Beschlussvorschlag:
Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
Erläuterungen und Begründungen:
Die SPD-Ratsfraktion hat mit dem in der Anlage beigefügten Antrag vom 13.02.2014 die Verwaltung beauftragt, die rechtliche Situation von Wettbüros und Wettannahmestellen sowohl unter ordnungs- wie auch baurechtlicher Sicht zu bewerten.
Der Antragsinhalt verweist richtigerweise auf die Unterschiedlichkeit der rechtlichen Betrachtung nach der konkreten ordnungs- bzw. gewerberechtlichen Genehmigungsfähigkeit einer Wettvermittlungsstelle und der grundsätzlichen Frage nach der bau- und planungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Betriebe im Stadtgebiet Hilden.
Die hier angesprochenen Fachämter (Planungs- und Vermessungsamt sowie Ordnungsamt) stellen nachfolgend einen rechtlichen Überblick zu diesem Thema dar:
1.
Bewertung der gewerberechtlichen Zulässigkeit durch das Ordnungsamt
Der Glücksspielstaatsvertrag
(GlüStV) 2012 ist am 01. Juli 2012 in 14 Bundesländern in Kraft getreten. In
Nordrhein-Westfalen gilt er seit dem 01. Dezember 2012 und in
Schleswig-Holstein seit dem 25. Januar 2013. Vorläufer waren der
Lotteriestaatsvertrag von 2004 und der am 01. Januar 2008 in Kraft getretene
GlüStV 2008, die beide keine Anforderungen an das gewerbliche Geldspiel
enthielten.
Die Ausführungsbestimmungen zum
Glücksspielstaatsvertrag sind in Nordrhein-Westfalen im Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG
GlüStV NRW) geregelt.
Ein wesentlicher Inhalt des GlüStV
und seines Ausführungsgesetzes ist die sog. „Experimentierklausel für
Sportwetten“, wonach im Rahmen einer siebenjährigen Befristung deren Veranstaltung
und Vermittlung erprobt und somit ausnahmsweise erlaubnisfähig gestellt werden
soll.
Diese Erlaubnisfähigkeit ist aber nach § 10a GlüStV auf bundesweit
insgesamt 20 Konzessionen beschränkt. Das hierzu erforderliche
Bewerberverfahren wird durch das Land Hessen durchgeführt.
Nach Abschluss dieses Verfahrens können die Konzessionsnehmer
Sportwetten über beauftragte Dritte ähnlich dem „Franchise-Verfahren“
vermitteln lassen. Eine Wettvermittlungsstelle betreibt, wer mit behördlicher
Erlaubnis für einen Konzessionsnehmer Sportwetten in Nordrhein-Westfalen in
dafür bestimmten Geschäftsräumen vermittelt.
Zuständige Erlaubnisbehörde für den Wettvermittler ist nach den
Bestimmungen des AG GlüStV die Bezirksregierung Düsseldorf. Die
Entscheidungskriterien sind dabei auszugsweise im AG GlüStV mehr oder weniger
bestimmt wie folgt definiert:
„…Es dürfen nicht mehr
Wettvermittlungsstellen unterhalten werden als zur besseren Erreichung der
Ziele nach § 1 GlüStV (u.a. Verhinderung der
Wettsucht, Suchtbekämpfung, Jugend- und Spielerschutz)…und zur Sicherstellung eines ausreichenden
Glücksspielangebotes…erforderlich sind. Bei den näheren Festlegungen sind die
unterschiedlichen Gefährdungspotentiale der Glücksspiele, insbesondere auch die
erhöhte Gefährdung durch Sportwetten…zu berücksichtigen…“
Es wird somit deutlich, dass die Stadt Hilden keinen Zugriff auf das
gewerberechtliche Genehmigungsverfahren hat. Hiervon unberührt ist jedoch
die bau- und planungsrechtliche Bewertung (siehe hierzu Ziffer 2). Â
Stand heute ist das Konzessions-Bewerberverfahren in Hessen immer noch
nicht abgeschlossen, wofür u.a. auch anhängige Klagen einzelner Bewerber
verantwortlich sein dürften. Ob und inwieweit hierdurch das Verfahren (noch)
weiter in die Länge gezogen wird, kann aktuell nicht seriös beantwortet werden.
Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass im Zuge der anhängigen Klagen
die grundsätzliche Frage nach der Vereinbarkeit des deutschen Glücksspielrechts
mit europäischem Recht neuerlich aufgeworfen wird.Â
Durch das nicht abgeschlossene Konzessionsverfahren konnte bis heute
auch noch keine Erlaubnis für Wettvermittler durch die Bezirksregierung
Düsseldorf erteilt werden. Für bereits tätige Sportwettenvermittler ohne
Erlaubnis (aktuell einer in Hilden, Fritz-Gressard-Platz) bedeutet dies,
dass sich deren Tätigkeit aktuell in einer „rechtlichen Grauzone“ (so die
Bezirksregierung in einer Stellungnahme gegenüber der Rheinischen Post vom
06.02.2014) befindet. Diese Aussage kann nach diesseitiger Auffassung als
stillschweigende Duldung „illegaler Betriebe“ bis zum Abschluss des
Konzessionsverfahrens gewertet werden.Â
Â
In Hilden (Mittelstr. 62a) vermittelt zudem ein weiterer Betreiber seit
dem Jahr 2009 Sportwetten (Pferdewetten). Hierfür liegt jedoch eine gültige
Erlaubnis durch die Bezirksregierung Düsseldorf vor.  Â
2. Bewertung nach Bau- und Planungsrecht durch das Planungs- und
Vermessungsamt
A.   In der Baunutzungsverordnung
(BauNVO) werden die Baugebiete (die für eine Bebauung
vorgesehenen
Flächen) nach der Art ihrer baulichen Nutzung abschließend definiert.
Demnach gibt es
derzeit 10 Kategorien von Baugebieten:
Kleinsiedlungsgebiete (WS); Reine Wohngebiete (WR); Allgemeine
Wohngebiete
(WA); Besondere Wohngebiete (WB); Dorfgebiete (MD); Mischgebiete (MI);
Kerngebiete (MK); Gewerbegebiete (GW); Industriegebiete (GI) und
Sondergebiete
(SO). In den §§ 2 – 11 der BauNVO wird geregelt, welche Nutzungen im
Einzelnen in den je-
weiligen Gebietskategorien allgemein, ausnahmsweise oder gar nicht
zulässig sind.
B.   Im Antrag der SPD werden
Wettbüros und Wettannahmestellen angesprochen. Um deren
Einordnung in das System der BauNVO beurteilen zu können, ist zunächst
eine Definition erforderlich.
„Als Wettbüro wird
eine bauliche Anlage bezeichnet, in der zwischen einem Wettunternehmen und interessierter
Kundschaft auf den Ausgang eines bestimmten (Sport)Ereignisses zu festen
Gewinnquoten gewettet werden kann. Der Betreiber einer solchen
Wettannahmestelle tritt dabei in aller Regel nicht selbst als Veranstalter auf,
sondern vermittelt die Transaktionen zwischen dem Kunden und einem Buchmacher
über eine bestimmte Software. Die Entgegennahme der Wetten und die Auszahlung
der Gewinne erfolgt durch hierfür beschäftigte Personen über ein nur vom
Personal zu bedienendes Kassensystem.
Für das Ausfüllen
der Wettscheine stehen im Wettbüro Tische und Sitzgelegenheiten zur Verfügung.
Die aktuellen Quoten und die Ergebnisse der Wettkämpfe kann der Wettkunde auf
Wandmonitoren verfolgen.
Im Unterschied zu
einem Ladengeschäft, in dem Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, kommt
es den Besuchern eines Wettbüros typischerweise nicht auf die bloße Auswahl und
den Erwerb eines Produktes an. Vielmehr macht es den Reiz des Besuchs eines
Wettbüros aus, sich dort aufzuhalten, um sich nach Möglichkeit mit anderen
auszutauschen, in der Zeit bis zum Eintritt des Wettergebnisses in einer als
angenehm empfundenen Weise zu verweilen und gemeinsam vor Monitoren oder einem
Beamer dem Wettereignis und Wettergebnis „entgegenzufiebern“. Im Unterschied
zur Lottoannahme bedarf das Wetten der ständigen elektronischen Information der
Kundschaft, wozu immer ein Bildschirm erforderlich ist, der den notwendigen
Aufenthalt der Wettkundschaft belegt.
Wettbüros ziehen
aber ähnlich wie Spielhallen oder Geschäfte mit erotischer Ausstrahlung und
abweichend von Lotto- und
Toto-Annahmestellen ein anderes Publikum an als ein Ladengeschäft. Sie können
wie Spielhallen einen „Tradingâ€downâ€Effekt“ auslösen.“
(aus:
H-U.Stühler, Die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten nach der BauNVO und deren
Steuerung nach § 9 BauGB; Reutlingen 2013)
Bei Wettbüros handelt es sich nach weit überwiegender Rechtsprechung um
eine gewerbliche Nutzung, die als Vergnügungsstätte einzustufen ist.
Wettbüros in der o.g. Ausprägung, also Räumlichkeiten, die sich durch
eine Anzahl von Bildschirmen, durch Tische und Sitzgelegenheiten auszeichnen,
die Kunden zu einem längeren Verweilen einladen (auch durch gastronomische
Angebote) und primär darauf ausgerichtet sind, Sportwetten oder Wetten auf
andere Ereignisse zu vermitteln (vorrangiger Geschäftszweck), unterscheiden
sich von reinen „Wettannahmestellen“ innerhalb eines anderen Nutzungszusammenhanges
(kleine Fläche, kein Aufenthalt, nicht vorrangiger Geschäftszweck).
Zur Verdeutlichung: eine Kombination von Wettannahmestelle und
Aufenthaltsmöglichkeiten
(„Nutzungsmischung“) etc. ist ein Wettbüro und damit eine Vergnügungsstätte.
Eine Lotto/Toto-Annahmestelle fällt nicht darunter.
Des weiteren zu beachten ist noch die sog. „Kerngebietsschwelle“: ab
einer Flächengröße von ca. 100m² gilt nicht nur eine Spielhalle als
„kerngebietstypisch“ und damit auch nur dort zulässig, die Flächenangabe kann
auch auf Wettbüros angewendet werden.
(siehe
z.B. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kommentar; Söfker, § 6BauNVO
RNr.
43, 2013)
C.  Gemäß
der o.g. Definition handelt es sich bei Wettbüros also um Vergnügungsstätten im
Sinne der BauNVO, weshalb nun die Baugebietskategorien genannt werden können,
in denen Wettbüros/Vergnügungsstätten zulässig sind:
· § 4a Besondere Wohngebiete; nach § 4a Abs. 3
Nr. 2 können Vergnügungsstätten aus-
nahmsweise zugelassen werden, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung
oder ihres Umfanges nur im Kerngebiet allgemein zulässig sind.
· § 5 Dorfgebiete; nach § 5 Abs. 3 können ausnahmsweise
Vergnügungsstätten im Sinne
des § 4a Abs. 3 Nr. 2 zugelassen werden.
· § 6 Mischgebiete; nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 sind
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs.
3 Nr. 2 in den Teilen des Gebietes, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen
geprägt sind, zulässig. Nach § 6 Abs. 3 können Vergnügungsstätten im Sinne des
§ 4a Abs. 3 Nr. 2 ausnahmsweise außerhalb der in Absatz 2 Nr. 8 bezeichneten
Gebiete zugelassen werden.
· § 7 Kerngebiete; gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 sind
Vergnügungsstätten zulässig.
· § 8 Gewerbegebiete; nach § 8 Abs. 3
Nr. 3 können Vergnügungsstätten ausnahmsweise
zugelassen werden.
Hierbei gilt: Vergnügungsstätte inkl. Wettbüro und: in den anderen
Kategorien nicht zulässig.
Wettannahmestellen sind grundsätzlich in allen Gebietskategorien
zulässig.
D.  Das
Baugesetzbuch (BauGB) eröffnet in seinem § 9 „Inhalt des Bebauungsplanes“ die
Möglichkeit, in Korrespondenz mit der Baunutzungsverordnung aus städtebaulichen
Gründen die Art und das Maß der baulichen Nutzung festzusetzen.
Die BauNVO liefert hierzu in § 1 Abs. 4 – 10 die
Differenzierungsmöglichkeiten, also Nutzungen ganz oder teilweise
auszuschließen oder zuzulassen.
Die Kernaussage hierbei ist, dass bei aller Differenzierung die
allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleiben muss.
E.   Für
alle Ausgestaltungen von Nutzungen in den Baugebietskategorien gilt zudem § 15
Abs. 1 BauNVO, insbesondere bei Vorhandensein eines rechtskräftigen Bebauungsplanes:
„Die in den §§ 2
bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig,
wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des
Baugebietes widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen
Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets
im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie
solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.“
gez. Horst Thiele
Bürgermeister