Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt das Konzept zur Alkoholprävention zur Kenntnis.
Erläuterungen und Begründungen:
Einleitung
Das Freizeitverhalten von Jugendlichen hat sich in den letzten zwei
Jahrzehnten deutlich verändert. Neben der intensiven Nutzung medialer, mobiler
Angebote, ist der Konsum von Rauschmitteln und die Art und Weise, wie diese
genutzt werden, anders als vor 10 Jahren. In der Öffentlichkeit wird i.d.R.
wahrgenommen, dass Jugendliche und Heranwachsende in der Öffentlichkeit „Party machen“
und sich dabei mit verschiedenen Modegetränken betrinken.
Der Markt hat durch das Angebot von billigen hochprozentigen
alkoholischen Getränken dazu beigetragen, dass diese Art von Getränken immer
und jederzeit verfügbar ist. Um den Effekten dieser Entwicklung zu begegnen und
den sinnvollen Umgang mit Alkohol zu fördern, werden verschiedenste Maßnahmen
im Folgenden vorgestellt, die aus der Sicht des Erzieherischen Kinder- und
Jugendschutzes dazu geeignet sind, sowohl im präventiven, begleitenden, als
auch reaktivem Bereich durchgeführt zu werden. Hierzu müssen
gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge mit beleuchtet werden, da die selektive
Betrachtung, nur auf die Zielgruppe Jugendliche, dazu nicht ausreicht.
Bei der Entwicklung von alkoholpräventiven Strategien in Deutschland,
müssen
folgende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden:
·
Alkohol
ist eine in Deutschland gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Droge
mit psychoaktiven Wirkungen. Die Wirkungen
auf die Emotionalität sind
vielfältig (u.a. Entspannung, Lockerheit bis
zur Enthemmung), und ihr Charakter
variiert in Abhängigkeit von der jeweiligen
Dosis. Dieser Effekt wird von
Jugendlichen in der Entwicklungsphase der
Pubertät sehr geschätzt (Möglichkeit,
aus sich herauszugehen, Kontaktängste zu
überwinden/überspielen, gemeinschaftlich in Stimmung zu kommen usw.).
·
Alkoholprävention
kann vor diesem Hintergrund von Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, rasch
als „Spaß verderben“ erlebt werden.
·
Der
Konsum von alkoholischen Getränken ist bei Erwachsenen innerhalb und
außerhalb der Familie fester Bestandteil der
Geselligkeit und des Freizeitverhaltens. Es gibt in der Erwachsenenwelt
traditionell viele Trinkanlässe, die Kindern und Jugendlichen unreflektiert vorgelebt
werden.
·
Die
mediale Werbung setzt mit hoher Impulsdichte positive Assoziationen
mit dem Konsum von Alkohol:
- sich belohnen mit Alkohol
(Entspannung/Genuss/Geselligkeit) nach anstrengender Freizeitaktivität oder
Arbeit,
-
Wir-Gefühl
in einer angesagten Gruppe
-
Lässigkeit,
Souveränität, Fröhlichkeit, Spritzigkeit
-
wer
das Richtige trinkt, ist nicht einsam, gehört dazu,
-
mit
Alkohol kann man gut flirten, Mann/Frau ist attraktiv.
·
Alkohol
ist in Deutschland täglich nahezu rund um die Uhr im Einzelhandel, an
Tankstellen und in Gaststätten zugänglich.
(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention vor
Ort“ 2005/2006, S.24)
1. Alkoholkonsum in Deutschland
Dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung zufolge,
werden in Deutschland pro Jahr pro Kopf durchschnittlich 9,6 Liter reiner
Alkohol konsumiert (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2013), was z.B.
etwa 200 Litern Bier entspricht (Köppert 2011: 35).
Wenngleich die Tendenz gegenüber den Vorjahren leicht
rückläufig ist, liegt Deutschland damit im internationalen Vergleich
unverändert im oberen Drittel. Die Zahl der erwachsenen Alkoholabhängigen
beläuft sich schätzungsweise auf 1,6 Mio. Einwohner und entspricht einem Anteil
von 2,4 Prozent der erwachsenen Gesamtbevölkerung (RKI/BZgA 2008, zitiert nach RKI
2012: 140).
Der Missbrauch von Alkohol fördert die Entwicklung
zahlreicher Krankheiten. So werden unterschiedliche Leiden, wie Leberzirrhose,
Herzmuskelerkrankungen, Schädigungen des Gehirns und des peripheren
Nervensystems, sowie Entzündungen und zahlreiche Krebserkrankungen durch
missbräuchlichen Alkoholkonsum begünstigt (RKI/BZgA 2008: 140). Jedes Jahr
sterben in Deutschland über 73.000 Menschen an den Folgen ihres
Alkoholmissbrauchs (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2012: 18)
(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention im
öffentlichen Raum“ 2012/2013, S. 9)
2. Alkoholkonsum
junger Menschen
Alkohol ist der bei Kindern und Jugendlichen am weitesten
verbreitete Suchtstoff, obwohl viele von ihnen nach dem Jugendschutzgesetz noch
gar keinen Alkohol trinken dürften.
Das durchschnittliche Alter beim ersten Alkoholkonsum lag im
Jahr 2011 bei 14,5 Jahren; die erste Rauscherfahrung wurde im Mittel mit 15,9 Jahren
gemacht (BZgA 2012: 32 f.). Als Motive für Alkoholkonsum werden unter anderem
die hohe gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol und ein modernes Spaß- und
Partyverständnis, gerade bei jungen Menschen, ausgemacht (Köppert 2011: 42 f.).
Nicht wenige Jugendliche trinken Alkohol in einer Intensität
oder Häufigkeit, die gesundheitsriskant bis -schädigend ist. Die Ergebnisse
verschiedener Untersuchungen zeigen, dass vor allem Suchtbelastungen in
Familien zu einer erheblichen Suchtgefährdung der betroffenen Kinder und
Jugendlichen führen (vgl. Difu 2011: 15; Jordan/Ruths 2009; Klein 2008: 115;
2005; 2001).
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
untersucht den Alkoholkonsum junger Menschen in Deutschland bereits seit den
1970er-Jahren mittels regelmäßiger bundesweiter Repräsentativbefragungen. Für
die Drogenaffinitätsstudie des Jahres 2011 wurden 5.001 Jugendliche und junge
Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt. Dabei wurden u.a. folgende
Ergebnisse erzielt:
|
12 – 17 jährige |
18 – 25 jährige |
||
2004 |
2011 |
2004 |
2011 |
|
regelmäßiger Konsum (wöchentlich) |
17,9 % |
14,2 % |
39,8 % |
39,8 % |
Rauschtrinken (1 x im Monat > 5 Gläser
Alkohol) |
22,6 % |
15,2 % |
43,5 % |
41,9 % |
häufiges Rauschtrinken (4 x und mehr im Monat) |
6,6 % |
3,7 % |
14,0 % |
12,9 % |
BZgA, Drogenaffinitätsstudie 2011
Der Alkoholkonsum der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17
Jahren ist rückläufig, trotz allem bleibt der Befund Besorgnis erregend. Wesentliche Gründe für diese Entwicklung
sind der gestiegene Preis für Spirituosenmixgetränke durch die Einführung der
Alkopopsteuer und ein besseres Wissen über die gesundheitlichen Gefahren.
Bei allen hier beschriebenen Konsumindikatoren, ist der
Alkoholkonsum bei männlichen höher als bei weiblichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Anders, als Geschlecht und Alter, haben Bildung und soziale Unterschiede
hingegen keinen Einfluss auf das Rauschtrinken. Eine Ausnahme bildet jedoch das
häufige Rauschtrinken. Dies ist bei Realschülern verbreiteter als bei
Gymnasiasten.
(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention im öffentlichen Raum“ 2012/2013,
S. 10+11)
3.
Situationsanalyse Hilden
Mit der Suchthilfe des Mühle e.V., einem aktiven Jugendschutz, sowie
Stellenanteile für die Präventionsarbeit und einer eigenen Stelle für
Aufsuchende Jugendarbeit, verfügt Hilden über ein überdurchschnittlich gutes
Netzwerk, das bereits unterschiedliche Angebote und Präventionsprojekte, wie
z.B. eine Anti-Drogen-Disco, durchführt.
3.1
Akteure der Alkoholprävention in Hilden
Ein umfängliches Konzept für Hilden beinhaltet die interdisziplinäre Vernetzung
und Zusammenarbeit verschiedener Fachämter, staatlicher Instanzen und Träger.
Dieses geschieht bereits mit dem Netzwerk des erzieherischen Kinder- und
Jugendschutzes in Zusammenarbeit mit der Suchthilfe der SPE Mühle, der Polizei,
allen Schulen sowie der Präventionsstelle der psychologischen Beratungsstelle
sowie dem Ordnungsamt. Bei Bedarf soll der Kreis in Zukunft folgende Akteure
umfassen.
Verwaltungsintern |
Verwaltungsextern |
Amt für Jugend Schule und Sport |
Schulen |
Ordnungsamt |
Suchthilfe des Mühle e.V. |
|
Einrichtungen der Jugendarbeit |
|
Sportvereine |
|
Kirchen |
|
Fahrschulen |
|
Kreisgesundheitsamt |
|
Krankenkassen |
|
Krankenhäuser |
|
Ärzte |
|
Selbsthilfegruppen |
|
Lokale Medien |
|
Einzelhandel |
|
Gaststätten |
|
Gewerbeaufsicht |
|
Polizei |
|
Politische Vertretungskörperschaft |
Die verschiedenen Fachdisziplinen arbeiten
übergreifend auf der Grundlage von schriftlichen Vereinbarungen zusammen und
bauen unterschiedliche Netzwerke auf.
3.2 Konzept zum Umgang mit Alkoholkonsum bei
Jugendlichen
Die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch gelingt nicht allein durch
grundsätzliche Verbote. Gefordert ist eher eine verstärkte Präventionsarbeit,
die durch eine Kombination von verhaltens- und verhältnispräventiver Maßnahmen
und Strategien, sowie regelmäßigen, effektiven Kontrollen und Maßnahmen nach
Missbrauch flankiert wird. Folgende Angebote und Maßnahmen sind schon in der
Umsetzung oder sind geplant. Die nicht unterlegten Angebote sind in der Umsetzung,
die unterlegten Maßnahmen sind in Vorbereitung/Planung.
3.2.1 Prävention
Zielgruppe |
Maßnahme |
Zielsetzung |
Zuständigkeit |
Klassen 4,5,6 |
Kurse |
Stärkung des Selbstbewusstseins Sensibilisierung für den eigenen Körper Anhebung der Frustrationstoleranz Abgrenzungsfähigkeit Gruppenverantwortung |
Erz. Kinder- und Jugendschutz Suchthilfe Projektanbieter |
Klasse 7 + 8 |
Informationsver- anstaltungen in Begleitung mit jungen
Erwachsenen mit Suchterfahrung |
Sensibilisierung für Gewohnheiten und
Verhaltensweisen im Umgang mit erlaubten und nicht erlaubten Suchtmitteln |
Suchthilfe |
Jugendliche ab 12 Jahren |
Info- und Hilfeflyer |
Hilfemöglichkeiten und Anlaufstellen
bekannt machen |
AJA |
Eltern der Jahrgänge 5+6 |
Elternbrief + Infoveranstaltungen |
Sensibilisierung und Information über
Jugendschutzbestimmungen |
Präventionsstelle Erz. Kinder- und Jugendschutz Schulpersonal |
Gastronomie und Verkaufsstellen |
Positivkampagne mit Flyern und Plakaten Zertifizierungen |
Einhaltung des Kinder- und Jugendschutzes |
Erz. Kinder- und Jugendschutz Vereine Stadtmarketing |
Gesellschaft |
Unterdrückung intensiver Alkoholwerbung im
öffentlichen Raum vor Veranstaltungen und Brauchtum |
|
Erz. Kinder- und Jugendschutz Ordnungsamt Verwaltungsspitze Stadtrat |
3.2.2 Begleitende
Maßnahmen
Zielgruppe |
Maßnahmen |
Zielsetzung |
Zuständigkeit |
Schüler |
regelmäßiges Beratungsangebot an Schulen |
niederschwellige Erreichbarkeit |
Suchthilfe Schulsozialarbeit |
Jugendliche im öffentlichen Raum |
mobiles Beratungsangebot |
niederschwellige Erreichbarkeit |
AJA Suchthilfe |
Lehrer |
Multiplikatoren-schulung |
Früherkennung von Symptomen nach Gebrauch
von Suchtmitteln |
Suchthilfe Pädagogisches Zentrum |
Besucher von Brauchtum und Feierlichkeiten |
Benennung und Schulung von gleichaltrigen
Ansprechpartnern (Peers) |
direkter und niederschwelliger Kontakt bei
Großveranstaltungen |
Organisatoren der jeweiligen Aktivitäten |
Verkaufspersonal und Vereine |
Schulungsangebote |
Sensibilisierung Fundiertes Wissen und sichere Umsetzung
des Jugendschutzgesetzes |
|
3.2.3.  Handeln bei Missbrauch
Zielgruppe |
Maßnahme |
Zielsetzung |
Zuständigkeit |
Jugendliche nach „krankenhausreifem“ Alkoholkonsum |
Meldung durch die Krankenhäuser |
Einleitung von Beratungs- und
Hilfsangeboten |
Suchthilfe Jugendschutz ASD |
Einzelhandel |
Härtere Auflagen / Geldbußen bei Verstößen
gegen das Jugendschutz-gesetz |
Unrechtsbewusstsein Umsetzung Jugendschutz |
Ordnungsamt |
Einzelhandel |
Veröffentlichung der Namen von Ketten und
Einzelhändlern bei Mehrfachverkauf |
Unrechtsbewusstsein Umsetzung Jugendschutz |
Fachamt im Ausschuss |
4
Fazit
Diese Ziele und Maßnahmen sind in Hilden nur in der Fläche sinnvoll, da
es zwar Versammlungsorte für Jugendliche gibt, diese aber weder in der
Stetigkeit noch in der Intensität so genutzt werden, dass ein konzentriertes Eingreifen
an nur einem Ort zielführend wäre.
Deshalb gibt es in Hilden seit 2010 die Alkoholtestkäufe, die im
gesamten Stadtgebiet stattfinden. Diese werden jährlich in unregelmäßigen
Abständen wiederholt um so die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu
kontrollieren.
Zusätzlich wurde in
2013 an den Karnevalstagen kontrolliert und Info-Flyer für Jugendliche verteilt.
Darüber hinaus waren die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendförderung
während des Rosenmontages im Zelt des Deutschen Roten Kreuzes anwesend um hier
ggfs. alkoholisierte Jugendliche zu betreuen und Kontakt mit deren Eltern
aufzunehmen.
Die Suchthilfe des
Mühle e.V. bietet neben den Einzelfallhilfen Präventionsprojekte zum Thema
Alkohol an, die z.B. in Schulklassen durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit
der Präventionsstelle der Psychologischen Beratungsstelle wurde das Angebot auf
die Grundschulen erweitert.
Das Netzwerk führte
in 2013 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche als Alternative zu
Brauchtumsfeiern mit dem Ziel der Alkoholprävention durch.
Alkoholisierte
Jugendliche werden bei Einlieferung in das Hildener Krankenhaus der Suchthilfe
gemeldet, so dass im Nachgang eine Einzelfallhilfe anschließen kann.
In Hilden geht es, was Jugendliche betrifft,
weniger um die Eindämmung eines Massenphänomens, als um gezielte Ansprache
einzelner Cliquen und Gruppen, die im Stadtgebiet auffällig werden. Dieses
geschieht sehr intensiv durch die Aufsuchende Jugendarbeit. Das gewonnene
Vertrauen bei den Jugendlichen führt aktuell zu vermehrten Abfragen für eine
Beratung und mögliche Überführung an die Suchthilfe.
Das nun vorliegende Konzept ergänzt die
schon vorhandenen Strukturen und Aktionen, um einen möglichst umfassenden
Ansatz für die Suchtprävention in Hilden zu leisten. Die Erweiterung des
Netzwerkes ist notwendig und stellt eine angemessene Reaktion auf die
Entwicklungen im Gebrauch von Rauschmittel unter Minderjährigen dar.
Aus der Sicht der Jugendförderung ist es
sinnvoll, die gesellschaftlich ambivalente Haltung zum Alkohol auch in den
öffentlichen Diskurs zu bringen. Die kritische
Reflexion des Trinkverhaltens ist eine der vorrangigen Aufgaben, die sich der
Alkoholprävention stellt. Dies betrifft insbesondere Eltern, aber auch andere
Erwachsene, die eine Vorbildfunktion für Jugendliche einnehmen und
unreflektiert Verhaltensweisen vorleben, welche von Kindern dann nachgeahmt
werden.
Horst Thiele
Finanzielle Auswirkungen  Nein
Personelle Auswirkungen:Â Â Nein