Beschlussvorschlag:
Beschlussfassung wird anheim gestellt.
Erläuterungen und Begründungen:
Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Hilden hat
in der Sitzung des Rates vom 17.03.2010 den in der Anlage beigefügten Antrag
gestellt und die Verwaltung gebeten, ein Event-Unternehmen mit der Durchführung
einer zweitägigen Großveranstaltung auf dem Nove-Mesto-Platz am 10. und 11.
Juli 2010 anlässlich der Finalspiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika
zu beauftragen. Es wird unterstellt, dass die Stadt Hilden als
Genehmigungsbehörde und nicht als Auftraggeberin dieser Veranstaltung fungieren
soll. Letzteres hätte nicht nur die Berücksichtigung vergaberechtlicher
Vorgaben zur Folge, sondern ließe sich in dem noch verbleibenden Zeitraum nach einer
Ratsentscheidung nicht mehr realisieren.
Zu Beginn des Jahres 2010 richtete das
Event-Unternehmen „Sinn-Fluten“, Schulstraße in Hilden, formlos eine (Email-)
Anfrage an die Verwaltung, ob die Durchführung einer zweitägigen Großveranstaltung
auf dem Nove-Mesto-Platz genehmigungsfähig sei. Dabei sollte es sich nach dem
Willen der Antragstellerin um eine zweitägige „Ganztagesveranstaltung“, die
sich nicht nur auf die Übertragung der Finalspiele in den Abendstunden
beschränken sollte, handeln.
Beabsichtigt war u.a.
-
der
Aufbau eines Beach-Soccer-Feldes mit Zuschauertribüne, Maße 40m x 20m, zwecks
Durchführung eines Beach-Soccer-Turnieres;
-
der
Aufbau einer Bühne incl. LED-Walls, Maße 20m x 5m, für Live-Bands,
Live-Moderationen und die Übertragung der Finalspiele;
-
die
Nutzung der Restfläche durch die örtliche Gastronomie und den Einzelhandel.
Es ist zunächst deutlich zu machen, dass die
Verwaltung grundsätzlich Großveranstaltungen auch im Sinne des damit
verbundenen Werbeeffekts für Hilden befürwortet. Insofern ist die Anfrage des
Unternehmens „Sinn-Fluten“ auch intensiv im Verwaltungsvorstand diskutiert,
allerdings aus nachfolgenden Überlegungen auch unter Berücksichtigung
schützenswerter Drittinteressen ablehnend bewertet worden:
1. Die Großveranstaltung würde zu
einer Verlegung bzw. zu einem Ausfall des samstäglichen Wochemarktes führen.
Die Marktbeschicker haben nach den gewerberechtlichen Bestimmungen
grundsätzlich einen Durchführungsanspruch für diesen bereits festgesetzten Wochenmarkt,
so dass eine alternative Örtlichkeit für die 36 Beschicker des Wochenmarktes
angeboten werden müsste. Eine geeignete Örtlichkeit ist aber nicht vorhanden.
Eine Verlegung in die
Mittelstraße kann nicht empfohlen werden. Zum einen würde dies dazu führen,
dass die genehmigten Sondernutzungen des Einzelhandels zumindest in Teilen eingeschränkt
bis verhindert werden. Zudem müssten die Verkaufswagen in Abhängigkeit zu den
vorhanden Flächenmöglichkeiten und unter Berücksichtigung rettungsspezifischer
Aspekte großflächig verteilt in die Mittelstraße placiert werden, so dass ein
„kompakter“ Markt nicht möglich wäre.
Auch müssten in diesem Fall
mehrere Stromverteiler angemietet werden. Die Kosten hierfür dürften jedoch
nach dem Verständnis der Verwaltung nicht dem Wochenmarkt, sondern müssten dem
Veranstalter des Public-Viewing-Events angelastet werden.
Auch bietet sich keine
kombinierte Nutzung der Mittelstraße und des Alten Marktes an. Die
Bepflasterung der Fläche „Alter Markt“ würde unter dem notwendigen Rangieren
der Verkaufswagen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mitleidenschaft gezogen
werden. Die damit dann verbundenen Folgeaufwendungen können ebenfalls nicht dem
Wochemarkt zugeordnet werden.
Auch bietet es sich nicht an,
wie im Jahr 2004 (Sportfestival) eine Verlegung auf den Parkplatz des
Mühlenhofes vorzunehmen. Diese Verlegung war nur unter Schwierigkeiten bei
gleichzeitigem temporären Wegfall der dort vorhandenen Bewohnerparkplätze
möglich; dies aber auch nur, weil nicht einmal die Hälfte der Beschicker an
diesem Markt teilgenommen haben.
Es ist somit festzuhalten,
dass eine geeignete und vor allem zentral gelegene Örtlichkeit nicht vorhanden
ist, um eine Verlegung des Wochenmarktes mit seinen 36 Beschickern in geeigneter Form zu realisieren. Somit
bliebe faktisch nur der ersatzlose Ausfall des Wochenmarktes am 10. Juli 2010.
Hiervon rät die Verwaltung jedoch ab. Neben den beiden jährlichen Ausfalltagen
(Schützenkirmes und Itterfest), kommt es in diesem Jahr durch den Maifeiertag
und dem 1. Weihnachtstag zu weiteren „natürlichen“ Ausfällen. Ein weiterer
Marktausfall sollte aus Sicht der Verwaltung den Beschickern, aber auch
Kundinnen und Kunden, des Wochenmarktes nicht abverlangt werden.
2. Es ist richtig, dass die
Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2006 in Deutschland einen neuen Trend, das
sog. „Public-Viewing“, ausgelöst hat. Die positive Grundstimmung des Sommers
2006 ist noch vielen Menschen im Bewusstsein. Dennoch darf nicht vergessen
werden, dass diese Form der öffentlichen Veranstaltung die Sicherheitsbehörden
vor große Herausforderungen stellt. Aus sicherheitsrelevanter Sicht ist dabei
die Bewertung immer auf Basis des Szenarios durchzuführen, in welchem es im
Zuge dieser Veranstaltung durch gewaltbereite Personen oder Personengruppen zu
Ausschreitungen kommt. Aus diesem Grund hat das Innenministerium des Landes
Nordrhein-Westfalen umfangreiche Sicherheitsauflagen verfügt, die nicht nur bei
der WM 2006 und der EM 2008, sondern auch wieder bei der WM 2010 zu
berücksichtigen sind.
Hierzu zählen u.a.
- Der Veranstaltungsbereich
muss eingefriedet sein.
- Die maximale Besucherzahl ist
entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu beschränken.
- An den Einlässen sind
Beschallungseinrichtungen vorzuhalten, um ggf. die Besucher informieren zu
können.
- Durch Zugangskontrollen des
Sicherheitsdienstes ist sicherzustellen, dass Besucher keine Feuerwerkskörper,
Hieb- oder Stichwaffen, Schusswaffen etc. mit sich führen. Außerdem dürfen
Besucher mit sperrigen Gegenständen oder mit Gegenständen, die als Wurfgeschosse
Verwendung finden können, mit Getränkeflaschen, Dosen oder ähnlichen Behältern
nicht eingelassen werden.
- Der Veranstalter hat für die
Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Zu diesem Zweck muss
für die Veranstaltung je nach Besucherzahl eine entsprechende Anzahl von
geeigneten und gekennzeichneten Ordnern eingesetzt werden. Hier gilt der
Schlüssel „Je 50 Besucher eine Sicherheitskraft“.
- Getränke dürfen nicht in
Flaschen oder Glasgefäßen veräußert werden.
- Für das Public-Viewing sollte
der Alkoholausschank nur zugelassen werden, wenn dies die aktuelle
Gefahrenprognose zulässt.
- Eine Video-Überwachung des
Public-Viewing-Bereiches sollte sichergestellt und der Polizei im Bedarfsfall
eine Mitnutzung ermöglicht werden.
Bei
diesen Sicherheitsauflagen handelt es sich nicht um solche, die für
Veranstaltungen mit mehr als 10.000 Besuchern gelten, denn für diese sind die
Auflagen noch strenger. Die vorstehenden Auflagen greifen somit für jedwede
Veranstaltung im öffentlichen Raum. Dies mag auf dem ersten Blick übertriebenem
und dabei insbesondere „typisch“ deutschem Sicherheitsdenken geschuldet sein.
Die Polizei (hier: Kreispolizeibehörde) ist aber dazu gehalten, diese Auflagen
und deren Umsetzung zu fordern.
Auf
die Örtlichkeit Nove-Mesto-Platz bezogen, bedeutet dies, dass die gesamte
Fläche einzufrieden ist und bei einer Besucherzahl je Tag von nur geschätzten
2.000 Personen 40 Sicherheitskräfte zum Einsatz kommen. Die geforderte
Einfriedung könnte zunächst für den Nove-Mesto-Platz sprechen, da sich dieser
durch die bereits vorhandene Bebauung gut absperren lässt. Hier ist aber auch
an die Anwohner zu denken, deren Zugangsmöglichkeiten zu ihren Häusern durch
die Absperrung und die Einlasskontrollen erschwert würden.
Deutlich
zu machen ist auch, dass allein die Umsetzung vorstehender Auflagen erhebliche
finanzielle Aufwendungen verursacht. Diese sind vom Veranstalter zu tragen.
Inwiefern sich die geplante Veranstaltung dann noch unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten als rentabel oder durch Sponsoring als tragfähig erweist, ist
zumindest kritisch zu hinterfragen.
3. Die beabsichtigte
Großveranstaltung ist auch aus immissionsschutzrechtlicher Sicht problematisch.
Für Veranstaltungen dieser Art gilt die „Freizeitlärm-Richtlinie“ nach dem
Bundes-Immissionsschutzgesetz. Die Veranstaltung ist nach dem Wortlaut der
Richtlinie als „seltenes Ereignis“ zu klassifizieren, was dazu führt, dass
höhere Immissionsrichtwerte zur Anwendung gelangen:
- tags außerhalb der Ruhezeiten (08.00-20.00 Uhr) 70 dB(A)
- tags innerhalb der Ruhezeiten (20.00-22.00 Uhr) 65 dB(A)
- nachts (22.00-06.00 Uhr) 55
dB(A)
Der Nove-Mesto-Platz ist
dadurch geprägt, dass die Wohnbebauung unmittelbar an den Platz anschließt und
diesen umgibt. Dies führt dazu, dass Emmissions- und Immissionsort beinahe
identisch sind, d.h. der Lärm wirkt unmittelbar auf die angrenzende
Wohnbebauung ein. Hinzu kommt, dass der Schalldruck nicht entweichen kann,
sondern von der angrenzenden Bebauung reflektiert und somit nochmals verstärkt
wird.
Die Veranstalterin
beabsichtigt neben der Übertragung der Finalspiele auch Live-Bands spielen zu
lassen. Dies allein führt zu tieffrequenten Geräuschentwicklungen. Kombiniert
mit dem von den Besuchern zwangsläufig ausgehendem Lärm ergibt sich ein
Lärmgemenge, bei dem davon auszugehen ist, dass die o.a. Lärmrichtwerte nicht
einzuhalten sind. Dies wird auch anhand des ministeriellen Leitfadens zur
umweltgerechten Durchführung von Volksfesten deutlich, wonach der allgemeine
Schallpegel innerhalb einer größeren Menschenansammlung erfahrungsgemäß schon
bei einem Mittelwert zwischen 65 und 70 dB(A) liegt. Die bedeutet, dass die
Beschallungsanlagen um mindestens 5 dB(A) höher anzusetzen sind.
Die Freizeitlärm-Richtlinie
lässt dennoch weitere Ausnahmen zu, insbesondere bei Veranstaltungen mit
Volksfestcharakter, deren Durchführung im öffentlichen Interesse steht. Dies
unterstellend, sind bei der Ausnahmeerteilung die öffentlichen Interessen und
die Interessen der vom Lärm betroffenen Anwohner gegeneinander abzuwägen.
Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist es, dass die
zumutbaren technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der
Nachbarschaft vor Lärm getroffen werden. Zudem ist auch zu prüfen, ob geeignete
alternative Standorte vorhanden sind.
Unabhängig von der
Fragestellung nach einem alternativen Standort, ist die Einholung eines
schallschutztechnischen Gutachtens erforderlich, in welchem auch die
erforderlichen Maßnahmen zur Lärmminderung (z.B. Standort der Bühne,
Maximallautstärken der technischen Anlagen) festgelegt werden. Während der Veranstaltung
ist eine Überwachungsmessung durchzuführen.
Es ist aber auch anzumerken,
dass technische Anlagen „eingemessen“ werden können, dass Lärmverhalten der
Besucher hingegen nicht. Erforderlich ist in jedem Fall die Beauftragung eines
staatlich anerkannten Sachverständigen. Die damit verbundenen Kosten, die sich
erfahrungsgemäß in einem gehobenen vierstelligen Bereich bewegen dürften, sind
durch den Veranstalter zu tragen.
Nach Antragstellung
durch die CDU-Fraktion hat die Verwaltung umgehend Kontakt mit dem Eventunternehmen
„Sinn-Fluten“ aufgenommen und abgefragt, ob vor dem Hintergrund einer zunächst
ungewissen Beschlusslage durch den Rat noch ein Interesse an der Durchführung
der Veranstaltung besteht. Das Interesse besteht weiterhin und das Unternehmen
hat angekündigt mit der Planung und auch der Sponsorensuche zu beginnen.
Seitens der Verwaltung
ist gefordert worden, ein aussagefähiges Veranstaltungskonzept vorzulegen. Auch
ist deutlich gemacht worden, dass aufgrund der Sicherheitsbestimmungen umfangreiche
und dabei kostenintensive Maßnahmen auf die Veranstalterin zukommen werden. Ein
aussagefähiges Konzept wurde jedoch bislang noch nicht vorgelegt. Insofern
erscheint eine Realisierungsmöglichkeit aus heutiger Sicht fraglich.
Auch sind die beiden
gewählten Marktsprecher um Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gebeten
worden. Mit Schreiben vom 31.03.2010 haben sich die beiden Marktsprecher unter
Hinweis auf die bereits feststehenden vier Ausfalltage in 2010 erwartungsgemäß
gegen die Durchführung der Veranstaltung auf dem Nove-Mesto-Platz
ausgesprochen. Das als Anlage beigefügte Schreiben ist auch den Fraktionen
zugegangen.
Abschließend stellt
sich die Frage nach einem alternativen Veranstaltungsort. Der Alte Markt ist zu
klein, um den bisher bekannten konzeptionellen Vorstellungen der Antragstellerin
zu genügen. Auch hier wären die Einzäunung sowie Maßnahmen zum Lärmschutz zu fordern.
In Düsseldorf besteht
die Überlegung, die Spiele der WM in der Esprit-Arena zu übertragen. Dies
stellt unter Sicherheitsaspekten (eingefriedetes Areal) einen idealen Standort
dar. Vergleichbar gilt dies auch für die Bezirkssportanlage Am Bandsbusch. Das
Thema „Lärm und Schutz der Anwohner“ würde aber auch durch Anwendung des
bereits erwähnten ministeriellen Leitfadens für die Durchführung von
Volksfesten Berücksichtigung finden.
Weitere und dabei
geeignete Örtlichkeiten sind nach Einschätzung der Verwaltung in Hilden nicht
vorhanden.
gez. Horst Thiele
Bürgermeister