Betreff
Antrag nach § 24 GO NRW, Benennung einer künftigen Straße nach Frau Hendrika Grüter
Vorlage
WP 04-09 SV 61/249
Aktenzeichen
IV/61.2-62 32 00/01
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 

Beschluss wird anheim gestellt.


Erläuterungen und Begründungen:

 

 

Mit beigefügten Schreiben vom 15.11.2008 beantragt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen vertreten durch den Ortsverband Hilden/Haan/Mettmann/Erkrath eine neu entstehende Straße im Innenstadtbereich nach der am 14.11.1938 in Folge der Reichspogromnacht durch Selbstmord verstorbenen Frau Hendrika Grüter zu benennen.

 

Folgender Auszug ist der Broschüre: "Steine gegen das Vergessen" - Eine Dokumentation des Arbeitskreises Stolpersteine entnommen:

 

Dr. Sommer hatte nach eigenen Aussagen 1938 schon seit 40 Jahren als Arzt praktiziert, wie lange davon in Hilden, ist nicht ganz klar. Aber als er im Jahr 1927 heiratete, zog seine Frau Gertrud, katholischen Bekenntnisses, „… zu ihm in sein Haus mit Praxis in die Gerresheimer Str. 340“, wie es in der Aussage von Frau Sommer (Juni 1945) steht. Wann genau Dr. Sommer, der in der Statistik über die in Hilden lebenden Juden als Dissident gekennzeichnet ist, seine Praxis den neuen Verordnungen entsprechend aufgeben musste, ist auch nicht ganz klar, er wurde jedenfalls seit Mitte 1934 nicht mehr in der Liste der praktizierenden Ärzte aufgeführt und seine Frau bezifferte in ihrer Aussage vom Juni 1945 zu den Ereignissen in der Reichspogromnacht das offizielle Ende seiner Arzttätigkeit auf 1936 oder 1937. Zum Haushalt des Ehepaares Sommer gehörte noch die „Stütze“ Hendrika Grüter, die trotz der neuen Regelungen der Nationalsozialisten über die Tätigkeiten „deutschblütiger“ Frauen in „Judenhaushalten“ geblieben war. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drang ein Schlägertrupp von SS und SA in das Haus ein und verwüstete es. Das Ehepaar Sommer und Hendrika Grüter wurden ins Schlafzimmer gesperrt, körperliche Misshandlungen erfolgten nicht. Man riet ihnen aber dringend, das Haus sofort zu verlassen, weil es am nächsten Tag in Brand gesetzt würde, falls man sie noch anträfe. Nach dem Abzug des Schlägertrupps stellte sich heraus, dass in Wohnung, Praxis und Kellerräumen beinahe alles völlig zerschlagen und damit die Existenzgrundlage zerstört worden war. Das Ehepaar Sommer beschloss daraufhin, Selbstmord zu begehen und Hendrika Grüter sein nicht unbeträchtliches Vermögen zu hinterlassen, wovon sie gut hätte leben können. Doch diese einfache Frau gab eine Antwort, die Hochachtung verdient: „Unter solchen Menschen kann ich nicht leben.“ Alle drei nahmen die gleiche Menge Schlaftabletten. Am Morgen des 10. November fand ein Kriminalbeamter sie schlafend vor, der Arzt vor Ort ließ Frau Sommer und Hendrika Grüter ins Krankenhaus bringen, bei Dr. Sommer lohne es nicht, er sei zu schwach, war der Kommentar. Dr. Sommer starb schließlich drei Tage später am 13.11.1938, ein Opfer des Pogroms. Hendrika Grüter starb am 14.11.1938 im Krankenhaus, sie hatte das Bewusstsein nicht mehr erlangt. Auch ein Opfer des Pogroms in Hilden. Frau Sommer überlebte.

 

 

Die Verwaltung empfiehlt den Antrag, wie in der Anregung gemäß § 24 GO NRW vorgetragen wurde, anzunehmen und eine neu entstehende Straße im Stadtgebiet (nicht zwingend in der Innenstadt) nach Henrika Grüter zu benennen.

 

 

 

 

gez. G. Scheib