Betreff
Bericht zum Aufgabenbereich Beistandschaften, Amtsvormundschaften, Beurkundungen
Vorlage
WP 09-14 SV 51/079
Aktenzeichen
III/51.1
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zum Aufgabenbereich Beistandschaften, Amtsvormundschaften, Beurkundungen zur Kenntnis.

 

 


 

Erläuterungen und Begründungen:

 

 

Im Aufgabenbereich Beistandschaften / Amtsvormundschaften (AV) des Amtes für Jugend, Schule und Sport finden Mütter und Väter von minderjährigen Kindern und junge Volljährige Beratung und Unterstützung zu den Themen:

 

-          Realisierung von Unterhaltsansprüchen

-          Vaterschaftsfeststellungen und

-          Beurkundungen in Kindschaftssachen.

 

Diese kostenlosen Hilfsangebote für Alleinerziehende sind in erster Linie gesetzliche Pflichtaufgaben jedes Jugendamtes und können von den Müttern oder Vätern in Form einer Unterhaltsbeistandschaft, Vertretung in Gerichtsverfahren, Beurkundung oder Beratung in Anspruch genommen werden. Daneben werden durch die Wahrnehmung dieser Pflichtaufgaben durch den Beistand und die von ihm erzielten Ergebnisse aber auch Erstattungsansprüche der Träger öffentlicher Leistungen (Unterhaltsvorschuss und AlG II) in erheblichem Umfang realisiert.

 

Im gesamten Aufgabenbereich werden durchschnittlich allein ca. 480 Beistandschaftsakten geführt, wobei in der Anzahl in den vergangenen Jahren durch die wachsende Zahl Alleinerziehender und Zunahme der Scheidungsfälle ein stetiger Anstieg zu verzeichnen ist.

Insbesondere der Beratungsaufwand in Unterhaltsfragen und Abstammungsangelegenheiten hat in den Jahren 2008 – 2010 erheblich zugenommen, da umfangreiche Neuerungen in den Rechtsgrundlagen, die Wirtschaftslage und die Situation am Arbeitsmarkt und die zunehmende Instabilität der Elternbeziehungen ein Spannungsumfeld entstehen ließen, das von Laien oftmals nicht ohne Hilfe zu bewältigen ist.

 

 

Die Fallzahlen einer Vollzeitmitarbeiterin in diesem Sachgebiet stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:

 

 

 

Dazu ist von den Mitarbeiterinnen auch die gesamte Buchhaltung der eingehenden Unterhaltszahlungen zu bearbeiten und abzuwickeln.

 

In der Gesamtschau ist demnach in den vergangenen Jahren ein stetig steigender Bedarf alleinerziehender Eltern an den Leistungen der Beistandschaft zu verzeichnen:

Im Leistungsprofil des Beistandes (01/2009) gibt das Landesjugendamt beim Landschaftsverband Rheinland für die Personalbemessung eine Fallzahl von 100 Beistandschaftsakten für 50 % der Sachbearbeitungstätigkeit einer Vollzeitstelle an. Die verbleibenden 50 % sind durch ausführliche Beratungstätigkeit auszufüllen. Darüber hinausgehende Beurkundungen, Buchhaltungsaufgaben, Führung von Amtsvormundschaften usw. sind in dieser Bemessung nicht enthalten.

 

Tatsächlich lässt sich aus den in der oben dargestellten Tabelle erfassten Werten entnehmen, dass die aktuellen Aufgabengebiete und Fallzahlen im Sachgebiet Beistandschaften die vom Landesjugendamt empfohlenen Richtwerte in der Personalbemessung bereits heute deutlich übersteigen.

 

 

1. Beratung und Unterstützung

 

Laut § 18 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) können nicht miteinander verheiratete Eltern, getrennt lebende oder geschiedene Eltern, soweit das Kind in ihrem Haushalt lebt, und junge Volljährige bis zum 21. Lebensjahr die Beratung des Jugendamtes in Anspruch nehmen.

 

Insbesondere die Mütter Neugeborener, die nicht mit dem Vater ihres Kindes verheiratet sind, erhalten als Pflichtaufgabe des Jugendamtes automatisch nach der Geburt ein schriftliches Beratungsangebot, in dem alle Leistungen des Sachgebietes enthalten sind. So konnten im vergangenen Jahr 121 Beratungsangebote an Mütter verschickt werden, die nicht mit dem Vater ihres Kindes verheiratet sind. Damit erreichte das Sachgebiet Beistandschaften 26,49 % der Haushalte mit Neugeborenen.

So wurden im Jahr 2009 pro Vollzeitstelle, neben einer Vielzahl von Kurzanfragen und den langen Beratungsgesprächen bei der Einrichtung neuer Beistandschaften, insgesamt 241 umfangreiche Beratungen mit einer Dauer von durchschnittlich 45 Minuten oder länger durchgeführt, die isoliert als reine Beratung erfolgten oder im Zusammenhang mit Beurkundungen etc. erforderlich waren.

 

Die Beratung und Unterstützung für den genannten Personenkreis sind gemäß SGB VIII Aufgaben der Jugendhilfe, auf die auch ein einklagbarer Rechtsanspruch besteht. Mittels dieser Angebote sollen die Beteiligten zum Wohle des Kindes unterstützt und befähigt werden, ihre Angelegenheiten selbstständig und eigenverantwortlich zu regeln.

Die Mitarbeiterinnen der Beistandschaft müssen sich hierbei im Wesentlichen an der Bedarfs- und Interessenlage der Kinder, aber auch der der Eltern orientieren. Dies erfordert im persönlichen Kontakt und besonders auch im Spannungsfeld von Trennungsfolgen, wirtschaftlichen Notlagen und Meinungsverschiedenheiten in ausführlichen Gesprächen über die Möglichkeiten zur Klärung der Abstammung, allgemeine Rechtsvorschriften, Möglichkeiten der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und das Umgangsrecht zu informieren. Ergänzend besteht in vielen Fällen ein Beratungsbedarf zur Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen, anderen Jugendhilfemaßnahmen etc., welche in enger Zusammenarbeit mit den anderen Diensten des Amtes für Jugend, Schule und Sport oder anderen Trägern der Jugendhilfe vorgestellt werden können.

 

Über die reine Beratung hinaus geht die aktive Unterstützung mit Außenwirkung, wobei vorrangig Formulierung von Anträgen, Hilfe bei Vaterschaftstests oder das Vorbereiten von gerichtlichen Schritten zu nennen sind. Trotzdem jedoch wählt eine große Zahl der alleinerziehenden Eltern letztlich eine Beistandschaft, da sie hierdurch die Interessen ihres Kindes in vollem Umfang durch geschulte Fachkräfte wahrgenommen wissen.

 

Informationsmaterial und Informationsgrundlagen über die Arbeit der Beistandschaft werden Bürgerinnen und Bürgern auch durch

 

-          Flyer der Beistandschaft

-          Internetauftritt auf der Website der Stadt Hilden

-          Informationsveranstaltungen in Kindergärten

-          Broschüren der Bundesministerien für Jugend und Familie bzw. Justiz

-          Familienhandbuch und diversen anderen Informationsmaterialien des Jugendamtes

 

angeboten.


 

2. Beistandschaft

 

Wird durch die ausführliche Beratung und Unterstützung keine einvernehmliche Lösung zwischen den Eltern gefunden und kann der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht realisiert oder die Abstammung nicht rechtsverbindlich geklärt werden, kann das Jugendamt als Beistand die jeweiligen Interessen des Kindes in vollem Umfang rechtlich vertreten und gleich einem Rechtsanwalt gegebenenfalls auch die erforderlichen Gerichtsverfahren selbstständig bestreiten.

In ihrer Eigenschaft als Beistand wird die Sachbearbeiterin so bis zum schriftlichen Widerruf der Kindesmutter zur rechtlichen Vertreterin des Kindes und kann unter Umständen bis zur Volljährigkeit dauerhaft die Änderungen der Düsseldorfer Tabelle, Änderungen in der Rechtssprechung zum Unterhaltsrecht, wiederkehrende Einkommensprüfungen beim Kindesvater etc. überwachen und im Interesse des Kindes umsetzen. Hierdurch wird letztlich auch bei leistungsunfähigen Kindesvätern sicher gestellt, dass deren Zahlungsfähigkeit regelmäßig und dauerhaft erfragt und überprüft wird, Nachweise von Bewerbungen angefordert werden etc.

Aufgrund dieser fachlichen Befähigung ist der Beistand seit dem 01.09.2009 auch durch das FamFG  vor Gericht dem Anwalt gleichgestellt.

 

Derzeit werden durch das Sachgebiet Beistandschaften in 20 Fällen die verschiedenen Interessen der Kinder auch in gerichtlichen Abstammungs-, Unterhalts-, Zwangsvollstreckungs- und Arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Drittschuldnerklagen, sowie in Strafverfahren gegen den Vater vertreten.

 

 

2.1. Vaterschaftsfeststellung

 

Jeder Mensch hat ein verfassungsmäßiges Recht auf Kenntnis seiner Abstammung, da das Wissen um die eigene Herkunft für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes von wesentlicher Bedeutung ist.

Daneben bestehen jedoch auch rein ökonomische Interessen für das Kind, da Unterhalts- und Erbansprüche erst dann geltend gemacht werden können, wenn die Vaterschaft rechtswirksam in Form einer Urkunde oder durch ein Gerichtsurteil festgestellt wurde.

 

Der Beistand hilft der nicht verheirateten Mutter in dieser schwierigen Phase, ermittelt den Wohnsitz des genannten Kindesvaters und nimmt dann Kontakt zu ihm auf. Kann der Beistand in der Folge keine freiwillige Anerkennung erreichen, leitet er durch einen Antrag (früher: Klage) auf Feststellung der Vaterschaft beim Familiengericht die zwangsweise gerichtliche Klärung der Abstammung ein. Als Prozessvertreter des Kindes fertigt er alle Antragsschriften, bearbeitet Stellungnahmen und vertritt das Kind in mündlichen Verhandlungen vor Gericht.

Ist die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch verheiratet, benennt jedoch einen anderen Mann als ihren Ehemann als Vater des Kindes, und der Ehemann stimmt der Anerkennung durch den neuen Partner nicht zu, kann der Beistand im Verfahren durch das Amtsgericht für das Kind auch als Ergänzungspfleger bestellt werden oder führt selbst die Ehelichkeitsanfechtungsklage (-antrag).

Dazu wird der Beistand als neutrale Instanz in jüngster Zeit verstärkt darum ersucht, einen vorgerichtlichen Vaterschaftstest zu begleiten und zu überwachen.

 

 

2.2. Unterhalt

 

Den Schwerpunkt in der Arbeit des Beistandes stellt die Regelung der Unterhaltsangelegenheit minderjähriger Kinder dar.

Hierzu prüft er zunächst die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen, um daraus die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu ermitteln. Dabei ist hinsichtlich der jeweils im Einzelnen vorliegenden Gegebenheiten (Selbstständige/Angestellte, Vermögen, Rentenansprüche etc.) die aktuelle Rechtssprechung zu berücksichtigen und nach den Leitlinien des OLG Düsseldorf („Düsseldorfer Tabelle“) der Unterhalt zu berechnen.

 

Im Nachgang hierzu wird zunächst versucht, auf die Festsetzung des Anspruchs in einer vollstreckbaren Unterhaltsurkunde hinzuwirken, da auch dies einen einklagbaren Rechtsanspruch des vertretenen Kindes darstellt.

Bleibt die Höhe des Unterhaltes hingegen strittig und es kann keine freiwillige Beurkundung erreicht werden, betreibt der Beistand ein gerichtliches Unterhaltsfestsetzungsverfahren oder „klagt“ auf Zahlung von Unterhalt.

 

Ist der Unterhalt tituliert, ergibt sich nachfolgend die Aufgabe, den Anspruch durchzusetzen, wenn keine Zahlung erfolgt. Entsprechend der Sachlage agiert der Beistand hier mit Hilfe von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Lohn-, Sach- und Kontopfändungen über das Vollstreckungsgericht). Bei hinreichendem Verdacht auf eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht gem. § 170 Strafgesetzbuch (StGB) kann auch eine entsprechende Strafanzeige durch den Beistand erfolgen. Im daraus folgenden Strafverfahren fungiert der Beistand als sachkundiger Zeuge und Helfer der Staatsanwaltschaft, leitet aber auch Widersprüche gegen eine zu frühzeitige Einstellung des Verfahrens ein etc.

 

 

2.3. Verfügungen über den Unterhalt / Buchhaltung

 

Der Unterhalt, der zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes bestimmt ist, kann vom Unterhaltspflichtigen direkt an die Mutter des Kindes gezahlt werden oder zunächst auf den Konten des Jugendamtes verbucht werden.

Letzteres wird aus unterschiedlichen Gründen häufig von einzelnen oder beiden Eltern gewünscht. In den Fällen, wo der Unterhalt des Kindes zunächst vollständig oder ergänzend auch von Trägern öffentlicher Leistungen ( Unterhaltsvorschußkasse etc.) sichergestellt werden muss, ist diese Vorgehensweise aus organisatorischen Gründen und im Interesse der Realisierung von Erstattungsansprüchen dieser Träger ebenfalls zu bevorzugen.

Der Beistand hat hierbei die Aufgabe und auch die Möglichkeit aus den vom Vater eingehenden Zahlungen in erheblichem Umfang die Erstattungsansprüche der ArGe ME-aktiv und der Unterhaltsvorschusskasse abzugelten. Hierdurch werden die Ansprüche der genannten Stellen gesichert und eigene Maßnahmen dieser Träger kostensparend reduziert oder überflüssig gemacht.

 

Die Realisierung und buchhalterische Abwicklung der durch die Mitarbeiterinnen erwirkten Unterhaltszahlungen stellte sich im Jahr 2009 wie folgt dar:

 

 

 


 

3. Beurkundung

 

Die Mitarbeiterinnen der Beistandschaft sind neben ihren o. g. Aufgaben und Befähigungen auch zur Erstellung öffentlicher Urkunden ermächtigt und den Bestimmungen und Richtlinien des Beurkundungsgesetzes unterworfen.

Entsprechend dem Aufgabenkreis werden Abstammungsverhältnisse, Unterhaltsverpflichtungen und Erklärungen zur elterlichen Sorge beurkundet. Hierbei sind für die Beteiligten außerdem die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen zu den beurkundeten Inhalten durchzuführen.

 

Nachdem im Jahr 2007 lediglich 135 Urkunden erstellt wurden und diese Zahl bis zum Jahr 2009 auf 204 Urkunden anstieg, kann auch hier ein deutlich gestiegener Bedarf an den Leistungen des Amtes für Jugend, Schule und Sport verzeichnet werden.

 

Da die Zahl nicht ehelich geborener Kinder in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen ist, hat in der Folge so auch der Aufgabenbereich der Beurkundungen von Vaterschaftsanerkennungen und Sorgerechtserklärungen zunehmend an Bedeutung gewonnen, denn nur mittels dieser Urkunden kann die rechtliche Position der Kinder gesichert werden.

 

 

 

4. Fazit

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Sachgebiet Beistandschaften / Amtsvormundschaften für Alleinerziehende und unverheiratete Paare ein umfassendes und kostenfreies Dienstleistungsangebot zur Verfügung stellt, das es diesen ermöglicht, in einem oft konfliktträchtigen persönlichen Spannungsfeld wesentliche Belange zum Wohl ihres Kindes fachgerecht zu regeln bzw. regeln zu lassen.

Ebenso werden aber durch die Unterhaltsrealisierung im Bereich Beistandschaften auch die Ausgaben der Träger öffentlicher Leistungen durch Erstattungen erheblich reduziert bzw. die Alleinerziehenden befähigt, diese gar nicht erst in Anspruch nehmen zu müssen. So wurden im Jahr 2009 durch die Beistandschaft  Unterhaltsleistungen von insgesamt 874.684,07 € realisiert, die damit nicht mehr von anderen Trägern sichergestellt werden mussten.

 

 

 

 

 

Horst Thiele