Betreff
Auswirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes
Vorlage
WP 09-14 SV 51/203
Aktenzeichen
III/51.3
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zu den Auswirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes zur Kenntnis.

 

 

Horst Thiele


Erläuterungen und Begründungen:

 

Wesentliche gesetzliche Änderungen durch das Bundeskinderschutzgesetz

 

Das Bundeskinderschutzgesetz trat nach langwierigen Beratungen und Verhandlungen zum 01.01.2012 in Kraft. Zielsetzung ist die weitere Optimierung des Kinderschutzes. Zu diesem Zweck wurde ein neues Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und Änderungen im SGB VIII und anderen Gesetzen vorgenommen.

 

Die Gesetzesänderungen führen zu folgenden Neuerungen

Ø  die Frühe Hilfen werden gesetzlich verankert,

Ø  der öffentliche Jugendhilfeträger wird zum Aufbau von Netzwerken Früher Hilfen verpflichtet,

Ø  die Datenübermittlungsbefugnis für relevante Berufsgruppen wird klar geregelt,

Ø  viele Berufsgruppen und auch Privatpersonen erhalten den Rechtsanspruch auf die Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft,

Ø  der öffentliche Jugendhilfeträger muss dafür Sorge tragen, dass ausreichend erfahrene Kinderschutzfachkräfte zur Verfügung stehen,

Ø  das Verfahren in Kinderschutzfragen wird konkretisiert und einheitlich geregelt,

Ø  für die Jugendämter werden erweiterte Standards im Bereich des Kinderschutzes gesetzlich eingeführt,

Ø  Kinder erhalten verstärkte Verfahrensrechte,

Ø  der Kinderschutz muss einer fortlaufenden Qualitätsüberprüfung und – entwicklung unterzogen werden.

 

 

Frühe Hilfen gesetzlich verankert

  • Kern ist die Vorhaltung eines möglichst frühzeitigen, koordinierten und multi-professionellen Angebots im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern vor allem in den ersten Lebensjahren … (Frühe Hilfen) (§ 1 Abs. 4 KKG).
  • Zu diesem Zweck sind die nach Landesrecht für die Information der Eltern nach Absatz 1 zuständigen Stellen befugt, den Eltern ein persönliches Gespräch anzubieten

(§ 2 Abs. 2 KKG).

  • Leistungsgrundlage §16 Abs. 3 SGB VIII: Müttern und Vätern sowie schwangeren Frauen und werdenden Vätern sollen Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und des Aufbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen angeboten werden

(§ 16 Abs. 3 SGB VIII).         

 

Netzwerke gesetzlich verankert

In den Ländern werden insbesondere im Bereich Früher Hilfen flächendeckend verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz mit dem Ziel aufgebaut und weiterentwickelt, sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturellen Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen. (§ 3 Abs. 1 KKG)      

 

In die Netzwerke sind einzubinden:

-       Einrichtungen und Dienste der öffentlichen und freien Jugendhilfe,

-       Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Sozialpädiatrische Zentren, Frühförderstellen

-       Schulen

-       Sozialämter, Gemeinsame Servicestellen, Agenturen für Arbeit, Einrichtungen und Dienste der Sozialhilfe mit denen Leistungsvereinbarungen bestehen

-       Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Beratungsstellen für soziale Problemlagen, Einrichtungen und Dienste zur Müttergenesung sowie zum Schutz gegen Gewalt Familienbildungsstätten

-       Angehörige der Heilberufe

-       Familiengerichte

-       Polizei- und Ordnungsbehörden (§ 3 Abs. 2 KKG)

 

Modellprojekt des Bundes zum Aus- und Aufbau der Netzwerke Frühe Hilfen und des Einsatzes von Familienhebammen, auch unter Einbeziehung ehrenamtlicher Strukturen (§ 3 Absatz 4 KKG)

Nach langem Ringen zwischen Bund und Ländern wurde vereinbart, dass der Bund dauerhaft den Aus- und Aufbau von Frühen Hilfen und Netzwerken fördert. Der Zuschussumfang bundesweit beträgt

2012:                     30 Mio. Euro

2013:                     45 Mio. Euro

2014 und 2015: je 51 Mio. Euro

Ab 2016 werden über Fonds des Bundes zur Sicherstellung der Netzwerke Frühe Hilfen und der psychosozialen Unterstützung von Familien Zuschüsse in Höhe von jährlich 51 Mio. Euro ausgeschüttet.

 

Regelungen zur konkreten Verteilung der Zuschüsse werden ab Sommer 2012 erwartet.

 

Datenübermittlungsbefugnis § 4 Abs. 1 KGG
Ein wirksamer Kinderschutz setzt eine wirkungsvolle Kooperation und Kommunikation der beteiligten Institutionen und Professionen voraus. Das Bundeskinderschutzgesetz klärt mit der neuen Datenübermittlungsbefugnisnorm Kommunikationswege und -befugnisse und erleichtert so eine wirkungsvolle Zusammenarbeit.

 

Durch diese Gesetzesnorm gilt ein einheitliches Verfahren für die folgenden zusätzlichen Berufsgruppen:

Ø  Ärztinnen oder Ärzten, Hebammen oder Entbindungspflegern oder Angehörigen eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert

Ø  Berufspsychologinnen oder –psychologen

Ø  Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberatern

Ø  Beratern für Suchtfragen in einer Beratungsstelle

Ø  Mitgliedern einer Beratungsstelle des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Ø  Sozialarbeiterarbeitern oder Sozialpädagogen 

Ø  Lehrerinnen oder Lehrern

 

Einheitliches Kinderschutzverfahren

Analog des Verfahrens, das für den Bereich der Beschäftigen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen des SGB VIII besteht, gilt auch für diese Berufsgruppen ein Verfahren mit drei Prozessschritten (§ 4 KGG):

 

  1.  Werden gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, so sollen sie mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.
  2. Die Berufsgruppen haben Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Sie sind zu diesem Zweck befugt, dieser Person die dafür erforderlichen Daten zu übermitteln; vor einer Übermittlung der Daten sind diese zu pseudonymisieren.
  3. Scheidet eine Abwendung der Gefährdung…. aus oder ist ein Vorgehen … erfolglos und wird ein Tätigwerden des Jugendamtes für erforderlich gehalten, um eine Gefährdung des Wohls des Kindes abzuwenden, so sind sie befugt, das Jugendamt zu informieren; hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird.

           

Anspruch auf Beratung im Kinderschutz
Der Kreis der Personen, die gegenüber dem Jugendamt einen Anspruch auf Beratung in Kinderschutzfragen durch eine insoweit erfahrene Fachkraft hat, wurde deutlich erweitert.

Neben dem vorgenannten Kreis der Berufsgruppen, die nach § 4 Abs. 1 KKG eine neue Datenübermittlungsbefugnis erhalten haben, gehören zusätzlich:

 

  1. Träger von Einrichtungen, in denen sich Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die zuständigen Leistungsträger und
  2. alle Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen.

 

Die Ausweitung der Anspruchsberechtigten führt zu neuen Aufgaben, die nur durch zusätzliche Personalkapazitäten adäquat umgesetzt werden können.

 

Erweiterte Standards für Jugendämter
Für die Jugendämter schreibt das Bundeskinderschutzgesetz verschärfte Standards im Rahmen des Kinderschutzes vor:

·         Zur Ãœberprüfung einer Kindeswohlgefährdung sieht das Gesetz die Ãœberprüfung im Rahmen eines Hausbesuches als Regelfall vor.

·         Die Jugendämter werden verpflichtet, Kindeswohlgefährdungsmeldungen umfänglich an andere Jugendämter bei Verzug der Familien weiterzuleiten: ”Die Mitteilung soll im Rahmen eines Gespräches zwischen den Fachkräften der beiden örtlichen Träger erfolgen, an dem die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche beteiligt werden sollen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.” (§ 8a Abs. 5 SGB VIII)       

Verstärkte Verfahrensrechte für Kinder

Die Überprüfung von Kinderschutzfällen ergab immer wieder, dass Kinder zu wenig oder gar nicht angehört wurden. Der Gesetzgeber führt mit dem Bundeskinderschutzgesetz eine Reihe von erweiterten Beteiligungsrechten für Kinder und Jugendliche ein:

·         ”Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde.” (§ 8 Abs. 3 SGB VIII)     

·         In Einrichtungen: ”…zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung finden geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung.” (§ 45 Abs. 2, Nr.3 SGB VIII)        

Fortlaufende Qualitätsüberprüfung
Eingeführt wurde eine gesetzliche Verpflichtung zur fortlaufenden Qualitätsentwicklung und die durch eine erweiterte Datenerhebung unterstützt werden soll.


Auswirkungen für die Praxis in Hilden

 

Status Quo

Wesentliche Neuerungen des Bundeskinderschutzgesetzes sind in Hilden in vielen Bereichen schon seit Jahren Standard.

 

Bereits seit 2006 existiert ein Netzwerk Früher Hilfen. Zur Sicherstellung des Kinderschutzes wurden 2007 Generalvereinbarungen nach § 8a geschlossen. Die Schulen wurden ebenfalls 2007 im Bereich Kinderschutz geschult, eine schriftliche Kooperationsvereinbarung soll 2012 abgeschlossen werden. 2011 und 2012 traten neue Kooperationsvereinbarungen mit dem Sportbereich und den Kulturpflegenden Vereinen in Kraft. Seit 2007 werden alle Familien mit Neugeborenen und allen zugezogenen Familien mit Kindern bis zu einem Jahr im Rahmen des Babybegrüßungsbesuches über die Unterstützungsmöglichkeiten in Hilden informiert (u.a. über das Elternbegleitbuch). Werdende Mütter und Väter werden aktiv über die Kooperationen mit den Gynäkologen, Hebammen und der Geburtsklinik informiert (Schwangerschaftsbegleitbuch, Projekt KinderZukunft Hilden, Kooperationsmodell Familienhebamme-Psychologische Beratungsstelle-Soziale Dienste). Gleichzeitig wurden Kooperationsvereinbarungen mit dem Job-Center und dem Bereich der Sozialpsychiatrie geschlossen. Mit der Polizei, dem Ordnungsamt und dem Familiengericht besteht ein enger Austausch (Fortbildungen für die Polizeiwache Hilden und die ARGE zum Thema Kinderschutz, jährliche Austauschgespräche mit dem Familiengericht).

 

Alle Fachkräfte des Allgemeinen Sozialen Dienstes haben Fortbildungen zur Kinderschutzfachkraft absolviert, um professionell Beratungen als insoweit erfahrene Fachkraft anbieten zu können. Die Prozessstandards sehen bereits seit 2007 bei Kindeswohlgefährdungsmeldungen den sofortigen Hausbesuch durch zwei Fachkräfte und die persönliche Inaugenscheinnahme des Kindes und seines Lebensumfeldes als Regelstandard vor.

 

Die Kindeswohlgefährdungsmeldungen werden in Hilden seit 2006 erfasst und statistisch ausgewertet.

 

Handlungsbedarf

Der Handlungsbedarf kann zurzeit noch nicht abschließend definiert werden, da bislang Umsetzungsempfehlungen zum Bundeskinderschutzgesetz sich noch in der Entwicklung befinden. Derzeit absehbarer Handlungsbedarf  besteht in folgenden Bereichen:

 

Handlungsbedarf

Inhalt

 

Voraussetzungen

Erweiterung der Netzwerke zu den Frühen Hilfen und dem Kinderschutz.

Die Netzwerke sind um einige Institutionen zu erweitern, die bislang noch nicht regelhaft eingebunden sind. Dies wird zu einem erhöhten Koordinations- und Schulungsbedarf führen.

Voraussichtlich zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich.

Abschluss von Vereinbarungen zum Kinderschutz

Mit zusätzlichen Institutionen sind Generalvereinbarungen zum Kinderschutz zu schließen. Dies erfordert in der Regel auch entsprechende Fortbildungen.

Voraussichtlich zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich.


 

Überprüfung des Personalbedarfs und der Organisationsform im Bereich der Beratung durch insoweit erfahrene Fachkräfte.

Der Gesetzgeber hat mit dem Bundeskinderschutzgesetz den Kreis der Personen deutlich erweitert, die einen Rechtsanspruch auf die Beratung als insoweit erfahrene Fachkraft haben. Es ist daher von einem erhöhten Personal- und Qualifizierungsbedarf für diesen Bereich auszugehen.

Voraussichtlich zusätzliche Personalressourcen und Fortbildungsmittel erforderlich.

Pflicht stationäre Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder und Jugendliche Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren vorzuhalten

Überprüfung und Ergänzung der bestehenden Leistungsvereinbarungen.

Gegebenenfalls erhöhte Leistungsentgelte.

 

Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang sich ein quantitativer und qualitativer Personalmehrbedarf ergibt. Dieser müsste im Stellenplan 2013 Berücksichtigung finden.

 

 

 

 

Horst Thiele

 

 

 

 


 

Finanzielle Auswirkungen:  

 

Finanzielle Auswirkungen (ja/nein)

Ja / Die Auswirkungen können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert werden.

Produktnummer / -bezeichnung

060301

 

060312

Bereitstell. von Hilfen inner.- u. außerh. v. Familien

Kindschaftsrechtsangelegenheiten

Investitions-Nr./ -bezeichnung:

 

 

Haushaltsjahr:

2012

Pflichtaufgabe oder

freiwillige Leistung/Maßnahme

Pflicht-

aufgabe

X

(hier ankreuzen)

freiwillige

Leistung

 

(hier ankreuzen)

 

 

Die Mittel stehen in folgender Höhe zur Verfügung:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Mehrbedarf besteht in folgender Höhe:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Deckung ist gewährleistet durch:

Kostenträger

Bezeichnung

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stehen für den o. a. Zweck Mittel aus entsprechenden Programmen des Landes, Bundes oder der EU zur Verfügung? (ja/nein)

ja

 

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Freiwillige wiederkehrende Maßnahmen sind auf drei Jahre befristet.

Die Befristung endet am: (Monat/Jahr)

 

 

Wurde die Zuschussgewährung Dritter durch den Antragsteller geprüft – siehe SV?

ja

 

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Finanzierung:

 

 

 

Vermerk Kämmerer

 

Gesehen Klausgrete

 

 

 

 


Personelle Auswirkungen:

 

Im Stellenplan enthalten:

Nein

 

 

Planstelle(n):

 

 

 

Vermerk Personaldezernent

 

Die noch nicht quantifizierbaren zusätzlichen Personalressourcen müssen ggfls. im Rahmen des Stellenplans 2013 geprüft und entschieden werden.

 

gez. Danscheidt