Betreff
Standards bei stationären Unterbringungen in Jugendhilfeeinrichtungen
Vorlage
WP 09-14 SV 51/042
Aktenzeichen
III/51 Scha
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht zu den Standards bei stationären Unterbringungen zur Kenntnis.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

Im Kontext von Presseberichten Anfang des Jahres über körperliche Züchtigungen und sexuelle Übergriffe in konfessionellen und nicht konfessionellen Schulen und Einrichtungen in Deutschland wurde in den Medien im März 2010 auch ausführlich über Übergriffe von Pädagogen in Gruppen der Liacon in Hilden berichtet. Die Liacon ist Teil der Educon GmbH, in der 2003 die Kinder- und Jugendhilfe des Dorotheenheims und der Graf-Recke-Stiftung zusammengeschlossen wurden. In der Liacon werden geistig behinderte und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche in vier Wohngruppen mit insgesamt 38 Dauerplätzen betreut.

Derzeit ermittelt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige der Geschäftsführung gegen insgesamt 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wegen Misshandlung, Freiheitsberaubung und Nötigung. Die Mitarbeiter sollen u.a. Kinder und Jugendliche stundenlang umklammert, Essen vorenthalten, eingesperrt und gedemütigt haben. Alle betroffenen Mitarbeiter wurden umgehend vom Dienst suspendiert und entlassen. Über die Vorgänge und die Art des Umgangs mit selbigen wurde das Amt für Jugend, Schule und Sport zeitnah durch die Geschäftsleitung informiert. 

 

Angesichts dieser Übergriffe stellt sich die Frage, inwieweit Kinder und Jugendliche, die in Wohngruppen der Jugendhilfe über das Amt für Jugend, Schule und Sport untergebracht werden, dort ausreichend geschützt sind.

 

Die Betriebsaufsicht gem. § 85 SGB VIII für Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden, liegt beim Landesjugendamt als überörtlichen Jugendhilfeträger. Das Landesjugendamt erteilt die Betriebserlaubnis und wacht über die Einhaltung der damit verbundenen Auflagen. So wurde 2007 das Landesjugendamt durch das Amt für Jugend, Schule und Sport über Meldungen unterschiedlicher Institutionen über Missstände in der Wohngruppe Blickwechsel, einer Spezialwohngruppe für emotional instabile junge Frauen der Educon GmbH in Hilden, informiert. Die eingeleiteten Prüfungen des Landesjugendamts führten zu einer stark veränderten Konzeption der Gruppe.

 

Grundsätzlich unterscheidet sich die fortlaufende Prüfung einer stationären Unterbringung in der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe deutlich:

 

Im Bereich der Behindertenhilfe werden vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) die Kosten der Unterbringung getragen und in der Regel jährlich Entwicklungsberichte der Einrichtungen an den LVR gesandt. Persönliche Kontakte der Mitarbeiter des LVR zu den Kindern und Besuche in den Einrichtungen finden weit überwiegend nicht statt. Mitarbeiter der örtlichen Jugendämter sind in Fälle der Behindertenhilfe in der Regel nicht involviert und haben daher weder eine Kenntnis über untergebrachte Kinder, noch eine wie auch immer geartete Zuständigkeit. 

 

In der Jugendhilfe werden die Kosten der Hilfemaßnahme durch die örtlichen Jugendämter getragen. Die Auswahl der Einrichtung erfolgt (außer bei Übernahme von laufenden Fällen) durch die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes in Hilden. Halbjährige Hilfeplangespräche mit allen Beteiligten sind die Regel.

Da die Mehrzahl der Kinder in regelmäßigem Kontakt mit den Eltern steht (u.a. Besuchswochenenden) und diese Kinder sich, anders als Kinder mit schweren Behinderungen, artikulieren können, sind sie eher in der Lage Dritte über Missstände zu informieren.

 

 

Ergänzend zu diesen grundlegenden strukturellen Unterschieden zwischen der Behindertenhilfe und Jugendhilfe gelten in Hilden folgende Standards bei stationären Unterbringungen:

 

·           Ortsnahe Unterbringung: Kinder und Jugendliche werden soweit möglich ortsnah untergebracht: Dies begünstigt die Fortführung der Kontakte zur Familie, spart Wegezeiten und ermöglicht aufgrund der räumlichen Nähe schnellere Interventionen. Aufgrund der strukturell unzureichenden Transparenz von Jugendhilfemaßnahmen im Ausland, werden diese vom Amt für Jugend, Schule und Sport nicht genutzt.

 

·           Hilfeplangespräche in den Einrichtungen: Die halbjährigen Hilfeplangespräche finden in der Regel in den jeweiligen Einrichtungen statt, in denen die Kinder/Jugendlichen ihren (vorübergehenden) Lebensort haben. Durch diese Besuche vor Ort, haben die Mitarbeiter der Sozialen Dienste Gelegenheit, sich selbst ein Bild vom Lebensumfeld zu machen.

 

 

·           Auswahl bewährter Einrichtungen: In Hilden werden bevorzugt Einrichtungen belegt, mit denen sich die Zusammenarbeit bereits in der Vergangenheit bewährt hat: Die Qualität einer Unterbringung konkretisiert sich in der Praxis. Vorangegangene Kooperationserfahrungen bilden daher eine wichtige Grundlage für Unterbringungsentscheidungen.

 

·           Fachkräfteaustausch: Es erfolgt eine regelhafte Kommunikation der Mitarbeiter im Team, über die Erfahrungen mit einzelnen Hilfeanbietern, so dass ein möglichst einheitlicher Sachstand vorherrscht. Alle Hinweise auf eine möglicherweise unzureichende Betreuung eines Kindes werden der Sachgebietsleitung mitgeteilt, um mit dieser die weiteren Schritte festzulegen.

 

Positiv ist zu vermelden, dass eine Vielzahl von Trägern die aktuelle Debatte genutzt hat, um Schutzkonzepte zu entwickeln, bzw. das bestehende Risikomanagement aktiv zu hinterfragen. Dieser bewusste Umgang mit den Risiken, kann das Eintreten eines Missbrauchs zwar nicht gänzlich vermeiden, jedoch kann die Eintrittswahrscheinlichkeit gesenkt und/oder das Ausmaß eines Schadens gemindert werden.

 

 

Horst Thiele

 


Finanzielle Auswirkungen Nein 

 


Personelle Auswirkungen Nein