Betreff
Bericht über die Aktivitäten des Pflegekinderdienstes
Vorlage
WP 09-14 SV 51/030
Aktenzeichen
III/51/Scha/Au
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht des Pflegekinderdienstes zur Umsetzung des Optimierungskonzeptes vom 05.06.2008 zur Kenntnis.

 

 


Erläuterungen und Begründungen:

 

 

Auswertung des Pflegekinderdienstes (PKD) zur Sitzungsvorlage Nr. 51/347, Konzept für Pflegefamilien, Antrag der CDU-Fraktion

 

 

Ausgehend von einem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zum Haushaltsplan 2008 wurde dem Jugendhilfeausschuss in der Sitzung vom 05.06.2008 (SV 51/347) eine Analyse der Situation im Bereich des Pflegekinderdienstes und ein Konzept zur qualitativen Optimierung der Hilfen im Bereich der Vollzeitpflege vorgelegt. Dieses Konzept wurde vom Jugendhilfeausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen. Über den Umsetzungsstand des Optimierungskonzeptes und die damit einhergehenden Praxiserfahrungen wird nachfolgend berichtet.

 

 

Umsetzungsverlauf und strukturelle Rahmenbedingungen

 

Die Optimierungsansätze des bindungsorientierten Betreuungskonzeptes gliedern sich in die Phasen „Vor der Vermittlung“, „Anfangsphase“, Pubertäts- und Ablösephase“ und „Krisen“. Angedachte Maßnahmen (linke Spalte), sowie Umsetzungsstand und Praxiserfahrungen (rechte Spalte) werden nachfolgend entlang dieses Phasengerüstes dargestellt.

 

Vorausgeschickt werden muss, dass bis Juni 2009, also bis zur Auslagerung des Arbeitsbereiches Kindertagespflege in den Bereich Kindertagseinrichtungen erhebliche Zeitressourcen durch diese Aufgabenwahrnehmung gebunden wurden. Dieser Umstand ging zu Lasten der Arbeitsfelder Vollzeitpflege und Adoption und tangierte somit auch die angestrebte Umsetzung des vorgestellten Konzeptes. Trotz der reduzierten Ressourcen wurden vom PKD die beschriebenen Ansätze soweit wie möglich in die Praxis umgesetzt, zudem wird seit Sommer 2009 gezielt in die qualitative Weiterentwicklung intensiviert.

 

 

 

Umsetzungsstand der Optimierungsansätze

 

1. Phase: Vor der Vermittlung

Ziel: Reduktion von Abbrüchen, passgenaue Vermittlung

Bereits vor der eigentlichen Vermittlung müssen die entsprechenden Weichen gestellt werden, damit in der Anfangsphase ein gelingender Beziehungsaufbau und die erfolgreiche Integration des Pflegekindes in das Familiensystem erfolgen kann. Parallel muss die Trennung des Kindes von der Herkunftsfamilie begleitet werden. Pflegeeltern und Pflegekinder werden auf diese Situation bestmöglich vorbereitet. Nicht immer kann bei der Vermittlung eines Pflegekindes festgestellt werden, welche Schädigung das Kind in der Vergangenheit erlitten hat, dieses Wissen ist jedoch für eine passgenaue und gelingende Vermittlung ganz wesentlich.

Vorausgehende Diagnostik für

jedes zu vermittelnde Kind

Bisher wird eine ausführliche psychosoziale Diagnostik des PKD in Kooperation mit dem ASD durchgeführt.

 

Weiterhin wäre eine ergänzende entwicklungspsychologische Diagnostik sowie eine Untersuchung des physischen Entwicklungsstandes angezeigt. Dies ist geplant und wird Ende des Jahres umgesetzt werden können. Diesbezüglich müssen auch erweiterte Vermittlungsstandards zwischen ASD und PKD erarbeitet werden.

 

 

2. Phase: Anfangsphase

Ziel: Schaffung einer tragfähigen Basis, Reduktion von Abbrüchen, Sicherstellung einer optimierten Förderung des Kindes 

 

Die Anfangsphase ist von entscheidender Bedeutung für das Gelingen eines Pflegeverhältnisses. Sowohl Pflegeeltern, als auch Kinder brauchen professionelle auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützungsangebote zum erfolgreichen Aufbau einer tragfähigen und auf Dauer angelegten Beziehung.  

 

Supervisionsangebot für Pflegeeltern in der Eingewöhnung

 

Dieses neue Angebot wurde installiert und auch genutzt, allerdings nicht wie ursprünglich angedacht zu Beginn, sondern in späteren Phasen des Pflegeverhältnisses. Es stellte sich heraus, dass zu Beginn das Hauptaugenmerk auf dem Kennenlernen aller Beteiligten untereinander liegt und der Eingewöhnung des Pflegekindes in der Familie dient. Eltern wird dieses Angebot jedoch weiterhin offeriert, bzw. bei durch die Fachkräfte festgestelltem Bedarf auch installiert.

 

Aufarbeitung der Trennung von der Herkunftsfamilie

Nach der Eingewöhnungsphase werden durch den PKD monatlich stattfindende Besuchskontakte sichergestellt und begleitet. Dadurch ist auch für den PKD ein intensiverer Einblick in das Pflegeverhältnis gegeben, so dass auftretende Probleme schneller erkannt und bearbeitet werden können.

 

Förderkonzepte/Prävention

Förderkonzepte wurden in Zusammenarbeit mit der Heilpädagogischen Praxis in Einzelfällen durchgeführt und finanziert.

Hilfen für konkrete Krisenbewältigung werden verstärkt durch den PKD angeboten oder im Rahmen von z.B. flexibler Erziehungshilfe oder Supervision gewährt.

 

Der Bereich Fort- und Weiterbildung wird derzeit durch den PKD intensiv ausgebaut.

Aktuell findet in Kooperation mit kreisangehörigen Städten ein Vorbereitungsseminar für zukünftige Pflegeeltern statt. Dieses Seminar erstreckt sich über 5 Wochenend-Tagesveranstaltungen, in denen die potentiellen Pflegeeltern intensiv auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet werden. Ein themenzentriertes Pflegefamilienseminar in Form eines erlebnispädagogisch orientierten Wochenendes findet ebenfalls in diesem Jahr statt.

Am 23.06 2008 hat eine vom PKD initiierte und organisierte Lesung von Herrn Charly Kowalczyk, Radiojournalist und Buchautor, stattgefunden. Er hat aus seinem Buch „Mit fremden Kindern leben. Adoptiv- und Pflegeeltern erzählen“ vorgelesen. Herr Kowalczyk ist selbst Vater zweier Pflegekinder. Diese Lesung war auch offen für Pflegefamilien der kreisangehörigen Städte.

2010 ist zudem ein Elternkompetenztraining „Starke Eltern - Starke Kinder“ unter besonderer Berücksichtigung der Pflegefamiliensituation in Planung. Dieser Kurs besteht aus 10 Seminareinheiten und soll die Erziehungskompetenz der Pflegeeltern stärken. Bei Bedarf ist eine Weiterführung des Kurses für die schwierige Phase der Pubertät möglich; hierzu gibt es bereits ein ausgearbeitetes Konzept.

 


3.      Phase:

Pubertäts- und Ablösephase

Ziel: Reduktion von Abbrüchen, Vorbereitung einer erfolgreichen Ablösung

 

In der Pubertäts- und Ablösephase verstärkt sich die Identitätssuche und damit auch die Frage nach der eigenen Herkunft. Parallel hierzu treten vielfältige Konflikte im Rahmen der Abgrenzung und Loslösung von der (Pflege-)Familie auf. Diese ohnehin schwierige Entwicklungsphase geht für Pflegefamilien mit zusätzlichen Belastungen einher. Pflegeeltern sollten mit Beginn dieser Phase auf die aufkommenden Probleme im Rahmen von Gruppen- und Einzelangeboten gezielt vorbereitet werden.

 

Gruppen- und Supervisionsangebote für Pflegeltern zu Beginn der Pubertätsphase des Kindes

Ein Bedarf nach Gruppenangeboten wurde von den Pflegefamilien bisher, auch auf Nachfrage, nicht artikuliert. Die Familien präferierten individuelle Beratungsangebote des PKD. Es wurde deutlich, dass dieses Themenfeld nicht umfassend durch ein Gruppenangebot abgedeckt werden kann; die einzelnen Problemfelder der betroffenen Familien waren – trotz gleicher Ursache– sehr unterschiedlich und individuell – eine Bündelung durch ein Gruppenangebot hätte den Beratungsbedarf in keinem der Fälle ausreichend abgedeckt. Der PKD nimmt daher von seinem Vorhaben, hierzu ein spezielles Gruppenangebot durchzuführen, vorerst Abstand.

 

 

 

 

4. Phase: Krisen

Ziel: Reduktion von Abbrüchen, Erfolgreiche Krisenbewältigung, Schaffung von Perspektiven

 

Krisen können in Pflegefamilien aufgrund der besonderen Konstellationen in besonderer Häufigkeit und Intensität auftreten. Pflegeeltern und auch Pflegekinder sollen in diesen Fällen zeitnah fachlich versierte Hilfe und Unterstützung erhalten.

 

Supervision u. flexible Hilfen,

syst. Familienarbeit

In einigen Fällen genügt für ein Wieder-zusammen-Finden eine zeitlich begrenzte Auszeit. Diese Zeit nutzt der Pflegekinderdienst, um eine Perspektivklärung mit Pflegekind und Pflegeeltern zu erarbeiten, bestehende Konflikte aufzudecken und zu bearbeiten. Je nach Ergebnis kehren Pflegekinder im Anschluss wieder zurück in die Familie oder müssen in einem anderen Setting aufgefangen werden. Häufig werden Pflegekinder, die nicht zurück gehen (können), weiter vom PKD im Rahmen der Verselbständigung betreut, um hier eine Beziehungs- und Betreuungskontinuität zu sichern.

 

Das Angebot, in dieser Phase Supervision in Anspruch zu nehmen, wurde von Pflegeeltern genutzt, ebenso das Angebot der Trauerarbeit.

Trauerarbeit konnte u.a. genutzt werden, um mit den betroffenen Pflegekindern z.B. den Todesfall einer Pflegemutter bzw. den Tod beider leiblichen Elternteile zu bearbeiten.

Das Angebot der Flexiblen Hilfen wurde von verschiedenen Pflegefamilien im Rahmen der Krisenintervention und zur Vermeidung von Abbrüchen des Pflegeverhältnisses genutzt. Dieses Angebot basiert auf dem Ansatz der systemischen Familientherapie und bietet für einen begrenzten Zeitraum mit hohem Stundenkontingent die Möglichkeit, methodisch und prozesshaft die Gründe für die krisenhafte Situation zu analysieren und den Weg für eine Weiterarbeit mit der Familie zu ebnen.

Die Erfahrungen des PKD machen deutlich, dass (insbesondere pubertäre) Krisen in Pflegeverhältnissen, aufgrund der doppelten Elternschaft, intensiver zu Tage treten. Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien müssen sich mit vielfältigeren Problemfeldern auseinandersetzen als Kinder in ihren Herkunftsfamilien. Dies umfasst Loyalitätskonflikte, Zugehörigkeitsgefühl versus Abgrenzung, insbesondere frühkindliche, traumatische Erfahrungen treten in der Phase der Ich-Findung verstärkt hervor. Somit ist eine frühzeitige Ablösung im Sinne der Verselbständigung nicht immer als Scheitern des Pflegeverhältnisses zu bewerten, sondern als notwendige Distanz, die in Folge jedoch wieder zu mehr Nähe zwischen dem Pflegekind und den Pflegeeltern führen kann.

 

 

 

 

Bedeutung des informellen Austausches

 

In der täglichen Arbeit wird immer wieder deutlich, dass die Pflegeeltern einen hohen Bedarf an informellem Austausch haben. Daher bietet der Pflegekinderdienst hierzu verschiedenste Foren an:

-          regelmäßig stattfindender Pflegeelternstammtisch unter Leitung der PKD-Mitarbeiterinnen

-          Tagesveranstaltungen mit Möglichkeit des persönlichen Austauschs unter den Pflege- und Adoptivfamilien und Kontaktmöglichkeit der Pflege- und Adoptivkinder untereinander.

 

Weiterer Optimierungsansatz

    

Der PKD unterstützt den biographie-orientierten Ansatz, d.h. dass ein regelmäßiger Kontakt zwischen Pflegekind und Geburtsfamilie zu fördern ist. In der Vergangenheit wurden Besuchskontakte zwischen Kind und Geburtsfamilie nicht durch die Pflegekinderdienste begleitet. Pflegeeltern, Kind und leibliche Eltern haben die zuvor festgelegten Besuchstermine in eigener Verantwortung gestaltet. Das Fehlen einer fachlichen Begleitung führte jedoch oftmals zu sehr belastenden Situationen für alle Beteiligte. Vor allem für das Pflegekind entstanden retraumatisierende Situationen durch mangelnden Schutz; die Pflegeeltern waren in Besuchssituationen oft überfordert. Im Ergebnis werden daher bei allen Neuvermittlungen die Besuchskontakte durch den PKD in neutralen Räumen begleitet. Durch diese Art des Kontaktes erhält der PKD Einblick in die Beziehungsstrukturen der Beteiligten untereinander. Innerhalb der Besuchskontakte versucht der PKD, auf einen konfliktfreien Umgang der Beteiligten miteinander hinzuarbeiten.

 

 

Fazit:

Durch den weiteren Ausbau des umfangreichen Betreuungs- Unterstützungs- und Weiterbildungsangebotes des Pflegekinderdienstes konnten Pflegeverhältnisse gestärkt bzw. geordnet beendet werden. Weiterhin ist das Ziel des PKD’s, alle vom ASD gestellten Anfragen auf Unterbringung in eine Pflegefamilie zu prüfen und die Kinder in geeignete Pflegefamilien unterzubringen. Der PKD ist auch zukünftig bemüht, alle Arbeitsbereiche wie oben beschrieben, durch kontinuierliche Evaluierung zu optimieren. Weitere, auch quantitative Optimierungsansätze (u.a Erhöhung der Anzahl potentieller Pflegefamilien, Pflegefamilien für spezifische Bedarfe etc.) werden derzeit intern formuliert und sukzessive eingeführt. Der Jugendhilfeausschuss wird über diesbezügliche Veränderungen nach einer Erprobungsphase erneut informiert werden.

 

 

Horst Thiele

 


Finanzielle Auswirkungen  

 

Nein


Personelle Auswirkungen

 

Nein