Betreff
Strategien zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendkriminalität, Maßnahmenbündel Herbst 2007
Vorlage
WP 04-09 SV 51/323
Aktenzeichen
III/51 UB/AK
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

„Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.“

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Das dritte Quartal des Jahres 2007 stand in den Bereichen des Jugendschutzes und der Jugend-gerichtshilfe unter einem besonderen Schwerpunkt der Prävention gegen Jugendkriminalität. Dabei war hier eine sekundärpräventive Sicht zielführend, also die Arbeit mit jungen Menschen, die bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind  oder in der unmittelbaren Gefahr dazu stehen. Ausgangspunkt für die Maßnahmen waren die erfolgreichen Projekte im Hildener Norden, die im vergangenen Jahr mit dem Landespreis für innere Sicherheit ausgezeichnet wurden und deren Ansätze  kontinuierlich fortgesetzt werden sollen.

                                                                                                                                        

Dazu wurden, verteilt über den Herbst 2007, verschiedene Aktionen und  Maßnahmen durchgeführt.

 

  1. Ein sozialer Trainingskurs für Jugendliche mit gerichtlichen Auflagen
  2. Das Tanztheaterprojekt AkzepTanz 
  3. Eine Informationsfahrt mit Jugendlichen in die JVA Geldern
  4. Die Ausstellung „Seele in Beton“ im Area 51
  5.  Die Theaterperformance „Roxanne und der Richter“
  6. Teilnahme am Symposium des Ministeriums der Justiz NRW in Düsseldorf

 

 

Die ersten drei Punkte waren modular miteinander verzahnt, d.h. die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Maßnahmen waren zum größten Teil die gleichen Personen, die Inhalte der drei Angebote aufeinander abgestimmt. Die Maßnahmen des Trainingskurses und das Tanztheater fanden an 4 Wochenendterminen (13. 21. 27. und 28. Oktober) jeweils von 10.00 bis 18.00 Uhr statt. Die Fahrt nach Geldern fand am 15. Dezember statt. Es nahmen insgesamt 16 Jugendliche (3 Mädchen) in unterschiedlichen Konstellationen an den 3 Maßnahmen teil.

 

Für Jugendliche mit richterlicher Weisung nach §10 JGG (aber auch im Vorfeld von Straffälligkeit) wurde ein größeres Projekt angeboten, das sowohl die Bestandteile eines „Sozialen Trainingskurses“ (Kommunikation, Körpersprache, Konfliktmanagement, Deeskalation, Sozial- und Berufskompetenz) enthielt, ebenfalls aber in Verbindung mit einer künstlerischen Aktivität „Kulturelle Bildung“ und Persönlichkeitsbildung schafft.

 

Modul I Sozialer Trainingskurs

 

Die Jugendlichen durchliefen im 1. Modul den Sozialen Trainingskurs,

der ihnen sogenannte „life-skills“ vermittelte.

 

Sozialkompetenz-Training

Ø      Grundelemente und Wirkungen von Kommunikation und Körpersprache verstehen

Ø      die Wahrnehmung von Verhalten schärfen.

Ø      selbstbewusstes Auftreten in Bewerbungssituationen trainieren

Ø      Umgang mit Kritik und Konfliktgespräche führen lernen

 

Mobbing-Prävention

Ø      Selbstbewusstes Auftreten innerhalb von Gruppen und Mobbingsituationen trainieren

Ø      Erfahrungen mit Zivilcourage machen

 

Anti-Gewalt-Training/Coolnesstraining

Ø      Umgang mit Aggressionen lernen

Ø      Verhalten in Bedrohungssituationen trainieren

Ø      Techniken zur Deeskalation in Gewaltsituation lernen

 

 

Ø      In Übungen zum Körperbewusstsein nonverbale Sprache bewusster machen

Ø      Im Coolnesstraining effektive Strategien zur Deeskalation von Provokationen lernen

Ø      In Spielen und Übungen die Philosophie vom konstruktiven Umgang mit Aggressionen erleben.

Ø       

Zukunftsperspektiven

Im Trainingskurs wurden  den Jugendlichen ihre eigenen Ressourcen bewusst und mit ihnen wurden schulische und berufliche Perspektiven entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit dem Team der Jugendgerichtshilfe wurden  notwendige weitergehende Betreuungen thematisiert, um die Jugendlichen zu fördern und Straffälligkeit zu vermeiden.

 

Modul II Tanztheaterprojekt „AkzepTANZ“

 

Das Projekt  vermittelte  den Jugendlichen das Gefühl und die Sicherheit, dass sie über sich hinauswachsen können.  Sie sollten erleben, dass in ihnen Fähigkeiten schlummern, die sie noch nie wahrnehmen konnten, dass sie durch die künstlerische Arbeit und die kreative Auseinandersetzung mit sich und anderen ihren Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen, Träumen, auch Vorurteilen auf der Bühne Raum und Sprache geben können. Dies  schaffte für die Jugendlichen neue Ausdrucksmöglichkeiten. Sie lernten Disziplin, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Kommunikation und Kooperation. Durch das Tanztheaterprojekt und  durch die Kunst wird die kreative Sprache Ausdruck von sozialem Lernen.

 

Modul III   Besuch der JVA Geldern

 

Es wurde ein Besuch in der JVA Geldern durchgeführt und dabei auch Gespräche mit Langzeitinhaftierten geführt. Die Jugendlichen erfahren auf der emotionalen Ebene, was es heißt, eingesperrt zu sein (Zellenaufenthalt). Ebenso erfahren sie von den Betroffenen selbst, welche Auswirkungen (körperlich/seelisch) eine Langzeitinhaftierung mit sich bringt und wie eingeschränkt Zukunftsperspektiven aussehen.

 

Die Jugendlichen konnten die Inhaftierten selbst befragen, brachten sich so aktiv in die Thematik ein und reflektierten dabei ihre eigene Lebenssituation. Diese Konfrontation mit der Realität eines „Knastes“ löste bei einigen Jugendlichen einen heilsamen Schock aus, der aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Jugendliche weiterhin Begleitung, Unterstützung und Anleitung auf ihrem Weg ins Erwachsenensein benötigen.

 

Auch die Punkte 4 und 5 des obigen Maßnahmenkataloges standen in einem engen Zusammenhang. Mit der Ausstellung „Seele in Beton“  wurde bereits zum zweiten Mal eine Fotoausstellung nach Hilden gebracht, die sich mit der fotografisch festgehaltenen Realität jugendlicher Strafgefangener auseinandersetzt. Mit 15 Exponaten wurde die „kleine Variante“ vom 6. bis 10. November 2007 im Jugendzentrum Area 51 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Am 6. November 2007  wurde die Ausstellung mit ca. 150 Hildener Schülerinnen und Schülern eröffnet. Auch der zuständige Jugendstaatsanwalt und die Polizei Hilden waren bei der Eröffnung anwesend und konnten von Jugendlichen befragt werden. 

 

Im Rahmen dieser Eröffnung wurde auch das Theaterstück „Roxanne und der Richter“ uraufgeführt. Die Idee zu dieser Theaterperformance entsprang den Formaten von Gerichtssendungen, die vielen Jugendlichen aus den Nachmittagsprogrammen der Privatsender bekannt sind. Hier sollte den Jugendlichen ein realistischerer Einblick in das Innenleben von Angeklagtem und Richter  im Rahmen einer inszenierten Gerichtsverhandlung gegeben werden. Die Jugendlichen besuchten Ausstellung und Theater mit ihren Lehrkräften, so dass sich die Chance zu einer unterrichtlichen Nachbereitung ergab. Die Ausstellung konnte in Folge von Besucherinnen und Besuchern der Jugendeinrichtung besichtigt werden.

 

 

 

Schließlich fand vom 12. bis 13. Dezember eine landesweites Symposium des Justizministeriums und des MGFFI mit dem Titel:  „Herausforderung: Prävention - Strategien gegen Kinder- und Jugendkriminalität“ statt.

 Die beiden Minister erklärten dazu:

Kinder- und Jugendkriminalität ist kein Phänomen der jüngeren Ver­gangenheit. Wie man ihr effektiv vorbeugen kann, wird schon seit lan­gem nicht nur in unserer Gesellschaft diskutiert. Jetzt ist es aber an der Zeit, Bilanz zu ziehen und neue Ideen zu entwickeln“, sagte heute (12. Dezember 2007) Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter bei der Eröffnung des Symposiums „Herausforderung: Prävention - Strategien gegen Kinder- und Jugendkriminalität“ in Düsseldorf.

Zu der zweitägigen Veranstaltung kommen heute und morgen rund 300 Fachleute aus Schule, Jugendhilfe, Polizei und Justiz aus Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern in der Landeshauptstadt zu­sammen, um über wirksame Präventionsstrategien bei Kindern und Ju­gendlichen zu diskutieren. Gemeinsam eingeladen hatten dazu das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration sowie das Justizministerium.

„Die Veranstaltung soll uns im Kreise von Praxis, Wissenschaft und Po­litik zum gemeinsamen Nachdenken über komplexe Probleme der Ju­gendkriminalität veranlassen. Nur so können wir ein breites Panorama von Lösungsstrategien entwickeln“, sagte die Justizministerin. Sie be­tonte, ihr bereiteten vor allem bestimmte Zielgruppen und Phänomene Sorgen: junge Mehrfach- und Intensivtäter, junge Menschen mit Zuwan­derungsgeschichte, Kriminalitätsschwerpunkte in Stadtvierteln, Krimina­litätsgefahren durch frühen Alkohol- und Drogenkonsum sowie durch neue Medien.

Der Justiz komme gerade bei der Rückfallvermeidung und beim Ab­bruch von kriminellen Karrieren eine große Bedeutung zu. Intensivtäter­projekte seien ein gutes Beispiel für ein solches kriminalpräventives Aufgabenverständnis in der polizeilichen und staatsanwaltlichen Praxis. Sie stellten mit Hilfe von Persönlichkeitsanalysen, Gefährderansprachen und Fallkonferenzen lebensnahe Unmittelbarkeit zu den Tätern her, um gesellschaftliche Risikofaktoren realistisch erfassen und kontrollieren zu können.

Jugendminister Armin Laschet betonte anlässlich des Symposiums: „In den vergangenen Jahrzehnten sind in der Kinder- und Jugendhilfe bei der Präventionsarbeit eine Vielzahl guter Ansätze, Modelle und Projekte entstanden, die jetzt weiterentwickelt und standardisiert werden müs­sen. Hierbei ist von besonderer Bedeutung, dass die bereits bestehen­den Kooperationsstrukturen der verschiedenen Akteure vor Ort noch mehr gefestigt und auf eine solide Basis gestellt werden.“ Der Minister verwies auch auf die Bedeutung der frühen Bildung und der Jugendar­beit für die Prävention. Sie leisteten wichtige Beiträge für den Umgang mit Konflikten und für die charakterliche Stärkung junger Menschen. Den Ansatz der guten Kooperationsstrukturen habe die Landesregie­rung schon vor zwei Jahren aufgegriffen und eine interministerielle Ar­beitsgruppe eingesetzt, die das 20-Punkte-Programm „Stopp der Kin­der- und Jugendkriminalität − Eine Offensive der Landesregierung Nord­rhein-Westfalen“ erarbeitet habe.

Laschet hob hervor, die Jugend insgesamt werde nicht immer gewalttä­tiger und krimineller, auch wenn dies in den Medien bei spektakulären Gewaltexzessen einzelner Jugendlicher oft so dargestellt werde. Statt­dessen meistere der überwiegende Teil der jungen Menschen die tägli­chen Herausforderungen ohne größere Probleme. Laschet: „Gerade vor dem Hintergrund des rasanten gesellschaftlichen Wandels verdient die überwiegende Anzahl der Kinder und Jugendlichen unsere uneinge­schränkte Anerkennung. Dies muss viel häufiger in aller Deutlichkeit gesagt werden.“

 

Die Stadt Hilden war zusammen mit der Kreispolizei Mettmann angefragt noch einmal ihr erfolgreiches Projekt Hilden Nord im Rahmen eines Marktes zu präsentieren. Dieser Anfrage ist man seitens des Fachamtes gerne nachgekommen, so dass ein professioneller Auftritt mit Info- und Medienwand organisiert wurde. Im Rahmen dieses Symposiums kam es zu zahlreichen, informativen Austauschen mit Experten aus Politik, Justiz, Polizei und Jugendhilfe. Der Hildener Weg wurde von vielen Gesprächspartnern interessiert hinterfragt und gelobt.

 

Insgesamt setzte der vergangene Herbst noch einmal einen   deutlichen Akzent in Richtung einer  sekundären Prävention. Viele Projekte und Maßnahmen der Jugendhilfe setzen schon mit einer sehr frühen Prävention an, um Kinder und Jugendliche zu stärken und vor Gefährdungen zu schützen. Dennoch wird es trotz dieser Prävention auch immer Jugendliche geben, die phasenweise in Konflikte mit Gesetz und sozialem Umfeld geraten. Gerade diese Zielgruppe wurde mit den hier vorgestellten Maßnahmen anvisiert. Dabei ist ein Spannungsfeld  zwischen notwendiger, erzieherischer Intervention und möglicher Stigmatisierung der  Jugendlichen genau im Auge zu behalten. In der Praxis heißt dies,  gerade diesen Jugendlichen attraktive Angebote zu machen, die dazu führen ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und positiv zu verändern.  Dies scheint mit den hier vorgestellten Angeboten gelungen zu sein. Allerdings ist dieses Feld keines, das sich mit einer intensiven  Pressearbeit begleiten lässt, da eine Bloßstellung der teilnehmenden Jugendlichen gerade vermieden werden soll. Daher nahm das Fachamt die Gelegenheit wahr,  dieses wichtige Präventionsfeld dem Jugendhilfeausschuss vorzustellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bilder vom Symposium am 13.12.2007 –  Messe Düsseldorf -  Stand der Stadt Hilden

 

 

Perspektiven für 2008

 

Auch im Jahr 2008 soll die Arbeit in diesem Bereich selbstverständlich fortgesetzt werden. Dreh- und Angelpunkt soll auch 2008 das Projekt im Hildener Norden rund um das Area 51 sein. Von dort aus sollen aber auch Maßnahmen für Jugendliche im gesamten Hildener Stadtgebiet geplant werden.  Soziale Gruppenkurse,  Fahrten in eine Strafvollzugsanstalt  sind dabei Instrumentarien der Jugendgerichtshilfe, Tanz- und Theaterangebote gehören zum Repertoire des erzieherischen Jugendschutzes. Polizei und Justiz sind weitere entscheidende Partner.  In dieser Kooperationsachse soll die Prävention auch zukünftig entwickelt werden.

 

 

 

 

Günter Scheib