Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht des Pflegekinderdienstes zur
Umsetzung des Optimierungskonzeptes vom 05.06.2008 zur Kenntnis.
Erläuterungen und Begründungen:
Auswertung des Pflegekinderdienstes
(PKD) zur Sitzungsvorlage Nr. 51/347, Konzept für Pflegefamilien, Antrag der
CDU-Fraktion
Ausgehend von einem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zum Haushaltsplan 2008 wurde dem Jugendhilfeausschuss in der Sitzung vom 05.06.2008 (SV 51/347) eine Analyse der Situation im Bereich des Pflegekinderdienstes und ein Konzept zur qualitativen Optimierung der Hilfen im Bereich der Vollzeitpflege vorgelegt. Dieses Konzept wurde vom Jugendhilfeausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen. Über den Umsetzungsstand des Optimierungskonzeptes und die damit einhergehenden Praxiserfahrungen wird nachfolgend berichtet.
Umsetzungsverlauf und strukturelle Rahmenbedingungen
Die Optimierungsansätze des bindungsorientierten Betreuungskonzeptes
gliedern sich in die Phasen „Vor der Vermittlung“, „Anfangsphase“, Pubertäts-
und Ablösephase“ und „Krisen“. Angedachte Maßnahmen (linke Spalte), sowie
Umsetzungsstand und Praxiserfahrungen (rechte Spalte) werden nachfolgend
entlang dieses Phasengerüstes dargestellt.
Vorausgeschickt werden muss, dass bis Juni 2009, also bis zur
Auslagerung des Arbeitsbereiches Kindertagespflege in den Bereich
Kindertagseinrichtungen erhebliche Zeitressourcen durch diese
Aufgabenwahrnehmung gebunden wurden. Dieser Umstand ging zu Lasten der
Arbeitsfelder Vollzeitpflege und Adoption und tangierte somit auch die
angestrebte Umsetzung des vorgestellten Konzeptes. Trotz der reduzierten
Ressourcen wurden vom PKD die beschriebenen Ansätze soweit wie möglich in die
Praxis umgesetzt, zudem wird seit Sommer 2009 gezielt in die qualitative
Weiterentwicklung intensiviert.
Umsetzungsstand der Optimierungsansätze
1. Phase: Vor
der Vermittlung |
Ziel: Reduktion von Abbrüchen, passgenaue Vermittlung |
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Bereits vor der eigentlichen Vermittlung müssen die entsprechenden
Weichen gestellt werden, damit in der Anfangsphase ein gelingender
Beziehungsaufbau und die erfolgreiche Integration des Pflegekindes in das
Familiensystem erfolgen kann. Parallel muss die Trennung des Kindes von der
Herkunftsfamilie begleitet werden. Pflegeeltern und Pflegekinder werden auf
diese Situation bestmöglich vorbereitet. Nicht immer kann bei der Vermittlung
eines Pflegekindes festgestellt werden, welche Schädigung das Kind in der
Vergangenheit erlitten hat, dieses Wissen ist jedoch für eine passgenaue und
gelingende Vermittlung ganz wesentlich. |
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Vorausgehende Diagnostik für jedes zu vermittelnde Kind |
Bisher wird eine ausführliche psychosoziale Diagnostik des PKD in
Kooperation mit dem ASD durchgeführt. Weiterhin wäre eine ergänzende entwicklungspsychologische Diagnostik
sowie eine Untersuchung des physischen Entwicklungsstandes angezeigt. Dies
ist geplant und wird Ende des Jahres umgesetzt werden können. Diesbezüglich
müssen auch erweiterte Vermittlungsstandards zwischen ASD und PKD erarbeitet
werden. |
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2. Phase:
Anfangsphase |
Ziel: Schaffung einer tragfähigen Basis, Reduktion von Abbrüchen,
Sicherstellung einer optimierten Förderung des Kindes |
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Die Anfangsphase ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen
eines Pflegeverhältnisses. Sowohl Pflegeeltern, als auch Kinder brauchen
professionelle auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützungsangebote zum
erfolgreichen Aufbau einer tragfähigen und auf Dauer angelegten Beziehung. |
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Supervisionsangebot für Pflegeeltern in der Eingewöhnung |
Dieses neue Angebot wurde installiert und auch genutzt, allerdings
nicht wie ursprünglich angedacht zu Beginn, sondern in späteren Phasen des
Pflegeverhältnisses. Es stellte sich heraus, dass zu Beginn das
Hauptaugenmerk auf dem Kennenlernen aller Beteiligten untereinander liegt und
der Eingewöhnung des Pflegekindes in der Familie dient. Eltern wird dieses
Angebot jedoch weiterhin offeriert, bzw. bei durch die Fachkräfte
festgestelltem Bedarf auch installiert. |
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Aufarbeitung der Trennung von der Herkunftsfamilie |
Nach der Eingewöhnungsphase werden durch den PKD monatlich
stattfindende Besuchskontakte sichergestellt und begleitet. Dadurch ist auch
für den PKD ein intensiverer Einblick in das Pflegeverhältnis gegeben, so
dass auftretende Probleme schneller erkannt und bearbeitet werden können. |
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Förderkonzepte/Prävention |
Förderkonzepte wurden in Zusammenarbeit mit der Heilpädagogischen
Praxis in Einzelfällen durchgeführt und finanziert. Hilfen für konkrete Krisenbewältigung werden verstärkt durch den PKD
angeboten oder im Rahmen von z.B. flexibler Erziehungshilfe oder Supervision
gewährt. Der Bereich Fort- und Weiterbildung wird derzeit durch den PKD
intensiv ausgebaut. Aktuell findet in Kooperation mit kreisangehörigen Städten ein
Vorbereitungsseminar für zukünftige Pflegeeltern statt. Dieses Seminar
erstreckt sich über 5 Wochenend-Tagesveranstaltungen, in denen die
potentiellen Pflegeeltern intensiv auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet
werden. Ein themenzentriertes Pflegefamilienseminar in Form eines
erlebnispädagogisch orientierten Wochenendes findet ebenfalls in diesem Jahr
statt. Am 23.06 2008 hat eine vom PKD initiierte und organisierte Lesung von
Herrn Charly Kowalczyk, Radiojournalist und Buchautor, stattgefunden. Er hat
aus seinem Buch „Mit fremden Kindern leben. Adoptiv- und Pflegeeltern
erzählen“ vorgelesen. Herr Kowalczyk ist selbst Vater zweier Pflegekinder.
Diese Lesung war auch offen für Pflegefamilien der kreisangehörigen Städte. 2010 ist zudem ein Elternkompetenztraining „Starke Eltern - Starke
Kinder“ unter besonderer Berücksichtigung der Pflegefamiliensituation in
Planung. Dieser Kurs besteht aus 10 Seminareinheiten und soll die Erziehungskompetenz
der Pflegeeltern stärken. Bei Bedarf ist eine Weiterführung des Kurses für
die schwierige Phase der Pubertät möglich; hierzu gibt es bereits ein
ausgearbeitetes Konzept. |
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3.
Phase: Pubertäts- und
Ablösephase |
Ziel: Reduktion von Abbrüchen, Vorbereitung einer erfolgreichen
Ablösung |
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In der Pubertäts- und Ablösephase verstärkt sich die Identitätssuche
und damit auch die Frage nach der eigenen Herkunft. Parallel hierzu treten
vielfältige Konflikte im Rahmen der Abgrenzung und Loslösung von der
(Pflege-)Familie auf. Diese ohnehin schwierige Entwicklungsphase geht für
Pflegefamilien mit zusätzlichen Belastungen einher. Pflegeeltern sollten mit
Beginn dieser Phase auf die aufkommenden Probleme im Rahmen von Gruppen- und
Einzelangeboten gezielt vorbereitet werden. |
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Gruppen- und Supervisionsangebote für Pflegeltern zu Beginn der Pubertätsphase
des Kindes |
Ein Bedarf nach Gruppenangeboten wurde von den Pflegefamilien bisher,
auch auf Nachfrage, nicht artikuliert. Die Familien präferierten individuelle
Beratungsangebote des PKD. Es wurde deutlich, dass dieses Themenfeld nicht
umfassend durch ein Gruppenangebot abgedeckt werden kann; die einzelnen
Problemfelder der betroffenen Familien waren – trotz gleicher Ursache– sehr
unterschiedlich und individuell – eine Bündelung durch ein Gruppenangebot
hätte den Beratungsbedarf in keinem der Fälle ausreichend abgedeckt. Der PKD
nimmt daher von seinem Vorhaben, hierzu ein spezielles Gruppenangebot
durchzuführen, vorerst Abstand. |
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4. Phase: Krisen |
Ziel: Reduktion von Abbrüchen, Erfolgreiche Krisenbewältigung,
Schaffung von Perspektiven |
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Krisen können in Pflegefamilien aufgrund der besonderen
Konstellationen in besonderer Häufigkeit und Intensität auftreten.
Pflegeeltern und auch Pflegekinder sollen in diesen Fällen zeitnah fachlich
versierte Hilfe und Unterstützung erhalten. |
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Supervision u. flexible Hilfen, syst. Familienarbeit |
In einigen Fällen genügt für ein Wieder-zusammen-Finden eine zeitlich
begrenzte Auszeit. Diese Zeit nutzt der Pflegekinderdienst, um eine
Perspektivklärung mit Pflegekind und Pflegeeltern zu erarbeiten, bestehende
Konflikte aufzudecken und zu bearbeiten. Je nach Ergebnis kehren Pflegekinder
im Anschluss wieder zurück in die Familie oder müssen in einem anderen
Setting aufgefangen werden. Häufig werden Pflegekinder, die nicht zurück
gehen (können), weiter vom PKD im Rahmen der Verselbständigung betreut, um
hier eine Beziehungs- und Betreuungskontinuität zu sichern. Das Angebot, in dieser Phase Supervision in Anspruch zu nehmen, wurde
von Pflegeeltern genutzt, ebenso das Angebot der Trauerarbeit. Trauerarbeit konnte u.a. genutzt werden, um mit den betroffenen
Pflegekindern z.B. den Todesfall einer Pflegemutter bzw. den Tod beider
leiblichen Elternteile zu bearbeiten. Das Angebot der Flexiblen Hilfen wurde von verschiedenen
Pflegefamilien im Rahmen der Krisenintervention und zur Vermeidung von
Abbrüchen des Pflegeverhältnisses genutzt. Dieses Angebot basiert auf dem
Ansatz der systemischen Familientherapie und bietet für einen begrenzten
Zeitraum mit hohem Stundenkontingent die Möglichkeit, methodisch und
prozesshaft die Gründe für die krisenhafte Situation zu analysieren und den
Weg für eine Weiterarbeit mit der Familie zu ebnen. Die Erfahrungen des PKD machen deutlich, dass (insbesondere pubertäre)
Krisen in Pflegeverhältnissen, aufgrund der doppelten Elternschaft,
intensiver zu Tage treten. Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien müssen
sich mit vielfältigeren Problemfeldern auseinandersetzen als Kinder in ihren
Herkunftsfamilien. Dies umfasst Loyalitätskonflikte, Zugehörigkeitsgefühl
versus Abgrenzung, insbesondere frühkindliche, traumatische Erfahrungen
treten in der Phase der Ich-Findung verstärkt hervor. Somit ist eine
frühzeitige Ablösung im Sinne der Verselbständigung nicht immer als Scheitern
des Pflegeverhältnisses zu bewerten, sondern als notwendige Distanz, die in
Folge jedoch wieder zu mehr Nähe zwischen dem Pflegekind und den Pflegeeltern
führen kann. |
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Bedeutung des informellen Austausches
In der täglichen Arbeit wird immer wieder deutlich, dass die
Pflegeeltern einen hohen Bedarf an informellem Austausch haben. Daher bietet
der Pflegekinderdienst hierzu verschiedenste Foren an:
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regelmäßig stattfindender Pflegeelternstammtisch
unter Leitung der PKD-Mitarbeiterinnen
-
Tagesveranstaltungen mit Möglichkeit des
persönlichen Austauschs unter den Pflege- und Adoptivfamilien und
Kontaktmöglichkeit der Pflege- und Adoptivkinder untereinander.
Weiterer Optimierungsansatz
Der PKD unterstützt den biographie-orientierten Ansatz, d.h. dass ein
regelmäßiger Kontakt zwischen Pflegekind und Geburtsfamilie zu fördern ist. In
der Vergangenheit wurden Besuchskontakte zwischen Kind und Geburtsfamilie nicht
durch die Pflegekinderdienste begleitet. Pflegeeltern, Kind und leibliche
Eltern haben die zuvor festgelegten Besuchstermine in eigener Verantwortung
gestaltet. Das Fehlen einer fachlichen Begleitung führte jedoch oftmals zu sehr
belastenden Situationen für alle Beteiligte. Vor allem für das Pflegekind
entstanden retraumatisierende Situationen durch mangelnden Schutz; die
Pflegeeltern waren in Besuchssituationen oft überfordert. Im Ergebnis werden
daher bei allen Neuvermittlungen die Besuchskontakte durch den PKD in neutralen
Räumen begleitet. Durch diese Art des Kontaktes erhält der PKD Einblick in die
Beziehungsstrukturen der Beteiligten untereinander. Innerhalb der
Besuchskontakte versucht der PKD, auf einen konfliktfreien Umgang der
Beteiligten miteinander hinzuarbeiten.
Fazit:
Durch den weiteren Ausbau des umfangreichen Betreuungs- Unterstützungs-
und Weiterbildungsangebotes des Pflegekinderdienstes konnten Pflegeverhältnisse
gestärkt bzw. geordnet beendet werden. Weiterhin ist das Ziel des PKD’s, alle
vom ASD gestellten Anfragen auf Unterbringung in eine Pflegefamilie zu prüfen
und die Kinder in geeignete Pflegefamilien unterzubringen. Der PKD ist auch
zukünftig bemüht, alle Arbeitsbereiche wie oben beschrieben, durch kontinuierliche
Evaluierung zu optimieren. Weitere, auch quantitative Optimierungsansätze (u.a
Erhöhung der Anzahl potentieller Pflegefamilien, Pflegefamilien für spezifische
Bedarfe etc.) werden derzeit intern formuliert und sukzessive eingeführt. Der
Jugendhilfeausschuss wird über diesbezügliche Veränderungen nach einer
Erprobungsphase erneut informiert werden.
Finanzielle Auswirkungen
Nein
Personelle Auswirkungen
Nein