Betreff
Anregung gem. § 24 GO NRW
Durchführung eines Pilotprojektes "Urban-Gardening" oder "Essbare Stadt" auf dem Gelände der Albert-Schweitzer-Schule
Vorlage
WP 09-14 SV 61/215
Aktenzeichen
IV/61.1 Groll_BPlan 254
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

 

Obwohl Hilden eine Stadt mitten im Grünen ist, gibt es auch hier das Problem, dass Natur von vielen Menschen, insbesondere Kindern, kaum mehr erlebt wird. Natur ist schließlich mehr als nur Gras und Bäume.

Besonders die Vielzahl an essbaren Pflanzen ist für viele Menschen heute nicht mehr greifbar.

 

Die informellen Bürgerbewegungen „Urban Gardening“ und „Essbare Stadt“ versuchen dem seit Jahren entgegen zu wirken. Sie schaffen in verschiedenen Modellen – von fest installierten Gärten wie dem Berliner Prinzessinnengarten, bis zu mobilen Pflanzstationen – erlebbaren und essbaren ökologischen Nutzraum mitten in der Stadt. Während es im Supermarkt und selbst auf dem Wochenmarkt nur eine kleine Anzahl unterschiedlicher, oft hochgezüchteter Obst- und Gemüsesorten gibt, werden in diesen städtischen Naturenklaven häufig exotische und vom Aussterben bedrohte Sorten angepflanzt. Das Erleben von Säen, Wachsen und Ernten ermöglicht es auch den Bewohnern der Stadt, Natur zu genießen.

 

„Urban Gardening“ und „Essbare Stadt“ sind zudem Konzepte, die das Zusammenleben der Nutzer fördern und sich häufig auch zu interkulturellen Treffpunkten entwickeln. Im Gegensatz zu Schrebergärten sind diese Projekte für die Nutzer nicht an eine langfristige Investition von Zeit und Geld gebunden und nur einem kleinen Kreis von Mitgliedern zugänglich, sondern explizit für die gesamte Bürgerschaft als niederschwelliges Angebot gedacht. Das Prinzip ist: wer will macht mit, ohne große Aufnahmehürden und langfristige finanzielle Verpflichtung.

 

Beide Nutzungsmöglichkeiten können sowohl fest installiert als auch mobil eingerichtet werden. Ein gutes Beispiel für mobiles Urban Gardening zeigt die Zwischennutzung des Flughafengeländes Berlin-Tempelhof, wo Pflanzen auf Paletten gezogen werden, wodurch ein 5000 Quadratmeter großer improvisierter Stadtgarten entstanden ist. Der Betreiberverein „Allmende-Kontor“ hat dabei von vorneherein das Ende des Projektes im Jahr 2016 eingeplant und alle Pflanzungen so angelegt, dass sie in kürzester Zeit abgebaut und – falls sich ein neues Gelände findet – an anderer Stelle wieder aufgebaut werden können.

 

Bei allen Projekten dieser Art zeigt sich, dass die neuen Gemeinschaftsgärten zu einem Treffpunkt und Veranstaltungsort werden, dessen Einfluss weit über den lokalen Wirkungskreis hinausgeht. So wurde beispielsweise die „Essbare Stadt Kassel“ intensiv in die dokumenta 12 einbezogen. Die Möglichkeiten, die sich hier für die Außen- und Innenwirkung der Stadt Hilden bieten, sind nur durch die Fantasie und das Engagement der Mitwirkenden begrenzt.


Antragstext:

 

Der Arbeitskreis Kommunalpolitik Hilden der Piratenpartei NRW und der Antragsteller Andres Benoit bitten den Rat und die Verwaltung der Stadt Hilden darum, sich bei den Planungen für eine Neunutzung des Albert-Schweitzer-Geländes mit folgender Frage zu beschäftigen:

 

Ist das Albert-Schweitzer-Gelände geeignet, um auf den noch unbebauten Flächen ein Pilotprojekt für Urban Gardening oder „Essbare Stadt“ durchzuführen?


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Bevor im Einzelnen auf den Antrag selbst eingegangen wird, sollen zum besseren Verständnis die beiden Begriffe „Urban Gardening“ und „Essbare Stadt“ kurz erläutert werden.

 

„Urban Gardening“:

 

Im Kern geht es zunächst um „Landwirtschaft“ in einem städtischen Umfeld, innerhalb der bebauten Teile einer Stadt. Die Anlage von Nutzgärten für und durch die Stadtbevölkerung gibt es schon seit Jahrhunderten. Die Gärten wurden und werden auf den eigenen Grundstücken angelegt oder auf Gemeinschaftsgrundstücken.

Ziel damals wie heute war zunächst die Teil-Versorgung mit lokal angebauten Produkten, insbesondere Obst und Gemüse.

Auch in Hilden hat es im vergangenen 20.Jahrhundert insbesondere nach dem I. und II.Weltkrieg eine Reihe von Siedlungen gegeben, die über große Grundstücke für Selbstversorgergärten verfügten.

Diese Funktion wurde in den meisten Fällen bis heute aufgegeben und auf den Grundstücken Ziergärten angelegt bzw. die Grundstücke verkleinert, bebaut oder sonstwie anders genutzt.

 

Im aktuellen Kontext wird unter „Urban gardening“ insbesondere die erneute (Teil-) Versorgung einer zunehmend verstädterten Bevölkerung mit Obst- und Gemüseprodukten verstanden.

Je kleiner der Anteil privat nutzbarer Grünflächen, desto größer das Bedürfnis betroffener Bevölkerungsschichten nach Ersatz – auch in Form von Flächen für „Urban Gardening“.

 

Aus diesem Grund finden sich aktuelle Formen und Beispiele für „Urban Gardening“ in Deutschland in erster Linie in den Großstädten, etwa Berlin, Hamburg, München, Köln. In unserer Region gibt es entsprechende Projekte in Wuppertal.

 

In der Regel verfügen diese Projekte über eine Form der Selbstorganisation, meist als gemeinnütziger Verein.

 

„Essbare Stadt“:

 

Hierbei handelt es sich um eine Variante des Urban Gardening, die noch stärker darauf ausgerichtet ist, in der Stadt eine neue Qualität der Freiraumnutzung zu erreichen, und zwar durch die Anreicherung der Stadt mit Fruchtgehölzen und Nutzbiotopen.

Die erzeugten Produkte, die überall im Stadtgebiet angebaut werden sollen, sind nach dem Motto „Pflücken erlaubt statt Betreten verboten“ für die Bewohner der Stadt frei und kostenlos.

 

In NRW ist es die Stadt Minden, die erste Schritte in diese Richtung gegangen ist. Bundesweit bekannt sind zudem die Stadt Andernach (Rheinland-Pfalz) und die Stadt Kassel (Hessen).

 

Die Dauerhaftigkeit der angelegten Nutzpflanzen-Flächen wird in Andernach durch die Stadt selbst bzw. eine gemeinnützige GmbH gewährleistet, auch anderswo ist die Kooperation mit den Städten für das Funktionieren eine wichtige Voraussetzung.

 

Nun zum Antrag auf Gelände der Albert-Schweitzer-Schule ein vergleichbares Projekt zu initieren:

 

Aus Sicht der Verwaltung sollte dem Antrag nicht gefolgt werden. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

 

1.       Hilden ist von seiner städtischen Struktur her nicht mit den genannten Großstädten vergleichbar. Zwar ist Hilden dicht besiedelt und verfügt nur über wenige öffentliche Freiflächen im unmittelbar bebauten Siedlungsraum. Jedoch wird dies in weiten Teilen deutlich kompensiert durch vielfältige private Grün- und Freiflächen. Dazu kommt ein umfangreiches Angebot an Kleingartenflächen. Bei diesen gibt es derzeit keinen Nachfragedruck.

 

2.       Die in den größten deutschen Städten für das „Urban Gardening“ affinen sozialen Gruppierungen, insbesondere eine relevante studentische „Szene“, sind in Hilden nicht vorzufinden. Hilden ist dazu zu klein und von seiner Sozialstruktur her zu wenig differenziert.
Es kann mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob es in Hilden ein ausreichend großes Bevölkerungsreservoir gibt, welches für ein längerfristiges Engagement in einem einschlägigen Projekt erforderlich ist.

 

3.       Eine organisierte Nachfrage nach Flächen für „Urban Gardening“ oder für die „Essbare Stadt“ hat es bisher nicht gegeben. Die Beispiele aus anderen Städten zeigen jedoch, dass für ein über längere Zeit funktionierendes Projekt Organisationsstrukturen (wie etwa ein Verein) unabdingbar sind. Diese werden insbesondere als Ansprechpartner für die Stadt und neue Interessenten gebraucht.
Es gibt allerdings ein kleines selbstorganisiertes „Pilot-Projekt“ auf der städtischen Fläche im Eckbereich von Feldstraße und Poststraße, bei dem vor einigen Wochen die ersten Pflanzen gesetzt wurden. Dort befindet man sich jetzt in einer „Testphase“, in der man die Reaktion der Quartiersbevölkerung abwarten möchte.

 

4.       Je nach Nachfrage und Fläche müssen praktische Aspekte durch die Stadt organisiert werden, etwa die Wasserver-und Entsorgung, die Müllabfuhr und die Erschließung (Parkplätze für Besucher). Im Bereich der Albert-Schweitzer-Schule wäre das angesichts der beantragten Flächen-Größe sicher erforderlich.

 

5.       Der Zuschussbedarf für die Einrichtung eines solchen Projektes ist nicht kalkulierbar. Zwar wird das Thema Spenden aufkommen, vielleicht auch der Verkauf produzierten Obst und Gemüses. Insbesondere bei einem Projekt auf städtischem Grund und Boden wird aber eine finanzielle oder geldwerte Beteiligung der Stadt immer zu diskutieren sein.

 

6.       Das Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan Nr. 254 (mit 46. Änderung des Flächennutzungsplanes) ist mittlerweile weit fortgeschritten. Die Offenlage ist durchgeführt, in gleicher Sitzung stehen die Abhandlung der Anregungen aus der Offenlage sowie der Satzungsbeschluss an. Die Chance, auf dem Gelände der Albert-Schweitzer-Schule ein modernes und zukunftsfähiges innenstadtnahes Wohnquartier zu errichten, sollte nicht vertan werden. Dies gilt insbesondere auch für die Möglichkeit, hier in Teilen öffentlich geförderte Wohnungen durch die stadteigene WGH errichten zu lassen.

 

Abschließend ist die Verwaltung der Auffassung, dass dem Antrag nicht statt gegeben werden sollte, da das Gelände der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule dafür zu wertvoll und zu groß ist. Vielmehr sollte man den Verlauf des Projektes an der Feldstraße/Poststraße aufmerksam beobachten und bei einer positiven Entwicklung andere, kleinere (und damit für den Gedanken „Urban Gardening“ leichter zugängliche) städtische Flächen für konkrete Interessenten zur Verfügung stellen.

 

gez.
H. Thiele


Finanzielle Auswirkungen  

 

Finanzielle Auswirkungen (ja/nein)

nein

Produktnummer / -bezeichnung

 

 

Investitions-Nr./ -bezeichnung:

 

 

Haushaltsjahr:

 

Pflichtaufgabe oder

freiwillige Leistung/Maßnahme

Pflicht-

aufgabe

 

(hier ankreuzen)

freiwillige

Leistung

 

(hier ankreuzen)

 

 

Die Mittel stehen in folgender Höhe zur Verfügung:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Mehrbedarf besteht in folgender Höhe:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Deckung ist gewährleistet durch:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stehen für den o. a. Zweck Mittel aus entsprechenden Programmen des Landes, Bundes oder der EU zur Verfügung? (ja/nein)

ja

 

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Freiwillige wiederkehrende Maßnahmen sind auf drei Jahre befristet.

Die Befristung endet am: (Monat/Jahr)

 

 

Wurde die Zuschussgewährung Dritter durch den Antragsteller geprüft – siehe SV?

ja

 

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Finanzierung:

 

 

 

Vermerk Kämmerer