Betreff
Konzept 'Alkoholprävention'
Vorlage
WP 09-14 SV 51/271
Aktenzeichen
III/51.2-rk
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt das Konzept zur Alkoholprävention zur Kenntnis.


Erläuterungen und Begründungen:

 

Einleitung

 

Das Freizeitverhalten von Jugendlichen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verändert. Neben der intensiven Nutzung medialer, mobiler Angebote, ist der Konsum von Rauschmitteln und die Art und Weise, wie diese genutzt werden, anders als vor 10 Jahren. In der Öffentlichkeit wird i.d.R. wahrgenommen, dass Jugendliche und Heranwachsende in der Öffentlichkeit „Party machen“ und sich dabei mit verschiedenen Modegetränken betrinken.

Der Markt hat durch das Angebot von billigen hochprozentigen alkoholischen Getränken dazu beigetragen, dass diese Art von Getränken immer und jederzeit verfügbar ist. Um den Effekten dieser Entwicklung zu begegnen und den sinnvollen Umgang mit Alkohol zu fördern, werden verschiedenste Maßnahmen im Folgenden vorgestellt, die aus der Sicht des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes dazu geeignet sind, sowohl im präventiven, begleitenden, als auch reaktivem Bereich durchgeführt zu werden. Hierzu müssen gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge mit beleuchtet werden, da die selektive Betrachtung, nur auf die Zielgruppe Jugendliche, dazu nicht ausreicht.

 

Bei der Entwicklung von alkoholpräventiven Strategien in Deutschland, müssen

folgende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden:

 

·      Alkohol ist eine in Deutschland gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Droge

mit psychoaktiven Wirkungen. Die Wirkungen auf die Emotionalität sind

vielfältig (u.a. Entspannung, Lockerheit bis zur Enthemmung), und ihr Charakter

variiert in Abhängigkeit von der jeweiligen Dosis. Dieser Effekt wird von

Jugendlichen in der Entwicklungsphase der Pubertät sehr geschätzt (Möglichkeit,

aus sich herauszugehen, Kontaktängste zu überwinden/überspielen, gemeinschaftlich in Stimmung zu kommen usw.).

 

·      Alkoholprävention kann vor diesem Hintergrund von Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, rasch als „Spaß verderben“ erlebt werden.

 

·      Der Konsum von alkoholischen Getränken ist bei Erwachsenen innerhalb und

außerhalb der Familie fester Bestandteil der Geselligkeit und des Freizeitverhaltens. Es gibt in der Erwachsenenwelt traditionell viele Trinkanlässe, die Kindern und Jugendlichen unreflektiert vorgelebt werden.

 

·      Die mediale Werbung setzt mit hoher Impulsdichte positive Assoziationen

mit dem Konsum von Alkohol:

-     sich belohnen mit Alkohol (Entspannung/Genuss/Geselligkeit) nach anstrengender Freizeitaktivität oder Arbeit,

-     Wir-Gefühl in einer angesagten Gruppe

-     Lässigkeit, Souveränität, Fröhlichkeit, Spritzigkeit

-     wer das Richtige trinkt, ist nicht einsam, gehört dazu,

-     mit Alkohol kann man gut flirten, Mann/Frau ist attraktiv.

 

·      Alkohol ist in Deutschland täglich nahezu rund um die Uhr im Einzelhandel, an

Tankstellen und in Gaststätten zugänglich.

 

(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention vor Ort“ 2005/2006, S.24)

 

 

1.      Alkoholkonsum in Deutschland

 

Dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung zufolge, werden in Deutschland pro Jahr pro Kopf durchschnittlich 9,6 Liter reiner Alkohol konsumiert (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2013), was z.B. etwa 200 Litern Bier entspricht (Köppert 2011: 35).

Wenngleich die Tendenz gegenüber den Vorjahren leicht rückläufig ist, liegt Deutschland damit im internationalen Vergleich unverändert im oberen Drittel. Die Zahl der erwachsenen Alkoholabhängigen beläuft sich schätzungsweise auf 1,6 Mio. Einwohner und entspricht einem Anteil von 2,4 Prozent der erwachsenen Gesamtbevölkerung (RKI/BZgA 2008, zitiert nach RKI 2012: 140).

 

Der Missbrauch von Alkohol fördert die Entwicklung zahlreicher Krankheiten. So werden unterschiedliche Leiden, wie Leberzirrhose, Herzmuskelerkrankungen, Schädigungen des Gehirns und des peripheren Nervensystems, sowie Entzündungen und zahlreiche Krebserkrankungen durch missbräuchlichen Alkoholkonsum begünstigt (RKI/BZgA 2008: 140). Jedes Jahr sterben in Deutschland über 73.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2012: 18)

 

(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention im öffentlichen Raum“ 2012/2013, S. 9)

 

 

2.      Alkoholkonsum junger Menschen

Alkohol ist der bei Kindern und Jugendlichen am weitesten verbreitete Suchtstoff, obwohl viele von ihnen nach dem Jugendschutzgesetz noch gar keinen Alkohol trinken dürften.

 

Das durchschnittliche Alter beim ersten Alkoholkonsum lag im Jahr 2011 bei 14,5 Jahren; die erste Rauscherfahrung wurde im Mittel mit 15,9 Jahren gemacht (BZgA 2012: 32 f.). Als Motive für Alkoholkonsum werden unter anderem die hohe gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol und ein modernes Spaß- und Partyverständnis, gerade bei jungen Menschen, ausgemacht (Köppert 2011: 42 f.).

 

Nicht wenige Jugendliche trinken Alkohol in einer Intensität oder Häufigkeit, die gesundheitsriskant bis -schädigend ist. Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zeigen, dass vor allem Suchtbelastungen in Familien zu einer erheblichen Suchtgefährdung der betroffenen Kinder und Jugendlichen führen (vgl. Difu 2011: 15; Jordan/Ruths 2009; Klein 2008: 115; 2005; 2001).

 

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) untersucht den Alkoholkonsum junger Menschen in Deutschland bereits seit den 1970er-Jahren mittels regelmäßiger bundesweiter Repräsentativbefragungen. Für die Drogenaffinitätsstudie des Jahres 2011 wurden 5.001 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt. Dabei wurden u.a. folgende Ergebnisse erzielt:

 

 

12 – 17 jährige

18 – 25 jährige

2004

2011

2004

2011

regelmäßiger Konsum

(wöchentlich)

17,9 %

14,2 %

39,8 %

39,8 %

Rauschtrinken

(1 x im Monat > 5 Gläser Alkohol)

22,6 %

15,2 %

43,5 %

41,9 %

häufiges Rauschtrinken

(4 x und mehr im Monat)

6,6 %

3,7 %

14,0 %

12,9 %

 

BZgA, Drogenaffinitätsstudie 2011

 

Der Alkoholkonsum der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren ist rückläufig, trotz allem bleibt der Befund Besorgnis erregend. Wesentliche Gründe für diese Entwicklung sind der gestiegene Preis für Spirituosenmixgetränke durch die Einführung der Alkopopsteuer und ein besseres Wissen über die gesundheitlichen Gefahren.

 

Bei allen hier beschriebenen Konsumindikatoren, ist der Alkoholkonsum bei männlichen höher als bei weiblichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Anders, als Geschlecht und Alter, haben Bildung und soziale Unterschiede hingegen keinen Einfluss auf das Rauschtrinken. Eine Ausnahme bildet jedoch das häufige Rauschtrinken. Dies ist bei Realschülern verbreiteter als bei Gymnasiasten.

(BZgA, Dokumentation „Alkoholprävention im öffentlichen Raum“ 2012/2013, S. 10+11)

 

 

3.      Situationsanalyse Hilden

 

Mit der Suchthilfe des Mühle e.V., einem aktiven Jugendschutz, sowie Stellenanteile für die Präventionsarbeit und einer eigenen Stelle für Aufsuchende Jugendarbeit, verfügt Hilden über ein überdurchschnittlich gutes Netzwerk, das bereits unterschiedliche Angebote und Präventionsprojekte, wie z.B. eine Anti-Drogen-Disco,  durchführt.

 

3.1   Akteure der Alkoholprävention in Hilden

 

Ein umfängliches Konzept für Hilden beinhaltet die interdisziplinäre Vernetzung und Zusammenarbeit verschiedener Fachämter, staatlicher Instanzen und Träger. Dieses geschieht bereits mit dem Netzwerk des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes in Zusammenarbeit mit der Suchthilfe der SPE Mühle, der Polizei, allen Schulen sowie der Präventionsstelle der psychologischen Beratungsstelle sowie dem Ordnungsamt. Bei Bedarf soll der Kreis in Zukunft folgende Akteure umfassen.

 

Verwaltungsintern

Verwaltungsextern

Amt für Jugend Schule und Sport

Schulen

Ordnungsamt

Suchthilfe des Mühle e.V.

 

Einrichtungen der Jugendarbeit

 

Sportvereine

 

Kirchen

 

Fahrschulen

 

Kreisgesundheitsamt

 

Krankenkassen

 

Krankenhäuser

 

Ärzte

 

Selbsthilfegruppen

 

Lokale Medien

 

Einzelhandel

 

Gaststätten

 

Gewerbeaufsicht

 

Polizei

 

Politische Vertretungskörperschaft

 

Die verschiedenen Fachdisziplinen arbeiten übergreifend auf der Grundlage von schriftlichen Vereinbarungen zusammen und bauen unterschiedliche Netzwerke auf.

 

 

3.2 Konzept zum Umgang mit Alkoholkonsum bei Jugendlichen

 

Die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch gelingt nicht allein durch grundsätzliche Verbote. Gefordert ist eher eine verstärkte Präventionsarbeit, die durch eine Kombination von verhaltens- und verhältnispräventiver Maßnahmen und Strategien, sowie regelmäßigen, effektiven Kontrollen und Maßnahmen nach Missbrauch flankiert wird. Folgende Angebote und Maßnahmen sind schon in der Umsetzung oder sind geplant. Die nicht unterlegten Angebote sind in der Umsetzung, die unterlegten Maßnahmen sind in Vorbereitung/Planung.

 

3.2.1     Prävention

 

Zielgruppe

Maßnahme

Zielsetzung

Zuständigkeit

Klassen 4,5,6

Kurse

Stärkung des Selbstbewusstseins

Sensibilisierung für den eigenen Körper

Anhebung der Frustrationstoleranz

Abgrenzungsfähigkeit

Gruppenverantwortung

Erz. Kinder- und Jugendschutz

Suchthilfe

Projektanbieter

Klasse 7 + 8

Informationsver-

anstaltungen in Begleitung mit jungen Erwachsenen mit Suchterfahrung

Sensibilisierung für Gewohnheiten und Verhaltensweisen im Umgang mit erlaubten und nicht erlaubten Suchtmitteln

Suchthilfe

Jugendliche ab 12 Jahren

Info- und Hilfeflyer

Hilfemöglichkeiten und Anlaufstellen bekannt machen

AJA

Eltern der Jahrgänge 5+6

Elternbrief + Infoveranstaltungen

Sensibilisierung und Information über Jugendschutzbestimmungen

Präventionsstelle

Erz. Kinder- und Jugendschutz

Schulpersonal

Gastronomie

und Verkaufsstellen

Positivkampagne mit Flyern und Plakaten

Zertifizierungen

Einhaltung des Kinder- und Jugendschutzes

Erz. Kinder- und

Jugendschutz

Vereine

Stadtmarketing

Gesellschaft

Unterdrückung intensiver Alkoholwerbung im öffentlichen Raum vor Veranstaltungen und Brauchtum

 

Erz. Kinder- und

Jugendschutz

Ordnungsamt

Verwaltungsspitze

Stadtrat

 

 

 

3.2.2     Begleitende Maßnahmen

 

Zielgruppe

Maßnahmen

Zielsetzung

Zuständigkeit

Schüler

regelmäßiges Beratungsangebot an Schulen

niederschwellige Erreichbarkeit

Suchthilfe

Schulsozialarbeit

Jugendliche im öffentlichen Raum

mobiles Beratungsangebot

niederschwellige Erreichbarkeit

AJA

Suchthilfe

Lehrer

Multiplikatoren-schulung

Früherkennung von Symptomen nach Gebrauch von Suchtmitteln

Suchthilfe

Pädagogisches Zentrum

Besucher von Brauchtum und Feierlichkeiten

Benennung und Schulung von gleichaltrigen Ansprechpartnern (Peers)

direkter und niederschwelliger Kontakt bei Großveranstaltungen

Organisatoren der jeweiligen Aktivitäten

Verkaufspersonal und Vereine

Schulungsangebote

Sensibilisierung

Fundiertes Wissen und sichere Umsetzung des Jugendschutzgesetzes

 

 

 

 

3.2.3.   Handeln bei Missbrauch

 

Zielgruppe

Maßnahme

Zielsetzung

Zuständigkeit

Jugendliche nach „krankenhausreifem“

Alkoholkonsum

Meldung durch die Krankenhäuser

Einleitung von Beratungs- und Hilfsangeboten

Suchthilfe

Jugendschutz

ASD

Einzelhandel

Härtere Auflagen / Geldbußen bei Verstößen gegen das Jugendschutz-gesetz

Unrechtsbewusstsein

Umsetzung Jugendschutz

Ordnungsamt

Einzelhandel

Veröffentlichung der Namen von Ketten und Einzelhändlern bei Mehrfachverkauf

Unrechtsbewusstsein

Umsetzung Jugendschutz

Fachamt im Ausschuss

 

 

4             Fazit

 

Diese Ziele und Maßnahmen sind in Hilden nur in der Fläche sinnvoll, da es zwar Versammlungsorte für Jugendliche gibt, diese aber weder in der Stetigkeit noch in der Intensität so genutzt werden, dass ein konzentriertes Eingreifen an nur einem Ort zielführend wäre.

 

Deshalb gibt es in Hilden seit 2010 die Alkoholtestkäufe, die im gesamten Stadtgebiet stattfinden. Diese werden jährlich in unregelmäßigen Abständen wiederholt um so die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu kontrollieren.

 

Zusätzlich wurde in 2013 an den Karnevalstagen kontrolliert und Info-Flyer für Jugendliche verteilt. Darüber hinaus waren die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendförderung während des Rosenmontages im Zelt des Deutschen Roten Kreuzes anwesend um hier ggfs. alkoholisierte Jugendliche zu betreuen und Kontakt mit deren Eltern aufzunehmen.

 

Die Suchthilfe des Mühle e.V. bietet neben den Einzelfallhilfen Präventionsprojekte zum Thema Alkohol an, die z.B. in Schulklassen durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit der Präventionsstelle der Psychologischen Beratungsstelle wurde das Angebot auf die Grundschulen erweitert.

 

Das Netzwerk führte in 2013 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche als Alternative zu Brauchtumsfeiern mit dem Ziel der Alkoholprävention durch.

 

Alkoholisierte Jugendliche werden bei Einlieferung in das Hildener Krankenhaus der Suchthilfe gemeldet, so dass im Nachgang eine Einzelfallhilfe anschließen kann.

 

In Hilden geht es, was Jugendliche betrifft, weniger um die Eindämmung eines Massenphänomens, als um gezielte Ansprache einzelner Cliquen und Gruppen, die im Stadtgebiet auffällig werden. Dieses geschieht sehr intensiv durch die Aufsuchende Jugendarbeit. Das gewonnene Vertrauen bei den Jugendlichen führt aktuell zu vermehrten Abfragen für eine Beratung und mögliche Überführung an die Suchthilfe.

 

Das nun vorliegende Konzept ergänzt die schon vorhandenen Strukturen und Aktionen, um einen möglichst umfassenden Ansatz für die Suchtprävention in Hilden zu leisten. Die Erweiterung des Netzwerkes ist notwendig und stellt eine angemessene Reaktion auf die Entwicklungen im Gebrauch von Rauschmittel unter Minderjährigen dar.

 

Aus der Sicht der Jugendförderung ist es sinnvoll, die gesellschaftlich ambivalente Haltung zum Alkohol auch in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Die kritische Reflexion des Trinkverhaltens ist eine der vorrangigen Aufgaben, die sich der Alkoholprävention stellt. Dies betrifft insbesondere Eltern, aber auch andere Erwachsene, die eine Vorbildfunktion für Jugendliche einnehmen und unreflektiert Verhaltensweisen vorleben, welche von Kindern dann nachgeahmt werden.

 

Horst Thiele

 


 

Finanzielle Auswirkungen   Nein

 


Personelle Auswirkungen:   Nein