Betreff
Antrag der FDP: "Einführung einer Investitionsgrenze"
Vorlage
WP 09-14 SV 20/134
Aktenzeichen
II/20.1-En
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

 

-       Investitionen haben eine langfristige strategische Bedeutung. Daher muss sich die Höhe der Investitionen an der aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Stadt Hilden orientieren.

 

-       Die Investitionsgrenze ist der erste Schritt für ein strategisches Investitionscontrolling und soll den Verwaltungsvorstand, den Rat und seinen Gremien der Stadt Hilden bei den Entscheidungen unterstützen. Insbesondere ist der Fokus bei den Entscheidungen auf die Bedürfnisse der Stadt Hilden, die Haushaltslage zu richten.

 

-       Es soll eine Effizienzsteigerung bei den Investitionen erreicht und ermöglicht werden.

 

-       Haushaltskonsolidierung ist wichtiges Ziel generationengerechter Verwaltungsführung. Gleichwohl muss am Standort Hilden weiter investiert werden. Hierzu können die geplanten Investitionen in einer Entscheidungsmatrix auf Wichtigkeit und Prioritäten in allen Bereichen bewertet und dann sukzessive durchgeführt werden.

 

-       Ziel ist es, Fehlinvestitionen mit einhergehender unstrukturierter Schuldenpolitik zu vermeiden.


Antragstext:

 

Hiermit beantragen wir die Einführung einer Investitionsgrenze.

 

  1. Die Investitionsquote soll max. 25 % der Gesamteinnahmen p.a. nicht überschreiten.

 

  1. Die Gesamtinvestitionshöhe/Verschuldung der Stadt Hilden soll auf insgesamt 40 Mio. Euro begrenzt werden.

 

  1. Die Refinanzierung der Investitionen ist fristenkongruent vorzunehmen.

Stellungnahme der Verwaltung:

 

Zu den genannten 3 Punkten des FDP-Antrages ist folgendes auszuführen:

 

 

Zu 1.) Die Investitionsquote soll max. 25 % der Gesamteinnahmen p.a. nicht überschreiten.

 

Hierzu wird im Antrag ausgeführt, dass eine Investitionsquote von 25 % der Gesamteinnahmen p.a. nicht überschritten werden soll. Leider ist der Antrag an dieser Stelle unpräzise, weil von Gesamteinnahmen gesprochen wird, die es aber so im NKF nicht „gibt“. Vielmehr wird dort von Erträgen und Aufwendungen (Ergebnishaushalt) und von Ein- und Auszahlungen im Finanzhaushalt gesprochen.

 

In der aktuellen Handreichung zum NKF wird ausgeführt:

 

„Der Leittext für ein doppisches Haushaltswesen der Gemeinden enthält folgende Grundlagen: Der Ressourcenverbrauch und das Ressourcenaufkommen werden durch die Erfassung von Aufwendungen und Erträgen, anstatt durch Ausgaben und Einnahmen, vollständig dargestellt.

Es besteht ein Drei-Komponenten-Rechnungssystem aus Ergebnisrechnung, Finanzrechnung und Bilanz.“

 

Unterstellt, dass mit 25 % der Gesamteinnahmen die gesamten Erträge des Ergebnishaushaltes ohne ILV’S gemeint sind, so würde dieses für den Haushalt 2014 folgendes bedeuten:

 

  • Gesamterträge ohne ILV =     138,6 Mio. €
  • davon 25 % =                            34,7 Mio. € jährlich

      hochgerechnet für den Planungszeitraum von 4 Jahren: 138,6 Mio. €

 

Da die Entwicklung in den Folgejahren ähnlich verläuft, würde diese Begrenzung dazu führen, dass derartige jährliche Investitionen nicht zu finanzieren wären, weil das aktuelle Bruttoinvestitionsvolumen derzeit ganz anders aussieht:

 

2014                = 17,5 Mio. €

2015                = 13,5 Mio. €

2016                = 12,9 Mio. €

2017                = 10,7 Mio. €

Summe:          = 54,6 Mio. €

 

Weiterhin ist zu bedenken, dass durch

 

Ø  unterschiedliche finanzielle Entwicklungen (z.B. bei der Gewerbesteuer)

Ø  die Berücksichtigung des Bruttoprinzips

Ø  mögliche Ertragspositionen aus der Auflösung von Rückstellungen für Wertberichtigungen, Pensionen, Beihilfen, Urlaub, Ãœberstunden etc. es jahresübergreifend zu Veränderungen kommt (ohne Geldzufluss)

                       

die jährliche Investitionsquote, starken Schwankungen unterworfen wäre.

 

Für den Bereich der Investitionsquote gibt es tauglichere Kennzahlen z.B. im NKF-Kennzahlenset.

 

Die „Investitionsquote“ wird dort wie folgt berechnet:

 

Bruttoinvestitionen / (Abgänge des Anlagevermögens + Abschreibungen auf das Anlagevermögen) x 100

 

Die Kennzahl gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang die Kommune neu investiert, um dem Substanzverlust durch Vermögensabgänge und Abschreibungen entgegen zu wirken.

 

Unter Bruttoinvestitionen ist die Summe der Zugänge und Zuschreibungen des Anlagevermögens gemäß  dem Anlagenspiegel nach § 45 GemHVO NRW zu verstehen. Abgänge und  Abschreibungen des Anlagevermögens erklären sich von selbst.

 

Im Handbuch zum NKF-Kennzahlenset NRW des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW (MIK) steht hierzu folgende Erläuterung:

 

„Bei dieser Kennzahl wird der Anteil der Investitionen in Relation zu den Abgängen samt Abschreibungen gesetzt. Als Investitionen werden Zugänge und Zuschreibungen zum Anlagevermögen betrachtet.

 

Eine Investitionsquote von unter 100% führt dauerhaft zum Substanzverlust des Anlagevermögens.

 

Eine Investitionsquote von 100% kann darauf hindeuten, dass die getätigten Investitionen geeignet sind, den bisherigen Status Quo des Anlagevermögens zu bewahren. Zu einer realen Erhaltung des Anlagevermögens ist allein aufgrund von Preissteigerungsraten von einem mindestens den Abschreibungen entsprechenden Investitionsbedarf auszugehen.

 

Ein Kennzahlenwert unter 100 Prozent ist auch dann unproblematisch und sogar geboten, wenn die Kommune zukünftig für ihre Aufgabenerfüllung in der Gesamtbetrachtung weniger Anlagevermögen benötigt. Das kann zum Beispiel mit politischen Entscheidungen zum Rückzug aus einzelnen Aufgabenfeldern (insbesondere im Zuge einer langfristig ausgerichteten Haushaltskonsolidierung), mit einem veränderten Nachfrageverhalten (demographischer Wandel) oder mit Gesetzesänderungen begründet sein. Es muss sich jedoch um eine generelle Tendenz handeln und der Prozess sollte von der Kommune gesteuert werden.

 

Ob das bisher vorgehaltene Niveau des Anlagevermögens geeignet für eine wirtschaftliche und sparsame Erfüllung der Gemeindeaufgaben ist, kann anhand dieser Kennzahl nicht festgestellt werden.“

 

Die Investitionsquote wird auch jährlich im Lagebericht darstellt. 

Aktuell sieht die Investitionsquote wie folgt aus:

 

 

Haushaltsjahr

2011

2012

2013[1]

2014[2]

 

Bruttoinvestitionen

15,0 Mio. €

10,8 Mio. €

9,8 Mio. €

9,3 Mio. €

 

Abgänge + Abschreibungen auf das Anlagevermögen

9,8 Mio. €

9,7 Mio. €

8,5 Mio. €

8,5 Mio. € 

 

Investitionsquote[3]

153,3%

111,5%

116,0%

109,1%

 

 

Die o. g. Werte belegen, dass in den letzten Jahren immer mehr investiert als abgeschrieben  wurde. Ein Substanzverlust ist nicht eingetreten, ganz im Gegenteil.

 

Die NKF-Investitionsquote ist somit ein besserer und tauglicherer Wert die Investitionsquote zu darzustellen. Ober- /Untergrenzen helfen an dieser Stelle nicht weiter. Es gilt das Investitionsvolumen unter Berücksichtigung von Abschreibungen, Abgängen, Besonderheiten etc. zu beleuchten

 

Verwaltungsvorschlag zum Antragspunkt:

 

è Die Investitionsquote auf 25 % der Gesamteinnahmen zu beschränken, macht in Kenntnis der Höhe und der Ausführungen der Verwaltung keinen „Sinn“.  

 

 

 

Zu 2.)  Die Gesamtinvestitionshöhe/Verschuldung der Stadt Hilden soll auf insgesamt 40 Mio. Euro begrenzt werden.

 

Leider ist auch dieser Antragspunkt etwas unpräzise. Gemeint ist sicherlich, dass der Schuldenstand der Stadt Hilden auf 40 Mio. € begrenzt werden sollte.

 

Über Schuldenbremsen wird meistens dort diskutiert, wo sich Schuldenberge angehäuft haben, die nur schwer von künftigen Generationen abgetragen werden können. Ohne ein nachhaltiges Gegensteuern müssten sich unsere Kinder und Enkelkinder durch hohe Zins- und Tilgungszahlungen mit einem immer kleiner werdenden Gestaltungsspielraum auseinander setzen. Zusätzliche Investitionen in Bereiche wie Bildung und Infrastruktur wären dann schwer möglich bzw. unmöglich.

 

Davon ist die Stadt Hilden aber weit entfernt. Sollte sich der Schuldenstand bis 2017 so wie geplant entwickeln, so würde er „nur“ rd. 25 % der Erträge eines Jahres entsprechen. 37,7 Mio.€ Schulden sind zwar viel, aber in Relation zu den getätigten bzw. noch zu tätigen notwendigen Investitionen relativ „wenig“.

 

Die Schuldenübersicht, die den Beratungsstand nach dem Haupt- und Finanzausschuss wiedergibt, zeigt folgendes Bild:

 

Jahr (zum 31.12.)

TEUR

1992

24.851

1995

23.148

2005

24.810

2006

26.148

2007

24.718

2008

23.322

2009

22.168

2010 

20.946

2011

19.541

2012

18.258

2013

16.833

2014 Ansatz

20.231

davon Kreditaufnahmen für Investitionen

4.748

2015 Finanzplan

29.005

davon Kreditaufnahmen für Investitionen

9.871

2016 Finanzplan

33.415

davon Kreditaufnahmen für Investitionen

5.566

2017 Finanzplan

37.569

davon Kreditaufnahmen für Investitionen

5.255

 

 

Ziel des Rates und der Verwaltung war es immer, die Schulden auf das notwendigste Maß zu begrenzen, was in den zurückliegenden Jahren auch immer erreicht wurde.

 

Auf Grund der aktuellen Einflüsse, insbesondere bei der Gewerbesteuer und den zusätzlichen Belastungen durch die Abundanzumlage (8,2 Mio. €), musste die Entwicklung leider so „geplant“ werden.

 

An dieser Stelle soll nochmals gesagt werden, dass Schuldenaufnahmen immer der „allerletzte Schritt“ sind und jeder Mehrertrag dazu führt, dass sich die Kreditermächtigung um diesen Betrag reduziert. Bei der Einführung einer Schuldenobergrenze besteht allerdings das Risiko, dass im Rahmen der Erstellung der Finanzplanung evtl. Investitionen gestrichen werden müssten, obwohl sie eigentlich notwendig und wirtschaftlich wären.

 

Letztendlich hat der Rat der Stadt es jedes Jahr in der Hand, die Verschuldung auf das Maß zu reduzieren, was vertretbar und notwendig ist. Bekanntlich wird die Finanzplanung, mit Ausnahme der Investitionen, die eine VE haben, „zur Kenntnis genommen“. Veränderungen sind in den Folgejahren immer möglich.

 

Die im Antrag genannte Haushaltskonsolidierung kann sich in Teilen sicherlich auch auf Investitionen beziehen. Dreh und Angelpunkt einer Haushaltskonsolidierung sind aber die vielen Projekte und Aktivitäten, die über den Ergebnishaushalt in allen Produkten finanziert werden.

 

Abschließend sei noch der Hinweis gestattet, dass die Stadt Hilden theoretisch schuldenfrei wäre, wenn die im Konzern vorhandenen Finanzmittel  zur Schuldentilgung herangezogen würden. Davon wurde abgesehen, weil auf eine Ausschüttung natürlich Steuern zu zahlen wären (15 % Kapitalertragssteuern zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag).

 

Verwaltungsvorschlag zum Antragspunkt:

 

è Beschlussfassung wird anheim gestellt.

 

 

 

3.    Die Refinanzierung der Investitionen ist fristenkongruent vorzunehmen.

 

Das Prinzip der Fristenkongruenz besagt, dass sich Kapitalherkunft (Passiva) und Kapitalverwendung (Aktiva) in ihrer Fristigkeit entsprechen sollen. Das aufgenommene Kapital und das damit finanzierte Vermögen müssen in ihrer zeitlichen Bindung übereinstimmen.

 

Das Haushaltsrecht sieht allerdings nicht vor, für welche Investitionen Kredite aufgenommen werden - vielmehr gilt das Gesamtdeckungsprinzip.

 

Außerdem ist es so, dass Kredite erst dann aufgenommen wurden und werden, wenn die Liquiditätslage es dauerhaft erfordert.  Der zeitliche Bezug zur Investition ist nicht gegeben.

 

Zudem war es in den zurückliegenden Jahren immer so, dass Kreditverträge für z. B. 5 oder 10 Jahre mit einer anfänglichen Tilgung von 1 oder 2 Prozent vereinbart wurden.  Nach Ablauf des Kreditvertrages muss dann immer geprüft werden, ob dieser umgeschuldet werden muss, weil die Liquiditätslage es nicht anders zulässt, oder ob  der Kredit  zurückgezahlt werden kann. Auch wären im Rahmen der Umschuldung dann höhere Tilgungsleistungen denkbar.

 

Weil im Falle einer Kreditaufnahme der errechnete Betrag ein theoretischer „Mix“ aus vielen Investitionsgütern wie Gebäuden, Straßen, Wegen, Plätzen, Kraftfahrzeugen etc. ist, wäre dieses ein zusätzlicher Aufwand, der wenig Sinn macht, weil im Rahmen der jährlichen Finanzplanung immer wieder zu entscheiden ist, welche Finanzmittel zur Verfügung stehen, welche Kredite zurückgezahlt werden können bzw. welche Neuaufnahmen notwendig sind.

 

Ziel war und ist es immer, die Kredite so schnell wie möglich zurückzuzahlen, um die finanziellen Spielräume zu erhöhen. Es gab bei der Stadt Hilden keine Kredite, die – wie Veröffentlichungen zu entnehmen war – immer nur mit 1 % getilgt wurden und somit eine theoretische Laufzeit von 100 Jahren haben.  

 

Ein Nachweis der fristenkongruenten Aufnahme von Krediten würde in der Zukunft einen zusätzlichen Aufwand verursachen, der vermeidbar ist.

 

 

Verwaltungsvorschlag zum Antragspunkt:

 

è Die fristenkongruente Refinanzierung macht aus den dargestellten Gründen keinen Sinn. Daher sollte dieser Punkt des Antrages abgelehnt werden.

 

 

 

 

 

Horst Thiele



[1] Vorläufiger Wert

[2] Planwert gemäß dem Haushaltsplan 2014 – Stand nach den Beratungen Haupt- und Finanzausschuss am 5. März 2014

[3] Die Investitionsquoten vor 2011 wurden nicht in diese Tabelle aufgenommen, weil durch nachträgliche Korrekturen der Eröffnungsbilanz etc. die Werte nicht „vergleichbar“ sind.