Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.
Erläuterungen und Begründungen:
Seit August 2011 nimmt Hilden am vom Landschaftsverband Rheinland auf
drei Jahre gefördertem Projekt –Teilhabe sichern, Netzwerke gegen Kinderarmut –
als eine von 10 geförderten Kommunen teil. Ziel ist, über eine
Netzwerkkoordination ein präventiv arbeitendes, gesteuertes Netzwerk zur
Kinderarmutsprävention zu installieren.
1.        Kinderarmut – eine
Einführung
Gesellschaftliche Veränderungen, immer schnellere und bessere
Möglichkeiten des Wissenstransfers, internationale Vergleiche lassen Bildungs-,
Lebens- und Armutsbiographien gerade von Kindern im politischen Raum in den
Blickpunkt rücken.
„In Deutschland ist jedes fünfte Kind arm.“ so bereits der Wochenbericht
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung des Jahres 2002. (Mittelmaß fürKinder,
Unicef-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland, Beck Verlag, München, 2008)
“Jedes sechste Kind in Deutschland ist von Armut betroffen;“ das besagt
der Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland von Unicef aus Mai 2008. (DIW Berlin, Wochenbericht
5/2002)
Laut Kinderschutzbund leben in Deutschland ca. 2,5 Mio Kinder unterhalb
der Armutsgrenze; 1,8 Mio davon sind unter 15 Jahre alt; das sind 18,7 % der
Gesamtbevölkerung Deutschlands. (Deutscher Kinderschutz Bundesverband e.V. Veröffentlichung 2011)Â
Der OECD Armutsbericht spricht neben der ökonomischen Armut auch von
Bildungsarmut, schlechte Chancen bei der Erlangung eines Schulabschlusses und
von einem erhöhten Krankheitsrisiko. Als Ursachen für Armut in Deutschland
werden hauptsächlich Arbeitslosigkeit, alleine Kinder erziehen, Kinderreichtum
und Migrationshintergrund genannt. Unter dieser Deregulierung leidet zunehmend
das soziale Gleichgewicht in unserer Gesellschaftsstruktur. Kinder schlecht
ausgebildeter Eltern schneiden im OECD-Bildungsvergleich um 1/5 schlechter ab
als Kinder bildungsnaher Familien. Im internationalen Vergleich liegt
Deutschland von 29 untersuchten Ländern am unteren Ende der Bildungsskala. (www.oecd.org/de/bildungaufeinenblick)
Kinder haben keine Chance, alleine ihre prekäre Lage zu verändern und
ihre Möglichkeiten zur Teilhabe in der Gesellschaft verbessern. Arme Kinder
kommen aus armen Familien und werden arme Erwachsene werden, wenn diese Spirale
nicht aktiv durch entsprechende Maßnahmen unterbrochen wird.
 Die Zugehörigkeit armutsgefährdeter
Kinder zu bestimmten Gruppen (Alleinerziehende, junge Eltern, ethnische
Zugehörigkeit, arbeitslose oder geringbeschäftigte Eltern) unterscheidet sich
in Europa und den USA kaum. Ãœberall haben die in Armut aufwachsen den Kinder
ungünstigere Entwicklungschancen.
Daher ähneln sich die Ziele EU-weit:
•          Verbesserung der
finanziellen Lage der Familien
•          Vermeidung von
Ausgrenzung durch Armut
•          Vermeidung von
Vererbung von Armut über Generationen
Auch die Strategien, diese Ziele umzusetzen, sind gleich:
•          Erhöhung der
finanziellen Ressourcen
•          Verringerung der
Ausgaben von Familien (z. B. kostenfreie Kinderbetreuungsplätze)
•          Strategien, die auf das
Wohlergehen der Kinder ausgerichtet ist (integrative Bildung, Stärkung der Handlungskompetenz
lokaler Netzwerke, Entwicklung von Diensten zum Kinderschutz, Stärkung der
Familien). (Europäische
Kommission, Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung der sozialen
Ausgrenzung, Vermeidung und Verringerung von Kinderarmut, 2005)
Die Sozialarbeiterin und Politikwissenschaftlerin Gerda Holz,
Mitarbeiterin am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, dort tätig in
der Praxisforschung Armut bei Kindern unterscheidet zwei Handlungsebenen des Entgegenwirkens bei
Kinderarmut:
•          Strukturelle
Armutsprävention
Gestaltung/Veränderung von Verhältnissen,
z.B. durch armutsfeste Grundsicherung sowie umfassende und qualifizierte
öffentliche Infrastruktur
•          Individuelle Förderung
und Stärkung
Gestaltung/Veränderung von Verhalten/Handeln
durch Angebote/Maßnahme über öffentliche Infrastruktur, individuelle Zeit und
Kompetenz
Sie nimmt die Umgebung des Kindes in den Fokus und rät, dort feste
Bildungs- und Freizeitangebote zu installieren um eine individuelle Stärkung
und Förderung gerade benachteiligter Kinder zu erreichen. Holz benennt diese Ebenen
als entscheidend in der Armutsbekämpfung und -prävention.
Dr. R. Lutz, Professor an der FH Erfurt, erklärt, dass der Begriff
Armutsprävention weit und zugleich strukturell unklar umrissen ist.
Programme zur Armutsprävention sollten Perspektivfindung, Unterstützung
im Alltag und Hilfen im sozialräumlichen
Kontext für Familien und Kinder umreißen - das Einrichten von Schutzfaktoren
und die Förderung von Resilienz sollten klare Ziele sein.Â
Somit dürfen Ansätze zur Prävention von Kinderarmut nicht nur
lediglich schlechte Bedingungen von
Kindern als Folge von Armut berücksichtigen, sondern sollten auch - oder gerade
- die ökonomischen und sozialen Verhältnisse der gesamten Familie
berücksichtigen. (Lutz,
Ronald, Verwirklichungskulturen als kommunale Armutsprävention in Lutz, R. ;
Hammer, V. (Hrsg.) Wege aus der Kinderarmut, Juventa, 2010,
IT
NRW, Landesdatenbank, Stand: 12.07.2011)
Armut stellt sich laut der Definition des
Sozialberichtes für das Landes NRW (2007) so dar:
Einzelpersonen, die 50% des bedarfgewichtigen Äquivalenzeinkommens, also
637 € zur Verfügung haben, werden als „arm“ bezeichnet, – ‚armutsnah’ wird mit 60%, also 765 €
beziffert. (vgl. MAGS, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales,
Sozialbericht NRW online, 2009)
Der Familienbericht
Hilden 2010 (Familienbericht
Stadt Hilden 2010 – Lebenslage und Zufreiedenheit von Familien, Faktor Familie
GmbH, Prof. Dr. Klaus P. Strohmeier, wissenschaftl. Direktor) stellt die
sozio-ökonomische Situation besonders der Kinder mit folgenden Determinanten in
den Focus:
Das Armutsrisiko für
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Kinder mit
Migrationshintergrund
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Kinder aus
Ein-Elternfamilien
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Kinder mit einer
Vielzahl an Geschwistern steigt!
Anteil der Kinder
unter 15 Jahre im SGB II Bezug an allen unter 15-Jährigen in Hilden
15.9% bundesweit
Anteil der Kinder
unter 3 Jahre im SGB II Bezug an allen unter 3-Jährigen in Hilden
19,8% bundesweit
Â
Anteil der
Haushalte mit Kindern an allen Haushalten mit SGB II Bezug in Hilden:
           2007 – 34 %
           2008 – 34%
           2009 – 32%
 KONZEPT PROTEKT
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Ziel des Teilhabekonzeptes ist es, die
Abwärtsbewegung aus Armut in der Kindheit zum Unterstützungsbedarf im
Erwachsenenalter aufzufangen und schon Kindern eine gerechte Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen!
Pro-Te-Kt ist ein nahtloser Betreuungsring, der von der frühesten
Kindheit bis zum Berufseinstieg junger Menschen eine lückenlose Betreuung zur
Sicherung von Teilhabe anbietet. Die angewandten Strategien sind je nach Bedarf
eltern-, kind, oder sozialraumorientiert.
Dieser Betreuungsring gliedert sich in folgende
Maßnahmenblöcke:
1.   Sicher
starten! Hildens früheste Hilfen
2.   Von Grund auf! Kinder in
frühpädagogischen Einrichtungen
    3.   Bildungspäckchen! Das Recht von
Kindern auf Bildung
    4.   In Bewegung! Sport für Kinder
    5.   Keiner ist allein! Empoweringangebote
    6.   Ganz günstig! Sicherung von
Teilhabemöglichkeiten
    7.   Ethno – logisch! Angebote speziell für
Familien und Kinder mit Migrationshintergrund
    8.   Die Lücke schließen
Nur unter Mithilfe aller relevanten Hildener
Akteure wie federführend das Amt für Jugend, Schule und Sport, Familienzentren,
Beratungsstellen, Gesundheitsamt, Freie Träger kann Teilhabe für Kinder
verbindlich und aufeinander abgestimmt werden.
Aufgaben, Arbeitsweise, Grundgedanken des
Pro-Teilhabe-Konzeptes „Pro-Te-Kt“:
- Für eine zukunftsorientierte,
nachhaltige Verbesserung der Teilhabe benachteiligter Kinder und deren Familien
in Hilden erarbeitet die Koordinierungsstelle ein tragfähiges Konzept,
integriert in das bereits vorhandene Netzwerk - der Bildungskoordination
- Die Anwendung methodischer Verfahren
zur Erhebung von Daten, und dieÂ
analytische Datenauswertung stellt einen ersten Arbeitsschwerpunkt
für die interdisziplinäre und methodisch vielfältig arbeitende Koordinationsstelle
Armut dar; dazu gehört eine Analyse bereits vorhandener kommunaler
Angebote und Weiterentwicklungsmöglichkeiten
(Expertenrunde zum
Thema Armutsprävention und die Erarbeitung weiterer Handlungsfelder, Fragebogenaktion
KiTas, Grundschulen, weiterführende Schulen – Eltern- und Lehrerfragebogen;
Fortsetzung geplant durch Teilhabecoaches)
- Ca. ¼-jährlich wird eine
Experten-Diskussionsrunde mit kommunalen Institutionen, KiTA-Leitungen,
Grundschul- und weiterführende Schulen Leiter u. Leiterinnen, Freie Träger
und anderer wichtiger Akteure in Hilden als Multiplikatoren veranstaltet
Dabei werden interdisziplinär aktuelle Ergebnisse diskutiert, methodische
und praktische Ansätze besprochen, weiterführende Ideen und Lösungen
vorgestellt um so ein wirksam arbeitendes, tragfähiges, und beständiges
Netzwerk zur Teilhabesicherung benachteiligter Kinder zu installieren.
- Die Teilnehmer berichten von ihren
Erfahrungen, so dass gezielt Handlungsherausforderungen erkannt und
angenommen werden können Zwischenzeitlich wird, unterstützt durch die
Koordinierungsstelle, Vernetzungen zwischen einzelnen Institutionen durch
themenzentrierte Gesprächsangebote ausgeweitet
- Erkenntnislücken, die erst durch die
laufende Arbeit in den Runden und die Vermittlung von interdisziplinärer
Vernetzung deutlich werden, werden gebündelt und als Initiierung weiterer
Handlungen genutzt
- Langfristiges Ziel der Intervention der
Koordinationsstelle soll ein ‚Mentoring’ der in Hilden benachteiligten Kinder
und Jugendlichen sein – d.h. die Lebensbiographie wird durch einen jeweils
für eine Institution bestellten Mentor oder Mittler begleitet, Teilhabe
ermöglicht, und eine möglichst reibungslose Transition in die nächste
Institution eingeleitet und begleitet
Außenwirkung
- Durch Kooperationen und einem
gemeinsamen Handlungsansatz bildet sich ein Hildener (Armuts-)Netzwerk,
das einen wesentlichen Beitrag zur Strukturierung der Koordinationsstelle
Armut in Bezug auf den Gegenstand Teilhabe für benachteiligte Kinder und
deren Familien leistet. Es werden Gespräche mit ExpertInnen zu
herausgearbeiteten Problemen und deren Überwindung geführt
- Durch Fachtagungen bzw. Veranstaltungen
aller Beteiligten, der wissenschaftlichen Begleitung und dem Austausch
werden Ergebnisse in Vorträgen und Präsentationen in die Öffentlichkeit
getragen
- Durch eine Beteiligung der
Armuts-Koordinationsstelle mit dem Projekt ‚Bildungslandschaft’ werden zahlreiche bereits vorhandene
Kontakte genutzt und um den Aspekt “Teilhabe ermöglichen“ erweitert
Wirksamkeitsmessung
Die Komplexität sozialer Wirklichkeit macht es schwierig, die soziale
Situation von durch Armut bedrohte Kinder und Familien mittels
operationalisierter Sozialindikatoren darzustellen und damit als gesellschaftlich
wahrgenommene und akzeptierte Armut offen zu legen. Die objektive Beantwortung
der Frage welches Kind arm ist, ist fast unmöglich zu beantworten; es müssen
immer Werteentscheidungen getroffen werden – die Basis ist das Wohlstandsniveau
der Hildener Gesellschaft –
Von Nachweis einer Wirkung im Fall der Armutsbiografien unter besonderer
Berücksichtigung der Bildungsverläufe kann gesprochen werden, wenn eine Verbesserung der kindlichen und familiären
Lebensbezüge eingetreten ist, die als Veränderung oder Stabilisierung
wahrgenommen wird.
Eine Dokumentation dieser Veränderung soll verdeutlichen, dass die
gemessenen Resultate auf das Konzept rückführbar sind.
Zu messen wäre die Übernahme neuer Handlungsweisen und veränderte kognitive Kompetenzen der Zielgruppe,
eine Veränderung des Lebenslagenstatusses durch soziale Integration und
messbare Veränderung bei der Teilnahme von angebotenen Aktivitäten und Kursen
und Maßnahmen zur Ressourcen- und Kompetenzstärkung.
Ein guter Start für Kinder auf der Grundlage
umfassender Betreuungs- und Förderangebote sowie eine integrale Teilhabe- und
Netzwerkarbeit kann die Lage der von Armut bedrohten Kinder in Hilden
nachhaltig verbessern.
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Am
28.03. und 29.03.2012 fanden in Hilden die Fokustage zur Kinderarmutsprävention
statt.
Teil
nahmen rund 95 Teilnehmer aus Kommunalpolitik, Kindertagesstätten,
Grundschulen, weiterführenden Schulen, Beratungsstellen, Bildungseinrichtungen
und aus weiteren Berufsfeldern der pädagogischen Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen, um sich über das Thema Kinderarmut auszutauschen, zu
informieren.Â
Weitere Planung:
Die
nächsten Schritte der Hildener Armutskoordination sind nun die Erstellung einer
ausführlichen Dokumentation der Fokustage für das Internet, die
Mittler-Schulung im Herbst, das Erstellen einer Handreichung zum Thema Kinderarmut,
sowie fortlaufende Öffentlichkeitsarbeit, um die negative Konnotation
abzuschwächen und ‚Armut‘ aussprechbar zu machen.
Diese Grafik stellt die Ideen und Wünsche der Hildener
Beratungslandschaft dar
Finanzielle Auswirkungen Â
Nein
Personelle Auswirkungen
Nein