Betreff
Ordnungs- und planungsrechtliche Bewertung von Wettannahmstellen im Stadtgebiet Hilden
Vorlage
WP 09-14 SV 32/026
Aktenzeichen
I/32-MS
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die SPD-Ratsfraktion hat mit dem in der Anlage beigefügten Antrag vom 13.02.2014 die Verwaltung beauftragt, die rechtliche Situation von Wettbüros und Wettannahmestellen sowohl unter ordnungs- wie auch baurechtlicher Sicht zu bewerten.

 

Der Antragsinhalt verweist richtigerweise auf die Unterschiedlichkeit der rechtlichen Betrachtung nach der konkreten ordnungs- bzw. gewerberechtlichen Genehmigungsfähigkeit einer Wettvermittlungsstelle und der grundsätzlichen Frage nach der bau- und planungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Betriebe im Stadtgebiet Hilden.

 

Die hier angesprochenen Fachämter (Planungs- und Vermessungsamt sowie Ordnungsamt) stellen nachfolgend einen rechtlichen Überblick zu diesem Thema dar:

 

 

1. Bewertung der gewerberechtlichen Zulässigkeit durch das Ordnungsamt

 

Der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2012 ist am 01. Juli 2012 in 14 Bundesländern in Kraft getreten. In Nordrhein-Westfalen gilt er seit dem 01. Dezember 2012 und in Schleswig-Holstein seit dem 25. Januar 2013. Vorläufer waren der Lotteriestaatsvertrag von 2004 und der am 01. Januar 2008 in Kraft getretene GlüStV 2008, die beide keine Anforderungen an das gewerbliche Geldspiel enthielten.

Die Ausführungsbestimmungen zum Glücksspielstaatsvertrag sind in Nordrhein-Westfalen im Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW) geregelt.

 

Ein wesentlicher Inhalt des GlüStV und seines Ausführungsgesetzes ist die sog. „Experimentierklausel für Sportwetten“, wonach im Rahmen einer siebenjährigen Befristung deren Veranstaltung und Vermittlung erprobt und somit ausnahmsweise erlaubnisfähig gestellt werden soll.

 

Diese Erlaubnisfähigkeit ist aber nach § 10a GlüStV auf bundesweit insgesamt 20 Konzessionen beschränkt. Das hierzu erforderliche Bewerberverfahren wird durch das Land Hessen durchgeführt.

Nach Abschluss dieses Verfahrens können die Konzessionsnehmer Sportwetten über beauftragte Dritte ähnlich dem „Franchise-Verfahren“ vermitteln lassen. Eine Wettvermittlungsstelle betreibt, wer mit behördlicher Erlaubnis für einen Konzessionsnehmer Sportwetten in Nordrhein-Westfalen in dafür bestimmten Geschäftsräumen vermittelt.

 

Zuständige Erlaubnisbehörde für den Wettvermittler ist nach den Bestimmungen des AG GlüStV die Bezirksregierung Düsseldorf. Die Entscheidungskriterien sind dabei auszugsweise im AG GlüStV mehr oder weniger bestimmt wie folgt definiert:

 

„…Es dürfen nicht mehr Wettvermittlungsstellen unterhalten werden als zur besseren Erreichung der Ziele nach § 1 GlüStV (u.a. Verhinderung der Wettsucht, Suchtbekämpfung, Jugend- und Spielerschutz)…und zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebotes…erforderlich sind. Bei den näheren Festlegungen sind die unterschiedlichen Gefährdungspotentiale der Glücksspiele, insbesondere auch die erhöhte Gefährdung durch Sportwetten…zu berücksichtigen…“

 

Es wird somit deutlich, dass die Stadt Hilden keinen Zugriff auf das gewerberechtliche Genehmigungsverfahren hat. Hiervon unberührt ist jedoch die bau- und planungsrechtliche Bewertung (siehe hierzu Ziffer 2).  

 

Stand heute ist das Konzessions-Bewerberverfahren in Hessen immer noch nicht abgeschlossen, wofür u.a. auch anhängige Klagen einzelner Bewerber verantwortlich sein dürften. Ob und inwieweit hierdurch das Verfahren (noch) weiter in die Länge gezogen wird, kann aktuell nicht seriös beantwortet werden. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass im Zuge der anhängigen Klagen die grundsätzliche Frage nach der Vereinbarkeit des deutschen Glücksspielrechts mit europäischem Recht neuerlich aufgeworfen wird. 

Durch das nicht abgeschlossene Konzessionsverfahren konnte bis heute auch noch keine Erlaubnis für Wettvermittler durch die Bezirksregierung Düsseldorf erteilt werden. Für bereits tätige Sportwettenvermittler ohne Erlaubnis (aktuell einer in Hilden, Fritz-Gressard-Platz) bedeutet dies, dass sich deren Tätigkeit aktuell in einer „rechtlichen Grauzone“ (so die Bezirksregierung in einer Stellungnahme gegenüber der Rheinischen Post vom 06.02.2014) befindet. Diese Aussage kann nach diesseitiger Auffassung als stillschweigende Duldung „illegaler Betriebe“ bis zum Abschluss des Konzessionsverfahrens gewertet werden. 

 

In Hilden (Mittelstr. 62a) vermittelt zudem ein weiterer Betreiber seit dem Jahr 2009 Sportwetten (Pferdewetten). Hierfür liegt jedoch eine gültige Erlaubnis durch die Bezirksregierung Düsseldorf vor.   

 

 

2. Bewertung nach Bau- und Planungsrecht durch das Planungs- und Vermessungsamt

 

A.    In der Baunutzungsverordnung (BauNVO) werden die Baugebiete (die für eine Bebauung

vorgesehenen Flächen) nach der Art ihrer baulichen Nutzung abschließend definiert.

Demnach gibt es derzeit 10 Kategorien von Baugebieten:

Kleinsiedlungsgebiete (WS); Reine Wohngebiete (WR); Allgemeine Wohngebiete

(WA); Besondere Wohngebiete (WB); Dorfgebiete (MD); Mischgebiete (MI);

Kerngebiete (MK); Gewerbegebiete (GW); Industriegebiete (GI) und Sondergebiete

(SO). In den §§ 2 – 11 der BauNVO wird geregelt, welche Nutzungen im Einzelnen in den je-

weiligen Gebietskategorien allgemein, ausnahmsweise oder gar nicht zulässig sind.

 

B.    Im Antrag der SPD werden Wettbüros und Wettannahmestellen angesprochen. Um deren

Einordnung in das System der BauNVO beurteilen zu können, ist zunächst eine Definition  erforderlich.

 

„Als Wettbüro wird eine bauliche Anlage bezeichnet, in der zwischen einem Wettunternehmen und interessierter Kundschaft auf den Ausgang eines bestimmten (Sport)Ereignisses zu festen Gewinnquoten gewettet werden kann. Der Betreiber einer solchen Wettannahmestelle tritt dabei in aller Regel nicht selbst als Veranstalter auf, sondern vermittelt die Transaktionen zwischen dem Kunden und einem Buchmacher über eine bestimmte Software. Die Entgegennahme der Wetten und die Auszahlung der Gewinne erfolgt durch hierfür beschäftigte Personen über ein nur vom Personal zu bedienendes Kassensystem.

Für das Ausfüllen der Wettscheine stehen im Wettbüro Tische und Sitzgelegenheiten zur Verfügung. Die aktuellen Quoten und die Ergebnisse der Wettkämpfe kann der Wettkunde auf Wandmonitoren verfolgen.

Im Unterschied zu einem Ladengeschäft, in dem Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, kommt es den Besuchern eines Wettbüros typischerweise nicht auf die bloße Auswahl und den Erwerb eines Produktes an. Vielmehr macht es den Reiz des Besuchs eines Wettbüros aus, sich dort aufzuhalten, um sich nach Möglichkeit mit anderen auszutauschen, in der Zeit bis zum Eintritt des Wettergebnisses in einer als angenehm empfundenen Weise zu verweilen und gemeinsam vor Monitoren oder einem Beamer dem Wettereignis und Wettergebnis „entgegenzufiebern“. Im Unterschied zur Lottoannahme bedarf das Wetten der ständigen elektronischen Information der Kundschaft, wozu immer ein Bildschirm erforderlich ist, der den notwendigen Aufenthalt der Wettkundschaft belegt.

Wettbüros ziehen aber ähnlich wie Spielhallen oder Geschäfte mit erotischer Ausstrahlung und abweichend von Lotto- und Toto-Annahmestellen ein anderes Publikum an als ein Ladengeschäft. Sie können wie Spielhallen einen „Trading‐down‐Effekt“ auslösen.“

 

(aus: H-U.Stühler, Die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nach der BauNVO und deren Steuerung nach § 9 BauGB; Reutlingen 2013)

Bei Wettbüros handelt es sich nach weit überwiegender Rechtsprechung um eine gewerbliche Nutzung, die als Vergnügungsstätte einzustufen ist.

Wettbüros in der o.g. Ausprägung, also Räumlichkeiten, die sich durch eine Anzahl von Bildschirmen, durch Tische und Sitzgelegenheiten auszeichnen, die Kunden zu einem längeren Verweilen einladen (auch durch gastronomische Angebote) und primär darauf ausgerichtet sind, Sportwetten oder Wetten auf andere Ereignisse zu vermitteln (vorrangiger Geschäftszweck), unterscheiden sich von reinen „Wettannahmestellen“ innerhalb eines anderen Nutzungszusammenhanges (kleine Fläche, kein Aufenthalt, nicht vorrangiger Geschäftszweck).

Zur Verdeutlichung: eine Kombination von Wettannahmestelle und Aufenthaltsmöglichkeiten

(„Nutzungsmischung“) etc. ist ein Wettbüro und damit eine Vergnügungsstätte. Eine Lotto/Toto-Annahmestelle fällt nicht darunter.

 

Des weiteren zu beachten ist noch die sog. „Kerngebietsschwelle“: ab einer Flächengröße von ca. 100m² gilt nicht nur eine Spielhalle als „kerngebietstypisch“ und damit auch nur dort zulässig, die Flächenangabe kann auch auf Wettbüros angewendet werden.

(siehe z.B. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kommentar; Söfker, § 6BauNVO

RNr. 43, 2013)

 

C.   Gemäß der o.g. Definition handelt es sich bei Wettbüros also um Vergnügungsstätten im Sinne der BauNVO, weshalb nun die Baugebietskategorien genannt werden können, in denen Wettbüros/Vergnügungsstätten zulässig sind:

 

· § 4a Besondere Wohngebiete; nach § 4a Abs. 3 Nr. 2 können Vergnügungsstätten aus-

nahmsweise zugelassen werden, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfanges nur im Kerngebiet allgemein zulässig sind.

· § 5 Dorfgebiete; nach § 5 Abs. 3 können ausnahmsweise Vergnügungsstätten im Sinne

des § 4a Abs. 3 Nr. 2 zugelassen werden.

· § 6 Mischgebiete; nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 sind Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs.

3 Nr. 2 in den Teilen des Gebietes, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, zulässig. Nach § 6 Abs. 3 können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 ausnahmsweise außerhalb der in Absatz 2 Nr. 8 bezeichneten Gebiete zugelassen werden.

· § 7 Kerngebiete; gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 sind Vergnügungsstätten zulässig.

· § 8 Gewerbegebiete; nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 können Vergnügungsstätten ausnahmsweise

zugelassen werden.

 

Hierbei gilt: Vergnügungsstätte inkl. Wettbüro und: in den anderen Kategorien nicht zulässig.

Wettannahmestellen sind grundsätzlich in allen Gebietskategorien zulässig.

 

D.   Das Baugesetzbuch (BauGB) eröffnet in seinem § 9 „Inhalt des Bebauungsplanes“ die Möglichkeit, in Korrespondenz mit der Baunutzungsverordnung aus städtebaulichen Gründen die Art und das Maß der baulichen Nutzung festzusetzen.

Die BauNVO liefert hierzu in § 1 Abs. 4 – 10 die Differenzierungsmöglichkeiten, also Nutzungen ganz oder teilweise auszuschließen oder zuzulassen.

Die Kernaussage hierbei ist, dass bei aller Differenzierung die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleiben muss.

 

E.    Für alle Ausgestaltungen von Nutzungen in den Baugebietskategorien gilt zudem § 15 Abs. 1 BauNVO, insbesondere bei Vorhandensein eines rechtskräftigen Bebauungsplanes:

 

„Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.“

 

 

 

 

gez. Horst Thiele

Bürgermeister