Betreff
Resolution zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts
Vorlage
WP 09-14 SV 68/015
Aktenzeichen
IV 68/Bt.
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Hilden beschließt in Übereinstimmung mit den Positionen des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Städte- und Gemeindebundes Nordhein-Westfalen die beigefügte Resolution zur Zukunft der kommunalen Abfallwirtschaft in Deutschland.

 

Der Rat der Stadt Hilden fordert alle örtlichen Bundestagsabgeordneten auf, sich im Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Bürgerinnen und Bürger für eine Stärkung der kommunalen Abfallentsorgung einzusetzen.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die Verwaltung hat schon in der SV 68/011 „Abfallwirtschaftliche Daten der Stadt Hilden“ auf die erheblichen Änderungen des geplanten Kreislaufwirtschaftsgesetzes hingewiesen.

 

Neben anderen bedenklichen Entwicklungen geht es um eine massive Öffnung der kommunalen Abfallwirtschaft für private gewerbliche Sammlungen zum Zwecke der Einnahmenerzielung.

Nachdem  das Bundesverwaltungsgericht nach langem Streit und gegensprüchlichen Urteilen im Juni vergangenen Jahres dem unternehmerischen Handeln jenseits der Drittbeauftragung einen Riegel vorgeschoben hat, sieht der Referentenentwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nun die erneute Öffnung dieses Bereiches für dien privaten Sektor vor.

 

Im Klartext heißt das: Ist der Marktpreis hoch, können verschiedene Entsorger ihre Tonnen aufstellen. Da, wo es sich nicht für private Unternehmen lohnt, müssen die Kommunen in die Bresche springen. Die Zeche für diese „Rosinenpickerei“ müssen die Gebührenzahler tragen. Es ist zu erwarten, das Privatunternehmen besonders in günstig zu entsorgende Gebiete drängen, um Verwertungserlöse einzustreichen. Diese fehlen dann den Kommunen, um die Abfallgebühren stabil zu halten. Die Städte und Kreise und die von ihnen beauftragten Entsorger müssen ihre Infrastruktur „in guten und in schlechten Zeiten“ aufrechterhalten, um die verlässliche Entsorgung zu gewährleisten.  Die Verwaltung erinnert daran, dass die Abfallgebühr im Jahr 2008 um 6,8 % gesenkt werden konnte. Ursächlich war dabei hauptsächlich die Senkung der Kreismischgebühr aufgrund hoher Papiererlöse.


Auch die Regelungen zur sogenannten einheitlichen Wertstofftonne sind unklar. Die beabsichtigten Regelungen würden nicht sicherstellen, dass die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge weiterhin für eine einheitliche Wertstofferfassung verantwortlich bleiben. Die bisherigen 5 Novellen der Verpackungsverordnung von 1992 haben leider keine Ordnung in die Verpackungsentsorgung bringen können. Bis heute herrschen hier dubiose Verhältnisse, denen leider durch die zuständigen Abfallbehörden auf Landes- und Bundesebene nicht  begegnet wird.

 

Der Kampf hat schon jetzt vor der Verabschiedung eines neuen Gesetzes begonnen. In Dortmund, Berlin und anderen Städten trifft man sich mit den Branchenführern der Entsorgungswirtschaft schon vor Gericht.  Dabei steht die mittelständische Entsorgungsbranche, die im BVSE organisiert ist, durchaus auf der Seite der Kommunen. Hier wird nämlich gefordert, dass die einheitliche und ordnungsgemäße Erfassung aller Abfälle  durch die Kommunen sicherzustellen ist und erst ab der Verwertung der Abfälle der Markt zuständig sein soll.

Das künftige Gesetz darf auch keine Schlupflöcher eröffnen, dass sich Gewerbe und Industrie womöglich vollständig von der von den Kommunen verantworteten Entsorgung verabschieden. Abfallverbrennungsanlagen sind zum Beispiel auch mit Blick auf diese Wirtschaftszweige dimensioniert worden und werden durch deren Abfallgebühren mitfinanziert. Würde nun die Möglichkeit für Unternehmen eröffnet, sich nur noch anderer Entsorgungswege zu bedienen, würden letztlich die Abfallgebühren steigen.

 

 

Mit Schreiben vom 21.10.2010 empfehlen die kommunalen Spitzenverbände die in Anlage 1 beigefügte Resolution im Stadtrat zu verabschieden und sie dann dem Bundesumweltminister, dem Landesumweltminister sowie den örtlichen Bundestags-Abgeordneten gewissermaßen als „Protestnote“ zu übersenden.

 

 

Das Schreiben vom 21.10.2010 hat folgenden Wortlaut:

 

 

Änderung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes / Wertstofftonne

 

Sehr geehrte Damen und Herren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister,

 

das Bundesumweltministerium hat mit Datum vom 06.08.2010 den Referentenentwurf zur Änderung des bestehenden Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes herausgegeben. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat mit Datum vom 17.9.2010 eine Stellungnahme abgegeben (Anlage 2). An der Erarbeitung dieser Stellungnahme hat auch der StGB NRW mitgewirkt. In der Stellungnahme vom 17.9.2010 wird insbesondere darauf hingewiesen, dass durch den vorgelegten Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums die kommunale Abfallentsorgung massiv gefährdet wird.

 

Vor allem die geplante Neuregelung zur Zulässigkeit von gewerblichen Abfallsammlungen wurde kritisiert, weil das rechtssystematisch klare und praktisch gut anwendbare Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2009 (Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, S. 1292ff.) zur Zulässigkeit von gewerblichen Sammlungen durch die beabsichtigte Neuregelung ausgehebelt werden soll.

 

Wenn private Abfallentsorgungsunternehmen verwertbare Abfälle wie z. B. Altpapier aus den privaten Haushalten demnächst über gewerbliche Sammlungen neben der kommunalen Erfassungsstruktur erfassen, um die Erlöse für sich zu behalten, fehlen den Städten, Gemeinden und Kreisen diese Erlöse, um die Abfallgebühren stabil zu halten. Denn mit den Erlösen decken die Kommunen einen Teil der Abfallentsorgungskosten ab. Die Zeche dafür zahlen dann zukünftig die Gebührenzahler über höhere Abfallgebühren. Hierdurch wird auch die nachhaltige, umweltorientierte und zuverlässige Verwertung von Abfällen gefährdet, die von den Kommunen – unabhängig vom jeweiligen Verwertungspreis – seit Jahrzehnten flächendeckend sicher gestellt wird.

Nicht zu unterschätzen sind auch die möglichen Folgen für die Wohnqualität in Wohngebieten und die Verkehrssicherheit. Abfalltransporte in Wohngebieten und auf Straßen werden von den einsammlungspflichtigen Städten und Gemeinden seit jeher auf das absolut notwendige Maß reduziert. Hier stehen der Schutz der Anwohner und die Verkehrssicherheit eindeutig im Vordergrund. Wohnstraßen sind keine Wettkampfarenen, in denen ausgetragen wird, wer verwertbare Abfälle am schnellsten zu seinem Vorteil einsammeln kann. Dabei ist auch zu beachten, dass private Abfallsammler regelmäßig nur in günstig zu entsorgenden Gebieten nicht gefährliche Abfälle zur Verwertung wie z.B. Altpapier sammeln werden, während die Städte und Gemeinden eine flächendeckende Sammlung unter anderem auch im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gewährleisten müssen.

 

Die Folgen eines solchen ruinösen Wettbewerbs müssen nicht nur die Gebührenzahler tragen, sondern auch die privaten Entsorgungsunternehmen selbst, die im Auftrag der Kommune sammeln, weil für keinen mehr klar absehbar sein wird, welche Mengen an verwertbaren Abfällen eingesammelt werden können.

 

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht, dass an das rechtssystematisch klare Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2009 (Az.: 7 C 16.08 – NVwZ 2009, S. 1292ff.) anzuknüpfen ist.

 

Auch europarechtlich ist die bestehende gesetzliche Regelung im Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz (§13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG) vom Bundesverwaltungsgericht zutreffend als europarechtskonform angesehen worden.

 

Gerade der Vertrag von Lissabon (in Kraft getreten am 01.12.2009) bestätigt in aller Deutlichkeit die vom Bundesverwaltungsgericht ergangene Rechtsprechung und damit das Selbstverwaltungsrecht der Städte, Kreise und Gemeinden als Kernbestand unserer demokratischen Grundordnung. Dieses hat auch die Bundesregierung im Magazin zur Europapolitik (Nr. 66, 07/2010) betont. Die kommunalen Spitzenverbände erwarten deshalb, dass auch das Bundesumweltministerium zur Kenntnis nimmt, dass der Lissabon-Vertrag die kommunalen Selbstverwaltungsrechte schützt und stärkt. Dieses muss sich auch in der Sicherung der kommunalen Aufgabe der Abfallwirtschaft als Daseinsvorsorgeleistung, die von den Städten, Kreisen und Gemeinden erbracht wird, niederschlagen. Der vorgelegte Referentenentwurf trägt dem nicht Rechnung, obwohl der Lissabon-Vertrag eine innerstaatliche Organisationsentscheidung insbesondere bei den sog. „Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ wie der Abfallentsorgung ermöglicht (so ausdrücklich auch: Prof. Dr. Ludwig Krämer in Abfallrecht, Heft 1, 2010, Seite 40 ff.).

 

Schließlich wird die Warenverkehrsfreiheit durch eine geordnete kommunale Erfassung in den Städten und Gemeinden nicht beeinträchtigt, weil nach der geordneten Erfassung der verwertbaren Abfälle durch die Stadt/Gemeinde auf dem Verwertungsmarkt ein Verwerter gesucht wird. Es ist nicht nachvollziehbar und liegt jedenfalls nicht im Interesse einer geordneten Abfallerfassung, dass europarechtlich ein „Häuserkampf“ um verwertbare Abfälle mit allen negativen Folgewirkungen (u. a. Gefährdung von Passanten, Gefährdung der Verkehrssicherheit) gewollt sein kann.

 

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände die beigefügte Resolution (Anlage 1 ) entworfen. Wir empfehlen diese Resolution im Stadt- bzw. Gemeinderat zu verabschieden und sie dann dem Bundesumweltminister, dem Landesumweltminister sowie den örtlichen Bundestags-Abgeordneten gewissermaßen als „Protestnote“ zu übersenden. Es wird als sinnvoll angesehen, in dieser Art und Weise deutlich zu machen, dass der Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums vom 6.8.2010 dem Geist des Lissabon-Vertrages auf europäischer Ebene nicht gerecht wird und die kommunale Abfallentsorgung durch den Entwurf massiv gefährdet wird.

 

 

Die Verwaltung empfiehlt, die beigefügte Resolution zum Erhalt der kommunalen Abfallwirtschaft zu beschließen und damit das Selbstverwaltungsrecht der Städte, Kreise und Gemeinden als Kernbestand unserer demokratischen Grundordnung zu bestätigen.

 

In der beigefügten Stellungnahme zum Referentenentwurf wird ausführlich auf die einzelnen Änderungen des geplanten Kreislaufwirtschaftsgesetzes eingegangen. Der komplette und umfangreiche Referentenentwurf wird aus diesem Grund nicht beigefügt.

 

 

 

H. Thiele

 

 

 

 

 

 

Anlage 1           Resolution zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

 

Anlage 2           Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuordnung des

Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Stand: 06.08.2010)