Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Hilden beschließt in Übereinstimmung mit den Positionen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Städte- und Gemeindebundes Nordhein-Westfalen die beigefügte Resolution zur Zukunft der kommunalen Abfallwirtschaft in Deutschland.
Der Rat der Stadt Hilden fordert alle örtlichen Bundestagsabgeordneten auf, sich im Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Bürgerinnen und Bürger für eine Stärkung der kommunalen Abfallentsorgung einzusetzen.
Erläuterungen und Begründungen:
Die Verwaltung hat schon in der SV 68/011
„Abfallwirtschaftliche Daten der Stadt Hilden“ auf die erheblichen Änderungen
des geplanten Kreislaufwirtschaftsgesetzes hingewiesen.
Neben anderen bedenklichen Entwicklungen
geht es um eine massive Öffnung der kommunalen Abfallwirtschaft für private
gewerbliche Sammlungen zum Zwecke der Einnahmenerzielung.
Nachdem
das Bundesverwaltungsgericht nach langem Streit und gegensprüchlichen
Urteilen im Juni vergangenen Jahres dem unternehmerischen Handeln jenseits der
Drittbeauftragung einen Riegel vorgeschoben hat, sieht der Referentenentwurf des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes nun die erneute Öffnung dieses Bereiches für dien
privaten Sektor vor.
Im Klartext heißt das: Ist der Marktpreis
hoch, können verschiedene Entsorger ihre Tonnen aufstellen. Da, wo es sich
nicht für private Unternehmen lohnt, müssen die Kommunen in die Bresche
springen. Die Zeche für diese „Rosinenpickerei“ müssen die Gebührenzahler
tragen. Es ist zu erwarten, das Privatunternehmen besonders in günstig zu
entsorgende Gebiete drängen, um Verwertungserlöse einzustreichen. Diese fehlen
dann den Kommunen, um die Abfallgebühren stabil zu halten. Die Städte und
Kreise und die von ihnen beauftragten Entsorger müssen ihre Infrastruktur „in
guten und in schlechten Zeiten“ aufrechterhalten, um die verlässliche
Entsorgung zu gewährleisten. Die
Verwaltung erinnert daran, dass die Abfallgebühr im Jahr 2008 um 6,8 % gesenkt
werden konnte. Ursächlich war dabei hauptsächlich die Senkung der
Kreismischgebühr aufgrund hoher Papiererlöse.
Auch die Regelungen zur sogenannten einheitlichen Wertstofftonne sind unklar. Die
beabsichtigten Regelungen würden nicht sicherstellen, dass die Kommunen im
Rahmen der Daseinsvorsorge weiterhin für eine einheitliche Wertstofferfassung
verantwortlich bleiben. Die bisherigen 5 Novellen der Verpackungsverordnung von
1992 haben leider keine Ordnung in die Verpackungsentsorgung bringen können.
Bis heute herrschen hier dubiose Verhältnisse, denen leider durch die zuständigen
Abfallbehörden auf Landes- und Bundesebene nicht begegnet wird.
Der Kampf hat schon jetzt vor der
Verabschiedung eines neuen Gesetzes begonnen. In Dortmund, Berlin und anderen
Städten trifft man sich mit den Branchenführern der Entsorgungswirtschaft schon
vor Gericht. Dabei steht die
mittelständische Entsorgungsbranche, die im BVSE organisiert ist, durchaus auf
der Seite der Kommunen. Hier wird nämlich gefordert, dass die einheitliche und
ordnungsgemäße Erfassung aller Abfälle
durch die Kommunen sicherzustellen ist und erst ab der Verwertung der
Abfälle der Markt zuständig sein soll.
Das künftige Gesetz darf auch keine Schlupflöcher eröffnen, dass sich Gewerbe
und Industrie womöglich vollständig von der von den Kommunen verantworteten
Entsorgung verabschieden. Abfallverbrennungsanlagen sind zum Beispiel auch mit
Blick auf diese Wirtschaftszweige dimensioniert worden und werden durch deren
Abfallgebühren mitfinanziert. Würde nun die Möglichkeit für Unternehmen
eröffnet, sich nur noch anderer Entsorgungswege zu bedienen, würden letztlich
die Abfallgebühren steigen.
Mit Schreiben vom 21.10.2010 empfehlen die kommunalen
Spitzenverbände die in Anlage 1 beigefügte
Resolution im Stadtrat zu verabschieden und sie dann dem Bundesumweltminister,
dem Landesumweltminister sowie den örtlichen Bundestags-Abgeordneten
gewissermaßen als „Protestnote“ zu übersenden.
Das Schreiben vom 21.10.2010 hat folgenden
Wortlaut:
Änderung des Kreislaufwirtschaft- und
Abfallgesetzes / Wertstofftonne
Sehr
geehrte Damen und Herren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,
das
Bundesumweltministerium hat mit Datum vom 06.08.2010 den Referentenentwurf zur
Änderung des bestehenden Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes herausgegeben.
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat mit Datum vom
17.9.2010 eine Stellungnahme abgegeben (Anlage
2). An der Erarbeitung dieser Stellungnahme hat auch der StGB NRW mitgewirkt.
In der Stellungnahme vom 17.9.2010 wird insbesondere darauf hingewiesen, dass
durch den vorgelegten Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums die kommunale
Abfallentsorgung massiv gefährdet wird.
Vor allem die
geplante Neuregelung zur Zulässigkeit
von gewerblichen Abfallsammlungen wurde kritisiert, weil das
rechtssystematisch klare und praktisch gut anwendbare Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes
vom 18.06.2009 (Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, S. 1292ff.) zur Zulässigkeit von
gewerblichen Sammlungen durch die beabsichtigte Neuregelung ausgehebelt werden
soll.
Wenn private
Abfallentsorgungsunternehmen verwertbare Abfälle wie z. B. Altpapier aus den privaten
Haushalten demnächst über gewerbliche Sammlungen neben der kommunalen Erfassungsstruktur
erfassen, um die Erlöse für sich zu behalten, fehlen den Städten, Gemeinden und
Kreisen diese Erlöse, um die Abfallgebühren stabil zu halten. Denn mit den Erlösen
decken die Kommunen einen Teil der Abfallentsorgungskosten ab. Die Zeche dafür
zahlen dann zukünftig die Gebührenzahler über höhere Abfallgebühren. Hierdurch
wird auch die nachhaltige, umweltorientierte und zuverlässige Verwertung von
Abfällen gefährdet, die von den Kommunen – unabhängig vom jeweiligen Verwertungspreis
– seit Jahrzehnten flächendeckend sicher gestellt wird.
Nicht zu unterschätzen sind auch die möglichen Folgen für die Wohnqualität in
Wohngebieten und die Verkehrssicherheit. Abfalltransporte in Wohngebieten und
auf Straßen werden von den einsammlungspflichtigen Städten und Gemeinden seit
jeher auf das absolut notwendige Maß reduziert. Hier stehen der Schutz der Anwohner
und die Verkehrssicherheit eindeutig im Vordergrund. Wohnstraßen sind keine
Wettkampfarenen, in denen ausgetragen wird, wer verwertbare Abfälle am
schnellsten zu seinem Vorteil einsammeln kann. Dabei ist auch zu beachten, dass
private Abfallsammler regelmäßig nur in günstig zu entsorgenden Gebieten nicht
gefährliche Abfälle zur Verwertung wie z.B. Altpapier sammeln werden, während
die Städte und Gemeinden eine flächendeckende Sammlung unter anderem auch im
bauplanungsrechtlichen Außenbereich gewährleisten müssen.
Die Folgen eines
solchen ruinösen Wettbewerbs müssen nicht nur die Gebührenzahler tragen,
sondern auch die privaten Entsorgungsunternehmen selbst, die im Auftrag der
Kommune sammeln, weil für keinen mehr klar absehbar sein wird, welche Mengen an
verwertbaren Abfällen eingesammelt werden können.
Vor diesem
Hintergrund hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände deutlich
gemacht, dass an das rechtssystematisch klare Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes
vom 18.06.2009 (Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, S. 1292ff.) anzuknüpfen ist.
Auch
europarechtlich ist die bestehende gesetzliche Regelung im Kreislaufwirtschaft-
und Abfallgesetz (§13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG) vom
Bundesverwaltungsgericht zutreffend als europarechtskonform angesehen worden.
Gerade der Vertrag
von Lissabon (in Kraft getreten am 01.12.2009) bestätigt in aller Deutlichkeit
die vom Bundesverwaltungsgericht ergangene Rechtsprechung und damit das
Selbstverwaltungsrecht der Städte, Kreise und Gemeinden als Kernbestand unserer
demokratischen Grundordnung. Dieses hat auch die Bundesregierung im Magazin zur
Europapolitik (Nr. 66, 07/2010) betont. Die kommunalen Spitzenverbände erwarten
deshalb, dass auch das Bundesumweltministerium zur Kenntnis nimmt, dass der
Lissabon-Vertrag die kommunalen Selbstverwaltungsrechte schützt und stärkt. Dieses
muss sich auch in der Sicherung der kommunalen Aufgabe der Abfallwirtschaft als
Daseinsvorsorgeleistung, die von den Städten, Kreisen und Gemeinden erbracht
wird, niederschlagen. Der vorgelegte Referentenentwurf trägt dem nicht
Rechnung, obwohl der Lissabon-Vertrag eine innerstaatliche Organisationsentscheidung
insbesondere bei den sog. „Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“
wie der Abfallentsorgung ermöglicht (so ausdrücklich auch: Prof. Dr. Ludwig
Krämer in Abfallrecht, Heft 1, 2010, Seite 40 ff.).
Schließlich wird
die Warenverkehrsfreiheit durch eine geordnete kommunale Erfassung in den
Städten und Gemeinden nicht beeinträchtigt, weil nach der geordneten Erfassung
der verwertbaren Abfälle durch die Stadt/Gemeinde auf dem Verwertungsmarkt ein
Verwerter gesucht wird. Es ist nicht nachvollziehbar und liegt jedenfalls nicht
im Interesse einer geordneten Abfallerfassung, dass europarechtlich ein
„Häuserkampf“ um verwertbare Abfälle mit allen negativen Folgewirkungen (u. a.
Gefährdung von Passanten, Gefährdung der Verkehrssicherheit) gewollt sein kann.
Vor diesem
Hintergrund hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände die beigefügte Resolution (Anlage 1 )
entworfen. Wir empfehlen diese Resolution im Stadt- bzw. Gemeinderat zu
verabschieden und sie dann dem Bundesumweltminister, dem Landesumweltminister
sowie den örtlichen Bundestags-Abgeordneten gewissermaßen als „Protestnote“ zu übersenden. Es wird
als sinnvoll angesehen, in dieser Art und Weise deutlich zu machen, dass der
Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums vom 6.8.2010 dem Geist des
Lissabon-Vertrages auf europäischer Ebene nicht gerecht wird und die kommunale
Abfallentsorgung durch den Entwurf massiv gefährdet wird.
Die Verwaltung empfiehlt, die beigefügte
Resolution zum Erhalt der kommunalen Abfallwirtschaft zu beschließen und damit
das Selbstverwaltungsrecht der Städte, Kreise und Gemeinden als Kernbestand unserer
demokratischen Grundordnung zu bestätigen.
In der beigefügten Stellungnahme zum
Referentenentwurf wird ausführlich auf die einzelnen Änderungen des geplanten
Kreislaufwirtschaftsgesetzes eingegangen. Der komplette und umfangreiche Referentenentwurf
wird aus diesem Grund nicht beigefügt.
H. Thiele
Anlage 1 Resolution
zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts
Anlage 2 Stellungnahme
zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuordnung des
Kreislaufwirtschafts- und
Abfallrechts (Stand: 06.08.2010)