Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht
zum Aufgabenbereich Beistandschaften, Amtsvormundschaften, Beurkundungen zur
Kenntnis.
Erläuterungen
und Begründungen:
Im Aufgabenbereich
Beistandschaften / Amtsvormundschaften (AV) des Amtes für Jugend, Schule und
Sport finden Mütter und Väter von minderjährigen Kindern und junge Volljährige
Beratung und Unterstützung zu den Themen:
-
Realisierung von Unterhaltsansprüchen
-
Vaterschaftsfeststellungen und
-
Beurkundungen in Kindschaftssachen.
Diese kostenlosen
Hilfsangebote für Alleinerziehende sind in erster Linie gesetzliche Pflichtaufgaben
jedes Jugendamtes und können von den Müttern oder Vätern in Form einer
Unterhaltsbeistandschaft, Vertretung in Gerichtsverfahren, Beurkundung oder
Beratung in Anspruch genommen werden. Daneben werden durch die Wahrnehmung
dieser Pflichtaufgaben durch den Beistand und die von ihm erzielten Ergebnisse
aber auch Erstattungsansprüche der Träger öffentlicher Leistungen (Unterhaltsvorschuss
und AlG II) in erheblichem Umfang realisiert.
Im gesamten
Aufgabenbereich werden durchschnittlich allein ca. 480 Beistandschaftsakten geführt,
wobei in der Anzahl in den vergangenen Jahren durch die wachsende Zahl
Alleinerziehender und Zunahme der Scheidungsfälle ein stetiger Anstieg zu
verzeichnen ist.
Insbesondere der
Beratungsaufwand in Unterhaltsfragen und Abstammungsangelegenheiten hat in den
Jahren 2008 – 2010 erheblich zugenommen, da umfangreiche Neuerungen in den
Rechtsgrundlagen, die Wirtschaftslage und die Situation am Arbeitsmarkt und die
zunehmende Instabilität der Elternbeziehungen ein Spannungsumfeld entstehen
ließen, das von Laien oftmals nicht ohne Hilfe zu bewältigen ist.
Die Fallzahlen
einer Vollzeitmitarbeiterin in diesem Sachgebiet stellen sich im Einzelnen wie
folgt dar:
Dazu ist von den
Mitarbeiterinnen auch die gesamte Buchhaltung der eingehenden Unterhaltszahlungen
zu bearbeiten und abzuwickeln.
In der Gesamtschau
ist demnach in den vergangenen Jahren ein stetig steigender Bedarf alleinerziehender
Eltern an den Leistungen der Beistandschaft zu verzeichnen:
Im Leistungsprofil
des Beistandes (01/2009) gibt das Landesjugendamt beim Landschaftsverband
Rheinland für die Personalbemessung eine Fallzahl von 100 Beistandschaftsakten
für 50 % der Sachbearbeitungstätigkeit einer Vollzeitstelle an. Die
verbleibenden 50 % sind durch ausführliche Beratungstätigkeit auszufüllen.
Darüber hinausgehende Beurkundungen, Buchhaltungsaufgaben, Führung von
Amtsvormundschaften usw. sind in dieser Bemessung nicht enthalten.
Tatsächlich lässt
sich aus den in der oben dargestellten Tabelle erfassten Werten entnehmen, dass
die aktuellen Aufgabengebiete und Fallzahlen im Sachgebiet Beistandschaften die
vom Landesjugendamt empfohlenen Richtwerte in der Personalbemessung bereits
heute deutlich übersteigen.
1. Beratung und Unterstützung
Laut § 18 Achtes
Sozialgesetzbuch (SGB VIII) können nicht miteinander verheiratete Eltern, getrennt
lebende oder geschiedene Eltern, soweit das Kind in ihrem Haushalt lebt, und
junge Volljährige bis zum 21. Lebensjahr die Beratung des Jugendamtes in
Anspruch nehmen.
Insbesondere die
Mütter Neugeborener, die nicht mit dem Vater ihres Kindes verheiratet sind,
erhalten als Pflichtaufgabe des Jugendamtes automatisch nach der Geburt ein
schriftliches Beratungsangebot, in dem alle Leistungen des Sachgebietes
enthalten sind. So konnten im vergangenen Jahr 121 Beratungsangebote an Mütter
verschickt werden, die nicht mit dem Vater ihres Kindes verheiratet sind. Damit
erreichte das Sachgebiet Beistandschaften 26,49 % der Haushalte mit Neugeborenen.
So wurden im Jahr
2009 pro Vollzeitstelle, neben einer Vielzahl von Kurzanfragen und den langen
Beratungsgesprächen bei der Einrichtung neuer Beistandschaften, insgesamt 241
umfangreiche Beratungen mit einer Dauer von durchschnittlich 45 Minuten oder
länger durchgeführt, die isoliert als reine Beratung erfolgten oder im Zusammenhang
mit Beurkundungen etc. erforderlich waren.
Die Beratung und
Unterstützung für den genannten Personenkreis sind gemäß SGB VIII Aufgaben der
Jugendhilfe, auf die auch ein einklagbarer Rechtsanspruch besteht. Mittels
dieser Angebote sollen die Beteiligten zum Wohle des Kindes unterstützt und
befähigt werden, ihre Angelegenheiten selbstständig und eigenverantwortlich zu
regeln.
Die
Mitarbeiterinnen der Beistandschaft müssen sich hierbei im Wesentlichen an der
Bedarfs- und Interessenlage der Kinder, aber auch der der Eltern orientieren.
Dies erfordert im persönlichen Kontakt und besonders auch im Spannungsfeld von
Trennungsfolgen, wirtschaftlichen Notlagen und Meinungsverschiedenheiten in
ausführlichen Gesprächen über die Möglichkeiten zur Klärung der Abstammung,
allgemeine Rechtsvorschriften, Möglichkeiten der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen
und das Umgangsrecht zu informieren. Ergänzend besteht in vielen Fällen ein
Beratungsbedarf zur Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen, anderen Jugendhilfemaßnahmen
etc., welche in enger Zusammenarbeit mit den anderen Diensten des Amtes für Jugend,
Schule und Sport oder anderen Trägern der Jugendhilfe vorgestellt werden
können.
Über die reine
Beratung hinaus geht die aktive Unterstützung mit Außenwirkung, wobei vorrangig
Formulierung von Anträgen, Hilfe bei Vaterschaftstests oder das Vorbereiten von
gerichtlichen Schritten zu nennen sind. Trotzdem jedoch wählt eine große Zahl
der alleinerziehenden Eltern letztlich eine Beistandschaft, da sie hierdurch
die Interessen ihres Kindes in vollem Umfang durch geschulte Fachkräfte
wahrgenommen wissen.
Informationsmaterial
und Informationsgrundlagen über die Arbeit der Beistandschaft werden Bürgerinnen
und Bürgern auch durch
-
Flyer der Beistandschaft
-
Internetauftritt auf der Website der Stadt Hilden
-
Informationsveranstaltungen in Kindergärten
-
Broschüren der Bundesministerien für Jugend und
Familie bzw. Justiz
-
Familienhandbuch und diversen anderen
Informationsmaterialien des Jugendamtes
angeboten.
2. Beistandschaft
Wird durch die
ausführliche Beratung und Unterstützung keine einvernehmliche Lösung zwischen
den Eltern gefunden und kann der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht realisiert
oder die Abstammung nicht rechtsverbindlich geklärt werden, kann das Jugendamt
als Beistand die jeweiligen Interessen des Kindes in vollem Umfang rechtlich vertreten
und gleich einem Rechtsanwalt gegebenenfalls auch die erforderlichen
Gerichtsverfahren selbstständig bestreiten.
In ihrer
Eigenschaft als Beistand wird die Sachbearbeiterin so bis zum schriftlichen
Widerruf der Kindesmutter zur rechtlichen Vertreterin des Kindes und kann unter
Umständen bis zur Volljährigkeit dauerhaft die Änderungen der Düsseldorfer
Tabelle, Änderungen in der Rechtssprechung zum Unterhaltsrecht, wiederkehrende
Einkommensprüfungen beim Kindesvater etc. überwachen und im Interesse des
Kindes umsetzen. Hierdurch wird letztlich auch bei leistungsunfähigen Kindesvätern
sicher gestellt, dass deren Zahlungsfähigkeit regelmäßig und dauerhaft erfragt
und überprüft wird, Nachweise von Bewerbungen angefordert werden etc.
Aufgrund dieser
fachlichen Befähigung ist der Beistand seit dem 01.09.2009 auch durch das
FamFG vor Gericht dem Anwalt
gleichgestellt.
Derzeit werden
durch das Sachgebiet Beistandschaften in 20 Fällen die verschiedenen Interessen
der Kinder auch in gerichtlichen Abstammungs-, Unterhalts-,
Zwangsvollstreckungs- und Arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Drittschuldnerklagen,
sowie in Strafverfahren gegen den Vater vertreten.
2.1. Vaterschaftsfeststellung
Jeder Mensch hat
ein verfassungsmäßiges Recht auf Kenntnis seiner Abstammung, da das Wissen um
die eigene Herkunft für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes von wesentlicher
Bedeutung ist.
Daneben bestehen
jedoch auch rein ökonomische Interessen für das Kind, da Unterhalts- und Erbansprüche
erst dann geltend gemacht werden können, wenn die Vaterschaft rechtswirksam in
Form einer Urkunde oder durch ein Gerichtsurteil festgestellt wurde.
Der Beistand hilft
der nicht verheirateten Mutter in dieser schwierigen Phase, ermittelt den
Wohnsitz des genannten Kindesvaters und nimmt dann Kontakt zu ihm auf. Kann der
Beistand in der Folge keine freiwillige Anerkennung erreichen, leitet er durch
einen Antrag (früher: Klage) auf Feststellung der Vaterschaft beim
Familiengericht die zwangsweise gerichtliche Klärung der Abstammung ein. Als
Prozessvertreter des Kindes fertigt er alle Antragsschriften, bearbeitet Stellungnahmen
und vertritt das Kind in mündlichen Verhandlungen vor Gericht.
Ist die Mutter zum
Zeitpunkt der Geburt noch verheiratet, benennt jedoch einen anderen Mann als
ihren Ehemann als Vater des Kindes, und der Ehemann stimmt der Anerkennung
durch den neuen Partner nicht zu, kann der Beistand im Verfahren durch das
Amtsgericht für das Kind auch als Ergänzungspfleger bestellt werden oder führt
selbst die Ehelichkeitsanfechtungsklage (-antrag).
Dazu wird der
Beistand als neutrale Instanz in jüngster Zeit verstärkt darum ersucht, einen
vorgerichtlichen Vaterschaftstest zu begleiten und zu überwachen.
2.2. Unterhalt
Den Schwerpunkt in
der Arbeit des Beistandes stellt die Regelung der Unterhaltsangelegenheit minderjähriger
Kinder dar.
Hierzu prüft er
zunächst die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen, um
daraus die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit zu ermitteln. Dabei ist
hinsichtlich der jeweils im Einzelnen vorliegenden Gegebenheiten
(Selbstständige/Angestellte, Vermögen, Rentenansprüche etc.) die aktuelle
Rechtssprechung zu berücksichtigen und nach den Leitlinien des OLG Düsseldorf
(„Düsseldorfer Tabelle“) der Unterhalt zu berechnen.
Im Nachgang hierzu
wird zunächst versucht, auf die Festsetzung des Anspruchs in einer vollstreckbaren
Unterhaltsurkunde hinzuwirken, da auch dies einen einklagbaren Rechtsanspruch
des vertretenen Kindes darstellt.
Bleibt die Höhe
des Unterhaltes hingegen strittig und es kann keine freiwillige Beurkundung erreicht
werden, betreibt der Beistand ein gerichtliches Unterhaltsfestsetzungsverfahren
oder „klagt“ auf Zahlung von Unterhalt.
Ist der Unterhalt
tituliert, ergibt sich nachfolgend die Aufgabe, den Anspruch durchzusetzen,
wenn keine Zahlung erfolgt. Entsprechend der Sachlage agiert der Beistand hier
mit Hilfe von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Lohn-, Sach- und Kontopfändungen
über das Vollstreckungsgericht). Bei hinreichendem Verdacht auf eine
vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht gem. § 170 Strafgesetzbuch (StGB)
kann auch eine entsprechende Strafanzeige durch den Beistand erfolgen. Im
daraus folgenden Strafverfahren fungiert der Beistand als sachkundiger Zeuge
und Helfer der Staatsanwaltschaft, leitet aber auch Widersprüche gegen eine zu
frühzeitige Einstellung des Verfahrens ein etc.
2.3. Verfügungen über den Unterhalt / Buchhaltung
Der Unterhalt, der
zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes bestimmt ist, kann vom Unterhaltspflichtigen
direkt an die Mutter des Kindes gezahlt werden oder zunächst auf den Konten des
Jugendamtes verbucht werden.
Letzteres wird aus
unterschiedlichen Gründen häufig von einzelnen oder beiden Eltern gewünscht. In
den Fällen, wo der Unterhalt des Kindes zunächst vollständig oder ergänzend
auch von Trägern öffentlicher Leistungen ( Unterhaltsvorschußkasse etc.)
sichergestellt werden muss, ist diese Vorgehensweise aus organisatorischen
Gründen und im Interesse der Realisierung von Erstattungsansprüchen dieser
Träger ebenfalls zu bevorzugen.
Der Beistand hat
hierbei die Aufgabe und auch die Möglichkeit aus den vom Vater eingehenden
Zahlungen in erheblichem Umfang die Erstattungsansprüche der ArGe ME-aktiv und
der Unterhaltsvorschusskasse abzugelten. Hierdurch werden die Ansprüche der
genannten Stellen gesichert und eigene Maßnahmen dieser Träger kostensparend
reduziert oder überflüssig gemacht.
Die Realisierung
und buchhalterische Abwicklung der durch die Mitarbeiterinnen erwirkten Unterhaltszahlungen
stellte sich im Jahr 2009 wie folgt dar:
3. Beurkundung
Die
Mitarbeiterinnen der Beistandschaft sind neben ihren o. g. Aufgaben und Befähigungen
auch zur Erstellung öffentlicher Urkunden ermächtigt und den Bestimmungen und
Richtlinien des Beurkundungsgesetzes unterworfen.
Entsprechend dem
Aufgabenkreis werden Abstammungsverhältnisse, Unterhaltsverpflichtungen und
Erklärungen zur elterlichen Sorge beurkundet. Hierbei sind für die Beteiligten
außerdem die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen zu den beurkundeten
Inhalten durchzuführen.
Nachdem im Jahr
2007 lediglich 135 Urkunden erstellt wurden und diese Zahl bis zum Jahr 2009
auf 204 Urkunden anstieg, kann auch hier ein deutlich gestiegener Bedarf an den
Leistungen des Amtes für Jugend, Schule und Sport verzeichnet werden.
Da die Zahl nicht
ehelich geborener Kinder in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen
ist, hat in der Folge so auch der Aufgabenbereich der Beurkundungen von
Vaterschaftsanerkennungen und Sorgerechtserklärungen zunehmend an Bedeutung
gewonnen, denn nur mittels dieser Urkunden kann die rechtliche Position der
Kinder gesichert werden.
4. Fazit
Zusammenfassend
ist festzustellen, dass das Sachgebiet Beistandschaften / Amtsvormundschaften
für Alleinerziehende und unverheiratete Paare ein umfassendes und kostenfreies
Dienstleistungsangebot zur Verfügung stellt, das es diesen ermöglicht, in einem
oft konfliktträchtigen persönlichen Spannungsfeld wesentliche Belange zum Wohl
ihres Kindes fachgerecht zu regeln bzw. regeln zu lassen.
Ebenso werden aber
durch die Unterhaltsrealisierung im Bereich Beistandschaften auch die Ausgaben
der Träger öffentlicher Leistungen durch Erstattungen erheblich reduziert bzw.
die Alleinerziehenden befähigt, diese gar nicht erst in Anspruch nehmen zu
müssen. So wurden im Jahr 2009 durch die Beistandschaft Unterhaltsleistungen von insgesamt 874.684,07 € realisiert, die damit
nicht mehr von anderen Trägern sichergestellt werden mussten.
Horst Thiele