Betreff
Anregung nach § 24 GO NRW:
Naturwald Stadtwald Hilden
Vorlage
WP 20-25 SV 66/090
Aktenzeichen
IV/66.4
Art
Anregung/Beschwerde nach § 24 GO NRW

Begründung:

 

Der Hildener Stadtwald umfasst eine Fläche von ca. 430 Hektar (ca. 15 Prozent des Stadtgebietes). Er besteht zu etwa 20 Prozent aus Naturschutzgebieten und bietet eine Heimat für seltene Tier- und Pflanzenarten. Die übrige Waldfläche ist als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Die gesamte Fläche steht im Eigentum der Stadt.

Unbewirtschaftete, alt werdende Wälder schützen das Klima, tragen erheblich zur biologischen Vielfalt bei und sind wichtig für uns Menschen. Denn hier können sich Arten und Lebensgemeinschaften an Veränderungen wie z.B. den Klimawandel anpassen, ohne durch Land- und Forstwirtschaft zusätzlich unter Druck zu geraten. Bäume können ihr hohes biologisches Alter erreichen und bieten so jede Menge Klein- und Kleinstlebensräume für waldtypische Arten, darunter viele seltene und bedrohte Waldarten. Gleichzeitig sind sie geprägt durch hohe Biomassevorräte lebender und toter Bäume sowie ein Nebeneinander aller Waldentwicklungsphasen, insbesondere der Alters- und Zerfallsphase. Wie Moore und Auen, speichern alt werdende Wälder neben Wasser enorme Mengen CO2. Durch Holzzersetzungspro-zesse, die in bewirtschafteten Wäldern, wenn überhaupt, nur im geringen Umfang ablaufen, erhöht sich so langfristig der Humusanteil und damit auch der Kohlenstoffvorrat im Boden. Dem Waldboden kommt damit bezüglich des Klimaschutzes auch eine besondere Bedeutung zu. Die Anreicherung von Biomasse entzieht der Atmosphäre rasch Kohlenstoff und ist damit eine „Sofortmaßnahme“ beim Klimaschutz mit positivem Einfluss auf unseren Siedlungsraum vor den Folgen des Klimawandels.

In Wildnisgebieten lässt sich lernen, wie Natur sich ohne menschliches Zutun entwickelt. Hier können Menschen eine ungewohnte Strukturvielfalt erleben, die oft als „wild“ empfundenen wird und nicht unseren vertrauten Sehgewohnheiten entspricht. Dieser emotionale Zugang macht sie als kulturellen Ort, Erlebnisraum und Lernort bedeutsam. Alte, unbewirtschaftete Wälder können so dazu beitragen, dass Menschen wieder „echte“ Natur kennen lernen bzw. natürlichen Prozessen erleben können.


Beschlussvorschlag für den Hauptausschuss:

 

Der Bürgerantrag wird zur fachlichen Bewertung sowie Vorberatung an den Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Entscheidung an den Rat verwiesen.

Eine Empfehlung hierzu spricht der Hauptausschuss nicht aus.

 

 

Antragstext für den Rat nach Vorberatung im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz:

 

Der Hildener Stadtwald soll zukünftig ausschließlich dem Naturschutz, dem Klimaschutz und der Erholung dienen. Die Forstwirtschaft im Hildener Stadtwald soll eingestellt werden. Arten und Lebensgemeinschaften sollen sich ohne Beeinflussung durch die Forstwirtschaft an Veränderungen wie z.B. den Klimawandel anpassen.

Die personellen und finanziellen Ressourcen sollen für die Verkehrssicherung entlang der Wege, die naturnahe Umgestaltung und die Öffentlichkeitsarbeit sowie zur Pflege und Neupflanzung von Stadtbäumen verwendet werden.


Stellungnahme der Verwaltung:

 

Allgemeine Informationen zur derzeitigen Nutzung des Stadtwaldes Hilden

 

Der Hildener Stadtwald umfasst in seiner Kernfläche rund 423 Hektar (ca. 4 Quadratkilometer), welche vollständig nationalen und internationalen Schutzstatus unterliegen und sich in 92 Hektar Naturschutz- (NSG) und Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Gebiete und 331 Hektar Landschaftsschutzgebiete (LSG) aufteilen.

Rund 40 verschiedene Baum- und Straucharten bilden an unterschiedlichen Standorten die Waldtypen und Biotope des Stadtwaldes aus. Diese Vielfalt bietet eine Heimat für viele, teils seltene Pflanzen- und Tierarten.

Der Stadtwald ist in seiner heutigen Ausprägung das Ergebnis einer jahrzehntelangen naturnahen und nachhaltigen Waldpflege, bei welcher immer die Erholungs- und die Naturschutzfunktion im Vordergrund stand. Die forstwirtschaftliche Nutzung des Stadtwaldes dient schon seit einigen Jahren der Waldpflege und orientiert sich am Forsteinrichtungswerk sowie dem Waldbaukonzept NRW und nicht am Bedarf des Holzmarktes.

 

Der Stadtwald ist gleichzeitig ein wichtiges Erholungsgebiet für die Hildener Bürger.

Um 1900 wurde ein großer Teil (ca. 200 ha) durch einen privaten Stifter (Ferdinand Lieven) an die Stadt Hilden übergeben. Diese Schenkung ist bis heute mit der Auflage verbunden, dass der Stadtwald dem Hildener Bürger zum Zwecke der Erholung zur Verfügung gestellt bleiben muss.

Diese Verpflichtung findet sich auch im allgemeinen Betretungsrecht § 2 (1) LFoG NRW wieder.

Auch der Landschaftsplan des Kreises Mettmann sieht den Wert des Stadtwaldes als wichtiges Erholungsgebiet im Ballungsraum und fixiert diesen im Rahmen seiner Festsetzung.

Die Stilllegung der Forstwirtschaft und Ausweisung als Naturwald würde die Erholungsfunktion im Hildener Stadtwald massiv einschränken und gefährden.

 

Zur Bewirtschaftung des Stadtwaldes wurde mit der Forsteinrichtung ein multifunktionales Planungs- und Steuerungselement der Waldpflege und Betriebsregelung installiert. Diese auf Basis des § 33 Landesforstgesetz Nordrhein-Westfalen erstellte Vorgabe ist verbindlich.

Als mittelfristige Planungsebene umfasst sie meist einen Zeitraum von zehn Jahren und dient in diesem als Nachhaltigkeitsweiser für die Holznutzung. Im Rahmen der Waldinventur werden Daten über die Waldfunktionen (Holzproduktion, Natur- und Biotopschutz, Wasser-, Klima-, Lärmschutz und vor allem die Erholungsfunktion) Bestockung, Kronenschlussgrad und Standort (Boden) erhoben und zu Ergebnissen verarbeitet.

Das im Zuge der Pflegemaßnahmen derzeit entnommene Holz bleibt weit unter dem jährlichen Zuwachs. Damit erhöht sich jedes Jahr der Holzvorrat. Die in den Trockenheitsjahren angefallenen größeren Holzmengen werden mit den Folgejahren verrechnet und in diesen wieder eingespart und ausgeglichen. Somit ist eine nachhaltige Waldpflege mit stetig anwachsendem Holzvorrat gewährleistet.

 

Gemäß § 1a Landesforstgesetz NRW ist als Kennzeichen nachhaltiger Forstwirtschaft festgelegt, „dass die Betreuung von Waldflächen und ihre Nutzung in einer Art und Weise erfolgt, dass die biologische Vielfalt, die Produktivität, die Verjüngungsfähigkeit, die Vitalität und die Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen zu erfüllen, erhalten bleibt und anderen Ökosystemen kein Schaden zugefügt wird.“ Die mit der Bewirtschaftung des öffentlichen Waldes betrauten Stellen haben die Wohlfahrtswirkungen des Waldes zu sichern und in besonderem Maße die Erholung der Bevölkerung zu ermöglichen (§§ 31 und 32 Landesforstgesetz).

 

In der am 25.05.2023 eingereichten Anregung gem. § 24 GO NRW (Anlage 1) wird angeregt, dass der Stadtwald grundsätzlich nur dem Naturschutz, dem Klimaschutz und der Erholung und nicht der Forstwirtschaft dienen soll.

Zur Bearbeitung des Antrages wurden die Meinungen

  • beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW,
  • der Unteren Naturschutzbehörde Kreis Mettmann,
  • der Biologischen Station Haus Bürgel und
  • dem NABU Kreisverband Mettmann e.V.

eingeholt.

 

Durch die Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen soll der Antrag aus verschiedenen Fachrichtungen und Positionen beleuchtet und eine möglichst neutrale Beurteilung gewährleistet werden.

Die Stellungnahmen werden im Folgenden kurz zusammengefasst und sind als Anlage beigefügt.

 

 

Stellungnahme Biologische Station Haus Bürgel (Bio.Station)

 

Die Bio.Station Haus Bürgel betreut im Auftrag des Kreises Mettmann und der Stadt Düsseldorf unter anderem das FFH-Gebiet Hildener Heide und hat hierfür ein naturschutzfachliches Maßnahmenkonzept (MAKO) erstellt. In ihrer Stellungnahme (Anlage 2) verweist sie auf den hauptsächlichen, naturschutzfachlichen Handlungsbedarf der im Umbau standortfremder Waldbestände und Monokulturen sowie vor allem in der konsequenten Pflege, Entwicklung, Erweiterung und Vernetzung der Offenlandlebensräume (Heiden, Moore, Grünland und Sandmagerrasen), die nur durch eine entsprechende Nutzung erhalten werden können.

Es wird betont, dass intakte Moore und Feuchtbiotope im Vergleich zu unbewirtschafteten Wäldern ein Vielfaches an atmosphärischem CO2 nachhaltig speichern können.

Maßnahmen zu Verbesserung dieser Moorstrukturen laufen bereits seit Längerem an verschiedenen Stellen des Stadtwaldes, Weitere sind aktuell in Planung.

Durch vollständige Stilllegung der Waldpflege und den Verzicht auf Gehölzentnahmen würden die gewollten und lichtliebenden Biotope, wie z. B. Heide und Moore, im Stadtwald verhindert.

 

Stellungnahme Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Regionalforstamt Gummersbach (LBWuH)

 

In seiner Stellungnahme (Anlage 3) weist der LBWuH auf die CO2 Bindungs- und Speicherpotenziale des Rohstoffs Holz hin. Nur durch dauerhaft genutztes, d.h. verbautes Holz aus nachhaltiger, naturnaher Forstwirtschaft wird die im Holz assimilierte Menge an atmosphärischem CO2 langfristig gebunden. Ebenso kann Holz andere Baustoffe mit schlechterer CO2-Bilanz (Stahl, Beton, Kunststoffe) positiv substituieren.

Im Gegensatz dazu setzt der Stoffkreislauf des unbewirtschafteten Waldes das gespeicherte CO2 während der Zersetzung des Totholzes größtenteils wieder und gibt es an die Atmosphäre ab, wodurch nur ein geringer Speichereffekt erzielt wird.

 

Zusätzlich trägt die lokale Produktion und Verarbeitung von Holz zur Substitution von teils fraglichen Importquellen an Rohholz bei und spart durch kurze Transportwege viel Energie.

 

Der LBWuH verweist auf die Erholungsfunktion des Waldes für die urbane Bevölkerung. Dazu ist durch den Forstbetrieb ein Mindeststandard an Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit auf dem Wegenetz sicherzustellen.

Der LBWuH sieht in der im Stadtwald Hilden gelebten naturnahen Waldpflege keinen Konflikt der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes.

 

Das LBWuH bittet, den Antrag zurückzuweisen.

 

Stellungnahme Untere Naturschutzbehörde (UNB) Kreis Mettmann

 

Die UNB spricht sich in ihre Stellungnahme (Anlage 4) gegen die flächendeckende Stilllegung der Forstwirtschaft aus und verweist auf die Notwendigkeit der aktiven Pflege, Unterhaltung und Sicherung der gesetzlich besonders geschützten Lebensräume im Hildener Stadtwald. Gleichzeitig bestätigt die UNB, dass die Stadt Hilden mit der aktuellen Waldpflege die Zielvorgaben der FFH-Richtlinie erfüllt und damit zur Verbesserung des Erhaltungszustandes der Waldbiotope erfolgreich beiträgt.

 

Die völlige Nutzungsaufgabe der Waldflächen würde zu Biotopverschlechterungen und -verlusten führen und damit zu einem rechtlichen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot auf nationaler und europäischer Ebene führen.

 

 

Stellungnahme Kreisverband Mettmann des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU Me)

 

NABU Me sieht in der naturnahen Waldbetreuung der Stadt Hilden keinen Konflikt mit der nachhaltigen Gewährleistung aller Waldfunktionen und bezieht sich dabei auf die Vielzahl der gemeinsamen Projekte und Kooperationen, welche bereits seit vielen Jahren bestehen.

 

Der Umgang und die Ausweisung von Nichtnutzungsflächen und Totholz im Hildener Stadtwald ist bekannt. Nach Auffassung des NABUs könnte hier aber besser öffentlich drauf hingewiesen werden und die Anzahl erhöht werden.

 

Der NABU betont in seiner Stellungnahme (Anlage 5) den hohen Wert von schonend und nachhaltig produziertem Holz für den lokalen Markt. Da beim Umbau hin zu naturnahen, biotopvernetzten, zukunftsfähigen Wäldern auch der Rohstoff Holz ohnehin anfällt, sollte dieser auch lokal genutzt werden.

 

 

Zusammenfassende Stellungnahme

 

Die Stadt Hilden arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich mit der Bio.Station, LBWuH NRW, UNB, und dem ehrenamtlichen NABU zusammen. In gemeinschaftlichen und kooperativen Projekten im Naturschutz und der Waldpflege wird der Stadtwald stetig weiterentwickelt.

 

Als besondere Maßnahmen sind hier die Biotoppflege und -verbesserungsmaßnahmen in den feucht und trockenen Heiden und Moor-, Bruch- und Auwälder zu nennen, welche bereits erfolgreich zur Verbesserung dieser Lebensräume beigetragen haben.

Im Rahmen des MAKOs wird zusammen mit UNB Mettmann und Bio.Station aktiv an der Rückvernässung von Moorgebieten, der Biotoppflege von Heideflächen, dem ökologischen Waldumbau und dem gezielten forstwirtschaftlichen Nutzungsverzicht in bestimmten Biotopen gearbeitet.

 

Eine generelle Nichtnutzung des gesamten Stadtwaldes würde zur Verschlechterung oder gar zum Verschwinden von geschützten Lebensräumen im Stadtwald führen und somit die Stadt Hilden als Eigentümerin in einen rechtlichen Konflikt mit dem nationalen und europäischen Naturschutzrecht führen.

Der Erhalt und die Anreicherung von Totholz im Wald wird im Rahmen der naturnahen Waldpflege nach § 1 b LFoG NRW gelebt und umgesetzt. In geeigneten Bereichen des Stadtwaldes, in denen die Verpflichtung zur Verkehrssicherung dies zulässt, dürfen Altbäume in ihr natürliches Lebensalter hineinwachsen und als Totholz ungestört in den natürlichen Stoffkreislauf des Stadtwaldes übergehen. Ebenso wird im Rahmen der ordnungsgemäßen Waldpflege die Baumkrone als Nährstoff für den Waldboden am Wuchsort belassen und nicht anders verwertet.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ideen, Vorgaben und Vorschläge zur Bewirtschaftung des Stadtwaldes bereits im Rahmen der multifunktionalen Waldpflege erfüllt werden und nicht im Konflikt zu den anderen Waldfunktionen des Stadtwaldes stehen. Eine Aufgabe der „forstwirtschaftlichen“ Waldpflege würde einer vorteilhaften, zukunftsfähigen Entwicklung des Stadtwaldes schaden und ist aus diesem Grund aus Sicht der Verwaltung abzulehnen.

 

 

Gez.
Dr. Claus Pommer
Bürgermeister

 

 

Klimarelevanz:

 

Die CO2-Bindungs- und Speicherpotenziale des Rohstoffs Holz werden durch dauerhaft genutztes, d.h. verbautes Holz aus nachhaltiger, naturnaher Forstwirtschaft gehoben. Durch Vermarktung des entnommenen Holzes bleibt eine assimilierte Menge an atmosphärischem CO2 langfristig gebunden. Ebenso kann heimisches Holz andere Baustoffe mit schlechterer CO2-Bilanz (Stahl, Beton, Kunststoffe) positiv substituieren.

 

 

Verfahrensablauf:

Gemäß § 6 Abs. 4 der Hauptsatzung sind zunächst dem Hauptausschuss die Bürgeranregungen vorzulegen, der diese gemäß Abs. 5 inhaltlich zu prüfen und an die zur Entscheidung berechtigte Stelle zu überweisen hat. Bei der Überweisung kann der Hauptausschuss eine Empfehlung aussprechen, an die die zur Entscheidung berechtigte Stelle nicht gebunden ist.

 

Nach § 6 Abs. 2 Ziffer 2 Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz der Zuständigkeitsordnung ist der Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz nur für Vorberatungen von gesamtstädtischen Konzepten für den Forstbetrieb zuständig.

Deshalb muss der Beschluss im Rat erfolgen.