Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Hilden beschließt nach
Vorberatung im Haupt- und Finanzausschuss die in Anlage beigefügte
Ordnungsbehördliche Verordnung über die zusätzliche Öffnung von Verkaufsstellen
im Jahr 2017.
Erläuterungen und Begründungen:
Die Thematik „sonntägliche Verkaufsöffnungen“ war in den letzten beiden
Jahren Gegenstand mehrerer verwaltungsgerichtlicher Verfahren und hat dabei
erhebliche öffentliche Diskussionen ausgelöst. Im Kreisgebiet war hiervon die
Stadt Velbert betroffen, auch die Stadt Wülfrath musste sich im letzten Jahr
kritischen Fragen der Gewerkschaft ver.di stellen. Anfang Januar 2017 entschied
das Verwaltungsgericht Düsseldorf nach eingereichter Klage durch die
Gewerkschaft ver.di, dass die für Sonntag, den 08.01.2017, beabsichtigte
Öffnung der Verkaufsstellen im Centro in Oberhausen nicht stattfinden darf.
Im Wesentlichen ging und geht es um die Frage, ob die anlassgebenden
Veranstaltungen oder die sonntäglichen Ladenöffnungen den Besucherzuspruch auslösen.
Auch wenn die für das Jahr 2016 in Hilden durch den Rat der Stadt Hilden
beschlossenen und auch durchgeführten Verkaufsöffnungen nicht weiter durch die
Gewerkschaft ver.di im Laufe des Jahres hinterfragt wurden, so war dennoch zu
erwarten, dass dies für zukünftige Sonntagsöffnungen nicht mehr ohne weiteres
gelten würde. Die Stadtmarketing Hilden GmbH und auch die Stadt Hilden haben daher
die bisherigen Verkaufsöffnungen einer auch unter Berücksichtigung der aktuellen
Rechtsprechung kritischen Prüfung unterzogen.
Darstellung der
Rechtslage
Die Offenhaltung von Verkaufsstellen ohne konkreten und begleitenden
Anlass ist nicht zulässig. Der Landesgesetzgeber hat daher nach § 6 Abs. 1 des
Ladenöffnungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LÖG NRW) sonntägliche
Verkaufsöffnungen an das Vorliegen eines besonderen Anlasses, wie z.B.
anlässlich von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen,
geknüpft. Der Gesetzgeber hat es aber unterlassen, den Anlassbezug und dessen
Wirkung (u.a. räumlicher Bezug) näher zu bestimmen. Hieraus resultieren auch
ein stückweit die unterschiedlichen Auffassungen und auch Auslegungen der
letzten Jahre.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 01.12.2009
(BvR 2857/07 und BvR 2858/07) deutlich gemacht, dass an Ausnahmen von der
gesetzlichen Sonn- und Feiertagsruhe hohe Anforderungen zu stellen sind und die
Zulassung von sonntäglichen Verkaufsöffnungen nur in Abwägung anderer
Rechtsgüter mit gleich- oder höherwertigem Verfassungsrang erfolgen darf.
Darüber hinaus haben sich auch verschiedene Gerichte in der
Vergangenheit mit diesem Thema beschäftigt und dabei bekräftigt, dass der
Anlassbezug, somit eine der in § 6 Abs. 1 LÖG NRW aufgeführten
„Veranstaltungen“, den Besucherzuspruch im Wesentlichen auslösen muss und nicht
die Verkaufsöffnung.
Dies war den Städten und Gemeinden bislang durchaus bekannt, somit auch
der Stadt Hilden. Aber in Ermangelung weiterer Konkretisierungen durch den
Landesgesetzgeber, ist auch die Stadt Hilden bislang davon ausgegangen, dass
die bisherigen Hildener Verkaufsöffnungen den rechtlichen Vorgaben des § 6 Abs.
1 LÖG NRW durchaus noch entsprachen, da stets Anlassbezüge (insbesondere Märkte
nach Abschnitt IV der Gewerbeordnung) vorlagen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 11.11.2015
(BVerwG 8 CN 2.14) bekräftigt, dass die stattfindende Veranstaltung und nicht
die Ladenöffnung den öffentlichen Charakter des Tages prägen muss. Dazu muss
die Veranstaltung für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom
auslösen, der die erwartete Zahl der Ladenbesucher übersteigt. Dies berücksichtigte
auch das Oberverwaltungsgericht Münster in seinen Entscheidungen am 10.06.2015
(OVG 4 B 504/16) und am 15.08.2016 (OVG 4 B 887/16) in den Klageverfahren gegen
die Städte Velbert und Münster.
Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und
Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen bekräftigte daher in Folge u.a. mit Runderlass
vom 07.09.2016, dass es nicht ausreiche, einen Anlass zu schaffen, um eine
sonntägliche Verkaufsöffnung zu rechtfertigen und darüber hinaus auch zu
entscheiden sei, ob sich eine Freigabe auf den ganzen Ort oder nur einen
bestimmten Bereich oder Bezirk beziehen soll.
Beantragte
Verkaufsöffnungen für das Jahr 2017
Durch die Stadtmarketing Hilden GmbH werden für das Jahr 2017 an den
vier nachfolgenden Anlassterminen sonntägliche Verkaufsöffnungen beantragt:
-
07. Mai
2017 anlässlich der Modenschau, des Weinfestes und des Frühlingfestes in der
Hildener Innenstadt;
-
17.
September 2017 anlässlich der in der Hildener Innenstadt stattfindenden Autoschau;
-
05. November
2017 anlässlich des Bücher- und Antikmarktes in der Innenstadt;
-
03.
Dezember 2017 anlässlich des großen Weihnachtsmarktes in der Hildener Innenstadt.
Es wurde somit in Folge der jüngsten Rechtsprechung bewusst auf die
letztjährigen Verkaufsöffnungen im Gewerbegebiet Ellerstraße/Westring
verzichtet. Dies deshalb, da
a) die gewählten Anlässe hierfür (Trödelmarkt, Büchermarkt) den
Kriterien wohlmöglich nicht (mehr) entsprechen und daher
b) nicht alle beantragten sonntäglichen Verkaufsöffnungen in ihrer
Gesamtheit einem möglichen Klagerisiko ausgesetzt werden sollten.
Die nach dem Ladenöffnungsgesetz zu beteiligenden Institutionen (Kath.
und Evang. Kirche, Handelsverband, Handwerkskammer, IHK und die Gewerkschaft ver.di)
wurden daraufhin beteiligt. Die eingegangenen Stellungnahmen sind beigefügt.
Die Gewerkschaft ver.di äußerte sich zunächst sehr kritisch zu den
beabsichtigten Verkaufsöffnungen:
„…Es bestehen erhebliche Zweifel,
dass bei den geplanten Sonntagsöffnungen die Veranstaltungen den Hauptgrund für
den Besucherstrom darstellen und eine entsprechende Prüfung stattgefunden hat.
Leider fehlen in Ihrem Informationsschreiben genaue Angaben zum Inhalt der Veranstaltungen
und der Hinweis, warum genau diese Veranstaltung für sich genommen einen
beträchtlichen Besucherstrom anzieht. Weiterhin ist die Ladenöffnung auf das
Umfeld der Veranstaltung zu begrenzen. Daher wäre eine genaue Angabe des
Veranstaltungsortes hilfreich gewesen…
Zum Umfang und zu den
Inhalten der Anlassveranstaltungen fehlen uns konkrete Informationen.
Insbesondere zum Ort der Veranstaltung und damit zur Frage, ob sich der Anlass
auf den ganzen Stadtteil auswirkt, liegen keine Informationen vor. Zudem sollte
prognostiziert werden können, dass die Anlässe für sich genommen einen
beträchtlichen Besucherstrom anziehen, der den bei einer alleinigen Öffnung der
Verkaufsstellen übersteigt. Gleichwohl fehlen uns die Informationen zu den
Besucherströmen und die Messungen dazu.
Außerdem soll nicht die Sonntagsöffnung im Vordergrund stehen, sondern der
Anlass selbst…“
Selbst die IHK Düsseldorf regte in ihrer Stellungnahme an:
„…Die IHK stimmt zwar
dem Antrag zu, regt allerdings im Sinne einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung
der verkaufsoffenen Sonntage und der damit verbundenen Planungssicherheit für
die örtlichen Einzelhändler und Dienstleister an, den Antrag um Prognosen zu
ergänzen…“
Daraufhin „besserte“ die Stadtmarketing Hilden GmbH ihren Antrag nach
und die Gewerkschaft ver.di wurde mit Datum vom 27.12.2016 nochmalig durch die
Verwaltung angehört. Insbesondere wurden die anlassgebenden Veranstaltungen
näher beschrieben und Aussagen zur Besucherfrequenz getroffen.
Auch wurde verdeutlicht, dass sich die Verkaufsöffnungen ausschließlich
auf den Innenstadtbereich beschränken würden, damit Veranstaltungen und
Verkaufsöffnungen in einem örtlichen Bezug zueinander stehen. Darüber hinaus
wurde auch mitgeteilt, dass eine positive Beschlussfassung zu den beantragten
Verkaufsöffnungen an die Bedingung geknüpft würde, dass die Stadtmarketing
Hilden GmbH als Antragstellerin Daten zum Besucherzuspruch bei der Durchführung
der Veranstaltungen zu erheben hat, um daraus belastbarere Prognosedaten für
zukünftige Veranstaltungen in Kombination mit Verkaufsöffnungen zu erhalten.
Hierauf antwortete die Gewerkschaft ver.di knapp und prägnant:
„…mussten wir
feststellen, dass auch diese Stellungnahme unzureichend ist, da die Prognosen
weiterhin fehlen, von daher bleiben unsere Bedenken bzgl. der beabsichtigten
Verkaufsöffnungen an Sonntagen bestehen…“
Problematisch ist, dass es sowohl der Stadtmarketing Hilden GmbH als
auch der Verwaltung schwer möglich ist, eine gerichtsverwertbare Prognose (die
ja auf Erkenntnissen beruht) darüber abzugeben, ob der Besucherzuspruch in
erster Linie durch die Veranstaltungen (z.B. Autoschau) oder durch die
Verkaufsöffnung ausgelöst wird. Es kann allerdings nach den letztjährigen Erfahrungen
und der anlässlich der Veranstaltungen bereits vor der Verkaufsöffnung dicht
gefüllten Fußgängerzone durchaus davon ausgegangen werden. Dies ersetzt aber
noch keine Prognose. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, dies belastbarer
durch eine Erhebung für die Zukunft zu ermitteln. Hierauf hat sich die
Gewerkschaft ver.di jedoch nicht eingelassen.
Da aus der Sicht der Verwaltung die nun beantragten Sonntagsöffnungen
die rechtlichen Voraussetzungen durchaus erfüllen wird vorgeschlagen, sich im
Interesse der Versorgung der Besucher bei den Veranstaltungen und der
Einzelhändler in der Innenstadt über die Bedenken der Gewerkschaft in diesem
Punkt hinwegzusetzen und sich einem damit möglicherweise verbundenem Klagerisiko
bewusst auszusetzen.
Die Stadtmarketing Hilden GmbH wird bis zur Sitzung des Haupt- und
Finanzausschusses weitere Daten beibringen, die als Indiz dafür dienen sollen,
dass die Annahme, dass der Besucherzuspruch in erster Linie durch die
Veranstaltungen und nicht durch die Verkaufsöffnungen als Annex zu den
Veranstaltungen ausgelöst wird, berechtigt ist. Zudem würde es im Falle einer
positiven Beschlussfassung dabei bleiben, dass die Stadtmarketing Hilden GmbH
eine Erhebung in geeigneter Form während den Veranstaltungen durchführen würde.
gez. Birgit Alkenings
Bürgermeisterin