Betreff
Hildener Präventionsmodell zur Verhinderung von Jugendkriminalität
Vorlage
WP 04-09 SV 51/015
Aktenzeichen
III/51 Ku
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

„Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zum Hildener Präventionsmodell zur Verhinderung von Jugendkriminalität zur Kenntnis.“

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Das HIP-Modell (Hildener Präventionsmodell zur Verhinderung von Jugendkriminalität) ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Jugendgerichtshilfe Hilden, den Jugendsacharbeitern der Polizei Hilden und der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

 

Der Hintergrund

 

Nach Kenntnis der Jugendkriminalitätsstatistik für das Jahr 2001 mit den hohen Zahlen von jugendlichen Straftätern fanden zwischen Vertretern der Jugendhilfe und der Polizei Hilden Überlegungen zur weiteren Prävention zugeschnitten auf die kommunalen Strukturen statt. Dabei wurde die gemeinsame Idee des HIP-Modells geboren, das aus 3 Bausteinen besteht. Ausgangspunkt war das Remscheider Modell.

In Hilden wurde zunächst untersucht, welche jungen Straftäter die Hauptprobleme darstellen. Dies sind die Ersttäter, die in die delinquente Gefährdung abrutschen, die Mehrfachtäter, die zu kriminalisieren drohen und delinquente Kinder.

 

Auf dem Hintergrund dieser Zielgruppen wurden die 3 Bausteine des HIP-Modells als eine Präventionsantwort auf die Delinquenz entwickelt. Das Remscheider Modell wäre für Hilden zu personalintensiv und angesichts dessen, das Jugendkriminalität als vorübergehende Episode wissenschaftlich nachgewiesen ist, zu hoch angesetzt. Das HIP-Modell ist maßgeschneidert, da es sich nur um die gefährdeten Kinder und Jugendlichen kümmert. Die anderen durchlaufen das übliche rechtsstaatliche Verfahren.

 

Die Idee

 

Ausgehend vom Zahlenmaterial und unter Berücksichtigung des pädagogischen Zieles, welches auch durch den gesetzlichen Auftrag unterstützt wird, eine möglichst kurzfristige und zeitlich nahe an der Tat orientierte Reaktion auf das delinquente Verhalten zu gewährleisten, wurden Überlegungen angestellt, auf welcher Weise man diesen Auftrag, unter Berücksichtigung der steigenden Zahlen, gerecht werden kann.

Über einen Zeitraum von ca. einem Monat sammeln die Jugendsachbearbeiter der Polizei  die Vorgänge, die für den Diversionstag in Frage kommen. Grundsätzlich sollen – gemäß Diversionserlass – nur die Beschuldigten in den Diversionstag einfließen, die erstmalig bis max. zum 3. Mal kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten sind. Absolute Bagatellfälle von Ersttätern werden hier nicht behandelt.

 

Es wurde festgelegt, dass es sich bei den Straftaten um Delikte aus dem Eigentumsbereich, kleinere Verkehrsstrafsachen, Erschleichen von Leistungen, Sachbeschädigungen (Graffiti), Körperverletzung, Beleidigungen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz handeln sollte.

 

Die Liste mit den entsprechenden Personalien wird an die Staatsanwaltschaft sowie an die Jugendgerichtshilfe weitergegeben. Die Staatsanwaltschaft ihrerseits bringt zum Diversionstermin eine entsprechende Anzahl von Akten und Aktenzeichen für die im Vorhinein versandten Fälle mit.

 

Die Jugendlichen und ein Erziehungsberechtigter werden zu diesem Termin zur Vernehmung durch die Polizei ins Polizeigebäude vorgeladen. Das Erscheinen eines Erziehungsberechtigten ist zwingend zur Durchführung des Termins notwendig und wird in der polizeilichen Ladung auch deutlich gemacht. Die Teilnahme ist unabdingbare Voraussetzung, damit auch den Eltern gegenüber dokumentiert werden kann, dass sie ihren Kindern gegenüber eine Verpflichtung haben.

 

Im normalen Verlauf eines Strafverfahrens kommt es häufig vor, dass Eltern ihre Kinder nicht begleiten, da sie tatsächliche oder auch vermeintliche Hinderungsgründe anführen, die dazu führen, dass die Jugendlichen unbegleitet das Verfahren allein bewältigen müssen. Dies führt in Einzelfällen dazu, dass die Eltern erst nach mehreren Straftaten von den Auffälligkeiten der Kinder erfahren. Nicht selten verheimlichen die Jugendlichen ihre Straftaten.

 

Die Jugendlichen sollen dann von den Polizeibeamten vernommen werden, wobei diese Vernehmung auch direkt niedergeschrieben und vom Jugendlichen unterschrieben wird. Der vernehmende Polizeibeamte gibt dann den Vorgang dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe weiter, der seinerseits ein Gespräch mit dem Jugendlichen und dem Erziehungsberechtigten führt. Danach wendet sich der Jugendgerichtshelfer an den Staatsanwalt und gibt diesem einen kurzen Eindruck des Gespräches wieder und teilt weiterhin einen Vorschlag von Seiten der Jugendgerichtshilfe zur Maßnahme mit.

 

Im Anschluss teilt der Staatsanwalt dem Jugendlichen und dem Erziehungsberechtigten die Entscheidung mit. Im Falle einer noch abzuleistenden Auflage wird dem Jugendlichen vor Ort eine geeignete Einsatzstelle mitgeteilt, dazu werden Adressen und Telefonnummern ausgehändigt. In der Regel sollen die Auflagen so bemessen sein, dass es möglich ist, die Auflage binnen vier Wochen abzuleisten. Der Nachweis über die Erfüllung der Auflage soll bei der Jugendgerichtshilfe erbracht werden, so dass dann ggf. noch ein abschließendes Gespräch geführt werden kann. Danach wird die Erfüllung an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, so dass das Strafverfahren nunmehr endgültig eingestellt werden kann.

 

Die Durchführung

 

Im Februar 2004 fand der erste von mittlerweile neun Diversionsterminen statt. Insgesamt wurden bislang 55 Verfahren bearbeitet mit folgenden Delikten:

 

4        12 x     Körperverletzung

4        11 x     Ladendiebstahl

4          6 x     Fahren ohne Fahrerlaubnis

4          9 x     Sachbeschädigung

4          1 x     Beförderungserschleichung

4          2 x     Betrug

4          3 x     Diebstahl

4          3 x     Räuberische Erpressung

4          4 x     Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz

4          2 x     Raub

4          1 x     Bedrohung

4          1 x     Urkundenfälschung

 

Es gab folgende Auflagen:

 

4        33 x     Arbeitsstunden

4        16 x     Täter-Opfer-Ausgleich, Entschuldigungsbrief, Wiedergutmachung

4          4 x     Gespräche in der Drogenberatung

4          2 x     Verkehrskurs

4          2 x     Geldbuße

4          1 x     § 45,1 JGG, Einstellung nach Ermahnung

4          1 x     keine Erledigung durch HIP, da neue Straftat

 

Vier Jugendliche sind nicht zum Termin erschienen. Bei zwei Jugendlichen wurde Anklage erhoben. Ein Jugendlicher hat sich entschuldigt und hat nachträglich an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilgenommen, deshalb wurde von der Staatsanwaltschaft keine Anklage erhoben. Bei einer Jugendlichen, die nicht zum Termin erschienen ist, wurde das Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft nach § 45,1 JGG eingestellt. Die Quote der Jugendlichen die entgegen der Absprache ihre Auflage nicht oder nicht vollständig abgeleistet haben, ist mit zwei Personen als gering anzusehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Eltern in das Verfahren integriert sind und entsprechend im Nachgang auf die Jugendlichen einwirken.

Bemerkenswert und durchaus als Erfolg ist bislang zu bewerten, dass nur vier Jugendliche, die bisher an dem Diversionstag teilgenommen haben, danach noch in Erscheinung getreten sind.

 

Die höhere Anzahl von Maßnahmen im Verhältnis zu den gesamten Verfahren erklärt sich dadurch, dass manche Jugendliche z.B. zusätzlich zu den Sozialstunden noch an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen mussten.

 

Auswertung

 

Aufgrund der guten Organisation war es möglich, die Gespräche mit der notwendigen Intensität und Ruhe führen zu können. Im Auswertungsgespräch haben alle Beteiligten sich zufrieden über die Diversionstage geäußert. Positiv hervorgehoben wurde die gute Kommunikation untereinander.

 

Im Rahmen der bisher mit den Jugendlichen geführten Gespräche wurde deutlich, dass dieses Verfahren auch durch die Jugendlichen befürwortet wird, da diese deutlich zum Ausdruck brachten, es als positiv zu erleben, dass das Verfahren nach relativ kurzer Zeit nahezu vollständig abgeschlossen werden kann.

 

Positiv wurde von allen Beteiligten auch hervorgehoben, dass es aufgrund der "kurzen Wege" und der Interaktion unter den Beteiligten gelingt, eine Reaktion der Staatsanwaltschaft zu erarbeiten, die den betreffenden Jugendlichen möglichst angemessen erreicht und insofern "maßgeschneidert" werden kann.

 

Der Forderung des Gesetzgebers, eine zeitlich an der Tat orientierte Reaktion vorzunehmen, wird in diesem Verfahren außerdem Rechnung getragen. 

 

Im Auswertungsgespräch mit Polizei und Staatsanwaltschaft wurde vereinbart, dass zukünftig der Diversionstag mit den Städten Langenfeld und Monheim, die zum gleichen Amtsgerichtsbezirk gehören, durchgeführt wird. Somit werden die Verfahren für einen Diversionstag erhöht und insbesondere die Effizienz für die Staatsanwaltschaft gesteigert. Seit dem 01.02.2005 findet der Diversionstag in der Polizeidienststelle Langenfeld statt.

 

 

Günter Scheib