Planänderung – und nur diese wäre jetzt zu prüfen – sind mögliche Einwände
der Stadt Hilden, die eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts
darstellen könnten, nicht ersichtlich.
Im Gegensatz zu den
eingeschränkten Rechten einer Kommune hat ein von einer Enteignung betroffener
Bürger wie der von der Stadt Hilden finanziell unterstützte Privatkläger einen
sog. Vollüberprüfungsanspruch. Dieser betrifft auch das Sicherheitskonzept
insgesamt, also unabhängig davon, ob etwa sein Grundstück konkret von einer
Planänderung betroffen ist.
Über Informationen, die sich möglicherweise nach der
Zustellung der Sitzungsvorlage ergeben, wird im Haupt- und Finanzausschuss
berichtet.
Gez. B. Alkenings