Betreff
Antrag der CDU-Fraktion auf Durchführung einer zweitägigen Großveranstaltung anlässlich der Finalspiele der Fußball-WM 2010 auf dem Nove-Mesto-Platz
Vorlage
WP 09-14 SV 32/006
Aktenzeichen
I/32-MS
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

Beschlussfassung wird anheim gestellt.


 

Erläuterungen und Begründungen:

 

Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Hilden hat in der Sitzung des Rates vom 17.03.2010 den in der Anlage beigefügten Antrag gestellt und die Verwaltung gebeten, ein Event-Unternehmen mit der Durchführung einer zweitägigen Großveranstaltung auf dem Nove-Mesto-Platz am 10. und 11. Juli 2010 anlässlich der Finalspiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika zu beauftragen. Es wird unterstellt, dass die Stadt Hilden als Genehmigungsbehörde und nicht als Auftraggeberin dieser Veranstaltung fungieren soll. Letzteres hätte nicht nur die Berücksichtigung vergaberechtlicher Vorgaben zur Folge, sondern ließe sich in dem noch verbleibenden Zeitraum nach einer Ratsentscheidung nicht mehr realisieren.

 

Zu Beginn des Jahres 2010 richtete das Event-Unternehmen „Sinn-Fluten“, Schulstraße in Hilden, formlos eine (Email-) Anfrage an die Verwaltung, ob die Durchführung einer zweitägigen Großveranstaltung auf dem Nove-Mesto-Platz genehmigungsfähig sei. Dabei sollte es sich nach dem Willen der Antragstellerin um eine zweitägige „Ganztagesveranstaltung“, die sich nicht nur auf die Übertragung der Finalspiele in den Abendstunden beschränken sollte, handeln.

 

Beabsichtigt war u.a.

 

-          der Aufbau eines Beach-Soccer-Feldes mit Zuschauertribüne, Maße 40m x 20m, zwecks Durchführung eines Beach-Soccer-Turnieres;

-          der Aufbau einer Bühne incl. LED-Walls, Maße 20m x 5m, für Live-Bands, Live-Moderationen und die Übertragung der Finalspiele;

-          die Nutzung der Restfläche durch die örtliche Gastronomie und den Einzelhandel.

 

Es ist zunächst deutlich zu machen, dass die Verwaltung grundsätzlich Großveranstaltungen auch im Sinne des damit verbundenen Werbeeffekts für Hilden befürwortet. Insofern ist die Anfrage des Unternehmens „Sinn-Fluten“ auch intensiv im Verwaltungsvorstand diskutiert, allerdings aus nachfolgenden Überlegungen auch unter Berücksichtigung schützenswerter Drittinteressen ablehnend bewertet worden:

 

1.   Die Großveranstaltung würde zu einer Verlegung bzw. zu einem Ausfall des samstäglichen Wochemarktes führen. Die Marktbeschicker haben nach den gewerberechtlichen Bestimmungen grundsätzlich einen Durchführungsanspruch für diesen bereits festgesetzten Wochenmarkt, so dass eine alternative Örtlichkeit für die 36 Beschicker des Wochenmarktes angeboten werden müsste. Eine geeignete Örtlichkeit ist aber nicht vorhanden.

     

      Eine Verlegung in die Mittelstraße kann nicht empfohlen werden. Zum einen würde dies dazu führen, dass die genehmigten Sondernutzungen des Einzelhandels zumindest in Teilen eingeschränkt bis verhindert werden. Zudem müssten die Verkaufswagen in Abhängigkeit zu den vorhanden Flächenmöglichkeiten und unter Berücksichtigung rettungsspezifischer Aspekte großflächig verteilt in die Mittelstraße placiert werden, so dass ein „kompakter“ Markt nicht möglich wäre.

      Auch müssten in diesem Fall mehrere Stromverteiler angemietet werden. Die Kosten hierfür dürften jedoch nach dem Verständnis der Verwaltung nicht dem Wochenmarkt, sondern müssten dem Veranstalter des Public-Viewing-Events angelastet werden.

 

      Auch bietet sich keine kombinierte Nutzung der Mittelstraße und des Alten Marktes an. Die Bepflasterung der Fläche „Alter Markt“ würde unter dem notwendigen Rangieren der Verkaufswagen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Die damit dann verbundenen Folgeaufwendungen können ebenfalls nicht dem Wochemarkt zugeordnet werden.

 

     

      Auch bietet es sich nicht an, wie im Jahr 2004 (Sportfestival) eine Verlegung auf den Parkplatz des Mühlenhofes vorzunehmen. Diese Verlegung war nur unter Schwierigkeiten bei gleichzeitigem temporären Wegfall der dort vorhandenen Bewohnerparkplätze möglich; dies aber auch nur, weil nicht einmal die Hälfte der Beschicker an diesem Markt teilgenommen haben.

 

      Es ist somit festzuhalten, dass eine geeignete und vor allem zentral gelegene Örtlichkeit nicht vorhanden ist, um eine Verlegung des Wochenmarktes mit seinen 36 Beschickern  in geeigneter Form zu realisieren. Somit bliebe faktisch nur der ersatzlose Ausfall des Wochenmarktes am 10. Juli 2010. Hiervon rät die Verwaltung jedoch ab. Neben den beiden jährlichen Ausfalltagen (Schützenkirmes und Itterfest), kommt es in diesem Jahr durch den Maifeiertag und dem 1. Weihnachtstag zu weiteren „natürlichen“ Ausfällen. Ein weiterer Marktausfall sollte aus Sicht der Verwaltung den Beschickern, aber auch Kundinnen und Kunden, des Wochenmarktes nicht abverlangt werden.

 

2.   Es ist richtig, dass die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2006 in Deutschland einen neuen Trend, das sog. „Public-Viewing“, ausgelöst hat. Die positive Grundstimmung des Sommers 2006 ist noch vielen Menschen im Bewusstsein. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass diese Form der öffentlichen Veranstaltung die Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen stellt. Aus sicherheitsrelevanter Sicht ist dabei die Bewertung immer auf Basis des Szenarios durchzuführen, in welchem es im Zuge dieser Veranstaltung durch gewaltbereite Personen oder Personengruppen zu Ausschreitungen kommt. Aus diesem Grund hat das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen umfangreiche Sicherheitsauflagen verfügt, die nicht nur bei der WM 2006 und der EM 2008, sondern auch wieder bei der WM 2010 zu berücksichtigen sind.

 

Hierzu zählen u.a.

 

-     Der Veranstaltungsbereich muss eingefriedet sein.

 

-     Die maximale Besucherzahl ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu beschränken.

 

-     An den Einlässen sind Beschallungseinrichtungen vorzuhalten, um ggf. die Besucher informieren zu können.

 

-     Durch Zugangskontrollen des Sicherheitsdienstes ist sicherzustellen, dass Besucher keine Feuerwerkskörper, Hieb- oder Stichwaffen, Schusswaffen etc. mit sich führen. Außerdem dürfen Besucher mit sperrigen Gegenständen oder mit Gegenständen, die als Wurfgeschosse Verwendung finden können, mit Getränkeflaschen, Dosen oder ähnlichen Behältern nicht eingelassen werden.

 

-     Der Veranstalter hat für die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Zu diesem Zweck muss für die Veranstaltung je nach Besucherzahl eine entsprechende Anzahl von geeigneten und gekennzeichneten Ordnern eingesetzt werden. Hier gilt der Schlüssel „Je 50 Besucher eine Sicherheitskraft“.

 

-     Getränke dürfen nicht in Flaschen oder Glasgefäßen veräußert werden.

 

-     Für das Public-Viewing sollte der Alkoholausschank nur zugelassen werden, wenn dies die aktuelle Gefahrenprognose zulässt.

 

 

-     Eine Video-Überwachung des Public-Viewing-Bereiches sollte sichergestellt und der Polizei im Bedarfsfall eine Mitnutzung ermöglicht werden.

Bei diesen Sicherheitsauflagen handelt es sich nicht um solche, die für Veranstaltungen mit mehr als 10.000 Besuchern gelten, denn für diese sind die Auflagen noch strenger. Die vorstehenden Auflagen greifen somit für jedwede Veranstaltung im öffentlichen Raum. Dies mag auf dem ersten Blick übertriebenem und dabei insbesondere „typisch“ deutschem Sicherheitsdenken geschuldet sein. Die Polizei (hier: Kreispolizeibehörde) ist aber dazu gehalten, diese Auflagen und deren Umsetzung zu fordern.

 

Auf die Örtlichkeit Nove-Mesto-Platz bezogen, bedeutet dies, dass die gesamte Fläche einzufrieden ist und bei einer Besucherzahl je Tag von nur geschätzten 2.000 Personen 40 Sicherheitskräfte zum Einsatz kommen. Die geforderte Einfriedung könnte zunächst für den Nove-Mesto-Platz sprechen, da sich dieser durch die bereits vorhandene Bebauung gut absperren lässt. Hier ist aber auch an die Anwohner zu denken, deren Zugangsmöglichkeiten zu ihren Häusern durch die Absperrung und die Einlasskontrollen erschwert würden.

 

Deutlich zu machen ist auch, dass allein die Umsetzung vorstehender Auflagen erhebliche finanzielle Aufwendungen verursacht. Diese sind vom Veranstalter zu tragen. Inwiefern sich die geplante Veranstaltung dann noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als rentabel oder durch Sponsoring als tragfähig erweist, ist zumindest kritisch zu hinterfragen. 

 

3.   Die beabsichtigte Großveranstaltung ist auch aus immissionsschutzrechtlicher Sicht problematisch. Für Veranstaltungen dieser Art gilt die „Freizeitlärm-Richtlinie“ nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Die Veranstaltung ist nach dem Wortlaut der Richtlinie als „seltenes Ereignis“ zu klassifizieren, was dazu führt, dass höhere Immissionsrichtwerte zur Anwendung gelangen:

 

      -     tags außerhalb der Ruhezeiten (08.00-20.00 Uhr)               70 dB(A)

      -     tags innerhalb der Ruhezeiten (20.00-22.00 Uhr)                65 dB(A)

      -     nachts (22.00-06.00 Uhr)                                                      55 dB(A)

 

      Der Nove-Mesto-Platz ist dadurch geprägt, dass die Wohnbebauung unmittelbar an den Platz anschließt und diesen umgibt. Dies führt dazu, dass Emmissions- und Immissionsort beinahe identisch sind, d.h. der Lärm wirkt unmittelbar auf die angrenzende Wohnbebauung ein. Hinzu kommt, dass der Schalldruck nicht entweichen kann, sondern von der angrenzenden Bebauung reflektiert und somit nochmals verstärkt wird.

 

      Die Veranstalterin beabsichtigt neben der Übertragung der Finalspiele auch Live-Bands spielen zu lassen. Dies allein führt zu tieffrequenten Geräuschentwicklungen. Kombiniert mit dem von den Besuchern zwangsläufig ausgehendem Lärm ergibt sich ein Lärmgemenge, bei dem davon auszugehen ist, dass die o.a. Lärmrichtwerte nicht einzuhalten sind. Dies wird auch anhand des ministeriellen Leitfadens zur umweltgerechten Durchführung von Volksfesten deutlich, wonach der allgemeine Schallpegel innerhalb einer größeren Menschenansammlung erfahrungsgemäß schon bei einem Mittelwert zwischen 65 und 70 dB(A) liegt. Die bedeutet, dass die Beschallungsanlagen um mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen sind.

 

      Die Freizeitlärm-Richtlinie lässt dennoch weitere Ausnahmen zu, insbesondere bei Veranstaltungen mit Volksfestcharakter, deren Durchführung im öffentlichen Interesse steht. Dies unterstellend, sind bei der Ausnahmeerteilung die öffentlichen Interessen und die Interessen der vom Lärm betroffenen Anwohner gegeneinander abzuwägen. Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist es, dass die zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm getroffen werden. Zudem ist auch zu prüfen, ob geeignete alternative Standorte vorhanden sind.

 

 

 

      Unabhängig von der Fragestellung nach einem alternativen Standort, ist die Einholung eines schallschutztechnischen Gutachtens erforderlich, in welchem auch die erforderlichen Maßnahmen zur Lärmminderung (z.B. Standort der Bühne, Maximallautstärken der technischen Anlagen) festgelegt werden. Während der Veranstaltung ist eine Überwachungsmessung durchzuführen.

 

      Es ist aber auch anzumerken, dass technische Anlagen „eingemessen“ werden können, dass Lärmverhalten der Besucher hingegen nicht. Erforderlich ist in jedem Fall die Beauftragung eines staatlich anerkannten Sachverständigen. Die damit verbundenen Kosten, die sich erfahrungsgemäß in einem gehobenen vierstelligen Bereich bewegen dürften, sind durch den Veranstalter zu tragen.

 

Nach Antragstellung durch die CDU-Fraktion hat die Verwaltung umgehend Kontakt mit dem Eventunternehmen „Sinn-Fluten“ aufgenommen und abgefragt, ob vor dem Hintergrund einer zunächst ungewissen Beschlusslage durch den Rat noch ein Interesse an der Durchführung der Veranstaltung besteht. Das Interesse besteht weiterhin und das Unternehmen hat angekündigt mit der Planung und auch der Sponsorensuche zu beginnen.

 

Seitens der Verwaltung ist gefordert worden, ein aussagefähiges Veranstaltungskonzept vorzulegen. Auch ist deutlich gemacht worden, dass aufgrund der Sicherheitsbestimmungen umfangreiche und dabei kostenintensive Maßnahmen auf die Veranstalterin zukommen werden. Ein aussagefähiges Konzept wurde jedoch bislang noch nicht vorgelegt. Insofern erscheint eine Realisierungsmöglichkeit aus heutiger Sicht fraglich.

 

Auch sind die beiden gewählten Marktsprecher um Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gebeten worden. Mit Schreiben vom 31.03.2010 haben sich die beiden Marktsprecher unter Hinweis auf die bereits feststehenden vier Ausfalltage in 2010 erwartungsgemäß gegen die Durchführung der Veranstaltung auf dem Nove-Mesto-Platz ausgesprochen. Das als Anlage beigefügte Schreiben ist auch den Fraktionen zugegangen.

 

Abschließend stellt sich die Frage nach einem alternativen Veranstaltungsort. Der Alte Markt ist zu klein, um den bisher bekannten konzeptionellen Vorstellungen der Antragstellerin zu genügen. Auch hier wären die Einzäunung sowie Maßnahmen zum Lärmschutz zu fordern.

 

In Düsseldorf besteht die Überlegung, die Spiele der WM in der Esprit-Arena zu übertragen. Dies stellt unter Sicherheitsaspekten (eingefriedetes Areal) einen idealen Standort dar. Vergleichbar gilt dies auch für die Bezirkssportanlage Am Bandsbusch. Das Thema „Lärm und Schutz der Anwohner“ würde aber auch durch Anwendung des bereits erwähnten ministeriellen Leitfadens für die Durchführung von Volksfesten Berücksichtigung finden.

 

Weitere und dabei geeignete Örtlichkeiten sind nach Einschätzung der Verwaltung in Hilden nicht vorhanden.

 

 

 

 

gez. Horst Thiele

Bürgermeister