Betreff
Unverzügliche Rückzahlung/Verrechnung zuviel berechneter Netzentgelte durch die Stadtwerke Hilden GmbH
Vorlage
WP 09-14 SV 20/049
Aktenzeichen
II/20.1
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

 

Auf Anweisung der Bundesnetzagentur müssen deutsche Strom- und Gasnetzbetreiber ihren Kunden knapp zwei Milliarden Euro erstatten, weil die Versorger 2005/2006 von Konkurrenten überhöhte Netzentgelte (Durchleitungsgebühren) verlangt hatten.

Durch Urteil des Bundesgerichtshofs im August 2008 (!) wurden die Kürzungen von Stromnetzentgelten durch die Regulierungsbehörden im Wesentlichen bestätigt. Durch diese Rechtsprechung ergeben sich Auswirkungen auf die zukünftige Preisgestaltung. Die Stadtwerke erklärten, diese Rechtsprechung umzusetzen.

Mit der Rückzahlung und/oder Verrechnung der zu viel berechneten Netzentgelte – nach Informationen der RP-Hilden vom 29.04.2010 könnte es sich um bis zu sechs Millionen Euro handeln – sollte unverzüglich begonnen werden. Im Gegensatz zu den Kunden, von denen die überhöhten Beträge einbehalten wurden, konnten die SWH zwischenzeitlich mit diesen Mehreinnahmen arbeiten. Auch dieser Zinsgewinn sollte an die Kunden zurückgegeben werden.

Allein die entstanden Zinsverluste auf der einen Seite (Kunden), die eventuellen Zinsgewinne auf der anderen Seite (Stadtwerke) rechtfertigen eine schnellstmögliche Rückzahlung/Verrechnung.

In diesem Zusammenhang ist zu klären, dass auch Kunden, die umgezogen sind oder die zwischenzeitlich den Anbieter gewechselt haben, die ihnen widerrechtlich überhöht in Rechnung gestellten Netzentgelte von der Stadtwerke Hilden GmbH erstattet bekommen.


Antragstext:

 

Antrag der BA/CDf-Fraktion

in der Sitzung des Rates am 25.05.2011

„Unverzügliche Rückzahlung/Verrechnung zuviel berechneter Netzentgelte durch die Stadtwerke Hilden GmbH!“

 

Der Rat der Stadt Hilden möge beschließen:

 

„Die Vertreter der Stadt sowie des Rates im Hauptausschuss und im Aufsichtsrat der Stadtwerke Hilden GmbH werden gem. § 113 Abs. 1 GO angewiesen, in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses bzw. des Aufsichtsrats zu beschließen, dass

1.     die Rückzahlungen für die den Stromkunden rechtswidrig überhöht in Rechnung gestellten Netzentgelte (2005-2007) „in Millionenhöhe“ (Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Trunk, laut RP-Hilden vom 29.04.2010) unverzüglich beginnen;

2.     auch an frühere Stadtwerke-Kunden, die Hilden verlassen oder zwischenzeitlich den Stromanbieter gewechselt haben, die Erstattungen ausgezahlt werden;

3.     die Stadtwerke Hilden GmbH prüft, inwieweit den Kunden Zinsverluste für die verzögerte Rückzahlung erstattet bzw. ausgeglichen werden können.

 


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Zum Antrag der BA/CDf-Fraktion wird – in Abstimmung mit der Stadtwerke Hilden GmbH - wie folgt Stellung:

 

 

Zu1:

Die Stadtwerke Hilden GmbH ist wie auch andere Netzbetreiber von der Mehrerlösabschöpfung betroffen. Das Vorgehen wird von der für uns zuständigen Landesregulierungsbehörde NRW geregelt und überwacht.

 

Danach haben die Stadtwerke Hilden die Daten für die Mehrerlösabschöpfung, nach Absprache, am 04.05.2010 fristgerecht an die Landesregulierungsbehörde NRW versendet. Die Landesregulierungsbehörde bestätigte die eingereichte Datengrundlage am 26.08.2010.

 

Nach einstimmigem Beschluss des Aufsichtsrates vom 06.09.2010 unterschrieb die Stadtwerke Hilden GmbH die rechtsverbindliche Zusage zur Teilnahme an dem vereinfachten und pauschalierten Mehrerlösabschöpfungsverfahren wie es die Landesregulierungsbehörde NRW vorgesehen hat.

 

Somit unterzieht sich die Stadtwerke Hilden GmbH schon heute dem regulierten Prozess der Mehrerlösabschöpfung.

 

Zu 2:

Der BGH hat in sechs Beschlüssen vom 14. August 2008 – u.a. KVR 39/07 –  zu grundsätzlichen Fragen der Netzentgeltregulierung Stellung genommen. Im Blickpunkt steht dabei die Auseinandersetzung des BGH mit der sog. Mehrerlösabschöpfung im „Vattenfall“-Beschluss. In einer Passage des Beschlusses des Bundesgerichtshofes ist ausgeführt, wonach etwaige Mehrerlöse nach Ansicht des BGH abzuschöpfen sind. Sie dürfen den Netzbetreibern nicht verbleiben. Nach Ansicht des BGH sind die rechtsgrundlos erlangten Mehrerlöse als sonstige Erlöse und Erträge i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 StromNEV den Netzkunden wirtschaftlich wieder gutzuschreiben – auf welche Weise, das lässt der BGH teilweise offen.

 

Der BGH stellt aber ausdrücklich fest: „dass eine Rückabwicklung nicht durch kundenscharfe Rückzahlung im Verhältnis zwischen dem Netzbetreiber und den einzelnen Lieferanten bzw. Kunden zu erfolgen hat.“

 

Die Stadtwerke Hilden GmbH folgt mit Ihrem Vorgehen den Vorgaben der Landesregulierungsbehörde NRW und der höchstrichterlichen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes.

 

Zu 3:

Das unter Punkt 3 geforderte Vorgehen ist im regulatorischen Prozess durch die Landesregulierungsbehörde geregelt und wird somit von den Stadtwerke Hilden GmbH eingehalten.


Im Folgenden fügen wir weitere Hintergrundinformationen bei:

 

Die Bundesnetzagentur hatte dem Übertragungsnetzbetreiber Vattenfall Europe Transmission GmbH die beantragten Netzentgelte am 6. Juni 2006 mit Wirkung vom 1. Juli 2006 im Verhältnis zu den beantragten, nicht zu den bisher von Vattenfall verlangten Netzentgelten um 18 Prozent gekürzt. Daneben hatte die Bundesnetzagentur durch die vieldiskutierte „Mehrerlös-Klausel“ diejenigen Gewinne von Vattenfall abschöpfen wollen, die das Unternehmen während des ersten Genehmigungsverfahrens zwischen November 2005 und Juni 2006 im Vergleich zu den genehmigten Netzentgelten vermeintlich zuviel vereinnahmt hatte. Die Mehrerlös-Klausel aus dem Netzentgeltbescheid an Vattenfall lautete: „Der Antragstellerin wird aufgegeben, die von ihr in der Zeit vom 1. November 2005 bis 30. Juni 2006 erzielten Mehrerlöse zu berechnen und kostenmindernd in der nächsten Kalkulationsperiode (…) zu berücksichtigen.“

Vattenfall hat gegen diesen Bescheid und die Mehrerlös-Klausel – zuerst im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes und sodann im Hauptsacheverfahren – Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt. Zunächst mit Erfolg: Das Oberlandesgericht erklärte die Mehrerlös-Klausel mit Beschluss vom 9. Mai 2007 – VI-3 Kart 289/06 (V) – für unwirksam. Gegen diesen Beschluss hat wiederum die Bundesnetzagentur Rechtsbeschwerde zum BGH erhoben.

 

Der BGH hat hierzu als Rechtsbeschwerdeinstanz am 14. August 2008 – KVR 39/07 – entschieden. Zwar entfalten Gerichtsbeschlüsse und -urteile auch des BGH grundsätzlich nur in Bezug auf die Prozessbeteiligten eine unmittelbare verbindliche Wirkung (inter partes). Die rechtlichen Wertungen des BGH, so hier auch die Feststellungen zur Mehrerlösabschöpfungen, müssen aber von allen unterinstanzlichen Gerichten und somit auch von allen Oberlandesgerichten berücksichtigt werden. Daher sind nun die bisher ergangenen gegenläufigen OLG-Beschlüsse obsolet geworden.

 

Nach Auffassung des BGH sind die von Vattenfall vereinnahmten „Mehrerlöse“ formell, nicht aber materiell rechtmäßig. Die gesetzliche Formulierung „beibehalten“ (§ 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG) bedeute, dass Netzbetreiber die bisher verlangten (z.B. die entsprechend der Verbändevereinbarung II plus kalkulierten) Netzentgelte in der Übergangszeit des Genehmigungsverfahrens zwar hätten verlangen dürfen; dagegen hätten sie die Mehrerlöse nicht endgültig behalten dürfen.

 

Zur juristisch nur schwer nachvollziehbaren Begründung dieser Auslegung führt der BGH vor allem folgende Argumente an: Die Überleitungsbestimmung des § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV wird durch § 23a EnWG nicht verdrängt. Danach waren die Netzentgelte spätestens ab dem nach § 118 Abs. 1b Satz 1 EnWG maßgeblichen Zeitpunkt (1. November 2005 für Strom-, 1. Februar 2006 für Gasentgelte) nach den Grundsätzen der §§ 4 ff. StromNEV zu bestimmen. Auch der Wortlaut spreche dafür. Das Wort „beibehalten“ bedeute eben nicht „endgültig zustehen“. Die Normsystematik des § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG lege zudem nahe, dass es sich nur um eine formelle Regelung für die Übergangszeit, nicht aber um eine endgültig bzw. materielle Regelung handele.

 

In welchem Zeitraum Netzentgelte mit Mehrerlösen zu verrechnen sind, ist dem Beschluss des BGH nicht zu entnehmen. Ob er in diesem Zusammenhang unter der „periodenübergreifenden“ Abrechnung die gesamte Regulierungsperiode der kommenden Anreizregulierung, das nächste Kalenderjahr oder den Zeitraum der nächsten Netzentgeltgenehmigung versteht, ist nicht eindeutig. Aus pragmatischen Gesichtspunkten bietet sich an, die Verrechnung entsprechend den Regelungen des Regulierungskontos über die gesamte nächste Regulierungsperiode der Anreizregulierung vorzunehmen.

 

Die Gespräche zwischen den Regulierungsbehörden und den Netzbetreibern sowie ihrer Verbände über die konkrete Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung sind abgeschlossen. Die zuständige Behörde wird den Netzbetreiber mit der Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung auffordern.

 

Mit der Mail der Landesregulierungsbehörde NRW vom 08.07.2009 wurde die Stadtwerke Hilden GmbH von der Behörde über die Umsetzung der Mehrerlösabschöpfung informiert.

 

Wie den Ausführungen der Stadtwerke Hilden GmbH entnommen werden kann, muss der Antrag abgelehnt werden, weil der Beschluss die Stadtwerke Hilden zwingen würde, gegen geltende regulatorische Vorgaben zu verstoßen.