Beschlussvorschlag:
Beschluss wird anheim gestellt.
Erläuterungen und Begründungen:
Mit beigefügten Schreiben vom 15.11.2008 beantragt die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen vertreten durch den Ortsverband
Hilden/Haan/Mettmann/Erkrath eine neu entstehende Straße im Innenstadtbereich
nach der am 14.11.1938 in Folge der Reichspogromnacht durch Selbstmord
verstorbenen Frau Hendrika Grüter zu benennen.
Folgender Auszug ist der Broschüre: "Steine gegen das
Vergessen" - Eine Dokumentation des Arbeitskreises Stolpersteine
entnommen:
Dr. Sommer hatte nach eigenen Aussagen 1938 schon seit 40 Jahren als
Arzt praktiziert, wie lange davon in Hilden, ist nicht ganz klar. Aber als er
im Jahr 1927 heiratete, zog seine Frau Gertrud, katholischen Bekenntnisses, „…
zu ihm in sein Haus mit Praxis in die Gerresheimer Str. 340“, wie es in der
Aussage von Frau Sommer (Juni 1945) steht. Wann genau Dr. Sommer, der in der Statistik
über die in Hilden lebenden Juden als Dissident gekennzeichnet ist, seine
Praxis den neuen Verordnungen entsprechend aufgeben musste, ist auch nicht ganz
klar, er wurde jedenfalls seit Mitte 1934 nicht mehr in der Liste der
praktizierenden Ärzte aufgeführt und seine Frau bezifferte in ihrer Aussage vom
Juni 1945 zu den Ereignissen in der Reichspogromnacht das offizielle Ende
seiner Arzttätigkeit auf 1936 oder 1937. Zum Haushalt des Ehepaares Sommer
gehörte noch die „Stütze“ Hendrika Grüter, die trotz der neuen Regelungen der
Nationalsozialisten über die Tätigkeiten „deutschblütiger“ Frauen in „Judenhaushalten“
geblieben war. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drang ein
Schlägertrupp von SS und SA in das Haus ein und verwüstete es. Das Ehepaar
Sommer und Hendrika Grüter wurden ins Schlafzimmer gesperrt, körperliche
Misshandlungen erfolgten nicht. Man riet ihnen aber dringend, das Haus sofort
zu verlassen, weil es am nächsten Tag in Brand gesetzt würde, falls man sie
noch anträfe. Nach dem Abzug des Schlägertrupps stellte sich heraus, dass in
Wohnung, Praxis und Kellerräumen beinahe alles völlig zerschlagen und damit die
Existenzgrundlage zerstört worden war. Das Ehepaar Sommer beschloss daraufhin,
Selbstmord zu begehen und Hendrika Grüter sein nicht unbeträchtliches Vermögen
zu hinterlassen, wovon sie gut hätte leben können. Doch diese einfache Frau gab
eine Antwort, die Hochachtung verdient: „Unter solchen Menschen kann ich nicht
leben.“ Alle drei nahmen die gleiche Menge Schlaftabletten. Am Morgen des 10.
November fand ein Kriminalbeamter sie schlafend vor, der Arzt vor Ort ließ Frau
Sommer und Hendrika Grüter ins Krankenhaus bringen, bei Dr. Sommer lohne es
nicht, er sei zu schwach, war der Kommentar. Dr. Sommer starb schließlich drei
Tage später am 13.11.1938, ein Opfer des Pogroms. Hendrika Grüter starb am
14.11.1938 im Krankenhaus, sie hatte das Bewusstsein nicht mehr erlangt. Auch
ein Opfer des Pogroms in Hilden. Frau Sommer überlebte.
Die Verwaltung empfiehlt den Antrag, wie in der Anregung gemäß § 24 GO
NRW vorgetragen wurde, anzunehmen und eine neu entstehende Straße im
Stadtgebiet (nicht zwingend in der Innenstadt) nach Henrika Grüter zu benennen.
gez. G. Scheib