Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zu den Auswirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes zur Kenntnis.
Horst Thiele
Erläuterungen und Begründungen:
Wesentliche gesetzliche Änderungen durch das Bundeskinderschutzgesetz
Das
Bundeskinderschutzgesetz trat nach langwierigen Beratungen und Verhandlungen
zum 01.01.2012 in Kraft. Zielsetzung ist die weitere Optimierung des
Kinderschutzes. Zu diesem Zweck wurde ein neues Gesetz zur Kooperation und
Information im Kinderschutz (KKG) und Änderungen im SGB VIII und anderen
Gesetzen vorgenommen.
Die
Gesetzesänderungen führen zu folgenden Neuerungen
Ø
die
Frühe Hilfen werden gesetzlich verankert,
Ø
der
öffentliche Jugendhilfeträger wird zum Aufbau von Netzwerken Früher Hilfen verpflichtet,
Ø
die
Datenübermittlungsbefugnis für relevante Berufsgruppen wird klar geregelt,
Ø
viele
Berufsgruppen und auch Privatpersonen erhalten den Rechtsanspruch auf die Beratung
durch eine insoweit erfahrene Fachkraft,
Ø
der
öffentliche Jugendhilfeträger muss dafür Sorge tragen, dass ausreichend
erfahrene Kinderschutzfachkräfte zur Verfügung stehen,
Ø
das
Verfahren in Kinderschutzfragen wird konkretisiert und einheitlich geregelt,
Ø
für
die Jugendämter werden erweiterte Standards im Bereich des Kinderschutzes gesetzlich
eingeführt,
Ø
Kinder
erhalten verstärkte Verfahrensrechte,
Ø
der
Kinderschutz muss einer fortlaufenden Qualitätsüberprüfung und – entwicklung
unterzogen werden.
Frühe Hilfen
gesetzlich verankert
- Kern ist die
Vorhaltung eines möglichst frühzeitigen, koordinierten und
multi-professionellen Angebots im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern
vor allem in den ersten Lebensjahren … (Frühe Hilfen) (§ 1 Abs. 4 KKG).
- Zu diesem
Zweck sind die nach Landesrecht für die Information der Eltern nach Absatz
1 zuständigen Stellen befugt, den Eltern ein persönliches Gespräch
anzubieten
(§ 2 Abs. 2 KKG).
- Leistungsgrundlage
§16 Abs. 3 SGB VIII: Müttern und Vätern sowie schwangeren Frauen und
werdenden Vätern sollen Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und
des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen angeboten
werden
(§ 16 Abs. 3 SGB VIII).        Â
Netzwerke gesetzlich
verankert
In den Ländern
werden insbesondere im Bereich Früher Hilfen flächendeckend verbindliche
Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen
im Kinderschutz mit dem Ziel aufgebaut und weiterentwickelt, sich gegenseitig
über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturellen
Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im
Kinderschutz aufeinander abzustimmen. (§ 3 Abs. 1 KKG)     Â
In die Netzwerke sind einzubinden:
- Einrichtungen und Dienste der öffentlichen
und freien Jugendhilfe,
- Gesundheitsämter, Krankenhäuser,
Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen
- Schulen
- Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen,
Agenturen für Arbeit, Einrichtungen und Dienste der Sozialhilfe mit denen
Leistungsvereinbarungen bestehen
- Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen,
Beratungsstellen für soziale Problemlagen, Einrichtungen und Dienste zur
Müttergenesung sowie zum Schutz gegen Gewalt Familienbildungsstätten
- Angehörige der Heilberufe
- Familiengerichte
- Polizei- und Ordnungsbehörden (§ 3 Abs. 2
KKG)
Modellprojekt des Bundes zum Aus- und Aufbau der Netzwerke Frühe Hilfen und des Einsatzes von Familienhebammen, auch unter Einbeziehung ehrenamtlicher Strukturen (§ 3 Absatz 4 KKG)
Nach langem Ringen
zwischen Bund und Ländern wurde vereinbart, dass der Bund dauerhaft den Aus-
und Aufbau von Frühen Hilfen und Netzwerken fördert. Der Zuschussumfang bundesweit
beträgt
2012: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â 30 Mio.
Euro
2013: Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â 45 Mio.
Euro
2014 und 2015: je 51 Mio. Euro
Ab 2016 werden über Fonds des Bundes zur Sicherstellung der Netzwerke
Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien Zuschüsse in
Höhe von jährlich 51 Mio. Euro ausgeschüttet.
Regelungen zur
konkreten Verteilung der Zuschüsse werden ab Sommer 2012 erwartet.
Datenübermittlungsbefugnis
§ 4 Abs. 1 KGG
Ein wirksamer Kinderschutz
setzt eine wirkungsvolle Kooperation und Kommunikation der beteiligten
Institutionen und Professionen voraus. Das Bundeskinderschutzgesetz klärt mit
der neuen Datenübermittlungsbefugnisnorm Kommunikationswege und -befugnisse und
erleichtert so eine wirkungsvolle Zusammenarbeit.
Durch diese
Gesetzesnorm gilt ein einheitliches Verfahren für die folgenden zusätzlichen
Berufsgruppen:
Ø
Ärztinnen
oder Ärzten, Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen
Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung
eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert
Ø
Berufspsychologinnen
oder –psychologen
Ø
Ehe-,
Familien-, Erziehungs- oder Jugendberatern
Ø
Beratern
für Suchtfragen in einer Beratungsstelle
Ø
Mitgliedern
einer Beratungsstelle des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Ø
Sozialarbeiterarbeitern
oder SozialpädagogenÂ
Ø
Lehrerinnen
oder Lehrern
Einheitliches Kinderschutzverfahren
Analog des
Verfahrens, das für den Bereich der Beschäftigen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
im Rahmen des SGB VIII besteht, gilt auch für diese Berufsgruppen ein Verfahren
mit drei Prozessschritten (§ 4 KGG):
-  Werden gewichtige Anhaltspunkte für die
Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so
sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten
die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten
auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der
wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt
wird.
- Die Berufsgruppen haben Anspruch auf
Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck
befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor
einer Ãœbermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.
- Scheidet eine Abwendung der
Gefährdung…. aus oder ist ein Vorgehen … erfolglos und wird ein
Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich gehalten, um eine Gefährdung
des Wohls des Kindes abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu
informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn,
dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage
gestellt wird.
          Â
Anspruch auf
Beratung im Kinderschutz
Der Kreis der Personen, die
gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf Beratung in Kinderschutzfragen durch
eine insoweit erfahrene Fachkraft hat, wurde deutlich erweitert.
Neben dem
vorgenannten Kreis der Berufsgruppen, die nach § 4 Abs. 1 KKG eine neue Datenübermittlungsbefugnis
erhalten haben, gehören zusätzlich:
- Träger von Einrichtungen, in denen sich
Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten
oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die zuständigen Leistungsträger
und
- alle Personen, die beruflich in Kontakt
mit Kindern oder Jugendlichen stehen.
Die Ausweitung der
Anspruchsberechtigten führt zu neuen Aufgaben, die nur durch zusätzliche
Personalkapazitäten adäquat umgesetzt werden können.
Erweiterte
Standards für Jugendämter
Für
die Jugendämter schreibt das Bundeskinderschutzgesetz verschärfte Standards im
Rahmen des Kinderschutzes vor:
·
Zur
Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung sieht das Gesetz die Überprüfung im
Rahmen eines Hausbesuches als Regelfall vor.
·
Die
Jugendämter werden verpflichtet, Kindeswohlgefährdungsmeldungen umfänglich an andere
Jugendämter bei Verzug der Familien weiterzuleiten: â€Die Mitteilung soll im
Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger
erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der
Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des
Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.†(§ 8a Abs. 5 SGB
VIII)Â Â Â Â Â Â Â
Verstärkte
Verfahrensrechte für Kinder
Die Überprüfung von
Kinderschutzfällen ergab immer wieder, dass Kinder zu wenig oder gar nicht
angehört wurden. Der Gesetzgeber führt mit dem Bundeskinderschutzgesetz eine
Reihe von erweiterten Beteiligungsrechten für Kinder und Jugendliche ein:
·
â€Kinder
und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten,
wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange
durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck
vereitelt würde.†(§ 8 Abs. 3 SGB VIII)    Â
·
In
Einrichtungen: â€â€¦zur
Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung finden geeignete
Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen
Angelegenheiten Anwendung.†(§ 45 Abs. 2, Nr.3 SGB VIII)       Â
Fortlaufende
Qualitätsüberprüfung
Eingeführt wurde eine
gesetzliche Verpflichtung zur fortlaufenden Qualitätsentwicklung und die durch
eine erweiterte Datenerhebung unterstützt werden soll.
Auswirkungen für die Praxis
in Hilden
Status
Quo
Wesentliche
Neuerungen des Bundeskinderschutzgesetzes sind in Hilden in vielen Bereichen
schon seit Jahren Standard.
Bereits seit 2006
existiert ein Netzwerk Früher Hilfen. Zur Sicherstellung des Kinderschutzes wurden
2007 Generalvereinbarungen nach § 8a geschlossen. Die Schulen wurden ebenfalls
2007 im Bereich Kinderschutz geschult, eine schriftliche
Kooperationsvereinbarung soll 2012 abgeschlossen werden. 2011 und 2012 traten
neue Kooperationsvereinbarungen mit dem Sportbereich und den Kulturpflegenden
Vereinen in Kraft. Seit 2007 werden alle Familien mit Neugeborenen und allen
zugezogenen Familien mit Kindern bis zu einem Jahr im Rahmen des Babybegrüßungsbesuches
über die Unterstützungsmöglichkeiten in Hilden informiert (u.a. über das
Elternbegleitbuch). Werdende Mütter und Väter werden aktiv über die
Kooperationen mit den Gynäkologen, Hebammen und der Geburtsklinik informiert
(Schwangerschaftsbegleitbuch, Projekt KinderZukunft Hilden, Kooperationsmodell
Familienhebamme-Psychologische Beratungsstelle-Soziale Dienste). Gleichzeitig
wurden Kooperationsvereinbarungen mit dem Job-Center und dem Bereich der
Sozialpsychiatrie geschlossen. Mit der Polizei, dem Ordnungsamt und dem Familiengericht
besteht ein enger Austausch (Fortbildungen für die Polizeiwache Hilden und die
ARGE zum Thema Kinderschutz, jährliche Austauschgespräche mit dem
Familiengericht).
Alle Fachkräfte des
Allgemeinen Sozialen Dienstes haben Fortbildungen zur Kinderschutzfachkraft
absolviert, um professionell Beratungen als insoweit erfahrene Fachkraft
anbieten zu können. Die Prozessstandards sehen bereits seit 2007 bei
Kindeswohlgefährdungsmeldungen den sofortigen Hausbesuch durch zwei Fachkräfte
und die persönliche Inaugenscheinnahme des Kindes und seines Lebensumfeldes als
Regelstandard vor.
Die
Kindeswohlgefährdungsmeldungen werden in Hilden seit 2006 erfasst und
statistisch ausgewertet.
Handlungsbedarf
Der Handlungsbedarf
kann zurzeit noch nicht abschließend definiert werden, da bislang Umsetzungsempfehlungen
zum Bundeskinderschutzgesetz sich noch in der Entwicklung befinden. Derzeit
absehbarer Handlungsbedarf besteht in
folgenden Bereichen:
Handlungsbedarf |
Inhalt |
Voraussetzungen |
Erweiterung der
Netzwerke zu den Frühen Hilfen und dem Kinderschutz. |
Die Netzwerke
sind um einige Institutionen zu erweitern, die bislang noch nicht regelhaft
eingebunden sind. Dies wird zu einem erhöhten Koordinations- und
Schulungsbedarf führen. |
Voraussichtlich
zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich. |
Abschluss von
Vereinbarungen zum Kinderschutz |
Mit zusätzlichen
Institutionen sind Generalvereinbarungen zum Kinderschutz zu schließen. Dies
erfordert in der Regel auch entsprechende Fortbildungen. |
Voraussichtlich
zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich. |
Überprüfung des
Personalbedarfs und der Organisationsform im Bereich der Beratung durch
insoweit erfahrene Fachkräfte. |
Der Gesetzgeber
hat mit dem Bundeskinderschutzgesetz den Kreis der Personen deutlich
erweitert, die einen Rechtsanspruch auf die Beratung als insoweit erfahrene
Fachkraft haben. Es ist daher von einem erhöhten Personal- und
Qualifizierungsbedarf für diesen Bereich auszugehen. |
Voraussichtlich
zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich. |
Pflicht
stationäre Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder und Jugendliche Beteiligungs-
und Beschwerdeverfahren vorzuhalten |
Überprüfung und
Ergänzung der bestehenden Leistungsvereinbarungen. |
Gegebenenfalls
erhöhte Leistungsentgelte. |
Es bleibt
abzuwarten, in welchem Umfang sich ein quantitativer und qualitativer
Personalmehrbedarf ergibt. Dieser müsste im Stellenplan 2013 Berücksichtigung
finden.
Horst Thiele
Finanzielle Auswirkungen:Â Â
Finanzielle
Auswirkungen (ja/nein) |
Ja / Die Auswirkungen können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
beziffert werden. |
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Produktnummer
/ -bezeichnung |
060301 060312 |
Bereitstell. von Hilfen inner.- u. außerh. v. Familien Kindschaftsrechtsangelegenheiten |
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Investitions-Nr./
-bezeichnung: |
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Haushaltsjahr: |
2012 |
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Pflichtaufgabe
oder freiwillige Leistung/Maßnahme |
Pflicht- aufgabe |
X (hier ankreuzen) |
freiwillige Leistung |
(hier ankreuzen) |
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Die Mittel stehen in folgender Höhe zur
Verfügung: |
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Kostenträger |
Bezeichnung |
Konto |
Bezeichnung |
Betrag € |
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Der Mehrbedarf besteht in folgender Höhe: |
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Kostenträger |
Bezeichnung |
Konto |
Bezeichnung |
Betrag € |
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Die Deckung ist
gewährleistet durch: |
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Kostenträger |
Bezeichnung |
Konto |
Bezeichnung |
Betrag € |
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Stehen für den o. a. Zweck Mittel aus
entsprechenden Programmen des Landes, Bundes oder der EU zur Verfügung?
(ja/nein) |
ja (hier ankreuzen) |
nein (hier ankreuzen) |
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Freiwillige wiederkehrende Maßnahmen sind
auf drei Jahre befristet. Die Befristung endet am: (Monat/Jahr) |
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Wurde die
Zuschussgewährung Dritter durch den Antragsteller geprüft
– siehe SV? |
ja (hier ankreuzen) |
nein (hier ankreuzen) |
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Finanzierung: |
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Vermerk Kämmerer Gesehen Klausgrete |
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Personelle Auswirkungen:
Im Stellenplan enthalten: |
Nein |
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Planstelle(n): |
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Vermerk Personaldezernent Die noch nicht quantifizierbaren zusätzlichen Personalressourcen
müssen ggfls. im Rahmen des Stellenplans 2013 geprüft und entschieden werden. gez. Danscheidt |