Beschlussvorschlag:
„Der
Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.“
Erläuterungen und Begründungen:
Das dritte Quartal
des Jahres 2007 stand in den Bereichen des Jugendschutzes und der
Jugend-gerichtshilfe unter einem besonderen Schwerpunkt der Prävention gegen
Jugendkriminalität. Dabei war hier eine sekundärpräventive Sicht zielführend,
also die Arbeit mit jungen Menschen, die bereits mit dem Gesetz in Konflikt
geraten sind oder in der unmittelbaren
Gefahr dazu stehen. Ausgangspunkt für die Maßnahmen waren die erfolgreichen
Projekte im Hildener Norden, die im vergangenen Jahr mit dem Landespreis für
innere Sicherheit ausgezeichnet wurden und deren Ansätze kontinuierlich fortgesetzt werden sollen.
Dazu wurden, verteilt über den Herbst 2007, verschiedene Aktionen und Maßnahmen durchgeführt.
- Ein sozialer
Trainingskurs für Jugendliche mit gerichtlichen Auflagen
- Das
Tanztheaterprojekt AkzepTanz
- Eine
Informationsfahrt mit Jugendlichen in die JVA Geldern
- Die
Ausstellung „Seele in Beton“ im Area 51
- Die Theaterperformance „Roxanne und der Richter“
- Teilnahme am
Symposium des Ministeriums der Justiz NRW in Düsseldorf
Die ersten drei
Punkte waren modular miteinander verzahnt, d.h. die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
an den Maßnahmen waren zum größten Teil die gleichen Personen, die Inhalte der
drei Angebote aufeinander abgestimmt. Die Maßnahmen des Trainingskurses und das
Tanztheater fanden an 4 Wochenendterminen (13. 21. 27. und 28. Oktober) jeweils
von 10.00 bis 18.00 Uhr statt. Die Fahrt nach Geldern fand am 15. Dezember
statt. Es nahmen insgesamt 16 Jugendliche (3 Mädchen) in unterschiedlichen
Konstellationen an den 3 Maßnahmen teil.
Für Jugendliche
mit richterlicher Weisung nach §10 JGG (aber auch im Vorfeld von Straffälligkeit)
wurde ein größeres Projekt angeboten, das sowohl die Bestandteile eines
„Sozialen Trainingskurses“ (Kommunikation, Körpersprache, Konfliktmanagement,
Deeskalation, Sozial- und Berufskompetenz) enthielt, ebenfalls aber in
Verbindung mit einer künstlerischen Aktivität „Kulturelle Bildung“ und Persönlichkeitsbildung
schafft.
Modul I Sozialer
Trainingskurs
Die Jugendlichen
durchliefen im 1. Modul den Sozialen Trainingskurs,
der ihnen
sogenannte „life-skills“ vermittelte.
Sozialkompetenz-Training
Ø Grundelemente und
Wirkungen von Kommunikation und Körpersprache verstehen
Ø die Wahrnehmung
von Verhalten schärfen.
Ø selbstbewusstes
Auftreten in Bewerbungssituationen trainieren
Ø Umgang mit Kritik
und Konfliktgespräche führen lernen
Mobbing-Prävention
Ø
Selbstbewusstes Auftreten innerhalb von Gruppen und
Mobbingsituationen trainieren
Ø
Erfahrungen mit Zivilcourage machen
Anti-Gewalt-Training/Coolnesstraining
Ø
Umgang mit Aggressionen lernen
Ø
Verhalten in Bedrohungssituationen trainieren
Ø
Techniken zur Deeskalation in Gewaltsituation
lernen
Ø
In Übungen zum Körperbewusstsein nonverbale Sprache
bewusster machen
Ø
Im Coolnesstraining effektive Strategien zur
Deeskalation von Provokationen lernen
Ø
In Spielen und Übungen die Philosophie vom
konstruktiven Umgang mit Aggressionen erleben.
Ø
Zukunftsperspektiven
Im Trainingskurs wurden den
Jugendlichen ihre eigenen Ressourcen bewusst und mit ihnen wurden schulische
und berufliche Perspektiven entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit dem Team
der Jugendgerichtshilfe wurden
notwendige weitergehende Betreuungen thematisiert, um die Jugendlichen
zu fördern und Straffälligkeit zu vermeiden.
Modul II Tanztheaterprojekt „AkzepTANZ“
Das Projekt vermittelte
den Jugendlichen das Gefühl und die Sicherheit, dass sie über sich hinauswachsen
können. Sie sollten erleben, dass in
ihnen Fähigkeiten schlummern, die sie noch nie wahrnehmen konnten, dass sie
durch die künstlerische Arbeit und die kreative Auseinandersetzung mit sich und
anderen ihren Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen, Träumen, auch Vorurteilen auf der
Bühne Raum und Sprache geben können. Dies
schaffte für die Jugendlichen neue Ausdrucksmöglichkeiten. Sie lernten
Disziplin, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Kommunikation und Kooperation. Durch
das Tanztheaterprojekt und durch die
Kunst wird die kreative Sprache Ausdruck von sozialem Lernen.
Modul III Besuch der
JVA Geldern
Es wurde ein
Besuch in der JVA Geldern durchgeführt und dabei auch Gespräche mit Langzeitinhaftierten
geführt. Die Jugendlichen erfahren auf der emotionalen Ebene, was es heißt,
eingesperrt zu sein (Zellenaufenthalt). Ebenso erfahren sie von den Betroffenen
selbst, welche Auswirkungen (körperlich/seelisch) eine Langzeitinhaftierung mit
sich bringt und wie eingeschränkt Zukunftsperspektiven aussehen.
Die Jugendlichen
konnten die Inhaftierten selbst befragen, brachten sich so aktiv in die
Thematik ein und reflektierten dabei ihre eigene Lebenssituation. Diese
Konfrontation mit der Realität eines „Knastes“ löste bei einigen Jugendlichen
einen heilsamen Schock aus, der aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass
Jugendliche weiterhin Begleitung, Unterstützung und Anleitung auf ihrem Weg ins
Erwachsenensein benötigen.
Auch die Punkte 4
und 5 des obigen Maßnahmenkataloges standen in einem engen Zusammenhang. Mit
der Ausstellung „Seele in Beton“ wurde
bereits zum zweiten Mal eine Fotoausstellung nach Hilden gebracht, die sich mit
der fotografisch festgehaltenen Realität jugendlicher Strafgefangener
auseinandersetzt. Mit 15 Exponaten wurde die „kleine Variante“ vom 6. bis 10.
November 2007 im Jugendzentrum Area 51 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Am 6. November 2007 wurde die
Ausstellung mit ca. 150 Hildener Schülerinnen und Schülern eröffnet. Auch der
zuständige Jugendstaatsanwalt und die Polizei Hilden waren bei der Eröffnung
anwesend und konnten von Jugendlichen befragt werden.
Im Rahmen dieser
Eröffnung wurde auch das Theaterstück „Roxanne und der Richter“ uraufgeführt.
Die Idee zu dieser Theaterperformance entsprang den Formaten von Gerichtssendungen,
die vielen Jugendlichen aus den Nachmittagsprogrammen der Privatsender bekannt
sind. Hier sollte den Jugendlichen ein realistischerer Einblick in das
Innenleben von Angeklagtem und Richter im Rahmen einer inszenierten
Gerichtsverhandlung gegeben werden. Die Jugendlichen besuchten Ausstellung und
Theater mit ihren Lehrkräften, so dass sich die Chance zu einer unterrichtlichen
Nachbereitung ergab. Die Ausstellung konnte in Folge von Besucherinnen und Besuchern
der Jugendeinrichtung besichtigt werden.
Schließlich fand vom 12. bis 13. Dezember eine landesweites Symposium
des Justizministeriums und des MGFFI mit dem Titel: „Herausforderung: Prävention - Strategien
gegen Kinder- und Jugendkriminalität“ statt.
Die beiden Minister erklärten
dazu:
„Kinder- und Jugendkriminalität ist kein
Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Wie man ihr effektiv vorbeugen kann, wird
schon seit langem nicht nur in unserer Gesellschaft diskutiert. Jetzt ist es
aber an der Zeit, Bilanz zu ziehen und neue Ideen zu entwickeln“, sagte heute
(12. Dezember 2007) Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter bei der
Eröffnung des Symposiums „Herausforderung: Prävention - Strategien gegen
Kinder- und Jugendkriminalität“ in Düsseldorf.
Zu der zweitägigen Veranstaltung kommen heute und
morgen rund 300 Fachleute aus Schule, Jugendhilfe, Polizei und Justiz aus
Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern in der Landeshauptstadt zusammen,
um über wirksame Präventionsstrategien bei Kindern und Jugendlichen zu
diskutieren. Gemeinsam eingeladen hatten dazu das Ministerium für Generationen,
Familie, Frauen und Integration sowie das Justizministerium.
„Die Veranstaltung soll uns im Kreise von Praxis,
Wissenschaft und Politik zum gemeinsamen Nachdenken über komplexe Probleme der
Jugendkriminalität veranlassen. Nur so können wir ein breites Panorama von
Lösungsstrategien entwickeln“, sagte die Justizministerin. Sie betonte, ihr
bereiteten vor allem bestimmte Zielgruppen und Phänomene Sorgen: junge
Mehrfach- und Intensivtäter, junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte,
Kriminalitätsschwerpunkte in Stadtvierteln, Kriminalitätsgefahren durch frühen
Alkohol- und Drogenkonsum sowie durch neue Medien.
Der Justiz komme gerade bei der Rückfallvermeidung
und beim Abbruch von kriminellen Karrieren eine große Bedeutung zu.
Intensivtäterprojekte seien ein gutes Beispiel für ein solches kriminalpräventives
Aufgabenverständnis in der polizeilichen und staatsanwaltlichen Praxis. Sie
stellten mit Hilfe von Persönlichkeitsanalysen, Gefährderansprachen und
Fallkonferenzen lebensnahe Unmittelbarkeit zu den Tätern her, um
gesellschaftliche Risikofaktoren realistisch erfassen und kontrollieren zu können.
Jugendminister Armin Laschet betonte anlässlich des
Symposiums: „In den vergangenen Jahrzehnten sind in der Kinder- und Jugendhilfe
bei der Präventionsarbeit eine Vielzahl guter Ansätze, Modelle und Projekte
entstanden, die jetzt weiterentwickelt und standardisiert werden müssen.
Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass die bereits bestehenden
Kooperationsstrukturen der verschiedenen Akteure vor Ort noch mehr gefestigt
und auf eine solide Basis gestellt werden.“ Der Minister verwies auch auf die
Bedeutung der frühen Bildung und der Jugendarbeit für die Prävention. Sie
leisteten wichtige Beiträge für den Umgang mit Konflikten und für die charakterliche
Stärkung junger Menschen. Den Ansatz der guten Kooperationsstrukturen habe die
Landesregierung schon vor zwei Jahren aufgegriffen und eine interministerielle
Arbeitsgruppe eingesetzt, die das 20-Punkte-Programm „Stopp der Kinder- und
Jugendkriminalität − Eine Offensive der Landesregierung Nordrhein-Westfalen“
erarbeitet habe.
Laschet hob hervor, die Jugend insgesamt werde nicht
immer gewalttätiger und krimineller, auch wenn dies in den Medien bei
spektakulären Gewaltexzessen einzelner Jugendlicher oft so dargestellt werde.
Stattdessen meistere der überwiegende Teil der jungen Menschen die täglichen
Herausforderungen ohne größere Probleme. Laschet: „Gerade vor dem Hintergrund
des rasanten gesellschaftlichen Wandels verdient die überwiegende Anzahl der Kinder
und Jugendlichen unsere uneingeschränkte Anerkennung. Dies muss viel häufiger
in aller Deutlichkeit gesagt werden.“
Die Stadt Hilden
war zusammen mit der Kreispolizei Mettmann angefragt noch einmal ihr erfolgreiches
Projekt Hilden Nord im Rahmen eines Marktes zu präsentieren. Dieser Anfrage ist
man seitens des Fachamtes gerne nachgekommen, so dass ein professioneller
Auftritt mit Info- und Medienwand organisiert wurde. Im Rahmen dieses
Symposiums kam es zu zahlreichen, informativen Austauschen mit Experten aus
Politik, Justiz, Polizei und Jugendhilfe. Der Hildener Weg wurde von vielen Gesprächspartnern
interessiert hinterfragt und gelobt.
Insgesamt setzte
der vergangene Herbst noch einmal einen
deutlichen Akzent in Richtung einer
sekundären Prävention. Viele Projekte und Maßnahmen der Jugendhilfe
setzen schon mit einer sehr frühen Prävention an, um Kinder und Jugendliche zu
stärken und vor Gefährdungen zu schützen. Dennoch wird es trotz dieser
Prävention auch immer Jugendliche geben, die phasenweise in Konflikte mit
Gesetz und sozialem Umfeld geraten. Gerade diese Zielgruppe wurde mit den hier
vorgestellten Maßnahmen anvisiert. Dabei ist ein Spannungsfeld zwischen notwendiger, erzieherischer
Intervention und möglicher Stigmatisierung der
Jugendlichen genau im Auge zu behalten. In der Praxis heißt dies, gerade diesen Jugendlichen attraktive
Angebote zu machen, die dazu führen ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und
positiv zu verändern. Dies scheint mit
den hier vorgestellten Angeboten gelungen zu sein. Allerdings ist dieses Feld
keines, das sich mit einer intensiven
Pressearbeit begleiten lässt, da eine Bloßstellung der teilnehmenden
Jugendlichen gerade vermieden werden soll. Daher nahm das Fachamt die
Gelegenheit wahr, dieses wichtige
Präventionsfeld dem Jugendhilfeausschuss vorzustellen.
Bilder vom Symposium am 13.12.2007 –
Messe Düsseldorf - Stand der
Stadt Hilden
Perspektiven für
2008
Auch im Jahr 2008
soll die Arbeit in diesem Bereich selbstverständlich fortgesetzt werden. Dreh-
und Angelpunkt soll auch 2008 das Projekt im Hildener Norden rund um das Area
51 sein. Von dort aus sollen aber auch Maßnahmen für Jugendliche im gesamten
Hildener Stadtgebiet geplant werden.
Soziale Gruppenkurse, Fahrten in
eine Strafvollzugsanstalt sind dabei
Instrumentarien der Jugendgerichtshilfe, Tanz- und Theaterangebote gehören zum
Repertoire des erzieherischen Jugendschutzes. Polizei und Justiz sind weitere
entscheidende Partner. In dieser
Kooperationsachse soll die Prävention auch zukünftig entwickelt werden.
Günter Scheib