Betreff
Kooperationsvereinbarung zur schulischen Krisenprävention, -intervention und -nachsorge im Kreis Mettmann
Vorlage
WP 14-20 SV 51/081
Aktenzeichen
III/51/to
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Schul- und Sportausschuss nimmt die Mitteilung zur Kooperationsvereinbarung zur schulischen Krisenprävention, -intervention und –nachsorge im Kreis Mettmann zur Kenntnis.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

Die Schuldezernentenkonferenz des Kreises Mettmann hat sich am 18. 6. 2015 mit dem Krisenmanagement an den Schulen im Kreisgebiet vor dem Hintergrund aktualisierter Empfehlungen des Landes NRW zum Schulpsychologischen Krisenmanagement befasst. Die Konferenz ist dabei übereingekommen, eine die ursprüngliche Vereinbarung zwischen Land NRW und Kreis Mettmann vom 28.12.2007 aktualisierende und konkretisierende Kooperationsvereinbarung zwischen Landesschulpsychologie am Schulamt und allen Psychologischen Beratungsstellen in den Kommunen des Kreises Mettmann zu beschließen. Die Stadt Hilden ist dieser Kooperationsvereinbarung am 25.6.2015 durch Unterschrift des Schuldezernenten beigetreten. Hintergründe und Inhalte sollen im Folgenden erläutert werden.

 

Aufbau des schulpsychologischen Unterstützungssystems zum schulischen Krisenmanagement im Land NRW

In der Folge einer etwa ab 1999 eingetretenen Häufung von Amokläufen an deutschen Schulen (u.a. Erfurt 2002, Emsdetten 2006) hatte das Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 die Erstauflage der als „Notfallordner für die Schulen in Nordrhein-Westfalen – Hinsehen und Handeln“ veröffentlichten Notfallpläne zum schulischen Krisenmanagement eingeführt. Weil die kommunal getragenen schulpsychologisch tätigen Beratungsstellen überwiegend in der einzelfallbezogenen Arbeit für die Schüler und Schülerinnen tätig waren (und bis heute sind), wurden durch entsprechende Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Land und den Kommunen / Kreisen flächendeckend Landesstellen der Schulpsychologie eingerichtet, die u.a. die Aufgabe erhielten, nachhaltige Entwicklungen des schulischen Krisenmanagements durch schulpsychologische Fortbildungsangebote und Angebote zur Begleitung von Schulentwicklung anzuregen, die aber auch hauptverantwortlich mit der direkten schulpsychologischen Unterstützung im Schulkrisenfall („Krisenintervention“) beauftragt wurden. Der Kreis Mettmann erhielt aus diesem Plan nach Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen Land NRW und Kreis am 28.12.2007 zwei Landesschulpsychologenstellen mit Dienstsitz am Schulamt Mettmann.

 

Landesweit wurde in der Folgezeit ein erstes flächendeckendes schulpsychologisches Kriseninterventionsnetz geschaffen. Darin waren – wie schon in den o.g. Notfallordnern vorgestellt – unterschiedliche Grade an Aktivierung überregionaler Kriseninterventionshilfe vorgesehen.

 

Krisensystematik nach Gefährdungsgraden

Notfälle nach Grad I sollten in Verantwortung der Schule bewältigbar sein (z.B. kleinere Schlägereien, Beleidigung von Lehrkräften, Sachbeschädigung, Selbstmordgedanken, Todesfälle im schulischen Umfeld). Bei diesen Fällen sollte schulpsychologische Hilfe nach Bedarf im Sinn von einzelfallbezogener Nachsorge mitgedacht werden, ein Arbeitsfeld, das in der Regel durch die bestehenden kommunalen Beratungsstellen abgedeckt werden kann.

 

Grad II fasste Notfälle in Verantwortung der Schule und der Polizei in Zusammenarbeit anderen außerschulischen Helfersystemen zusammen (z.B. Körperverletzung, Morddrohung, Amokdrohung, Mobbing, Waffenbesitz, sexuelle Übergriffe, Selbstmordankündigungen / -versuche, Extremismus). In diesen Fällen sollten in der Regel die in schulpsychologischer Krisenintervention spezialisiert vor Ort beauftragten Kräfte (im Kreis Mettmann die beiden Landesschulpsychologinnen) mitinformiert werden, um regionale schulpsychologische Hilfe mitzuorganisieren.

 

Unter Grad III waren nur die in unmittelbarer Verantwortung der Polizei stehenden Notfälle zu fassen, einerseits die eigentlichen Großschadenslagen (Amok, Geiselnahme etc.), andererseits Brandfälle und Suizide / Todesfälle innerhalb der Schule. Besonders bei den Großschadenslagen sollte eine landesweite schulpsychologische Krisenhilfe aktiviert werden, potentiell auch über die Landesgrenzen hinaus (wie realiter z.B. beim Amoklauf in Winnenden erfolgt).

 

Aktuelle Entwicklungen

Im Jahr 2014 hat das Land NRW die Struktur des schulpsychologischen Kriseninterventionsnetzes u.a. durch Einrichtung einer hauptamtlichen schulpsychologischen Kriseninterventions- und Koordinierungsstelle grundlegend erneuert. In diesem Kontext wurden im August 2014 auch neue „Empfehlungen zu Strukturen, Aufgaben und Verfahrensweisen des Schulpsychologischen Krisenmanagements in Schulen in Nordrhein-Westfalen“ gemeinsam vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, von den kommunalen Spitzenverbänden in NRW und der Unfallkasse NRW zur Vorbeugung, Intervention und Nachsorge bei krisenhaften Ereignissen an Schulen in NRW herausgegeben. Als nächster Schritt wurden ab 2014 die „Notfallordner für die Schulen in Nordrhein-Westfalen – Hinsehen und Handeln“  überarbeitet.  Inhaltlich werden darin die möglichen Ereigniskonstellationen erweitert, wozu wie bisher schon jeweils detailliert aufgeführt ist, wie Schulen in den jeweiligen Krisensituationen handeln sollten. Die neuen Netzwerkstrukturen werden erläutert, die beigefügten Arbeitsmaterialien (z.B. Dokumentationsbögen, Formulierungshilfen für Elternbriefe etc.) aktualisiert und im Besonderen die Empfehlung des Ministeriums zur Bildung von „Schulteams zu Gewaltprävention und Intervention“ wiederholt (vgl. auch erste Ankündigung in Schule NRW 02/15, S. 42-45). Zu allen diesen Aspekten stehen darüber hinaus die zur schulpsychologischen Krisenintervention beauftragten Kräfte, im Kreis Mettmann hauptverantwortlich die beiden Landesschulpsychologinnen, den Schulen für Beratung und Fortbildung zur Verfügung.

Die neuen Notfallordner werden bis zum Jahresende 2015 allen Schulen durch die Schulverwaltungsämter in Kooperation mit den Schulpsychologischen Beratungsstellen vorgestellt und übergeben (zentrale Informationsveranstaltung des Schulamts für Hilden, Haan, Monheim, Langenfeld am 4.11.2015).

 

Forderung nach interkommunaler Kooperation in der Schulpsychologie

Die o.g., bereits 2014 veröffentlichten Empfehlungen zum Schulpsychologischen Krisenmanagement widmen sich in einem eigenen Absatz der „Interkommunalen Kooperation“: Bei Krisen mittleren Ausmaßes (i.d.R. Grad II) wird darin explizit die Unterstützung der lokal mit der schulpsychologischen Krisenintervention beauftragten Kräfte (i.e. Landesschulpsychologinnen ergänzt durch kommunale schulpsychologische Fachkräfte) durch Fachkräfte aus Beratungsstellen von „benachbarten Kommunen“ aufgeführt (S.6 Empfehlungen). Die darüber hinaus reichende Unterstützungssuche über die Dezernentin bzw. den Dezernenten Krise mit dem Generale Krise in der Bezirksregierung oder dem Krisenbeauftragten im MSW soll erst dann eintreten, wenn „die personellen Ressourcen einer Stadt oder eines Kreises sowie einer benachbarten Kommune zur Schulpsychologischen Krisenbewältigung nicht ausreichen“.

Die bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen dem Land und den Kommunen / Kreisen, die zur Einrichtung der landesstellen der Schulpsychologie führten beinhalten dazu keine Ausführungsregeln. Gleichzeitig erscheint eine derartige interkommunale Kooperation fachlich durchaus geboten sei es aus Gründen ausreichend schneller Bereitstellung schulpsychologischer Hilfe auch im mittleren Krisenfall, sei es aus Gründen der im Kreiskontext langjährig entwickelten Abstimmung in wichtigen Fachpositionen zwischen den schulpsychologisch tätigen Beratungsstellen einschließlich der Landesschulpsychologinnen am Schulamt Mettmann.

 

Die Arbeit der Landesschulpsychologinnen wird von Beginn an im Rahmen regelmäßiger Einsatzmanagementbesprechungen von allen kommunalen Beratungsstellenleiter und –leiterinnen zusammen mit den schulpsychologischen Fachbeauftragten der Bezirksregierung wie der Schulaufsicht am Schulamt für den Kreis Mettmann begleitet. In diesen Einsatzmanagementbesprechungen und angegliederten Arbeitsgruppen wurden im Laufe der Jahre unterschiedliche aktuelle schulpsychologische Fragestellungen (Krisenintervention, Schulentwicklungsunterstützung Inklusion etc.) miteinander abgestimmt, wovon gleichermaßen die Landesschulpsychologie wie die kommunalen Beratungsstellen im Kreis Mettmann profitiert haben. In diesem Rahmen wurde – teilweise beraten auch durch die zuständige Dezernentin für Schulpsychologie bei der Bezirksregierung Düsseldorf – die im Juni 2015 der Schuldezernentenkonferenz vorgelegte Kooperationsvereinbarung nach eingehenden Fachdiskussionen entworfen.

 

Grundzüge der neuen Kooperationsvereinbarung zur schulpsychologischen Krisenunterstützung im Kreis Mettmann

„Die Schulen des Landes Nordrhein-Westfalens sind verantwortlich für die Gestaltung des schulischen Alltags und der ihm zugehörigen Aufgabenfelder, … (mithin auch) die Prävention von, die Intervention bei und die Nachbereitung von schulischen Krisen und Großschadenslagen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe erhält die Schule Unterstützung durch die Schulpsychologie des Landes Nordrhein-Westfalen, sowie durch die jeweils kooperierenden Psychologischen Beratungsstellen der Kommunen“ (S.2 Kooperationsvereinbarung).

 

Die Schulen sind seitens des MSW gehalten, schulinterne Krisenteams in Verantwortung der Schulleitung im Sinn kontinuierlicher präventiver Arbeit und für die Vorbereitung auf Krisensituationen mit schulweiten Auswirkungen einzurichten. Schulpsychologie unterstützt Schulen beim Aufbau dieser Teams, hauptverantwortlich dafür, wie allgemein für Unterstützung in krisenpräventiven Maßnahmen sind im Kreis Mettmann die Landesschulpsychologinnen am Schulamt Mettmann (S.3 Kooperationsvereinbarung).

 

Krisenintervention durch „Beratung der Schulleitung, des schulinternen Krisenteams sowie weiterer Lehrkräfte und pädagogischer Fachkräfte der Schule im Sinne einer bestmöglichen Bewältigung der Krisensituation“ leisten ebenfalls die Landesschulpsychologinnen nach Beauftragung durch die Schulleitung, ggf. in Abstimmung mit der zuständigen Schulaufsicht. Die kommunalen Psychologischen Dienste werden von der Landesschulpsychologie im Sinne der o.g. „interkommunalen Zusammenarbeit“ und Ressourcenbündelung hinzugezogen. Weil davon alle Kommunen des Kreises im Krisenfall profitieren können „ist (diese Zusammenarbeit) von den kommunalen Trägern ausdrücklich erwünscht“ (S.3 Kooperationsvereinbarung).

 

Ausschließlich der Bereich der Krisennachsorge, bei Bedarf längerfristige beraterische Unterstützung bis hin zur Vermittlung therapeutischer Hilfsmöglichkeiten wird hauptverantwortlich von den jeweiligen kommunalen Beratungsstellen versorgt (S.4 Kooperationsvereinbarung).

 

Konkrete Vereinbarungen

1.    Die kommunal schulpsychologisch tätigen Beratungsstellen und die Landesschulpsychologie informieren sich wechselseitig über aktuelle Krisenfälle. Planung und Durchführung von Unterstützungsangeboten erfolgen in gemeinsamer Absprache.

2.    Die kommunalen Psychologischen Beratungsstellen unterstützen sich kreisweit über die Grenzen der eigenen Kommune hinaus, wenn im Einzelfall einer umfassenderen Krise die Unterstützungsangebote einer einzelnen kommunalen Beratungsstelle nicht ausreichen. Um einer ausreichend schnellen Reaktionsfähigkeit willen, verbleibt die „Entscheidung über den Umfang und die Bereitstellung möglicher Ressourcen in der Entscheidungshoheit der Leitung der jeweils Hilfe anbietenden Psychologischen Beratungsstelle“ (S.4 Kooperationsvereinbarung).

3.    Hauptverantwortlich für die bei überregionalen Krisenfällen (Großschadenslagen etc.) notwendige Schnittstelle zu den Krisenbeauftragten auf Landesebene ist die Landesschulpsychologie nach Absprache mit den kommunalen Psychologischen Beratungsstellen.

4.    Der Kreis Mettmann und die Kommunen des Kreises Mettmann sichern die krisenbezogenen schulpsychologischen Kooperationsstrukturen zwischen Landesschulpsychologie und kommunalen psychologischen Beratungsstellen durch anteilige Finanzierung von gemeinsamen Weiterbildungen und Strategietreffen für alle beteiligten Fachkräfte. Ebenso werden Dienstreisegenehmigung und Versicherungsschutz für krisenbezogene Einsätze außerhalb der eigenen Kommune generell gewährt (S.5 Kooperationsvereinbarung)

 

Schlussbemerkung

Mit der getroffenen Kooperationsvereinbarung sichern die Kommunen des Kreises Mettmann fachlich auf der Basis der Landesempfehlungen zur Krisenprävention, -intervention und –nachsorge gebotene Qualifikationsmaßnahmen und Kooperationsstrukturen zur schulpsychologischen Unterstützung des Krisenmanagements in allen Schulen im Kreisgebiet. Darüber einen kreisweiten Konsens gefunden zu haben, kann als beispielhafter Schritt bewertet werden.