Betreff
Teilnahme der Gemeindebediensteten an Außenprüfung der Landesfinanzbehörden
Vorlage
WP 14-20 SV 20/054
Aktenzeichen
II/20.2-St
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

„Der Rechnungsprüfungsausschuss nimmt den Bericht über die Teilnahme von Gemeindebediensteten an Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden zur Kenntnis.“

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

In der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses stellte Herr Remih die Frage, warum die Stadt Hilden bisher noch nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht  habe, bei Betriebsprüfungen des Finanzamtes in den in Hilden ansässigen Unternehmen anwesend zu sein.

 

Die Verwaltung sicherte eine Antwort bis zur nächsten Sitzung zu. Mit dieser Sitzungsvorlage kommt die Verwaltung der Zusage nach:

 

Die Gemeinden haben nach § 21 Absatz 3 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) hinsichtlich der Realsteuern (Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer) das Recht, an Außenprüfungen der Finanzverwaltung teilzunehmen, wenn die Außenprüfungen im Gemeindebezirk erfolgen und die zu prüfenden Steuerpflichtigen in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhalten oder Grundbesitz haben.

 

Aktuelle Recherchen in dieser Angelegenheit führten bei umliegenden Städten zu folgendem Ergebnis:

Eine Umfrage bei den Städten des Kreises Mettmann ergab, dass offenbar keine von diesen Städten von dem eingeräumten Recht Gebrauch macht. Zumindest konnten die erfolgten Rückmeldungen der Städte Wülfrath, Erkrath, Velbert und Ratingen ausnahmslos negativ ausgewertet werden.

Zwar wurde in der Vergangenheit auch dort die Teilnahme von Gemeindebediensteten an Außenprüfungen thematisiert aber aufgrund von Kosten-/ Nutzen-Betrachtungen wurde schließlich davon abgesehen. Einerseits müsste es Anhaltspunkte für Qualitätsdefizite des zuständigen Finanzamtes geben und andererseits ist für die Teilnahme an Außenprüfungen entsprechend fachlich vorgebildetes Personal notwendig.

 

Ebenso sieht die Stadt Düsseldorf von einem städtischen Steuerprüfdienst ab. Eine seinerzeitige Recherche bei umliegenden Städten führte dort zu dem Ergebnis, dass es rechnerisch nicht darstellbar ist, ob ein städtischer Steuerprüfdienst zu Mehrerträgen führt.

 

Die Stadt Köln hingegen ist bereits seit den 1960er Jahren mit einem städtischen Steuerprüfdienst tätig und beschäftigt derzeit 7 städtische Steuerprüfer (Vollzeit). Ebenso beschäftigt die Stadt Wuppertal seit geraumer Zeit zwei Mitarbeiter mit je rd. 20 Wochenstunden im städtischen Steuerprüfdienst. Die Städte Dortmund und Solingen führten in den Jahren 2006 bzw. 2012 einen städtischen Steuerprüfdienst ein, mit zurzeit jeweils 2 städtischen Steuerprüfern (Vollzeit).

 

Die v. g. Städten sehen einhellig die fachliche Qualifikation der jeweiligen städtischen Steuerprüfer als zwingende Voraussetzung für die Einführung eines städtischen Steuerprüfdiensts. I. d. R. handelt es sich bei den städtischen Steuerprüfern um ehemalige Mitarbeiter/innen der Finanzverwaltung (Diplom-Finanzwirt/in), die von dort „abgeworben“ wurden. Bei der Stadt Köln sind die städtischen Steuerprüfer in Einzelfällen auch Mitarbeiter mit einem BWL-Hochschulabschluss oder städtische Laufbahnbeamte, die jedoch jahrelang im Bereich Gewerbesteuer gearbeitet und Haftungsprüfungen vorgenommen haben und zudem zusätzlich an Crashkursen u. a. an der Finanzschule Nordkirchen teilnahmen. Die Stellen sind jeweils nach A12/ EG 11 bewertet.

Die Ausnahme bildet lediglich die Stadt Wuppertal, hier wird zumindest eine Stelle (20 Wochenstunden) von einer städtischen Laufbahnbeamten mit A 11 besetzt.

 

Die Prüfungen beschränken fast ausschließlich auf die Betriebsprüfungen des jeweils zuständigen Finanzamtes für Groß- und Konzernprüfungen, hier insbesondere auf

  • Hinzurechnungen über dem Freibetrag i. H. v. 100.000 € (§ 8 GewStG)
  • erweiterte Grundstückskürzungen (§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG)
  • Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG)
  • Kürzungen des Gewerbeertrages der auf eine ausländische Betriebsstätte entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG)
  • Abgrenzungsfälle (§ 15, § 18 EStG)
  • Zerlegungsfälle (§§ 29 ff GewStG)
  • Betriebsaufgaben und Einstellung der gewerblichen Tätigkeiten, wenn zuvor eine Betriebsaufspaltung vorgelegen hat oder eine Gesellschaft nach der Einstellung der originären gewerblichen eine an sich vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt
  • Teilnahmebegehren, die sich aus vorherigen Akteneinsichten ergeben

Allerdings werden die Abgrenzungsfälle nach §§ 15 und 18 EStG von einigen Städten kritisch gesehen, da fraglich ist, wie die Information über solche Fälle zur Stadt gelangen soll, wenn doch keine Gewerbesteuermessbeträge vom Finanzamt festgesetzt werden.

 

Die Information über die bevorstehenden Betriebsprüfungen erhalten die Städte jeweils über die Prüfungsanordnungen, anhand derer die Teilnahme geprüft wird.

Im Vorfeld der Betriebsprüfungen erfolgt i. d. R. die Prüfung der Gewerbesteuermessbetragsbescheide der zurückliegenden Jahre; ob hier Abweichungen festgestellt werden können. Darüber hinaus können auch die Internetpräsenz, das Handelsregister und ggf. im Bundesanzeiger veröffentlichte Bilanzen und Jahresabschlüsse geprüft werden.

 

Die Städte haben nur ein Teilnahmerecht und kein Recht die Prüfung selbst vorzunehmen, sodass sie dem Steuerprüfer vom jeweiligen Finanzamt im Rahmen der Prüfung lediglich Hinweise und Fragestellungen zwecks Klärung mit dem Steuerpflichtigen geben können. Sie sind in diesem Zusammenhang auf den „guten Willen“ des Finanzamtsmitarbeiters angewiesen.

Erfahrungsgemäß werden die Finanzämter jedoch aufgrund der eingeschränkten eigenen Personalkapazitäten ihr Augenmerk auf Punkte konzentrieren, die der Landeskasse zuträglich sind.

 

Wie hoch die Mehrerträge durch einen städtischen Steuerprüfdienst sind, wurde von den befragten Städten unterschiedlich bewertet. Überwiegend erfolgen interne Erfolgs-Aufzeichnungen der städtischen Steuerprüfer. Welches Bewertungssystem hierbei zugrunde gelegt wird, ist nicht bekannt, es ist jedoch von keinem einheitlichen Bewertungssystem auszugehen.

Nach Angaben der städtischen Steuerprüfer - überwiegend abgeworbene Diplom-Finanzwirten – arbeiten sie mit ihrer Teilnahme an den Betriebsprüfungen kostendeckend.

Die Stadt Dortmund hingegen lehnt die Bezifferung einer Erfolgsquote ab, da diese aus ihrer Sicht nicht konkret ermittelbar ist. Selbst wenn einer der städtischen Steuerprüfer auf Punkte innerhalb der Betriebsprüfung hinweist, deren Änderung eine Gewerbesteuererhöhung für die Stadt zur Folge hat, wird seitens des Finanzamtes darauf hingewiesen, dass diese im Verfahren auch ohne städtische Mitwirkung noch festgestellt worden wäre.

 

Wie mit den Recherchen bekannt wurde, gibt es seit einigen Jahren einmal jährlich einen Erfahrungsaustausch zur Teilnahme an Außenprüfungen. Die Teilnahme steht jeder interessierten Stadt frei. Die Organisation der Veranstaltung erfolgt im Wechsel unter den teilnehmenden Städten, hierzu zählten im Jahr 2015 (die Auflistung beinhaltet auch Städte, die die Einrichtung eines städtischen Prüfdienstes noch prüfen, wie z. B. Bad Homburg und Neuss):

 

Stadt

Bundesland

Einwohner 2015

(zum 30.06.)

Gewerbesteuer-istaufkommen 2015

(in 1.000 Euro)

Augsburg

Bayern

283.213

120.263

Bad Homburg*

Hessen

53.244

88.700

Berlin

Berlin

3.484.995

1.480.623

Bielefeld

Nordrhein-Westfalen

330.320

187.155

Bochum

Nordrhein-Westfalen

361.619

153.091

Bonn

Nordrhein-Westfalen

313.973

228.156

Dortmund

Nordrhein-Westfalen

581.612

295.579

Stadt

Bundesland

Einwohner 2015

(zum 30.06.)

Gewerbesteuer-istaufkommen 2015

(in 1.000 Euro)

Düren*

Nordrhein-Westfalen

91.531

45.077

Duisburg

Nordrhein-Westfalen

486.936

224.669

Essen

Nordrhein-Westfalen

576.953

339.461

Frankfurt a. M

Hessen

724.869

1.767.292

Hagen

Nordrhein-Westfalen

186.888

92.640

Hannover*

Niedersachsen

526.294

547.525

Köln

Nordrhein-Westfalen

1.046.742

942.143

Koblenz

Rheinland-Pfalz

111.560

90.215

Krefeld

Nordrhein-Westfalen

222.834

116.149

Mannheim

Baden-Württemberg

301.683

305.843

Mönchengladbach

Nordrhein-Westfalen

257.795

138.903

München

Bayern

1.438.963

2.454.702

Neuss*

Nordrhein-Westfalen

159.672

171.500

Nürnberg

Bayern

503.697

393.817

Oberhausen

Nordrhein-Westfalen

209.559

80.982

Offenbach

Hessen

121.889

67.734

Rostock

Mecklenburg-Vorpommern

204.492

82.963

Solingen

Nordrhein-Westfalen

157.296

85.985

Stuttgart

Baden-Württemberg

615.862

608.134

Wiesbaden

Hessen

276.192

263.102

Wuppertal

Nordrhein-Westfalen

347.280

186.563

(Quelle: Haushaltssteuerung.de – Portal zur öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft oder

* sonstige Internet-/ Telefonrecherche)

 

Zum Vergleich:

Hilden hatte im Jahr 2015 55.185 Einwohner und ein Istaufkommen der Gewerbesteuer i. H. v. rd. 38.473.000 Euro.

 

Darüber hinaus hat die Stadt Remscheid (Einwohner: 109.025/ Gewerbesteueristaufkommen: 56.101.000 Euro, 2015) zum 01.08.2016 einen städtischen Steuerprüfdienst eingeführt.

Im Vorfeld erfolgten von dort vergleichbare Recherchen bei den o. g. Städten, mit vergleichbaren Ergebnissen. Derzeit befindet sich die dortige Mitarbeiterin, die vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Köln abgeworben wurde, in der Einarbeitungsphase. Weitergehende Auskünfte konnten daher noch nicht gegeben werden.

 

Abschließend bleibt festzuhalten, dass gemäß § 21 der Verordnung über die Zuständigkeiten der Finanzämter (Finanzamtszuständigkeitsverordnung – FA-ZVO) das Finanzamt Groß- und Konzernbetriebsprüfung Bergisches Land für die Stadt Hilden zuständig ist.

Alle drei Jahre erfolgt die Einordnung der Betriebsprüfungsklassen durch das Rechenzentrum. Anhand der Umsatzerlöse und steuerlichen Gewinne unter Berücksichtigung der jeweiligen Tätigkeiten (z. B. Herstellung, Vertrieb, Gesundheitswesen, Versicherung, Kreditinstitute) erfolgt die Zuordnung zur Amtsbetriebsprüfung beim Finanzamt Hilden oder zur Groß- und Konzernprüfung beim Finanzamt Bergisches Land.

 

Eine Ermittlung der für die Stadt Hilden maßgeblichen Anzahl an Betriebsprüfungen des Groß- und Konzernfinanzamts Bergisches Land war aufgrund der übergeordneten Zuständigkeiten des Finanzamtes Hilden (für die Städte Hilden, Langenfeld und Monheim) und des Finanzamt Groß- und Konzernprüfung Bergisches Land (für die Bezirke der Finanzämter Düsseldorf-Mettmann, Hilden, Remscheid, Solingen, Velbert, Wuppertal-Barmen und Wuppertal-Elberfeld) nicht möglich.

 

Zwar könnte die Stadt Hilden von Ihrem Recht auf Teilnahme an Außenprüfungen des Finanzamtes Gebrauch machen, allerdings würde im Umkehrschluss eine Teilnahme nur dann sinnvoll erscheinen, wenn auch entsprechend ausgebildetes Personal hierfür zur Verfügung stehen würde. Dieses ist aktuell aber nicht gegeben.

 

Weil weiterhin belastbare Zahlen nicht vorliegen, woraus ersichtlich ist, dass es sich „rechnet“, beabsichtigt die Verwaltung grundsätzlich nicht an Außenprüfungen teilzunehmen.

 

Die Stadt Hilden beabsichtigt aber im kommenden Jahr am  „Erfahrungsaustausch zur Teilnahme an Außenprüfungen“ teilzunehmen um mit den anderen Städten in einen weiteren Austausch zu kommen.

 

 

gez. Birgit Alkenings

Bürgermeisterin