Betreff
Bericht über die Arbeit des "Runden Tisches gegen Extremismus"
Vorlage
WP 09-14 SV 50/070
Aktenzeichen
III/50.02/Ne
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Integrationsrat und der Sozialausschuss nehmen die Arbeitsinhalte und Ergebnisse des „Runden Tisches“ zur Kenntnis.

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

In der Sitzung vom 11.11.2010 hatte die Verwaltung den Integrationsrat in der Sitzungsvorlage WP 09-14 SV 50/026 ausführlich über die Hintergründe zum Auftreten der Gruppe „Einladung zum Paradies e.V.“ (EZP) in Hilden informiert, die vom Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen als salafistisch, und damit im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung stehend, eingestuft wird.

 

Der Integrationsrat wurde ausführlich über die Gefahren informiert, die von dieser Gruppe ausgehen, wie auch über die Gründe, die dazu führen, dass manche junge Muslime und Nichtmuslime sich von extremistischen Ideologien angezogen fühlen.

 

Die Recherchen des Integrationsbüros hatten ergeben, dass die  Hildener Moscheegemeinden

  • Islamische Gemeinde e.V. und
  • Türkisch Islamische Gemeinde zu Hilden e.V.

 keinerlei Kontakte zu der genannten Gruppierung hatten.

 

Im Namen des Marokkanischen Freundeskreises e.V. hatten junge Erwachsene Flugblätter der genannten Organisation in der Mittelstraße verteilt, Redner waren in das Vereinsheim eingeladen worden. Dokumentationen der Veranstaltungen waren auf der Internetplattform „youtube“ zu sehen.

 

 

In der Sitzungsvorlage zur Sitzung vom 11.11.2010 hieß es dazu:

 

„Der Vorsitzende des marokkanischen Vereins erklärte, keine Kenntnis davon besessen zu haben und nicht darüber informiert worden zu sein,… .

 

Er räumte ein, dass es ein Fehler gewesen sei, im Verein ein solches Maß an Autonomie zugelassen zu haben, dass derartige Veranstaltungen ermöglicht hatten.

 

Er sagte, dass es für ihn als Vorsitzenden ein Dilemma gewesen sei, eben auch den Wünschen der jüngeren Mitglieder entsprechen zu wollen, … .

 

Zwischenzeitlich hätte er den jüngeren Mitgliedern des Vereins erklärt, dass Mitgliedern der Organisation EZP kein Zutritt mehr zu den Räumen des Vereins zu gewähren sei. Bei Zuwiderhandlung hätten die Beteiligten mit einem Hausverbot zu rechnen.“

 

Die Verwaltung nahm diese Stellungnahme selbstverständlich positiv zur Kenntnis, sah aber dennoch den Bedarf, die Initiative zu ergreifen. Die entsprechenden Planungen wurden in der Sitzungsvorlage beschrieben:

 

„Die Verwaltung beabsichtigt, spätestens Anfang des Jahres 2011 einen „Runden Tisch“ mit den muslimischen Vereinen einzurichten, an dem auch die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates beteiligt werden sollen. …

Ziel des „Runden Tisches“ wird es insbesondere sein, die Erwartung der Stadt Hilden zu vermitteln, dass sich die Vereine klar und wahrnehmbar gegen Extremismus positionieren und aktiv für eine Integrationsförderung einsetzen.“

 

Diese Planung wurde zwischenzeitlich umgesetzt, der „Runde Tisch gegen Extremismus“ wurde implementiert und trat seit 2011 zwei Mal zusammen. Außerdem wurde der „Arbeitskreis zur Vorbereitung des Runden Tisches“ gründet.

 

Bei allen Veranstaltungen beider Gremien waren die drei Hildener Moscheegemeinden durch Repräsentanten vertreten, die Vorsitzende des Integrationsrates und ihre Stellvertreterin, der interkulturelle Berater Herr Assila waren anwesend, ebenso die Verwaltung durch mehrere Vertreterinnen und Vertreter.

 

Beide Gremien haben wie folgt getagt:

 

Der „Runde Tisch gegen Extremismus“ tagte erstmals am 22.01.2011.

Im Mittelpunkt der ersten Sitzung standen die Distanzierung der Moscheegemeinden von Extremismus und die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung, die dieser Sitzungsvorlage als Anlage beigefügt ist.

Der türkische Verein legte eine Liste bisheriger Aktivitäten und Planungen vor, die die Ferne zu Extremismus, die Verankerung in dieser Gesellschaft und das Bestreben nach Integration eindrucksvoll unterstrichen.

 

 

Am 20.05.2011 tagte erstmalig der Arbeitskreis zur Vorbereitung des Rundes Tisches:

In der Zeit unmittelbar vor dieser Sitzung ging durch die Hildener Presse, dass sich eine Gruppe junge Marokkaner unter der Bezeichnung „Schabab Hilden“ (arab., deutsch: die Hildener Jugend) zusammengeschlossen habe und auf ihrer Facebook-Seite mit Personen „befreundet“ sei, die entweder bekannt dafür seien, Extremisten zu sein, oder sich dort zumindest extremistisch darstellten.

Dieses Vorkommnis griff der Arbeitskreis auf. Kritisiert wurde, dass die Gruppe anonym auftrete und in diesem Sinne nicht greifbar sei. Dem wurde in der Runde widersprochen. Man wisse, wer der Gruppe angehöre. Daher wurde beschlossen, direkt Kontakt mit Mitgliedern der Gruppe aufzunehmen.

 

 

Am 09.09. 2011 tagte der Arbeitskreis zur Vorbereitung des Rundes Tisches erneut:

Bei dieser Sitzung waren zwei Vertreter von „Schabab Hilden“ anwesend.

Sie distanzierten sich vom Salafismus und erläuterten, dass die Gruppe seit ca. drei Jahren existiere. Ihr Ziel sei es, über den Islam zu informieren und Jugendliche vor Kriminalität zu schützen. Es wurden Fehler eingeräumt. Z.B. sei die Auswahl der Redner bei der Veranstaltung, die im Internet zu sehen war, nicht richtig gewesen. Man würde sich wünschen, mit allen möglichen Stellen in der Stadt zu kooperieren.

Diese Aussagen wurden von allen Anwesenden begrüßt. Sowohl die Verwaltung als auch der Marokkanische Freundeskreis e.V. erklärten ihre Bereitschaft zu Kooperation.

 

 

Am 26.11.2011 trat der „Runde Tisch gegen Extremismus“ zu seiner zweiten Sitzung zusammen.

Die Vereine berichteten hierbei über ihre diversen Planungen und betonten ihre Absicht, sich untereinander besser zu vernetzen.

Im Mittelpunkt der Sitzung stand jedoch die Würdigung der Ergebnisse des vorherigen Arbeitskreises. “Miteinander statt übereinander“ zu reden, habe sich ausgezahlt, so ein Teilnehmer. Die allerseitige Absicht zu Kooperation sorgte für Erleichterung. Abschließend wurde beschlossen, dass der „Runde Tisch“ zukünftig einmal pro Jahr einberufen werde. Die Vorbereitung solle einem Arbeitskreis obliegen, der sukzessive durch die muslimischen Vereine einberufen werde, was ein Ziel von deren Vernetzung darstellen solle.

 

 

Am 18.04.2012 traf sich der Arbeitskreis zur Vorbereitung des Rundes Tisches zu seiner bis dato letzten Sitzung.

Hier wurde über eine Idee beraten, die vorher schon einmal informell besprochen wurde.

Demnach werden die Moscheevereine einen gemeinsamen Flyer erstellen, in dem sie ihre Arbeit und ihren Platz in der Gesellschaft darstellen. Unabhängig von der Herkunft sprechen also alle Vereine „mit einer Zunge“. Für den Flyer soll eigens ein Logo entworfen werden, mit dem die muslimischen Vereine ihre gegenseitige Verbundenheit zum Ausdruck bringen wollen.

Diese Vernetzung und Zusammenarbeit wird von der Verwaltung ausdrücklich begrüßt. Es dokumentiert die Absicht, dass die Vereine bereit sind, verantwortlich darüber zu beratschlagen, wie man extremistischen Tendenzen begegnen soll und wie, darüber hinaus, das Miteinander in der Stadt Hilden allgemein verbessert werden kann.

 

 

Der nächste Arbeitskreis zur Vorbereitung des Rundes Tisches  findet am 05.06.2012 in der türkischen Moschee statt.

 

 

Ende März kam es zu einem Vorkommnis, das für Unverständnis sorgte.

Mitglieder der Gruppe „Schabab Hilden“ hatten beim Ordnungsamt der Stadt die Erlaubnis für die Verteilung von Büchern und Broschüren in der Mittelstraße erwirkt. Dabei wurden dem Ordnungsamt Exemplare der Druckwerke ausgehändigt. Es fiel auf, dass sich unter den Materialien auch die Koran-Übersetzung befand, die im Rahmen der überregional bekannt gewordenen „Koran-Verschenk-Aktion“ verteilt wurde.

 

Da diese Aktion jedoch von dem bekannten Salafisten Ibrahim Abou-Nagie organsiert wurde, der auch als Herausgeber in der entsprechenden Koran-Übersetzung erwähnt wird, stellte sich die Frage, inwiefern die Distanzierung von „Schabab Hilden“ gegenüber dem Salafismus denn nun glaubhaft sei.

 

Deshalb wurden Mitglieder von „Schabab Hilden“ zu einem Gespräch gebeten.

Der anwesende Vertreter sagte hierzu, dass man die Ansichten Abou-Nagies nicht teile. Er und seine Organisation würden falsche Lehren verbreiten. Der Stand in der Fußgängerzone sei auch nicht Bestandteil der überregionalen Aktion gewesen. Man habe selber erst während der Aktion gemerkt, dass der Name Abou-Nagies in dem Buch erwähnt wird, weshalb man daraufhin die Verteilung gestoppt habe. Man wolle nicht im Namen einer Person oder einer Organisation Materialien verteilen. Es seien daher auch nur zwei oder drei Bücher abgegeben worden. Man habe die Bücher auch nicht unmittelbar von Abou-Nagie bezogen, jemand aus der Gruppe habe sie von einer dritten Person erhalten. In Zukunft wolle man vorsichtiger sein, eine neuerliche Aktion sei ehedem nicht geplant, da die öffentliche Stimmung zur Zeit sehr negativ sei.

 

Die Verwaltung bat darum, demnächst im Vorfeld über derartige Planungen informiert zu werden, damit genau abgesprochen werden könne, was beabsichtigt ist und welcher Eindruck entstehen kann und ggf. besser vermieden werden sollte.

Ziel sei es letztlich, das positive Klima in der Stadt, von dem alle profitieren, zu erhalten und zu stärken. Der Vertreter von „Schabab Hilden“ versprach, diesem Wunsch zu entsprechen.

 

Die Verwaltung sieht in der Einhaltung dieser Zusage einen entscheidenden Indikator dafür, ob  die Gruppe „Schabab Hilden“ insgesamt zu einer Kooperation bereit ist, und ob dort tatsächlich ein gemeinsames Interesse gesehen werde.

 

 

Die Tatsache, dass mit den Personen in Hilden, die in der Nähe des Salafismus gesehen wurden, in einen Dialog eingestiegen wurde, diese sich auch dem Dialog gestellt haben, und die Tatsache, dass die islamischen Vereine ihre diesbezügliche Verantwortung hinsichtlich Prävention übernehmen und in der inhaltlichen Arbeit und der Kooperation näher zusammen rücken – darin sieht die Verwaltung einen Erfolg, der bestätigt, dass die Implementierung des „Runden Tisches“ gegen Extremismus der richtige Planungsschritt war.

 

 

gez. Horst Thiele