Betreff
Information zum Sachstand des Bundes-Teilhabe-Gesetzes (BTHG) in Kindertageseinrichtungen der Stadt Hilden
Vorlage
WP 20-25 SV 51/012
Aktenzeichen
III/51 - Fu
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung reicht dem Ausschuss aktuelle Informationen zum Sachstand der Auswirkungen des Bundes-Teilhabe-Gesetzes (BTHG) in den Kindertageseinrichtungen der Stadt Hilden zur Kenntnis.

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die Verwaltung hat den Ausschuss in seiner Sitzung vom 29.04.2020 über die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) auf Kindertageseinrichtungen informiert (WP 14 - 20 SV 51/304). Die Verwaltung wurde beauftragt, erneut eine Sachstandsmitteilung im nächsten JHA zu machen zu den Fragen:

 

1.         Welche Auswirkungen ergeben sich für heilpädagogische Kindertageseinrichtungen?

2.         Wie wirken sich Gruppengrößen auf die Inklusion aus?

3.         Wie kann eine gute Förderung der betroffenen Kinder gelingen?

4.         Wie können Eltern gut unterstützt werden?

5.         Werden die Auswirkungen für den Bereich der Schulen in den Blick genommen?

 

Zu 1.

Mit der Reform der sogenannten Eingliederungshilfen sollen laut Landschaftsverband Rheinland (LVR) die heilpädagogischen Leistungen in Regel-Kitas so ausgebaut werden, dass auch Kinder mit Behinderungen, die einen besonders hohen Förderbedarf haben, in kleinen Gruppensettings betreut werden können. Heilpädagogische Kitas sollen mittelfristig in Regel-Kitas umgewandelt werden, d.h. die besondere öffentliche Förderung für diese Kindertageseinrichtungen läuft aus. Als Zeitrahmen ist bekannt, dass bis 12/2021 Rahmenbedingungen dazu geschaffen und es eine Übergangszeit bis 12/2026 geben soll. Die Träger der Regel-Kitas sollen mittelfristig eigene z.B. heilpädagogische Fachkräfte vorhalten. Da die Basisleistung jedoch kindsbezogen befristet bewilligt wird (siehe Punkt 2), muss die Stadt Hilden perspektivisch diese Stellen dauerhaft schaffen und finanzieren, unabhängig von konkreten Fallzahlen. Ein übergreifender Einsatz dieser Fachkräfte wird kritisch betrachtet, da dies eine „programmhafte“ Förderung nach sich zieht, statt einer „alltagsintegrierten“ Förderung. Förderschwerpunkte sollen ausdrücklich nicht geschaffen werden.

 

Zu 2.,

Seit dem 01.08.2020 können Eltern für Kinder mit einer (drohenden) Behinderung in Kindertageseinrichtungen nur noch Anträge nach dem BTHG stellen,

 

1.         auf Basisleistung I     

und ggf.

2.         auf eine darüber hinaus notwendige Kita-Assistenz (durch eine Fachkraft oder eine Nicht-Fachkraft)

 

Für die Träger der Einrichtungen bedeutet dies, dass sie gehalten sind, einen Vertrag mit dem LVR über die Ausgestaltung der Basisleistung I in den einzelnen Einrichtungen zu schließen. Der Vertrag ist gültig für mindestens ein Kita-Jahr. Mittlerweile liegt auch ein Mustervertrag (siehe Anlage 1) vor. Soweit der Verwaltung bekannt, hat bisher noch kein Träger mit einer Kindertageseinrichtung in Hilden einen gültigen Vertrag abgeschlossen. Ein Termin zur Abstimmung des Mustervertrages für die städt. Kindertageseinrichtungen und dem LVR liegt noch nicht vor. Wie schon benannt, kann der Träger sich zwischen den beiden Modellen „Zusatzkraft“ oder „Gruppenstärkenabsenkung“ entscheiden. In der Realität ist das Modell „Gruppenstärkenabsenkung“ nur schwer/nur ab dem Folgejahr umzusetzen. Die Feststellung, ob ein Kind zum Personenkreis nach § 53 SGB XII zählt, wird in der Regel erst im laufenden Kita-Jahr getroffen. Zu diesem Zeitpunkt sind aber die Kindergartenbedarfsplanung und die Vergabe der Plätze bereits abgeschlossen.

 

Nach dem Mustervertrag des LVR ist es möglich, auf die Gruppenstärkenabsenkung unterjährig zu verzichten. Diese ist dann aber spätestens ab dem nächsten Kita-Jahr verpflichtend umzusetzen. Sofern die Gruppe bereits mit Überbelegungen betrieben wird, müssten im Folgejahr auch diese Plätze entfallen (gesamt dann drei Plätze für ein Kind mit Behinderung).

 

Die Bewilligung der Basisleistung I ist an das Kind gebunden und erfolgt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis maximal zur Einschulung. Daher birgt auch das Modell „Zusatzkraft“ die Hürde, das entsprechendes Personal gefunden werden muss. In der Praxis bedeutet dies, dass für ein Kind mit Basisleistung I insgesamt 19 Fachkraftstunden zusätzlich vorgehalten werden müssen.

Die Besetzung dieser zusätzlichen befristeten Stunden innerhalb des vorhandenen Personals der Einrichtung ist unrealistisch. Dies gilt auch für die Akquirierung von externem Personal auf dem Arbeitsmarkt. Da die BTHG-Leistung für Personal „zweckgebunden“ gewährt wird, dürfte sich aus Sicht des Fachamtes keine Stellenplanproblematik hinsichtlich der Besetzung der Fachkraftstunden ergeben.

Dennoch präferiert die Stadt Hilden aktuell das Modell „Zusatzkraft“. Die letztendliche Entscheidung obliegt jedoch den einzelnen Trägern. Diese werden seitens der Verwaltung vorab beraten, sofern diese Kenntnis von einem Antrag erlangt.

 

Nach Auskunft der betroffenen Träger zeigt sich auch hier die Tendenz für das Modell „Zusatzkraft“. Lediglich die Kindertageseinrichtungen der Freizeitgemeinschaft e.V. (Ellen Wiederhold, Karnaper Regenbogen und Nordlichter) mit insgesamt 53 Plätzen für Kinder mit Behinderung arbeiten bereits mit dem Modell „Gruppenstärkenabsenkung“. Dies begründet sich aus der Historie als Integrative Kindertageseinrichtungen mit einer generell

 reduzierten Belegung.

 

In der Stadt Hilden gibt es (Stand: 06.10.2020) 20 Kinder mit einer bewilligten Basisleistung I bei sechs Trägern. Die Zahl wird ab dem Kindergartenjahr 2021/2022 steigen, da zu diesem Zeitpunkt die freiwillige Leistung des Landschaftsverbandes „FINK - 6.000 € pro Kind“ ausläuft. Von diesen 20 Kindern haben 12 Kinder eine zusätzliche Bewilligung für eine über die Basisleistung I hinausgehende individuelle heilpädagogische Leistung - „Kita-Assistenz“/ face-to-face, die in der Regel keine Fachkräfte sind. Diese Bewilligungen werden in der Höhe der wöchentlichen Betreuungszeit in der Kita bewilligt, maximal 40 Wochenstunden.

 

Zu 3.,

Eine verlässliche personelle Ausstattung der Kindertageseinrichtungen stellt die Grundlage für eine kontinuierliche und verlässliche Betreuung der Kinder dar. Insbesondere mit Blick auf die noch ausstehenden konzeptionellen Anforderungen.

Beobachtungen und Dokumentationen sind Arbeitsgrundlagen für pädagogische Fachkräfte im Hinblick auf Begleitung und Unterstützung kindlicher Lern- und Entwicklungsprozesse.

Durch eine strukturierte Beobachtung und Dokumentation, z.B. durch BaSik-Bögen und Portfolio, ist es möglich, Bedarfe einzelner Kinder individuell zu erfassen, mit den Eltern zu besprechen und Handlungskonzepte /Förderpläne/ Förderziele zu entwickeln. So wird, trotz der oftmals fehlenden personellen Kapazitäten der über BTHG geförderten Fachkräfte versucht, jedem einzelnen Kind die ihm zustehende Förderung zukommen zu lassen. Besonders der Einsatz der sog. Kita-Assistenzen stellt in der Praxis zur Entlastung des Betreuungssettings eine große Hilfe dar. An dieser Stelle spielt die Qualität der Assistenzperson eine große Rolle (i.d.R. Nicht-Fachkraft s.o.).

 

Grundsätzlich muss jeder Träger zur Sicherung der Qualität und Wirksamkeit der Maßnahmen über ein Fachkonzept nach den Vorgaben des LVR  inkl. dessen regelmäßiger Fortschreibung als Bestandteil der Einrichtungskonzeption verfügen.

 

Eine solches Fachkonzept liegt für die städt. Kindertageseinrichtungen noch nicht vor. Aufgrund der fehlenden Personalressourcen trägerseits und in den Einrichtungen ist ein Termin nicht absehbar. Es ist davon auszugehen, dass auch die freien Träger sich noch in der Entwicklung eines solchen Fachkonzeptes befinden. Seit dem 20.10.2020 hat der LVR eine Handlungsempfehlung zur Erstellung eines inklusionspädagogischen Konzeptes „An Alle Denken – Empfehlung zur Erstellung einer Inklusionspädagogischen Konzeption“ zu Verfügung gestellt. Sofern die Konzeption nach den Vorgaben der Empfehlung erstellt wird, kann diese als Fachkonzept der heilpädagogischen Leistungen in Tageseinrichtungen für Kinder im Sinne des § 131 SGB IX anerkannt werden.

Aufgrund des Umfanges der Empfehlung verweist die Verwaltung auf den folgenden Link: https://www.lvr.de/media/wwwlvrde/jugend/kinderundfamilien/tageseinrichtungenfrkinder/dokumente_88/20_1797-Inhalt_An_alle_Denken-gesamt.pdf

 

Zu 4.

Die Verwaltung hat ein Antragsformular entwickelt, dass den Trägern und den Kindertageseinrichtungen zu Verfügung gestellt wird. Insbesondere um den Eltern die Antragsstellung zu erleichtern. Die Verwaltung steht weiterhin im engen Austausch mit den Trägern, damit evtl. Problemlage besprochen und in Richtung LVR thematisiert werden können. Aktuell führt das Fallmanagement des LVRs keine persönlichen Gespräche vor Ort oder mit den Eltern persönlich (nur im Einzelfall telefonisch) und entscheidet nach Aktenlage. Die frühzeitige Beteiligung des Trägers durch dessen Fachkräfte am Verfahren ist aus Sicht der Verwaltung wichtig, um eine umfassende passgenaue Bewilligung zu erhalten. Weiterhin wird im empfohlen, die Frühförderstelle des Kreises Mettmann einzubinden.

 

Zu 5.

Zur Gestaltung des Überganges von Kindertageseinrichtung in die Grundschule sind generell Eltern, Kita und Grundschule in einem engen Austausch - siehe auch „Auf in die Schule“.

Kinder mit besonderem Bedarf werden frühzeitig zur Schuleingangsuntersuchung eingeladen. In der Folge werden Kinder ggf. um ein Jahr von der Schulpflicht zurückgestellt. Zusätzlich kann die von der Stadt Hilden konzipierte „Übergangsbegleitung“ zum Einsatz kommen. Diese bietet bereits im letzten Kita - Jahr vor der Einschulung Beratung, Unterstützung und Begleitung für Eltern und vermittelt an die einschlägigen Fachstellen (siehe Anlage 2 - Flyer Übergangsbegleitung), soweit notwendig.

 

Das Verfahren nach BTHG endet mit dem Eintritt des Kindes in die Schule. Ab diesem Zeitpunkt wird ein neuer Antrag durch die Eltern notwendig. Mit Blick auf die Zuständigkeiten bezüglich der Beantragung, Gewährung und Kostenübernahme wird unterschieden zwischen

 

-           Kindern mit seelischen Behinderungen (§ 35a SGB VII): Das zuständige Amt für die Beantragung einer Eingliederungshilfe und der Kostenträger ist das Amt für Jugend, Schule und Sport der Stadt Hilden - Fachstelle ist im Allgemeinen Sozialen Dienst angesiedelt.

 

-           Kindern mit geistigen und körperlichen Behinderungen (§§ 53, 54 SGB XII): Das zuständige Amt für die Beantragung einer Eingliederungshilfe und der Kostenträger ist das Sozialamt - Bewilligungsbehörde Amt für Menschen mit Behinderung des Kreis Mettmann.

 

Je nach Bedarfslage des Kindes entscheidet die Schule in Abstimmung mit den Eltern über die Eröffnung eines Verfahrens zur Überprüfung eines sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs (AOSF-Verfahren) und berät noch einmal gezielt zur Wahl der Grundschule (z.B. eine Grundschule des gemeinsamen Lernens mit einem bestimmten Schwerpunkt). Es werden jeweils individuelle Lernziele entwickelt und Förderorte empfohlen.

 

 

gez.

Dr. Claus Pommer