Erläuterungen zum Antrag:
Auf Anweisung der Bundesnetzagentur müssen
deutsche Strom- und Gasnetzbetreiber ihren Kunden knapp zwei Milliarden Euro
erstatten, weil die Versorger 2005/2006 von Konkurrenten überhöhte Netzentgelte
(Durchleitungsgebühren) verlangt hatten.
Durch Urteil des Bundesgerichtshofs im
August 2008 (!) wurden die Kürzungen von Stromnetzentgelten durch die
Regulierungsbehörden im Wesentlichen bestätigt. Durch diese Rechtsprechung
ergeben sich Auswirkungen auf die zukünftige Preisgestaltung. Die Stadtwerke
erklärten, diese Rechtsprechung umzusetzen.
Mit der Rückzahlung und/oder Verrechnung der
zu viel berechneten Netzentgelte – nach Informationen der RP-Hilden vom
29.04.2010 könnte es sich um bis zu sechs Millionen Euro handeln – sollte
unverzüglich begonnen werden. Im Gegensatz zu den Kunden, von denen die
überhöhten Beträge einbehalten wurden, konnten die SWH zwischenzeitlich mit
diesen Mehreinnahmen arbeiten. Auch dieser Zinsgewinn sollte an die Kunden
zurückgegeben werden.
Allein die entstanden Zinsverluste auf der
einen Seite (Kunden), die eventuellen Zinsgewinne auf der anderen Seite
(Stadtwerke) rechtfertigen eine schnellstmögliche Rückzahlung/Verrechnung.
In diesem Zusammenhang ist zu klären, dass
auch Kunden, die umgezogen sind oder die zwischenzeitlich den Anbieter
gewechselt haben, die ihnen widerrechtlich überhöht in Rechnung gestellten
Netzentgelte von der Stadtwerke Hilden GmbH erstattet bekommen.
Antragstext:
Antrag der BA/CDf-Fraktion
in der Sitzung des Rates am 25.05.2011
„Unverzügliche
Rückzahlung/Verrechnung zuviel berechneter Netzentgelte durch die Stadtwerke
Hilden GmbH!“
Der Rat der Stadt
Hilden möge beschließen:
„Die Vertreter der
Stadt sowie des Rates im Hauptausschuss und im Aufsichtsrat der Stadtwerke
Hilden GmbH werden gem. § 113 Abs. 1 GO angewiesen, in der nächsten Sitzung des
Hauptausschusses bzw. des Aufsichtsrats zu beschließen, dass
1.
die Rückzahlungen für die den Stromkunden
rechtswidrig überhöht in Rechnung gestellten Netzentgelte (2005-2007) „in
Millionenhöhe“ (Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Trunk, laut RP-Hilden vom
29.04.2010) unverzüglich beginnen;
2.
auch an frühere Stadtwerke-Kunden, die Hilden
verlassen oder zwischenzeitlich den Stromanbieter gewechselt haben, die
Erstattungen ausgezahlt werden;
3.
die Stadtwerke Hilden GmbH prüft, inwieweit den
Kunden Zinsverluste für die verzögerte Rückzahlung erstattet bzw. ausgeglichen
werden können.
Stellungnahme der
Verwaltung:
Zum Antrag der BA/CDf-Fraktion wird – in
Abstimmung mit der Stadtwerke Hilden
GmbH - wie folgt Stellung:
Zu1:
Die Stadtwerke Hilden GmbH ist wie auch
andere Netzbetreiber von der Mehrerlösabschöpfung betroffen. Das Vorgehen wird
von der für uns zuständigen Landesregulierungsbehörde NRW geregelt und
überwacht.
Danach haben die Stadtwerke Hilden die Daten
für die Mehrerlösabschöpfung, nach Absprache, am 04.05.2010 fristgerecht an die
Landesregulierungsbehörde NRW versendet. Die Landesregulierungsbehörde
bestätigte die eingereichte Datengrundlage am 26.08.2010.
Nach einstimmigem Beschluss des Aufsichtsrates vom 06.09.2010
unterschrieb die Stadtwerke Hilden GmbH die rechtsverbindliche Zusage zur
Teilnahme an dem vereinfachten und pauschalierten
Mehrerlösabschöpfungsverfahren wie es die Landesregulierungsbehörde NRW
vorgesehen hat.
Somit unterzieht sich die Stadtwerke Hilden GmbH schon heute dem
regulierten Prozess der Mehrerlösabschöpfung.
Zu 2:
Der BGH hat in sechs Beschlüssen vom 14. August 2008 – u.a. KVR 39/07
– zu grundsätzlichen Fragen der
Netzentgeltregulierung Stellung genommen. Im Blickpunkt steht dabei die
Auseinandersetzung des BGH mit der sog. Mehrerlösabschöpfung im
„Vattenfall“-Beschluss. In einer Passage des Beschlusses des
Bundesgerichtshofes ist ausgeführt, wonach etwaige Mehrerlöse nach Ansicht des
BGH abzuschöpfen sind. Sie dürfen den Netzbetreibern nicht verbleiben. Nach
Ansicht des BGH sind die rechtsgrundlos erlangten Mehrerlöse als sonstige
Erlöse und Erträge i.S. des
§ 9 Abs. 1 Nr. 5 StromNEV den Netzkunden wirtschaftlich
wieder gutzuschreiben – auf welche Weise, das lässt der BGH teilweise offen.
Der BGH stellt aber ausdrücklich fest: „dass eine Rückabwicklung nicht durch kundenscharfe Rückzahlung im
Verhältnis zwischen dem Netzbetreiber und den einzelnen Lieferanten bzw. Kunden
zu erfolgen hat.“
Die Stadtwerke Hilden GmbH folgt mit Ihrem Vorgehen den Vorgaben der
Landesregulierungsbehörde NRW und der höchstrichterlichen Rechtssprechung des
Bundesgerichtshofes.
Zu 3:
Das unter Punkt 3 geforderte Vorgehen ist im regulatorischen Prozess
durch die Landesregulierungsbehörde geregelt und wird somit von den Stadtwerke
Hilden GmbH eingehalten.
Im Folgenden fügen wir weitere Hintergrundinformationen bei:
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Die
Bundesnetzagentur hatte dem Ãœbertragungsnetzbetreiber Vattenfall Europe
Transmission GmbH die beantragten Netzentgelte am 6. Juni 2006 mit Wirkung vom
1. Juli 2006 im Verhältnis zu den beantragten, nicht zu den bisher von
Vattenfall verlangten Netzentgelten um 18 Prozent gekürzt. Daneben hatte die
Bundesnetzagentur durch die vieldiskutierte „Mehrerlös-Klausel“ diejenigen
Gewinne von Vattenfall abschöpfen wollen, die das Unternehmen während des
ersten Genehmigungsverfahrens zwischen November 2005 und Juni 2006 im Vergleich
zu den genehmigten Netzentgelten vermeintlich zuviel vereinnahmt hatte. Die
Mehrerlös-Klausel aus dem Netzentgeltbescheid an Vattenfall lautete: „Der
Antragstellerin wird aufgegeben, die von ihr in der Zeit vom 1. November 2005
bis 30. Juni 2006 erzielten Mehrerlöse zu berechnen und kostenmindernd in der
nächsten Kalkulationsperiode (…) zu berücksichtigen.“
Vattenfall
hat gegen diesen Bescheid und die Mehrerlös-Klausel – zuerst im Rahmen eines
einstweiligen Rechtsschutzes und sodann im Hauptsacheverfahren – Beschwerde beim
OLG Düsseldorf eingelegt. Zunächst mit Erfolg: Das Oberlandesgericht erklärte
die Mehrerlös-Klausel mit Beschluss vom 9. Mai 2007 – VI-3 Kart 289/06 (V) –
für unwirksam. Gegen diesen Beschluss hat wiederum die Bundesnetzagentur
Rechtsbeschwerde zum BGH erhoben.
Der
BGH hat hierzu als Rechtsbeschwerdeinstanz am 14. August 2008 – KVR 39/07 –
entschieden. Zwar entfalten Gerichtsbeschlüsse und -urteile auch des BGH
grundsätzlich nur in Bezug auf die Prozessbeteiligten eine unmittelbare
verbindliche Wirkung (inter partes). Die rechtlichen Wertungen des BGH, so hier
auch die Feststellungen zur Mehrerlösabschöpfungen, müssen aber von allen
unterinstanzlichen Gerichten und somit auch von allen Oberlandesgerichten
berücksichtigt werden. Daher sind nun die bisher ergangenen gegenläufigen
OLG-Beschlüsse obsolet geworden.
Nach
Auffassung des BGH sind die von Vattenfall vereinnahmten „Mehrerlöse“ formell,
nicht aber materiell rechtmäßig. Die gesetzliche Formulierung „beibehalten“ (§
23a Abs. 5 Satz 1 EnWG) bedeute, dass Netzbetreiber die bisher verlangten (z.B.
die entsprechend der Verbändevereinbarung II plus kalkulierten) Netzentgelte in
der Übergangszeit des Genehmigungsverfahrens zwar hätten verlangen dürfen;
dagegen hätten sie die Mehrerlöse nicht endgültig behalten dürfen.
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Zur juristisch nur schwer nachvollziehbaren
Begründung dieser Auslegung führt der BGH vor allem folgende Argumente an: Die
Überleitungsbestimmung des § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV wird durch § 23a EnWG
nicht verdrängt. Danach waren die Netzentgelte spätestens ab dem nach § 118
Abs. 1b Satz 1 EnWG maßgeblichen Zeitpunkt (1. November 2005 für Strom-, 1.
Februar 2006 für Gasentgelte) nach den Grundsätzen der §§ 4 ff. StromNEV zu
bestimmen. Auch der Wortlaut spreche dafür. Das Wort „beibehalten“ bedeute eben
nicht „endgültig zustehen“. Die Normsystematik des § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG
lege zudem nahe, dass es sich nur um eine formelle Regelung für die
Übergangszeit, nicht aber um eine endgültig bzw. materielle Regelung handele.
In welchem Zeitraum Netzentgelte mit
Mehrerlösen zu verrechnen sind, ist dem Beschluss des BGH nicht zu entnehmen.
Ob er in diesem Zusammenhang unter der „periodenübergreifenden“ Abrechnung die
gesamte Regulierungsperiode der kommenden Anreizregulierung, das nächste
Kalenderjahr oder den Zeitraum der nächsten Netzentgeltgenehmigung versteht,
ist nicht eindeutig. Aus pragmatischen Gesichtspunkten bietet sich an, die
Verrechnung entsprechend den Regelungen des Regulierungskontos über die gesamte
nächste Regulierungsperiode der Anreizregulierung vorzunehmen.
Die Gespräche zwischen den
Regulierungsbehörden und den Netzbetreibern sowie ihrer Verbände über die
konkrete Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung sind abgeschlossen. Die zuständige
Behörde wird den Netzbetreiber mit der Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung
auffordern.
Mit der Mail der
Landesregulierungsbehörde NRW vom 08.07.2009 wurde die Stadtwerke Hilden
GmbH von der Behörde über die Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung informiert.
Wie den Ausführungen der Stadtwerke Hilden GmbH
entnommen werden kann, muss der Antrag abgelehnt werden, weil der Beschluss die
Stadtwerke Hilden zwingen würde, gegen geltende regulatorische Vorgaben zu
verstoßen.