Betreff
Antrag der Ratsfraktion Freie Liberale - Wiedereinführung der Schuleinzugsbereiche für die Stadt Hilden
Vorlage
WP 09-14 SV 51/128
Aktenzeichen
III/51/51.1
Art
Antragsvorlage

Erläuterungen zum Antrag:

Schuleinzugsbereiche garantieren eine flächendeckende Versorgung der Hildener Familien mit Grundschulen im nahen Wohnumfeld ihrer Kinder. Sie verhindern Schließungen von an sich erfolgreichen Grundschulen aufgrund kurzfristiger und gegebenenfalls temporärer lokaler Entwicklungen, die in kurzen Zeiträumen wieder obsolet werden können. Sie verhindern weiterhin die zwangsläufige Inkaufnahme von langen Schulwegen und die Gefahr einer möglichen Herausnahme von Kindern aus den gewohnten sozialen Gruppen „ihrer Straße“ oder ihrer Kita. Vor allem aber tragen sie erheblich zur Integration von Kindern mit „Migrationshindergrund“ bei, da soziale Segregation in reinen „Ausländerklassen“ verhindert wird.

 

 

 

 


Antragstext:

 

Der Rat der Stadt Hilden möge beschließen, Schuleinzugsbereiche für die Stadt Hilden wieder einzuführen.

 


Stellungnahme der Verwaltung:

 

 

Bis zum Jahr 2008 gab es in Nordrhein-Westfalen Schulbezirksgrenzen. Eltern und Schüler hatten keine freie Wahl der Grundschule und waren gezwungen, die ortsnahe Grundschule zu wählen, egal ob diese ihrer Vorstellung entsprach oder nicht. Nach Wegfall der Schulbezirksgrenzen ist es Eltern möglich, ihre Kinder an einer anderen als der wohnortnächsten Grundschule anzumelden. Gründe für die Wahl der Grundschule können beruflicher oder organisatorischer Art sein oder darauf beruhen, dass Eltern der Auffassung sind, dass die Wunsch-Grundschule die besonderen und individuellen Fähigkeiten ihrer Kinder im besonderen Maße berücksichtige. 

Nach Abschaffung der Schulbezirke ist die Wahl einer anderen als der nächstgelegenen Schule allerdings nur im Rahmen der Aufnahmekapazität der jeweiligen Schule möglich. Seine Grenze finde der Wunsch der Eltern selbstverständlich dann, wenn die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft ist oder die Zahl der Anmeldungen die Mindestgröße überschreitet.

Das Schulgesetz in der z.Zt. gültigen Fassung stellt den Kommunen frei, die Schulbezirksgrenzen für Grundschulen wieder einzuführen.

Die Wiedereinführung der Schulbezirke hat Vor- und Nachteile: Einerseits sind Schulbezirke ein Steuerungselement und könnten mehr Planungssicherheit bieten. Andererseits wird die Einführung aber auch zu einer erheblichen Elternunzufriedenheit führen.

Die Kindertageseinrichtung als erste Bildungsstätte ist von den Eltern frei wählbar. Die Kindertageseinrichtungen sind zum einen in unterschiedlicher Trägerschaft (Kirche, Stadt, Vereine) und zum anderen findet hier bereits eine Schwerpunktbildung, z. B. erweiterte Bewegungsangebote, Musikangebote, statt. Aus der Tatsache heraus, dass erste Freundschaften geschlossen werden, wählen Eltern dann eine bestimmte Grundschule, um diese Freundschaften aufrecht zu erhalten oder die Profilbildung zu intensivieren. Würde man die Schulbezirksgrenzen wieder einführen, würde man diesen Weg wieder unterbrechen. Zumal durch Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulgutachten die Eltern nach der Grundschulzeit erneut die Wahlmöglichkeit bei der weiterführenden Schule haben.

Mit der Wiedereinführung von Grundschulbezirksgrenzen würde einerseits das Wahlrecht der Eltern eingeschränkt ohne das andererseits nennenswerte Vorteile für eventuell bislang benachteiligte Kinder erkennbar wären. Außerdem haben Grundschulen häufig ein spezielles Profil entwickelt, das nicht für alle Eltern von Interesse ist. Es ist nur konsequent, dass auch Kinder aus dem gesamten Stadtgebiet eine solche Schule besuchen dürfen.

Die Wiedereinführung von Schulbezirken würde zu einem deutlich höheren Verwaltungsaufwand führen, denn dann müssten Ausnahmegenehmigungen für die Eltern erteilt werden, die ihr Kind aus beruflichen oder aus organisatorischen Gründen wie z.B. Betreuung an einer anderen Schule anmelden wollen. Da sich in Hilden die Verschiebungen in einem vertretbaren Maß bewegen, wird aus Verwaltungssicht eine Wiedereinführung der Schulbezirke für nicht erforderlich gehalten.

Auch zur Zeit der Schulbezirke hat nicht jedes Kind die für seinen Wohnort zuständige Grundschule besucht. Aus wichtigem Grund waren Ausnahmen möglich. Wie man gegenüber der Schulaufsichtsbehörde die Genehmigung einer solchen Ausnahme durchsetzt, wussten vor allem Eltern aus bildungsnahen Familien, so dass sie Mittel und Wege gefunden haben, ihre Kinder an der Wunsch-Grundschule anzumelden. Insoweit bestand ein „Gerechtigkeitsproblem“. Vor dem Wegfall der Schulbezirksgrenzen sind in Hilden 7,5 Prozent der Schüler gewandert, nach dem Wegfall sind es 22 Prozent. Bildungsfernen und sozial benachteiligten Familien wurde der Zugang zur Wunsch-Grundschulen verwehrt, weil sie sich in den Regelsystemen nicht auskennen. Durch die Aufhebung der Schulbezirke wird der Zugang zu Schulen allen Familien ermöglicht, egal aus welchem sozialen Umfeld sie kommen.

Nach Aussage des MSW NRW haben die Schulbezirksgrenzen in der Vergangenheit nicht davor bewahrt, dass sich die Grundschulen vor allem in sozialen Brennpunkten aufgrund der Zusammensetzung ihrer Schülerschaft zu „Problemschulen“ entwickelten. Der Grund ist nicht dem Umstand geschuldet, dass die Schulen zwangsläufig ein Abbild der sozialen Verhältnisse in ihrem jeweiligen Einzugsbereich darstellen. Gerade in Wohngegenden mit einem hohen Anteil eher schlecht integrierter Migrantenfamilien setzen sich die sozialen Probleme im Umfeld „Schule“ fort. Hierbei wirken sich mangelnde Sprachkenntnisse der Schülerinnen und Schüler besonders nachteilig auf die Fähigkeit zu einem erfolgreichen Unterrichtsbesuch aus. Wünschenswert wäre eine Stärkung der bestehenden „Problemschulen“ durch zusätzliche Lehrerstellen. Für diese Schulen ist insbesondere Ganztagsunterricht in einer rhythmisierten Form sinnvoll. Auch ist die Sprachförderung im Vorschulalter zu intensivieren, um einen höheren Grad von „Schulfähigkeit“ bei den Schulanfängern zu gewährleisten.

Auch nach dem Wegfall der Schulbezirke haben die Eltern selbstverständlich das Recht, ihr Kind bei der wohnortnächsten Grundschule anzumelden. Die Eltern haben einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass ihr Kind dort aufgenommen wird. Soweit die Aufnahmekapazität es zulässt, können darüber hinaus auch andere Kinder aufgenommen werden, die weiter von der Schule entfernt wohnen. Die ganz überwiegende Mehrheit der Eltern wählt nach wie vor die wohnortnächste Grundschule für ihr Kind. Es sollte den Eltern freistehen, ihr Kind auch an einer anderen Schule anzumelden, ohne sich dafür vor der Schulaufsichtsbehörde rechtfertigen zu müssen. Seine Grenze findet der Wunsch selbstverständlich dann, wenn die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft ist oder die Zahl der Anmeldungen die Mindestgröße unterschreitet. Mit der Festlegung von Zügigkeiten hat der Rat zudem ein sinnvolles und wirkungsvolles Steuerungsinstrument, sodass große Wanderungsbewegungen durch die Begrenzung der Zügigkeit verhindert werden. Die als Anlage beigefügte Statistik weist die Wanderungsbewegungen bezogen auf die einzelnen Grundschulen aus.

Zudem muss deutlich benannt werden, dass der heutige Zuschnitt der Schulbezirke, nicht dem vormaligen Zuschnitt entspräche und somit noch ein Schulsterben beschleunigen würde. Die neuen Zuschnitte müssten für jede Schule ein ausreichendes Schülerpotential bieten, dies ist aber aufgrund der rückläufigen Schülerzahlen (demographischer Wandel und Stopp der Vorverlegung des Einschulungsalters) zum Teil kaum noch möglich. Es entstünden somit Einzugsbezirke, deren Schülerpotential sich bereits bei Zuschnitt am unteren Rand der erforderlichen Mindestzahlen bewegen würden. Schulen die nur über ein solch kleines Schülerpotential verfügen, geraten somit zwangsläufig in die Situation in einer der Folgejahre keine Eingangsklasse mehr bilden zu können. Sie hätten keinerlei Möglichkeit über eine entsprechende Profilierung Schüler zur einer Anmeldung an ihrer Schule zu bewegen. 

Eine Umfrage des Städte- und Gemeindebundes Ende 2010 ergab, dass über 90 Prozent der Gemeinden an der freien Schulwahl festhalten wollen. Nur 5 bis 10 Prozent der Kommunen erwägen demnach eine Wiedereinführung von starren Schulbezirksgrenzen. Die freie Wahl der von Eltern gewünschten Grundschule hat sich damit flächendeckend in NRW durchgesetzt. Zum Vorteil der Schüler ist ein Qualitätswettbewerb um das beste und individuell passgenaue schulische Angebot entstanden, das  die Leistungsfähigkeit unseres Schulwesens stärkt. Der Städtetag NRW erklärte ausdrücklich, dass sich die ursprünglichen Befürchtungen hinsichtlich der Folgen einer Aufhebung der Schulbezirke nicht bestätigt hätten. Dies wird auch durch umfangreiche Aussagen einer Vielzahl von Kommunen bestätigt. Die freie Grundschulwahl entspricht dem verantwortungsbewussten Willen der Eltern. So lehnten in der Anhörung zur Änderung des Schulgesetzes viele betroffene Elternvereinigungen eine Rückwärtsentwicklung und die Wiedereinführung von Schulbezirken sowie die hiermit verbundene Beschränkung der Entscheidungsrechte von Eltern und Schülern ab. Feste Schulbezirke für Grundschulen  beschneiden die Schulwahl erheblich. Viele Schulen haben in den vergangenen Jahren schulische Profile gebildet um somit den Eltern ein attraktives Angebot zu unterbreiten. Starre Schulbezirksgrenzen und eine hiermit verbundene Zuweisung von Schülern würden diesen qualitativen Wettbewerb zukünftig beenden.

 

Die Schulleitungen der Hildener Grundschulen haben sich mit überzeugender Mehrheit ebenfalls gegen die Wiedereinführung der Schulbezirksgrenzen ausgesprochen.

 

 

Horst Thiele

 

 


Finanzielle Auswirkungen  Nein Â