Betreff
Unbegleitete Minderjährige Ausländer - Sachstand zur veränderten Zuständigkeit
Vorlage
WP 14-20 SV 51/074
Aktenzeichen
III/51
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Am 25. September 2015 haben Bundestag und Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher beraten (BT-Drs. 16/5921; BR-Drs. 349/15; 349/1/15).

Das Gesetz wurde am 15.10. in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren verabschiedet und trat bereits am 1. November 2015 in Kraft. Den Ländern sollte ursprünglich eine Übergangszeit zur Umsetzung der Regelungen bis zum 1. Januar 2016 gegeben werden. Kurzfristig wurde dies ausgesetzt, so dass das Gesetz in NRW ebenfalls bereits zum 1. November in Kraft trat.

In Umsetzung dieser bundesrechtlichen Regelung hat das Landeskabinett am 03.11.2015 nun landesgesetzliche Regelungen verabschiedet. Im Einzelnen soll festgelegt werden, wie das Bundesgesetz auf Landesebene nachvollzogen und die regionale Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in NRW geregelt werden wird.

 

Das Gesetz führt dazu, dass auch das Hildener Amt für Jugend, Schule und Sport, die Zuständigkeit für Unbegleitete Minderjährige Ausländer (UMA) haben wird.

 

 

Eckdaten:

In 2014 reisten laut Destatis 14.400 UMA in die Bundesrepublik ein. Im laufenden Jahr sind bereits 7.400 UMA allein in NRW eingereist.

Vornehmlich stammen diese Kinder und Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien, Irak und Schwarzafrika. Der weit überwiegende Teil ist 16 Jahre oder älter. 24% sind 14-15 Jahre, 6% sind unter 14 Jahre. 90% der UMA sind männlich. Erste Stimmen berichten jedoch, dass zunehmend auch Mädchen und Kinder unter den UMA sind.

Die Asylanerkennungsquote liegt in 2015 bei ca. 60%.

 

Bis Ende Oktober waren die Kommunen für die UMA verantwortlich, in denen die Kinder oder Jugendlichen erstmals aufgegriffen werden bzw. sich selbst melden. Dies sind vornehmlich Großstädte und Städte im grenznahen Bereich. Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren betonen diese Kommunen, dass das bisherige Verfahren zu überdurchschnittlichen Belastungen führe. Im Zuge der deutlichen Fallzahlsteigerung hat der Gesetzgeber das o.a. Gesetz auf den Weg gebracht.

Zahlreiche Fachverbände hatten sich im Gegenzug zur flächendeckenden Verteilung für Kompetenzzentren in erfahrenen Städten ausgesprochen. Diesen Empfehlungen ist der Gesetzgeber nicht gefolgt.

 

In Hilden wurden in den vergangenen Jahren ca. 3 UMA insgesamt betreut.

 

Die Verteilung soll nunmehr in Anlehnung an den Königsteiner Schlüssel erfolgen und ist abhängig von der Anzahl der neu einreisenden UMA. Derzeit ist die Planung des Bundes wie folgt:

  • bei 5.000 neu einreisenden UMA: 1 UMA auf 3.500 Einwohner     à 16 für Hilden
  • bei 7.500 neu einreisenden UMA: 1 UMA auf 2.350 Einwohner     à 23 für Hilden
  • bei 10.000 neu einreisenden UMA: 1 UMA auf 1.750 Einwohne    à 31 für Hilden

 

Das Landesjugendamt brachte jedoch auch bereits einen Schlüssel von 1:1.500 ins Gespräch. Dies würde für Hilden die Aufnahme von ca. 37 UMA bedeuten.

Aktuell plant die Verwaltung mit einem Schlüssel von 1:1.750.

 

 

Verfahren aufgrund der Gesetzesänderung:

 

Das Gesetz regelt eine bundesweite Aufnahmepflicht der Länder, die sich an Kindeswohlgesichtspunkten orientiert. Die gesetzlichen Neuregelungen sehen vor, dass das Jugendamt, das die unbegleitete Einreise eines ausländischen Minderjährigen feststellt, diesen zunächst vorläufig in Obhut nehmen muss (§ 42a) und ein sogenanntes Erstscreening durchführt. Dann meldet das Jugendamt den UMA dem Landesjugendamt. Dieses gibt die Meldung an das Bundesverwaltungsamt weiter, welches das aufnahmeverpflichtete Bundesland bestimmt. Die zuständige Landesverteilstelle, in Nordrhein-Westfalen das Landesjugendamt Rheinland, weist den Minderjährigen anschließend einem Jugendamt zu. Das beschriebene Verfahren soll innerhalb von 14 Tagen durchgeführt werden.

Das nun zuständige Jugendamt muss den Minderjährigen auf Grundlage des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut nehmen. Es ist zuständig für:

  1. Das Clearing
  2. Die Anrufung des Gerichtes zur Bestellung eines Vormundes
  3. Die Anschlussperspektive: In der Regel Zusammenführung mit Erziehungsberechtigten in der BRD oder EU oder Überleitung in eine Maßnahme der Hilfen zur Erziehung z.B. Wohngruppen, Heimunterbringung, betreutes Wohnen etc.

 

Das nachfolgende Schaubild soll das nun gültige Procedere verdeutlichen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Darüber hinaus sieht das Gesetz Änderungen im Bereich des Kostenerstattungsverfahrens vor.

Ferner stellt es klar, dass ausländische Kinder und Jugendliche Zugang zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe haben.

Im Gesetz wird auch das Mindestalter zur Begründung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren von 16 auf 18 angehoben. Dadurch werden auch 16- und 17-Jährige in dem komplexen Asylverfahren von einem gesetzlichen Vertreter begleitet und nicht länger wie Erwachsene behandelt. Die Bundesregierung setzt damit eine jahrelange Forderung zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention um.

 

Der Bund stellt den Ländern und Kommunen 350 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zur Verfügung. Im Haushalt wurde zunächst für die erwartete Zuweisung in 2016 mit einer Summe von 1,99 Millionen im Aufwand und Ertrag kalkuliert. Dies entspricht rein rechnerisch 32 Fällen. Ob die Kostenerstattung tatsächlich bedarfsdeckend ist, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.

 

Umsetzung in Hilden

 

Zur Umsetzung dieses anspruchsvollen Auftrages greift das Amt für Jugend, Schule und Sport auf bewährte Strukturen und Kooperationen mit freien Trägern zurück.

Folgendes sieht die Planung derzeit vor:

 

  1. Inobhutnahme gem. § 42a SGB VIII im Rahmen des Erstaufgriffs erfolgt in Kooperation der Besonderen Sozialen Dienste des Amtes für Soziales und Integration und spezialisierter Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Amtes für Jugend, Schule und Sport.  

Mädchen und Kinder unter ca. 15 Jahren sollen in der Pädagogischen Ambulanz der ev. Jugend- und Familienhilfe aufgenommen werden. Hier besteht ein seit Jahren bewährter Kontrakt, der die Inobhutnahme regelt.

Männliche Jugendliche können z.Zt. zeitnah in einer Unterkunft (Wohnung) des Amtes für Soziales und Integration untergebracht werden. In Abhängigkeit von Anzahl und Zusammensetzung der Gruppe ist auch die Unterbringung in der NU Albert-Schweitzer-Schule möglich, sofern hier ein gesonderter Raum zur Verfügung gestellt wird.

Die Betreuung der UMA während dieser Zeit erfolgt, in Abhängigkeit vom Unterbringungsort, primär durch die SPE Mühle e.V. und das Diakonische Werk (Wohnung). Städtischerseits sind Sozialarbeiter des Amtes für Soziales und Integration sowie des ASD involviert (NU).  

è Zwischenfazit: hier sind derzeit keine größeren Problemlagen zu erwarten, so lange nicht größere Gruppen zu einem Zeitpunkt auftauchen. Dies erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, da Hilden auch in der Vergangenheit kein attraktiver Anlaufpunkt für die Zielgruppe war. Allerdings könnten sich auch innerhalb der Zuweisung in die NU durch die Bezirksregierung Arnsberg Minderjährige befinden.

Zudem wird das beschriebene Szenario auch bei den von der Landesstelle zugewiesenen Jugendlichen zunächst greifen müssen, da nicht immer unmittelbar ein Clearingplatz zur Verfügung stehen wird.

Perspektivisch wird nach Wohnraum gesucht, der durch das Amt für Jugend, Schule und Sport dauerhaft für die Zielgruppe UMA genutzt werden kann. Hier könnten dann sowohl Plätze im Vorfeld des Clearings vorgehalten werden, als auch ambulantes Clearing durchgeführt oder nachgehende HzE ermöglicht werden. 

 

 

  1. Aufnahme von zugewiesenen Jugendlichen

a)    Teilbereich Clearing:

Derzeit ist hier eine interkommunale Zusammenarbeit mit den Städten Monheim und Langenfeld angedacht. Die ev. Jugend- und Familienhilfe Kaarst soll für die benannten Kommunen ein Clearinghaus mit ca. 10 Plätzen schaffen. Der Betrieb ist ab Januar 2016 geplant. Die Realisierung dieses Zeitfensters ist jedoch ganz maßgeblich von der Anmietung einer geeigneten Immobilie abhängig.

Für die Zeit bis zur Einrichtung des Clearinghauses soll überwiegend auf ambulante Clearings zurückgegriffen werden.

Das Clearing ist auf ca. 3 Monate angelegt. Erfahrungen aus anderen Kommunen belegen, dass dies ein realistisches Zeitfenster ist.

è Zwischenfazit: Ob die Anzahl der neu zu schaffenden Plätze ausreichend ist, kann derzeit nicht prognostiziert werden. Unterstellt man einen über das Jahr gleichmäßig verteilten Zustrom an zugewiesenen unbegleiteten minderjährigen Ausländern, könnte dies auskömmlich sein. Vermutlich werden aber weitere Plätze benötigt, die bei Trägern im Umland extern eingekauft werden müssen. Hier werden derzeit die Angebote sondiert und Trägergespräche geführt. Ziel ist es, eine Reihe von stationären und ambulanten Clearingoptionen im Portfolio zu haben.

 

b)    Teilbereich: Vormundschaften

Die Vormundschaften sollen im Kern vom SKFM Hilden und dem Diakonischen Werk Hilden übernommen werden. Diese Träger sind bereits seit Jahren auf dem Gebiet der Vormundschaften aktiv und mit der Stadt diesbezüglich kontraktiert.

Derzeit qualifizieren sich die Träger entsprechend, hinsichtlich der spezifischen ausländerrechtlichen Fragestellungen. Zudem loten die Träger aus, wie die Einbindung von Ehrenamtlichen erfolgen kann. Diesbezüglich kann auf Erfahrungswerte der Dachorganisationen u.a. aus Wuppertal und Aachen zurückgegriffen werden. Hier scheint ein Patenmodell angezeigt, dass als Ergänzung zur professionellen Vormundschaft fungieren soll.  

è Einschätzung: Die Vormundschaften werden von den lokalen Wohlfahrtsverbänden übernommen. Hier ergibt sich derzeit kein weiterer Handlungsbedarf.

 

c)    Überleitung in Hilfe zur Erziehung (HzE)

Die Kinder und Jugendliche, die nicht ihren Sorgeberechtigten im In- oder Ausland zugeführt werden können, müssen in Hilfen zur Erziehung übergeleitet werden. Dies können in der Regel Heimeinrichtungen, Wohngruppen, betreutes Wohnen oder Pflegeeltern sein.

Diesbezüglich hat es u.a. Gespräche mit der SPE Mühle e.V. und dem Diakonischen Werk gegeben. Diese in Hilden ansässigen Träger verstehen sich als Verantwortungsgemeinschaft und möchten gerne einen aktiven Beitrag zur Versorgung der UMA leisten.

Darüber hinaus wurde noch mit einer Reihe von weiteren Trägern, mit denen z.T. langjährige Kooperationen bestehen, erörtert, welche Maßnahmen von diesen offeriert werden können.

Geplant ist auch die Suche nach geeigneten Pflegestellen bzw. Gastfamilien. Diese sollen dann qualifiziert begleitet und betreut werden. 

è Einschätzung: Die Unterbringung der UMA in geeignete Anschlussmaßnahmen stellt derzeit die größte Herausforderung dar. Die Nachfrage in den Kommunen übersteigt deutlich das Angebot. Es mangelt an Plätzen in Einrichtungen, an Wohnraum, an Fachpersonal. Dies führt u.a. dazu, dass die Entgelte für die Unterbringung z.T. überproportional steigen, was eine Kostensteigerung im gesamten Feld der Hilfen zur Erziehung befürchten lässt.

Hier muss derzeit damit gerechnet werden, dass die angedachte Refinanzierung des Bundes nicht auskömmlich sein wird und somit ein höherer Aufwand im städtischen Haushalt entsteht.

 

Durch die zusätzlichen Fälle entsteht auch innerhalb der Jugendamtsverwaltung ein erhöhter Personalmehrbedarf im Bereich Allgemeiner Sozialer Dienst und Wirtschaftliche Jugendhilfe.

Der aktuelle Referentenentwurf sieht hierfür eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 3.100 Euro/Jahr vor, welche sich nach der Zahl der Fallzuständigkeiten der Jugendämter zu definierten Stichtagen bemisst. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Verwaltung einen Beschlussvorschlag zur Realisierung des Personalbedarfs im Februar 2016 dem Fachausschuss vorzulegen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird dann zum einen das Landesausführungsgesetzt beschlossen sein, so das Gewissheit bezüglich der Refinanzierung besteht, zum anderen werden dann erste Erfahrungswerte zu den tatsächlichen Mehraufwänden vorliegen. Der Personalmehrbedarf würde über befristete Arbeitsverhältnisse realisiert werden.   

 

Im Ergebnis stellt die Gesetzesänderung eine Herausforderung für das Amt für Jugend, Schule und Sport dar. Eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten lassen keine lückenlose Planung im Vorfeld zu. Einige Aspekte werden sich erst im Verlauf der tatsächlichen Zuweisung konkretisieren.

Den humanitären und gesellschaftlichen Auftrag uns um diese besonders schutzbedürftige Klientel zu kümmern nehmen wir selbstverständlich mit hohem Engagement an und gedenken ihn gut zu erfüllen.

 

gez.

Birgit Alkenings 


Finanzielle Auswirkungen  

 

Finanzielle Auswirkungen (ja/nein)

Ja

Produktnummer / -bezeichnung

 

 

Investitions-Nr./ -bezeichnung:

 

 

Pflichtaufgabe oder

freiwillige Leistung/Maßnahme

Pflicht-

aufgabe

X

(hier ankreuzen)

freiwillige

Leistung

 

(hier ankreuzen)

 

 

Folgende Mittel sind im Ergebnis- / Finanzplan veranschlagt:

(Ertrag und Aufwand im Ergebnishaushalt / Einzahlungen und Auszahlungen bei Investitionen)

Haushaltsjahr

Kostenträger/ Investitions-Nr.

Konto

Bezeichnung

Betrag €

2016ff

0606010220 UMA i.v.A

533500

Leistungen der JH i.E.

992.800 €

 

0603010230 UMA a.v.E.

533400

Leistungen der JH a.E.

992.800 €

2016ff

0606010220 UMA i.v.E und

 

448100

Erstattungen vom Land

992.800 €

 

 

0606010230 UMA a.v.E

448100

Erstattungen vom Land

992.800 €

 

 

 

 

 

 

Aus der Sitzungsvorlage ergeben sich folgende neue Ansätze:

(Ertrag und Aufwand im Ergebnishaushalt / Einzahlungen und Auszahlungen bei Investitionen)

Haushaltsjahr

Kostenträger/ Investitions-Nr.

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei über-/außerplanmäßigem Aufwand oder investiver Auszahlung ist die Deckung  gewährleistet durch:

Haushaltsjahr

Kostenträger/ Investitions-Nr.

Konto

Bezeichnung

Betrag €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stehen Mittel aus entsprechenden Programmen des Landes, Bundes oder der EU zur Verfügung? (ja/nein)

ja

X

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Freiwillige wiederkehrende Maßnahmen sind auf drei Jahre befristet.

Die Befristung endet am: (Monat/Jahr)

 

 

Wurde die Zuschussgewährung Dritter durch den Antragsteller geprüft – siehe SV?

ja

X

(hier ankreuzen)

nein

 

(hier ankreuzen)

Finanzierung/Vermerk Kämmerer

Gesehen Klausgrete

 

 

 


Personelle Auswirkungen Noch nicht zu übersehen 

Im Stellenplan enthalten:

 

 

 

Planstelle(n):

 

Im Stellenplan 2016 sind keine zusätzlichen Stellen für diesen Aufgabenbereich enthalten.

 

Vermerk Personaldezernent

 

Gesehen Danscheidt